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„Bisher nichts investiert“: Aussage von AfD-Chef Chrupalla zu Sondervermögen der Bundeswehr ist falsch
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AfD-Vorsitzender Tino Chrupalla behauptet im ZDF, vom 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen sei noch nichts in die Bundeswehr investiert worden. Doch laut Verteidigungsministerium ist fast das gesamte Geld gebunden. von Paulina Thom Am 26. Oktober war der Co-Vorsitzende der AfD-Fraktion, Tino Chrupalla, zu Gast beim ZDF. Thema der Sendung „Berlin Direkt“ war unter anderem die außen- und verteidigungspolitische Linie der Partei. Die AfD-Fraktion teilte einen etwa zweiminütigen Ausschnitt des Interviews auf ihren Social-Media-Kanälen, die Clips haben teils hunderttausende Aufrufe und zehntausende Likes. Neben vielen Meinungsäußerungen fällt darin ein Satz, der stutzig macht. Über das 2022 beschlossene 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr sagt der AfD-Politiker: „Bislang ist kein einziger Pfennig in die Bundeswehr investiert worden aus diesem Sondervermögen.“ Damit liegt Chrupalla falsch. Ende 2024 meldete das Beschaffungsamt der Bundeswehr, dass die 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen „praktisch vollständig in Verträge mit der wehrtechnischen Industrie gebunden“ seien. Das Sondervermögen war nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine von Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner „Zeitenwende-Rede“ angekündigt worden. Im Juli 2022 wurde das Gesetz zum Sondervermögen beschlossen, es darf demnach nur für Rüstungsvorhaben verwendet werden. Eine offizielle Liste zu den Investitionen aus dem Sondervermögen veröffentlicht das Verteidigungsministerium nicht – auch nicht auf unsere Nachfrage. Eine Sprecherin schreibt uns: „Das Sondervermögen Bundeswehr ist aktuell zu rund 87 Prozent gebunden. Die noch offenen rund 13 Milliarden Euro werden schnellstmöglich für weitere, bereits geplante anstehende Vertragsabschlüsse verwendet. Das Sondervermögen Bundeswehr ist also zu 100 Prozent verplant.“ Das Ministerium gehe davon aus, dass das Sondervermögen im Jahr 2027 nahezu vollständig verausgabt sein werde. Ein Faktor für den zeitlichen Aufwand: Kostet eine Beschaffung mehr als 25 Millionen Euro, muss sie vom Haushaltsausschuss des Bundestags gebilligt werden – das legt Paragraph 5 des Gesetzes fest. Recherchen des MDR von Januar 2025 zeigen: Fast die Hälfte des Sondervermögens wurde für Geräte, Waffensysteme und Raketen ausgegeben, darunter etwa 10 Milliarden Euro für F-35 Kampfjets sowie fast 7 Milliarden Euro für Chinook-Transporthubschrauber. Weitere fünf Milliarden flossen zudem in Ausrüstungsgegenstände, wie Kleidung, Geländewagen oder Funkgeräte. Seit Januar 2025 genehmigte der Bundestag weitere Beschaffungen. Chrupalla reagierte bis zur Veröffentlichung nicht auf unsere Anfrage. Nicht alle Investitionen sind aber bei den Bundeswehrtruppen schon angekommen. Daran gab es in der Vergangenheit Kritik. 2023 bemängelte die damalige Wehrbeauftragte des Bundestags, Dr. Eva Högl (SPD), in einer Pressemitteilung zum Wehrbericht 2022 einen langsamen Beschaffungsprozess. Geld müsste schneller in Gerät, Material und persönliche Ausrüstung fließen. Im Interview mit dem Parlamentsfernsehen sagte sie: „Von den 100 Milliarden ist im Jahr 2022 noch gar kein Euro und Cent bei der Bundeswehr angekommen“. Das scheint nun aber nicht mehr der Fall zu sein, wie die Pressemitteilung zum Wehrbericht 2024 zeigt: „Deutliche Fortschritte brachte die Umsetzung der vorgezogenen Vollausstattung bei der persönlichen Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten, insbesondere bei Schutzwesten und Helmen.“ Die Fortschritte bei der Ausrüstung betont auch Vizeadmiral Carsten Stawitzki in einem Interview der Bundeswehr im Juni 2025. Er ist Abteilungsleiter für Rüstung im Verteidigungsministerium. Materialien seien ausgeliefert, die Beschaffung der Ausrüstung damit eine „Erfolgsgeschichte“, so Stawitzki. Bei anderen Beschaffungen dauert es länger: Die bestellten Geräte und Waffen, wie die F-35 oder die Transporthubschrauber, stünden „nicht beim Rüstungs-Amazon in Regal“, sondern müssten erst produziert werden. Die Verzögerungen bei den Bestellungen erklärt Stawitzki mit einer nur schwach vorhandenen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Kapazitäten und Kompetenzen müssten daher erst wieder aufgebaut werden. Im ZDF-Interview ging es auch um Russland-Spionage-Vorwürfe einiger Politiker gegen die AfD. Gegenüber dem Handelsblatt sagte Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD): „Schon seit geraumer Zeit beobachten wir mit zunehmender Sorge, dass die AfD das parlamentarische Fragerecht dazu missbraucht, gezielt unsere kritische Infrastruktur auszuforschen.“ Chrupalla bezeichnete solche Vorwürfe im ZDF-Interview als „Kampagne der CDU und SPD“. Über die Russland-Nähe der AfD hat CORRECTIV bereits 2023 ausführlich berichtet. Mehreren AfD-Politikern wurden in der Vergangenheit verdächtige Russland-Verbindungen vorgeworfen: Petr Bystron soll von dem russischen Desinformationsnetzwerk „Voice of Europe“ Geldzahlungen erhalten zu haben. Laut einer Recherche von T-Online soll er außerdem einen mutmaßlichen russischen Spion in den Bundestag gebracht haben. Auch gegen Maximilian Krah werden in dem Fall Ermittlungen geprüft, zudem soll ihn die US-Bundespolizei FBI zu möglichen Zahlen von russischer Seite befragt haben. Bystron und Krah bestreiten die Vorwürfe. Im Februar 2024 berichtete der Spiegel zudem über einen AfD-Mitarbeiter, der in Kontakt mit dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB gestanden haben soll. Redigatur: Sara Pichireddu, Max Bernhard
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Paulina Thom
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Anders als der AfD-Politiker behauptet, ist bereits fast das gesamte Geld aus dem Sondervermögen in die Bundeswehr investiert worden.
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[
"Faktencheck",
"Militär",
"Politik"
] |
Militär
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2025-10-31T16:02:31+01:00
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2025-10-31T16:02:31+01:00
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2025-10-31T16:02:31+01:00
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Aus dem 2022 beschlossenen Sondervermögen sei bislang nichts in die Bundeswehr investiert worden.
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AfD-Politiker Tino Chrupalla
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2025-10-26 00:00:00
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https://www.facebook.com/reel/1928260078039099/
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Falsch
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Falsch. Fast das gesamte Sondervermögen von 100 Milliarden Euro ist laut Beschaffungsamt der Bundeswehr und Verteidigungsministerium in Verträgen gebunden, mehrere Vorhaben seien vollumfänglich finanziert. Die größten Posten sind teure Geräte, Waffensysteme und Raketen.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/10/31/bisher-nichts-investiert-aussage-von-afd-chef-chrupalla-zu-sondervermoegen-der-bundeswehr-ist-falsch/
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Frieren im Winter: Video von angeblicher Grünen-Politikerin ist KI-generiert
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Ein Video auf Facebook soll eine Grünen-Politikerin bei Markus Lanz zeigen, die fordert, dass Menschen einen Winter lang frieren müssten, wenn sie eine Nachzahlung beim Heizgeld bekämen. Das Video ist mit KI erstellt, die Frau existiert nicht. von Matthias Bau In den Sozialen Netzwerken werden derzeit KI-generierte Videos genutzt, um Desinformation zu verbreiten und Stimmung zu machen. Zuletzt etwa mit einem Video auf Facebook. Darin ist eine Frau zu sehen, die sich so geäußert haben soll: „Wir von den Grünen sagen ganz klar: Wenn ich eine fette Nachzahlung beim Heizgeld bekomme, dann muss ich auch mal ’nen Winter lang frieren können. Das kann ja wohl nicht so schlimm sein“. Ursprünglich wurde in der Beschreibung des Videos suggeriert, dass es sich um einen Ausschnitt der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ handeln soll. Das Video erhielt 1.200 „Gefällt-mir“-Angaben, wurde rund 100.000 Mal angesehen und etwa 400 Mal geteilt. In den Kommentaren beschimpfen Nutzerinnen und Nutzer die Frau: „Typisch Grün. Hohl, doof und überflüssig“ oder „Dumm wie Brot“. Andere ergehen sich in Kommentaren über ihr Äußeres. Dass das Video eine Fälschung ist, bemerkt offenbar so gut wie niemand. Wir haben uns zunächst angesehen, ob das Video wirklich aus der ZDF-Talkshow Markus Lanz stammt. Bereits ein kurzer Vergleich mit der Studiokulisse zeigt, dass sie ganz anders aussieht, die Sendung läuft zudem seit 2022 ohne Publikum. Das Video der vermeintlichen Grünen-Politikerin kann dort also gar nicht entstanden sein. Ob die Frau überhaupt echt ist, steht darüber hinaus in Frage. Bilder-Rückwärtssuchen nach ihr führen zu keinen Ergebnissen. Bei einer Politikerin, die in einer bundesweit ausgestrahlten Talkshow auftritt, ist das sehr ungewöhnlich. Wenn der Ausschnitt aus einer echten Talkshow stammen würde, wäre zu erwarten, dass sich dafür irgendein Beleg finden lässt. Das ist nicht der Fall. Anzeichen, die noch vor einiger Zeit ganz typisch für KI-generierte Inhalte gewesen wären – etwa zu viele Finger oder plötzlich auftauchende Objekte – fehlen in dem Video. Ein Experte sieht dennoch Hinweise auf KI: Andreas Ingerl, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin für Audiovisuelle Medien, weist auf verschiedene Merkmale hin. Das grüne Shirt der Frau werfe im oberen Teil Schatten, „die sich nicht logisch zur Person bewegen“. Darüber hinaus sei der Ausschnitt asymmetrisch und bewege sich „mit, als ob er auf der Haut aufgeklebt ist und quasi den Stoff unnatürlich staucht/quetscht“. Ein weiteres Indiz sei, dass die Frau an keiner Stelle atme: „Eine Person, die recht laut und intensiv spricht, müsste bei einem Satz dieser Länge zumindest einmal sichtbar ein- oder ausatmen“, so Ingerl. Und ein weiterer Hinweis: Die Finger eines Zuschauers im Hintergrund seien zwar richtig ineinander gefaltet, „aber die Fingerlängen und grundsätzliche Anatomie der Hand“ stimmten nicht. Ein Blick auf das Profil namens „Mindhug-Comedy International“, wo das Video zuerst erschien, zeigt, dass der Account immer wieder Videos verbreitet, die Talkshow-Situationen zeigen sollen. Eines davon ist klar als KI-generiert zu erkennen. Einem Mann, der darin spricht, wächst beim Gestikulieren plötzlich ein weiterer Finger. Zunächst versah der Account seine Beiträge auf Facebook noch mit Schlagworten wie „Sora 2“ oder „Veo 3“. So heißen die KI-Video-Apps von Open AI und Google. Beide wurden in der Vergangenheit genutzt, um Desinformation zu verbreiten. Nach den ersten zehn Videos auf dem Account fehlen diese Schlagworte jedoch. Auffällig: Die Beiträge ohne entsprechende Kennzeichnung werden im Durchschnitt sehr viel häufiger angesehen. In der Profilbeschreibung sind weitere gleichnamige Accounts auf Youtube, Tiktok und Instagram verlinkt. Alle verbreiten laut Eigenbeschreibung angebliche Satire und lustige Memes. Dort veröffentlichen die Verantwortlichen neben den angeblichen Talkshow-Ausschnitten auch weitere Videos, häufig mit sexistischem und rassistischem Inhalt. Auf Tiktok kennzeichneten die Betreibenden einige ihrer Videos als KI-generiert, bei anderen fehlt diese Kennzeichnung. Das ist auch bei dem Video mit dem Mann der Fall, dem plötzlich ein weiterer Finger wächst. Laut den Richtlinien von Tiktok ist eine solche Kennzeichnung in derartigen Fällen jedoch verpflichtend. Auch Meta, der Konzern hinter Facebook und Instagram, fordert eine solche Kennzeichnung von Nutzerinnen und Nutzern. Wir haben den Account kontaktiert und zu dem Video mit der vermeintlichen Grünen-Politikerin befragt. Als Antwort schrieb man uns: „Das genannte Video wurde vollständig mit KI erstellt“ und sei auch als solches gekennzeichnet. Doch auf Facebook fehlt ein entsprechender Hinweis. Nach unserer Anfrage löschte der Account aus der Videobeschreibung den Hinweis, dass es dabei um eine Lanz-Sendung gehe. Die Verantwortlichen bestätigten außerdem, dass es sich bei der Frau nicht um eine echte Person handele. Wir wollten darüber hinaus wissen, ob sich die Account-Betreibenden bewusst sind, dass einige der Videos zu Hass und Hetze führen. Der Account antwortete lediglich: „Unser Ziel ist nicht, Zuschauer zu täuschen, sondern KI-Inhalte unterhaltend und satirisch zu präsentieren. Dass manche Nutzerinnen und Nutzer das dennoch missverstehen, bedauern wir selbstverständlich.“ Meta antwortete auf unsere Nachfrage, weshalb die ungekennzeichneten KI-Inhalte auf Facebook verfügbar sind, lediglich, dass man die entsprechenden Links überprüfen werde. Auf unsere Fragen ging die Sprecherin des Konzerns nicht weiter ein. Von Tiktok erhielten wir bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks keine Antwort. Transparenzhinweis: CORRECTIV ist seit 2017 in einer Kooperation mit dem Facebook-Konzern Meta, um Desinformation auf dem Sozialen Netzwerk zu bekämpfen. Mehr Informationen zu der Kooperation erhalten Sie hier. Redigatur: Sara Pichireddu, Gabriele Scherndl
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Matthias Bau
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Ein Account verbreitet in Sozialen Netzwerken immer wieder KI-generierte Videos. Angeblich als Satire. Eines sorgt für Hass und Hetze.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-10-29T14:27:07+01:00
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2025-10-29T14:27:07+01:00
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2025-10-29T14:27:07+01:00
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Ein Video zeige, wie eine Politikerin der Grünen in einer Talkshow sagt: „Wir von den Grünen sagen: Wenn ich eine fette Nachzahlung beim Heizgeld bekomme, dann muss ich auch mal nen Winter lang frieren können.“
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Beitrag auf Facebook
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2025-10-18 00:00:00
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Manipuliert
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Manipuliert. Das Video wurde mit Hilfe von KI erstellt. Das sagen ein Experte und der Verbreiter des Videos selbst.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/10/29/frieren-im-winter-video-von-angeblicher-gruenen-politikerin-ist-ki-generiert/
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Kein Auto nach 22 Uhr? Angebliches Fahrverbot ist erfunden
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Anders als auf Tiktok behauptet, gibt es ab Dezember kein nächtliches Fahrverbot in Deutschland. Ein vermeintliches Zitat von Friedrich Merz dazu ist erfunden. Hinter der Falschbehauptung steckt eine bekannte Masche. von Matthias Bau In mehreren Videos auf Tiktok heißt es seit dem 14. Oktober, dass es in Deutschland ab Dezember ein Nachtfahrverbot für alle privaten Fahrzeuge geben soll. Wer gegen das Verbot verstoße, müsse mit einer Strafe von 250 Euro und „Punkten in Flensburg“ rechnen. Angeblich, so heißt es weiter, habe Bundeskanzler Friedrich Merz das Verbot mit dem Satz begründet, „nachts muss niemand mehr spazierenfahren oder bestellen“. Nichts davon stimmt. Dennoch erhielten die Videos auf Tiktok zusammengenommen über 900.000 Aufrufe. Teils nahmen Nutzerinnen und Nutzer die Videos mit Humor, andere reagierten verärgert. So reichen die Kommentare von „das ist der beste Witz den ich je hörte“ über „also dann kann er meine Nachtschicht übernehmen“ bis „den Kanzler 2. Wahl sollte man verbieten.“ Wir haben zunächst nach einem Beleg für das angebliche Zitate von Friedrich Merz gesucht, doch weder eine Google-Suche, noch eine Suche in der Pressedatenbank Genios oder in den Reden des Kanzlers lieferte einen Beleg dafür, dass er sich so geäußert hätte. Auf Anfrage teilte uns eine Regierungssprecherin mit, dass die Bundesregierung „keine generellen Nachtfahrverbote einführen“ werde. Weiter schreibt sie „es werden auch keine vergleichbaren gesetzlichen Regelungen diskutiert. Diese Posts haben zum Ziel, die Leserschaft auf Grundlage falscher Tatsachenbehauptungen zu verunsichern.“ Fahrverbote sind in Deutschland über die Straßenverkehrsordnung geregelt. Darin heißt es in Paragraph 30, dass LKW an Sonn- und Feiertagen zwischen 0:00 und 22:00 Uhr nicht verkehren dürfen. Ausnahmen gibt es aber zum Beispiel, wenn LKW frisches Fleisch, frischen Fisch, Milch oder leicht verderbliches Obst oder Gemüse transportieren. Darüber hinaus kann der Verkehr auf Grund des Bundes-Immissionsschutzgesetzes eingeschränkt werden, zum Beispiel wenn Grenzwerte bei Stickstoff oder Feinstaub überschritten werden. In manchen Städten wie München oder Stuttgart gibt es deswegen zum Beispiel Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge. Dass Tiktok-Videos versuchen, mit angeblichen Gesetztesvorhaben von Merz Reichweite zu erzeugen, ist nicht neu. Wir berichteten mehrfach darüber. Manche der Tiktok-Kanäle verbreiteten die Falschbehauptungen unter dem Deckmantel der Satire. Aber um Satire ging es augenscheinlich nicht – die Videos sind nachrichtlich gestaltet und sollen mit falschen Behauptungen Klicks generieren. Redigatur: Steffen Kutzner, Max Bernhard
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Matthias Bau
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Auf Tiktok verbreiten sich zahlreiche Videos, in denen es heißt, ab Dezember gebe es ein Nachtfahrverbot. Das ist frei erfunden.
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[
"Faktencheck",
"Politik"
] |
Politik
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2025-10-27T16:18:54+01:00
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2025-10-27T16:18:54+01:00
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2025-11-07T11:06:31+01:00
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Ab Dezember gelte in Deutschland ein nächtliches Autofahrverbot. Zwischen 22 und 5 Uhr dürften keine privaten Fahrzeuge mehr unterwegs sein. Friedrich Merz habe das mit Energieeinsparungen, Sicherheit und Lärmschutz begründet. Wer gegen das Verbot verstoße, müsse 250 Euro zahlen und bekomme Punkte in Flensburg.
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Beiträgen auf Tiktok
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2025-10-14 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@user4187663655214/video/7560977162677898518
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Falsch
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Falsch. Auf Anfrage bestätigte uns eine Regierungssprecherin, dass ein solches Verbot nicht geplant ist. Für das vermeintliche Zitat von Friedrich Merz gibt es keine Belege.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/10/27/kein-auto-nach-22-uhr-angebliches-fahrverbot-ist-erfunden/
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Nein, in Island verlieren Politiker nicht automatisch ihr Amt, wenn sie lügen
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Angeblich drohe lügenden Politikerinnen und Politikern in Island ein „sofortiger Amtsverlust“. Obwohl online von vielen als „Fakt“ präsentiert, gibt es laut isländischem Justizministerium und Experten keine solche offizielle Regelung. von Paulina Thom „Gäbe es das in Deutschland auch, wäre die Regierung erledigt“, heißt es in einem X-Post über eine angebliche Regelung in Island: Dort soll Politikerinnen und Politikern das Lügen untersagt sein, ansonsten drohe ihnen „sofortiger Amtsverlust“. Auch auf Threads kursiert das Sharepic mit der Behauptung und hat dort, wie auch auf X, tausende Likes. Einige der Beiträge enthalten das Logo eines Kanals namens „Wisswas“, der die Behauptung als „Fakt“ auf Tiktok veröffentlichte. Doch gibt es eine solche Regelung in Island wirklich? Wie Þórdís Valsdóttir, Informationsbeauftragter des isländischen Justizministeriums, auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck erklärt, gibt es mehrere „rechtliche, weiche und ethische Bestimmungen“, die in bestimmten Kontexten eine „Verpflichtung zur Wahrhaftigkeit“ begründen – insbesondere wenn Ministerinnen und Minister oder Parlamentsabgeordnete in ihrer offiziellen Funktion handelten. „Allerdings gibt es in Island kein spezifisches Gesetz, das ausdrücklich vorsieht, dass Politiker ihres Amtes enthoben werden müssen, wenn sie bei einer Lüge ertappt werden“, so Valsdóttir. Das bestätigt ein Sprecher des isländischen Parlaments. Auch Eva Heiða Önnudóttir, Politikwissenschaftlerin an der Universität von Island, sagt uns gegenüber, dass es keine solche Regelung in Island gebe. Sie vermutet, das Gerücht könnte von neuen ethischen Regeln herrühren, die 2025 verabschiedet wurden: „Die ethischen Regeln besagen unter anderem, dass Minister im Sinne von Transparenz, Wahrhaftigkeit, Verantwortung und Integrität handeln sollten (‚Ráðherra starfar í anda gagnsæis, sannsögli, ábyrgðar og heilinda.‘)“, schreibt Önnudóttir. Falls jemand glaube, dass ein Minister dagegen verstoßen habe, könne man sich an die Ombudsperson des Parlaments wenden, die diese ethischen Regeln sicherstellen soll. Die Schlussfolgerung der Ombudsperson würden vom Parlament diskutiert. Grundsätzlich könne das Parlament eine Abstimmung über einen Misstrauensantrag beantragen. Ein solcher Misstrauensantrag gegen einen Minister oder die Regierung sei aber erst einmal erfolgreich gewesen und zwar 1950. „Es gibt also keine Strafe, wie die sofortige Amtsenthebung, wenn ein Minister bei einer Lüge erwischt wird“, erklärt die Politikwissenschaftlerin – auch nicht in den Gesetzen über die Verantwortung von Ministern („lög um ráðherraábyrgð“). Beim isländische Projekt „The Islandic Web of Science“, in dem Fragen aus der Gesellschaft vorrangig von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beantwortet werden, hat man von einer solchen Regelung ebenfalls noch nie gehört. Jón Gunnar Thorsteinsson, Chefredakteur des Projekts, schreibt uns, Politikerinnen und Politiker müssten nach Artikel 47 der isländischen Verfassung nach ihrer Wahl geloben, dass sie die Verfassung aufrechterhalten werden. Er mutmaßt, dass das Gerücht daher kommen könne, denn das Gelöbnis („drengskaparheit“) habe auch eine juristische Definition: Es werde auch für die Bestätigung der Aussage eines Zeugen vor Gericht verwendet. Die Behauptung auf dem Sharepic sei aber nicht richtig, so Thorsteinsson. Nach Artikel 56 und Artikel 64 des Grundgesetzes leisten auch in Deutschland einige Amtsträgerinnen und Amtsträger einen Eid auf die Verfassung: Dazu gehören die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler, die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident und alle Ministerinnen und Minister. Dieser Amtseid hat wie auch in Island keine rechtliche Verbindlichkeit und bei Eidbruch daher auch keine Auswirkungen. Bundestagsabgeordnete leisten keinen Eid, was teils kritisiert wird. In einigen Bundesländern gibt es Sonderregelungen für die Landesparlamente: In Schleswig-Holstein werden die Abgeordneten durch Eid auf die Verfassung verpflichtet, in Nordrhein-Westfalen und Sachsen gibt es eine Verpflichtungserklärung der Abgeordneten. Redigatur: Steffen Kutzner, Gabriele Scherndl Update, 28. Oktober 2025: Wir haben eine Rückmeldung des isländischen Parlaments ergänzt, die uns nach Veröffentlichung erreichte.
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Paulina Thom
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Online heißt es, Politikern in Island, die lügen, drohe sofort der Amtsverlust. Eine offizielle Regelung ist das allerdings nicht.
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[
"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-10-24T11:05:38+02:00
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2025-10-24T11:05:38+02:00
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2025-10-28T13:00:46+01:00
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Politikerinnen und Politikern in Island dürften nicht lügen, ansonsten drohe ihnen „sofortiger Amtsverlust“.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2025-06-10 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@wisswas0/photo/7558039834988711190
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Größtenteils falsch
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Größtenteils falsch. Es gibt laut Fachleuten kein Gesetz, das nach einer Lüge zum Amtsverlust führt. Laut isländischem Justizministerium gibt es aber mehrere rechtliche und ethische Bestimmungen zu einer „Verpflichtung zur Wahrhaftigkeit“ in bestimmten Kontexten.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/10/24/nein-in-island-verlieren-politiker-nicht-automatisch-ihr-amt-wenn-sie-luegen/
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Merz’ Stadtbild-Aussage aus Mitschrift gestrichen: Was besagt das Neutralitätsgebot
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Nachdem Merz sich abfällig über Migrantinnen und Migranten im „Stadtbild“ geäußert hatte, landete die umstrittene Passage nicht in der Mitschrift auf der Kanzler-Webseite. Laut Regierungssprecher ein normaler Vorgang und dem Neutralitätsgebot geschuldet. Ist das wirklich normal? von Gabriele Scherndl Als Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz Mitte Oktober sagte, beim Thema Migration gebe es ein „Problem“ im Stadtbild, war die Aussage überall. Sie sei „respektlos“ und „blanker Rassismus“, hieß es aus der Opposition. Beim Koalitionspartner war von Populismus die Rede, Medien schrieben von einem „bewährten Kampfbegriff der AfD“ und Fachleute sahen Parallelen zum Nationalsozialismus. Doch an einer Stelle fehlte die Aussage komplett: In der offiziellen Mitschrift der Veranstaltung auf der Webseite des Bundeskanzlers. Dort sind in der Passage, wo es um das Stadtbild ging, nur drei Punkte in runden Klammern. Warum, wollte am Tag nach der Aussage ein Journalist von Stefan Kornelius, Regierungssprecher und Chef des Bundespresseamts, wissen. Der Bundeskanzler, so Kornelius, habe sich bei der Stadtbild-Aussage „klar als Parteivorsitzender zu erkennen gegeben“, wegen des Neutralitätsgebot sei diese parteipolitische Äußerung nicht veröffentlicht worden. „Das ist die übliche Praxis in solchen Fällen und keinerlei Neuigkeit“, sagt Kornelius. Tatsächlich betonte Merz bei seinem Antrittsbesuch in Brandenburg, kurz bevor er über das Stadtbild sprach, dass er sich nun „parteipolitisch“ äußere. Es folgten Aussagen über die AfD, Rechtspopulismus und CDU-Politik. Dass so eine Passage aus der Mitschrift gekürzt wird, ist jedoch nicht so selbstverständlich, wie Kornelius behauptet. Eine Datenauswertung von CORRECTIV.Faktencheck von allen Reden und Pressekonferenzen von Merz in seiner Amtszeit, die auf der Seite des Kanzlers veröffentlicht wurden, zeigt: Bisher wurde nur zwei weitere Male eine Stelle mit drei Punkten in der Mitschrift markiert (allerdings in eckigen, nicht, wie beim „Stadtbild“ in runden Klammern). Beide Male stehen die Punkte am Beginn eines Zitats, das Merz vorträgt: Einmal vom Philosophen Walter Benjamin und einmal aus Star Trek. In beiden Fällen markieren sie offenbar eine Auslassung im Zitat. Dass eine eigene Aussage von Merz oder eine ganze Antwort fehlen, ist jedoch – soweit nachvollziehbar – bislang einmalig und keineswegs übliche Praxis, wie Kornelius behauptete. Umgekehrt ist jedoch häufig in den Mitschriften zu lesen, dass sich Merz sowohl als CDU-Vorsitzender und gleichzeitig als Bundeskanzler äußert. Zum Beispiel, als er nicht wie kürzlich den SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke in Brandenburg zum Antritt besuchte, sondern bei einem Antrittsbesuch seines Fraktionskollegen Markus Söder in Bayern. Dort leitet er einen Satz ein mit: „Diese parteipolitische Bemerkung will ich mir erlauben“ und spricht dann von der guten Zusammenarbeit in der Union. Anfang Oktober leitete Merz in einer Pressekonferenz eine Passage über die „sehr, sehr gute, sehr kollegiale, sehr offene Arbeitsatmosphäre“ in der Koalition ein mit den Worten, das sage er als Kanzler und als Parteivorsitzender der CDU. Im Juli stellte eine Journalistin eine Frage explizit an den „Abgeordneten“ Merz. Frage und Antwort sind in der Mitschrift nachzulesen. Ein kurzer Blick auf die Zeiten vor Merz’ Amtsantritt: Auch Kanzler und Kanzlerin vor ihm haben sich in ihren weiteren Funktionen geäußert. So findet sich etwa auch eine Mitschrift von einer Aussage Olaf Scholz’ auf der Seite der Bundesregierung, in der er davon erzählt, wie er mit 17 in „meinen Freundeskreis, genannt die SPD,“ eingetreten sei. Von Angela Merkel ist dort auch eine Rede bei einem CDU-Festakt verschriftlicht, in der sie als CDU-Vorsitzende spricht. Das Neutralitätsgebot leitet sich aus dem Grundgesetz ab und wird durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisiert. Im Kern geht es darum, dass etwa ein Bundeskanzler durch sein Amt keine Ressourcen für Parteizwecke nutzen darf, die der Opposition nicht zur Verfügung stehen. Dazu gehört auch die Autorität des Postens als Bundeskanzler: Ein Kanzler darf keine parteipolitischen Äußerungen machen, auch nicht für die eigene Partei, weil die anderen Parteien keine Person in so hoher Machtposition haben und daher benachteiligt wären. Besonders bekannt ist ein Urteil gegen Angela Merkel, nachdem sie 2020 auf einer Pressekonferenz in Südafrika über die Wahl von Thomas Kemmerich (FPD) zum Ministerpräsidenten Thüringens gesprochen hatte. Für ihn hatten auch AfD-Abgeordnete gestimmt. Für Merkel ein „schlechter Tag für die Demokratie“. Gleich ein zweifacher Verstoß gegen das Neutralitätsgebot, entschied das Gericht: Erstens durch die Aussage an sich, zweitens dadurch, dass die Aussage auch auf den Internetseiten der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung zu lesen war. In dem Urteil ist auch nachzulesen, unter welchen Bedingungen das Neutralitätsgebot besonders gilt. So mache es einen Unterschied, ob ein Regierungsmitglied auf einer Regierungsveranstaltung spricht oder im Rahmen einer Talkshow oder eines Interviews – bei letzterem brauche es eine „differenzierte Betrachtung“. Im Urteil steht auch: Merkel hätte darauf hinweisen können, dass sie „nicht in ihrer Eigenschaft als Bundeskanzlerin, sondern als Parteipolitikerin oder Privatperson äußern werde“. Für Joachim Wieland, Verfassungsrichter in Nordrhein-Westfalen, haben Merz und der Bundespressedienst im aktuellen Fall die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts erfüllt: Merz wies auf seine Funktion als CDU-Parteivorsitzender hin, gleichzeitig wurde die Webseite des Kanzleramts nicht zur Verbreitung genutzt. Wieland war unter anderem 2014 Prozessbevollmächtigter für den damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck in einem Prozess rund um das Neutralitätsgebot, in einem anderen Prozess war er Bevollmächtigter der damaligen Bundesfamilienministerin von der SPD. Für Vivian Kube, Rechtsanwältin mit Fokus auf Grund- und Menschenrechte, ist ebenfalls schlüssig, dass die Passage nicht in der Mitschrift zu finden ist. Sie sagt aber auch: Wird das Neutralitätsgebot so streng ausgelegt, dass die Aussage nicht im Transkript erscheinen soll, dann hätte Merz sie gar nicht erst bei einem Amtsbesuch tätigen sollen. So wirke es, als werde das Neutralitätsgebot im Nachhinein nur „vorgeschoben“. Worin Kube und Wieland sich einig sind: Dass die Vorgangsweise unter Merz als Kanzler uneinheitlich ist – das zeigen auch die oben genannten Beispiele. Das liege auch daran, dass das Neutralitätsgebot schwer umsetzbar sei. Wieland dazu: „Politiker tun sich schwer damit, klarzumachen, welchen Hut sie gerade aufhaben“. Kube sagt: „Man kann auch die bisherige Rechtsprechung als lebensfremd kritisieren. Das Kanzleramt ist kein neutrales Amt, alle wissen, dass der aktuelle Kanzler zur CDU gehört“. Paula Diehl, Professorin für Politische Theorie und Politische Kultur an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ordnet die Debatte rund um die „Stadtbild“-Aussage nicht aus einer juristischen, sondern aus einer politiktheoretischen Perspektive ein. Den Begriff der Neutralität hält sie dabei für fehl am Platz. Merz sei Parteivorsitzender, Kanzler und Teil einer Koalition, daher sei es normal, dass er bei allem, was er sagt, auch als CDU-Repräsentant spreche, sagt auch sie. Relevant sei vielmehr, welche dieser Rollen er repräsentiert, wenn er spricht. In all seinen Rollen müsse er zu seiner Aussage stehen und diese rechtfertigen können. Deswegen gehöre sie auch in das Transkript. Dass die Aussage gestrichen wurde, verletzt nach Ansicht von Diehl das Prinzip der Accountability, also die Rechenschaftspflicht, die Politikerinnen und Politiker haben: „Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht zu wissen, was die Regierenden tun und sagen, und die Öffentlichkeit kann nach Erklärungen verlangen“. CORRECTIV.Faktencheck kontaktierte das Bundespresseamt mit dem Vorwurf, das Vorgehen rund um die Stadtbild-Aussage wirke für Fachleute vorgeschoben, verstoße gegen die Rechenschaftspflicht und passe teils nicht zur bisherigen Praxis. Ein Sprecher schreibt: „Ob das Neutralitätsgebot relevant ist, muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Wir überprüfen unsere Praxis dazu regelmäßig und passen sie gegebenenfalls an.“ Mitarbeit und Datenanalyse: Sara Pichireddu Redigatur: Steffen Kutzner, Paulina Thom
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Gabriele Scherndl
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Die umstrittene Aussage des Kanzlers landete nicht in der offiziellen Mitschrift. Ein normaler Vorgang, hieß es dann vom Regierungssprecher. Ist das so?
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-10-23T11:19:17+02:00
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2025-10-23T11:19:17+02:00
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2025-11-04T01:31:53+01:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/10/23/merz-stadtbild-aussage-aus-mitschrift-gestrichen-was-besagt-das-neutralitaetsgebot/
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„Wer ist dieser Typ?“: Viraler Trump-Beitrag über Merz ist nicht echt
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In einem Beitrag soll US-Präsident Donald Trump ein Bild von Bundeskanzler Friedrich Merz mit den Worten „Wer zum Teufel ist dieser Typ?“ kommentiert haben. Aber der Screenshot, der das belegen soll, ist nicht echt. von Max Bernhard „Wer zum Teufel ist dieser Typ?“, mit diesen Worten soll US-Präsident Donald Trump angeblich ein Foto von Friedrich Merz kommentiert haben, das den Kanzler am 13. Oktober beim Gipfel zur Gaza-Waffenruhe in Ägypten zeigt. Das zumindest behaupteten Mitte Oktober Beiträge auf Facebook und X mit teils hunderttausenden Aufrufen. Belegen soll das ein Screenshot des angeblichen Beitrags. Aber dafür, dass Trump so einen Beitrag veröffentlicht hat, finden sich keine Belege. Ein Profil, das den angeblichen Screenshot veröffentlichte, erklärte später, dass es sich um einen Fake handelt. Das Bild von Merz passt zu einem Livestream des Youtube-Kanals „DWS News“ vom Gaza-Friedensgipfel in Ägypten am 13. Oktober. Im Screenshot des angeblichen Beitrags ist ein roter Haken zu erkennen. Das stimmt mit Donald Trumps Profil auf dessen Sozialem Netzwerk „Truth Social“ überein. Dort findet sich der angebliche Beitrag jedoch nicht. Auch in einem Online-Archiv von Trumps Beiträgen, das auch gelöschte Beiträge dokumentiert, taucht er nicht auf. In dem angeblichen Screenshot des Beitrags findet sich jedoch ein Hinweis auf einen möglichen Urheber: Auf dem Bild von Merz steht oben rechts „@DrLuetke“. Ein X-Account mit diesem Namen hatte das Bild am 14. Oktober geteilt und dann später in einem Kommentar erklärt, dass es sich um einen Fake handelt. Inzwischen wurden Beitrag und Kommentar gelöscht. Den Beitrag von Trump gab es also nie. Online gibt es mehrere Tools, mit denen sich Beiträge von Trump schnell fälschen lassen. Redigatur: Gabriele Scherndl, Paulina Thom
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Max Bernhard
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Donald Trump soll ein Bild von Friedrich Merz mit „Wer zum Teufel ist dieser Typ?“ kommentiert haben. Aber den Post von Trump gab es nie.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-10-22T13:15:31+02:00
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2025-10-22T13:15:31+02:00
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2025-10-22T13:15:31+02:00
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In einem Beitrag auf Truth Social habe Donald Trump zu einem Foto von Friedrich Merz geschrieben „Wer zum Teufel ist dieser Typ?“.
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Beiträgen auf X und Facebook
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2025-10-14 00:00:00
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Falsch
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Falsch. Der angebliche Screenshot des Beitrags ist nicht echt. Das Profil, das den Screenshot erstellt hat, erklärte später, dass es sich um einen Fake handelt.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/10/22/wer-ist-dieser-typ-viraler-trump-beitrag-ueber-merz-ist-nicht-echt/
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Bürgergeld wird Grundsicherung – und Politiker teilen alte Mär von „Arbeit muss sich lohnen“
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Nachdem die Koalition Details dazu ankündigte, wie sie das Bürgergeld zur Grundsicherung umbauen will, jubelten manche online: Arbeit und Leistung lohne sich endlich wieder. Doch das war auch schon vor der Reform so. von Gabriele Scherndl Ein menschenwürdiges Existenzminimum ist in Deutschland ein Grundrecht. Es muss jenen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen decken können, ein Mindestmaß an politischer und gesellschaftlicher Teilhabe ermöglichen. Das gerät immer wieder aus dem Blick, wenn Politikerinnen und Politiker Bürgergeldbeziehende als faul oder verantwortungslos dargestellen. Am 9. Oktober einigte sich der Koalitionsausschuss aus CDU, CSU und SPD auf Details zur sogenannten Neuen Grundsicherung, sie soll das Bürgergeld ablösen. Prompt behaupteten zahlreiche Politikerinnen und Politikern, jetzt lohne sich Arbeiten wieder. „Endlich gilt wieder: Wer arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet“, sagte etwa CSU-Chef Markus Söder nach der Einigung. „In Zukunft gilt wieder in Deutschland: Leistung lohnt sich“, schrieb Christoph Ploß, Bundestagsabgeordneter der CDU. Auch wenn derartige Aussagen einen anderen Eindruck erwecken: An der Höhe der Unterstützungsleistungen für Arbeitslose ändert sich durch die angekündigte Reform nichts – der Regelsatz bleibt bei maximal 563 Euro. Was sich ändern soll, sind die Sanktionen. Sie werden schärfer, etwa wenn Menschen Termine nicht wahrnehmen oder nicht genug daran mitwirken, eine Arbeit zu finden, wie die Koalitionsparteien mitteilten. Lohnt sich Arbeit dann künftig wieder mehr? Vor der Reform gilt genauso wie danach: Wer arbeitet, hat immer mehr als diejenigen, die auf das Bürgergeld beziehungsweise die Grundsicherung angewiesen sind. Das zeigen etwa eine Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) aus Februar 2025, eine Arbeit des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München (Ifo) aus Januar 2024 und eine Analyse des WDR-Monitors aus September 2023. Diese Studien betrachten den sogenannten Lohnabstand, also die Differenz zwischen den verfügbaren Mitteln in unterschiedlichen Konstellationen. Berücksichtigt werden in den Studien etwa auch Faktoren wie Wohnkosten, nicht aber Faktoren wie Zeit. Ebenfalls nicht enthalten sind Mehrausgaben, die durch eine Erwerbstätigkeit entstehen können – darauf haben uns Leserinnen und Leser hingewiesen. Das können Arbeitswegkosten sein oder auch praktische Ausgaben für Arbeitskleidung und -verpflegung. In dieser Debatte werden Menschen, die Bürgergeld erhalten, und Menschen, die für den Mindestlohn arbeiten, sogenannte Geringverdiener, gegeneinander ausgespielt. Ganz allgemein: Der Mindestlohn ist in den letzten Jahren stärker angestiegen als der Regelsatz vom Bürgergeld. Auch 2026 soll der Mindestlohn im Gegensatz zum Regelbedarf ansteigen. Im Unterschied zum Bürgergeld gehen zwar von einem Einkommen nach Mindestlohn noch Steuern und Sozial- und Krankenversicherung ab. Doch das Bürgergeld mit einem solchen Netto-Einkommen zu vergleichen, ist irreführend. Was nämlich häufig übersehen wird: Auch Geringverdiener haben Anspruch auf Sozialleistungen, wie Wohngeld, Kindergeld, Unterhaltsvorschussleistungen oder Kinderzuschläge, unter Umständen sogar auf aufstockendes Bürgergeld. Das WSI errechnete Anfang des Jahres für verschiedene Haushalt-Konstellationen, wie viel Einkommen ein Haushalt zur Verfügung hat. In keiner der betrachteten Konstellationen hatten Bürgergeld-Beziehende mehr Einkommen als Menschen, die zum Mindestlohn arbeiten. Wer trotz Arbeit und Sozialleistungen nicht genug verfügbares Einkommen hat, hat Anspruch auf Bürgergeld. Umgangssprachlich werden solche Menschen „Aufstocker“ genannt. Nicht alle nehmen diesen Anspruch jedoch wahr. Eine Studie über Deutschland aus 2019 schätzte, dass mehr als ein Drittel der erwerbstätigen Menschen ihren eigentlichen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (heute Bürgergeld) nicht geltend machen. Dass erwerbstätige Bürgergeldempfänger – die sogenannten Aufstocker – mehr Geld zur Verfügung haben als nicht-erwerbstätige, ist durch Freibeträge gesichert. Denn erst ab bestimmten Beträgen wird das Einkommen auf die Sozialleistungen angerechnet. Wer arbeitet, hat also immer mehr als der, der nicht arbeitet, daran wird kein Rechenbeispiel rütteln. Nicht immer lohnt es sich jedoch, mehr zu arbeiten, also Stunden aufzustocken, wie eine Ifo-Studie aus 2023 gezeigt hat. Das liegt aber nicht am Bürgergeld, sondern an den hohen Abzügen der Transferleistungen, wie dem Kinderzuschlag oder Wohngeld. So kann es passieren, dass in bestimmten Familiensituationen und an Orten mit hohen Mieten ein höherer Verdienst durch den Verlust staatlicher Unterstützung aufgehoben wird. Mehr darüber – und welche weiteren Narrative und Falschbehauptungen über das Bürgergeld im Umlauf sind – steht in unserer Hintergrundrecherche. Update, 21. Oktober 2025: Wir haben Details zu den genannten Studien ergänzt. Redigatur: Paulina Thom, Matthias Bau
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Gabriele Scherndl
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Die Koalition reformiert das Bürgergeld und manche jubeln: Arbeit lohne sich endlich wieder. Doch das war auch schon vorher so.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-10-15T14:12:54+02:00
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2025-10-15T14:12:54+02:00
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2025-11-07T11:06:17+01:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/10/15/buergergeld-wird-grundsicherung-und-politiker-teilen-alte-maer-von-arbeit-muss-sich-lohnen/
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Neuwahlen nach Rücktritt? Erneut kursiert erfundene Behauptung über Merz
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Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts soll Friedrich Merz angeblich zu einem Rücktritt zwingen und Neuwahlen einleiten. Das ist frei erfunden. von Steffen Kutzner Das Team von Friedrich Merz soll angeblich vor dem Rücktritt stehen, heißt es in verschiedenen Videos Anfang Oktober 2025. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts soll Friedrich Merz „ab morgen“ zum Rücktritt zwingen, wird darin behauptet. Diese Behauptung ist nicht neu, sie wird so ähnlich schon seit Monaten verbreitet und ist frei erfunden. Weder sind Rücktrittspläne von Merz bekannt, noch gab es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das sich mit ihm befasste oder das ihn zum Rücktritt zwingen würde. Das bestätigte uns auch die Pressestelle der CDU. Auch Neuwahlen stehen nicht an; die könnte ohnehin nur der Bundespräsident ansetzen, indem er den Bundestag auflöst. Das Bundesverfassungsgericht dagegen kann einen Kanzler per Urteil weder absetzen noch anders zum Rücktritt zwingen; solche Entscheidungen fallen auch gar nicht in die Zuständigkeit des Gerichts. Der Potsdamer Verwaltungsrechtsanwalt Klaus Herrmann erklärte uns telefonisch, dass das Bundesverfassungsgericht zwar prüfe, ob eine Vertrauensfrage eines Kanzlers zulässig gewesen sei, wie etwa im Fall von Gerhard Schröder 2005, es aber keine Befugnisse habe, einen Kanzler abzusetzen. Womit genau sich das Bundesverfassungsgericht befasst, ist in Artikel 94 des Grundgesetzes festgeschrieben. Zu seinen Aufgaben gehört zum Beispiel die Auslegung des Grundgesetzes oder die Beurteilung der Frage, ob bestimmte Bundes- und Landesgesetze miteinander vereinbar sind. Zum Rücktritt gezwungen werden kann ein Bundeskanzler in Deutschland nur dann, wenn der Bundestag ihn im Rahmen eines Konstruktiven Misstrauensvotums abberuft. Dann muss der Bundestag sich jedoch auf einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin einigen. Auch dabei würde also keine Neuwahl anstehen, da der Kanzler nicht vom Volk gewählt wird. Insofern steht der Rücktritt eines Kanzlers auch nicht zwingend in Zusammenhang mit Neuwahlen. Redigatur: Matthias Bau, Gabriele Scherndl
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Steffen Kutzner
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Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts soll Friedrich Merz angeblich zu einem Rücktritt zwingen und Neuwahlen einleiten. Das ist frei erfunden.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-10-14T13:50:40+02:00
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2025-10-14T13:50:40+02:00
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2025-10-30T17:15:25+01:00
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Friedrich Merz sei „ab morgen“ zum Rücktritt verpflichtet, wie das Bundesverfassungsgericht mitgeteilt habe.
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Beiträgen auf Sozialen Netzwerken
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2025-01-10 00:00:00
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https://www.youtube.com/watch?v=m28OyMtbQxk%20
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Falsch
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Falsch. Das Bundesverfassungsgericht kann Merz nicht zum Rücktritt verpflichten. Abgesehen davon sind keine Rücktrittspläne von Merz bekannt.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/10/14/neuwahlen-nach-ruecktritt-erneut-kursiert-erfundene-behauptung-ueber-merz/
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UN-Generalversammlung: Johann Wadephul hörte Trump-Rede ohne Übersetzung
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Nius-Chef Julian Reichelt deutet auf X an, Bundesaußenminister Johann Wadephul habe eine Übersetzung für Trumps Rede vor der UN-Generalversammlung gebraucht. Dabei zählt Deutsch überhaupt nicht zu den Amtssprachen der UN – und ist dementsprechend auch nicht als Übersetzungsoption verfügbar. von Sarah Thust Aufnahmen aus einem Livestream zeigen Außenminister Johann Wadephul, der mit ernster Miene und Kopfhörern die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) verfolgt. Die Bilder teilten einige Nutzer am 23. September 2025 auf X, ehemals Twitter, mit dem Satz: „Wie ich eure Tweets lese“. Auch Nius-Chef Julian Reichelt teilte so ein Bild – allerdings verband er es mit der Andeutung, der deutsche Außenminister trage Kopfhörer, weil er bei der Versammlung eine Übersetzung für die Rede des US-Präsidenten gebraucht habe. Dass Wadephul – wie auch andere auf dem Foto – Kopfhörer trägt, bedeutet aber nicht unbedingt, dass er die Rede in deutscher Sprache hört. Schnell suchten einige Nutzerinnen und Nutzer Informationen zusammen, die das richtigstellen sollten. Die Erklärung erscheint unter dem Beitrag inzwischen als „Community Note“, also als Hinweis. Reichelt reagierte auf diese Kommentare jedoch nicht – sein Beitrag ist weiterhin online und wurde trotz der zahlreichen Korrektur-Hinweise auch von anderen weiterverbreitet (Stand: 29. September 2025). Was auf dem Foto zu sehen ist: Am 23. September 2025 hielt US-Präsident Donald Trump bei der UN-Generalversammlung eine Rede. Präsidentin der UN-Generalversammlung Annalena Baerbock hatte zu Beginn zwar gesagt, dass die Redezeit auf 15 Minuten begrenzt sei, doch daran hielt sich der US-Präsident nicht. Gegen 10 Uhr Ortszeit trat er in New York ans Podium und sprach knapp eine Stunde. Im Hintergrund übertrugen Dolmetscher seine Rede parallel in unterschiedliche Sprachen, die die Teilnehmenden über die im Saal verteilten Kopfhörer auswählen konnten. Ein Video der Trump-Rede findet sich im Live-Stream auf der Webseite der UN, im Publikum sitzen einige mit und andere ohne Kopfhörer. Die Aufnahme, die Wadephul zeigt, ist ab Minute 36:40 zu sehen, also während Trumps Rede. Allerdings hatten Teilnehmende über die Kopfhörer keine Verdolmetschung in deutscher Sprache zur Auswahl. Sondern nur die sechs Amtssprachen: Arabisch, Chinesisch, Französisch, Russisch, Spanisch und den Originalton, also in diesem Fall Englisch. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, dass Außenminister Johann Wadephul den Kopfhörer zur „akustischen Verstärkung“ genutzt und die Rede in englischer Originalsprache angehört habe. Die Debatte fand im Generalversammlungssaal am Amtssitz der Vereinten Nationen in New York statt, der sich über mehr als 30 Sitzreihen erstreckt. Die UN veröffentlichte die Sitzordnung, Deutschland waren Plätze im hinteren Teil des Saals zugeteilt. Warum Chefredakteur und Nius-Gründer Julian Reichelt trotz der Fakten suggeriert, der Minister habe eine Übersetzung gehört, bleibt unklar. Auf unsere Anfrage dazu antwortete er nicht. Korrektur, 2. Oktober 2025: Wir haben im Text an einigen Stellen konkretisiert, dass die mündliche Übertragung in eine andere Sprache als „dolmetschen“, nicht als „übersetzen“ bezeichnet wird. Redigatur: Kimberly Nicolaus, Max Bernhard
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Sarah Thust
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Johann Wadephul soll Donald Trumps englische Rede vor der UN-Generalversammlung übersetzt gehört haben. Deutsch wird aber nicht angeboten.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-09-30T18:12:04+02:00
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2025-09-30T18:12:04+02:00
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2025-10-08T14:03:46+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/09/30/un-generalversammlung-johann-wadephul-hoerte-trump-rede-ohne-uebersetzung-in-englisch/
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Das Bürgergeld: Die hartnäckigsten Behauptungen im Faktencheck
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Es sei zu teuer, biete zu wenig Anreiz zum Arbeiten oder verleite zu Sozialbetrug – immer wieder kursieren online und in der Politik Behauptungen über das Bürgergeld. Wir haben uns die größten Narrative der letzten Jahre genauer angeschaut. von Paulina Thom , Matthias Bau Die neue Regierung aus CDU/CSU und SPD will das Bürgergeld reformieren, es soll zu einer „neuen Grundsicherung“ werden. Im Raum stehen Kürzungen und härtere Sanktionen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas will im Herbst einen Entwurf vorlegen, 2026 soll die Reform laut Bundeskanzler Friedrich Merz in Kraft treten. Dass sachliche Argumente rund ums Bürgergeld mitunter zu kurz kommen, zeigt ein Blick auf die politische Debatte und die Behauptungen in Sozialen Netzwerken seit dessen Einführung Anfang 2023: Das Bürgergeld sei zu teuer, die Leistungen zu hoch und es biete keinen Anreiz zum Arbeiten. Das Bürgergeld soll ein „menschenwürdiges Existenzminimum“ sichern und steht Menschen zu, die ein zu geringes Einkommen haben. Die Gewährleistung dieses Existenzminimums ist allen in Deutschland lebenden Menschen als Grundrecht durch das Grundgesetz (Artikel 1 und Artikel 20) garantiert. Vorläufer war das Arbeitslosengeld II, auch Hartz IV genannt, finanziert wird es aus Steuergeldern. Laut der Bundesagentur für Arbeit kann jede Person das Bürgergeld beantragen, die mindestens 15 Jahre alt und noch nicht im Rentenalter ist, in Deutschland wohnt, mindestens drei Stunden pro Tag arbeiten kann oder hilfsbedürftig ist, weil sie zu wenig verdient. Auch wer mit einer hilfsbedürftigen Person lebt, kann Bürgergeld beantragen. Das Bürgergeld setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen und unterscheidet sich in seiner Höhe je nach Haushaltskonstellation. Im Wesentlichen basiert die Höhe auf sogenannten Regelsätzen und zusätzlichen Mehrbedarfen und Wohnkosten. Viele der Behauptungen sind schlichtweg falsch oder ihnen fehlt relevanter Kontext. Zeit für einen Überblick: Wir fassen die hartnäckigsten Behauptungen der letzten Jahre zusammen und ordnen sie ein. Warum sich Mythen rund um das Bürgergeld und Vorurteile gegenüber dessen Empfänger so hartnäckig in der Gesellschaft halten und welchen Anteil die Politik dabei hat, dazu haben wir hier recherchiert. Inhaltsverzeichnis Ob CDU-Politiker wie Friedrich Merz oder Carsten Linnemann, Alice Weidel und René Springer von der AfD oder Alexander Dobrindt von der CSU – mit Behauptungen zu einem „Konkurrenzangebot für Nichtarbeitende“ oder Aussagen über die angebliche Höhe von Leistungen für einzelne Familien befeuern Politiker immer wieder ein beliebtes Narrativ in der Debatte ums Bürgergeld: Die gezahlten Leistungen seien angeblich so hoch, dass sich das Arbeiten nicht mehr lohne. Dabei zeigen mehrere Auswertungen: Wer arbeitet, hat immer mehr. Gegeneinander ausgespielt werden Menschen, die Bürgergeld erhalten, und Menschen, die für den Mindestlohn arbeiten, sogenannte Geringverdiener. Ganz allgemein: Der Mindestlohn ist in den letzten Jahren stärker angestiegen als der Regelsatz vom Bürgergeld. Im Unterschied zum Bürgergeld gehen zwar von einem Einkommen nach Mindestlohn noch Steuern und Sozial- und Krankenversicherung ab. Doch das Bürgergeld mit einem solchen Netto-Einkommen zu vergleichen, ist irreführend. Was nämlich häufig übersehen wird: Auch Geringverdiener haben Anspruch auf Sozialleistungen, wie Wohngeld, Kindergeld, Unterhaltsvorschussleistungen oder Kinderzuschläge, unter Umständen sogar auf aufstockendes Bürgergeld. Folgende Grafik zeigt, wie viel verfügbares Einkommen verschiedene Haushaltskonstellationen haben, je nachdem ob sie zum Mindestlohn arbeiten oder Bürgergeld beziehen. Der Lohnabstand zeigt den Unterschied an. Nicht alles wird in diesen Auswertungen berücksichtigt, darunter etwa Faktoren wie Zeit oder Mehrausgaben, die durch eine Erwerbstätigkeit entstehen können. Das können Arbeitswegkosten sein oder auch praktische Ausgaben für Arbeitskleidung und -verpflegung. Wer trotz Arbeit und Sozialleistungen nicht genug verfügbares Einkommen hat, hat Anspruch auf Bürgergeld. Umgangssprachlich werden solche Menschen „Aufstocker“ genannt. Nicht alle nehmen diesen Anspruch jedoch wahr. Eine Studie über Deutschland aus 2019 schätzte, dass mehr als ein Drittel der erwerbstätigen Menschen ihren eigentlichen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (heute Bürgergeld) nicht geltend machen. Dass erwerbstätige Bürgergeldempfänger – die sogenannten Aufstocker – mehr Geld zur Verfügung haben als nicht-erwerbstätige, ist durch Freibeträge gesichert. Denn erst ab bestimmten Beträgen wird das Einkommen auf die Sozialleistungen angerechnet. Wer arbeitet, hat also immer mehr als der, der nicht arbeitet, daran wird kein Rechenbeispiel rütteln. Was Fachleute aber auch beschäftigt, ist die Frage: Lohnt es sich immer, mehr zu arbeiten? Diese Frage betrifft alle Arbeitenden, die Transferleistungen, wie Bürgergeld, Wohngeld, Kindergeld oder Kinderzuschlag erhalten. Und hier kann es tatsächlich in bestimmten Konstellationen zu Situationen kommen, in denen es sich nicht rentiert, mehr zu arbeiten, wie eine Studie des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) aus 2023 gezeigt hat. Das liegt aber nicht am Bürgergeld, sondern an den hohen Abzügen der Transferleistungen, wie dem Kinderzuschlag oder Wohngeld. Diese werden bei steigendem Einkommen unterschiedlich stark zurückgefahren. So kann es passieren, dass ein höherer Verdienst, sei es durch Lohnerhöhungen oder eine Erhöhung der Arbeitszeit, durch den Verlust an Transferleistungen ausgeglichen wird und am Ende nicht mehr Netto rauskommt. Besonders ausgeprägt ist das bei Haushalten mit Kindern und bei hohen Mietkosten. Anders als man vermuten könnte, empfehlen Fachleute deswegen aber nicht, Wohngeld und Co. zu kürzen, sondern sie zu bündeln oder länger zu zahlen. Das führe zwar erst zu mehr Ausgaben für den Staat, denn mehr Personen würden einen Anspruch haben, rentiere sich dann aber langfristig, weil Menschen mehr arbeiteten und entsprechende Sozialabgaben zahlten. Regelmäßig heißt es aus der Politik und in der öffentlichen Debatte, das Bürgergeld sei zu teuer und Kürzungen seien nötig. Bundeskanzler Friedrich Merz sagte Ende August, Deutschland könne sich den derzeitigen Sozialstaat nicht mehr leisten – ein Baustein sei, das Bürgergeld zu reformieren. Dabei sehen Experten kein großes Einsparpotenzial, zumal das Bürgergeld ein durch das Grundgesetz verankertes „Existenzminimum“ garantieren soll. Laut Sozialbudget-Bericht des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) beliefen sich die Kosten für das Bürgergeld 2024 auf geschätzte 58 Milliarden Euro. Darin enthalten sind neben dem tatsächlichen Bürgergeld laut BMAS auch die Bundesbeteiligung und Beteiligung der Kommunen bei den Kosten der Unterkunft und den Verwaltungskosten sowie Eingliederungsleistungen. Damit machte das Bürgergeld schätzungsweise 4,1 Prozent aller Sozialausgaben in Deutschland aus, 2010 waren es bei Hartz IV noch 5,8 Prozent. Den größten Anteil hatten 2024 insgesamt die Kranken- und die Rentenversicherung mit je 25,4 und 29,1 Prozent. Nicht alle diese Kosten trägt aber allein der Staat, sondern auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In absoluten Zahlen sind die Kosten zunächst von Hartz IV und anschließend des Bürgergeldes in den letzten Jahren gestiegen. 2024 betrugen die reinen Bürgergeld-Leistungen – unabhängig von Unterkunft und Heizung – laut Bundeshaushalt 29,15 Milliarden Euro, etwa 7 Milliarden mehr als noch 2014. Damit hatte das reine Bürgergeld einen Anteil von etwas mehr als 6 Prozent am Bundeshaushalt, inklusive aller Leistungen und Kosten waren es 11 Prozent. Insbesondere 2023 und 2024 wurden die Regelbedarfe stärker angepasst, 2025 folgte eine Nullrunde. Der Etat des BMAS sieht in diesem Jahr 190,34 Milliarden Euro vor, 29,6 Milliarden Euro davon sind für das Bürgergeld geplant. Wichtig bei der Einordnung der Summen für das Bürgergeld ist auch ein Blick auf die Wirtschaftsleistung. Die Wirtschaftsleistung, also das Bruttoinlandsprodukt (BIP), spiegelt den Wert aller produzierten Waren und Dienstleistungen wider und ist ebenfalls in den letzten Jahrzehnten mit einigen Ausnahmen – preisbereinigt – angestiegen. Nimmt man den Anteil aller Sozialausgaben aus dem Sozialbudget-Bericht am BIP, ist dieser relativ stabil geblieben, auch im Vergleich zu anderen Industrieländern. Vergleicht man den Anteil des Bürgergeldes für 2024 (die geschätzten 58 Milliarden Euro) an der Wirtschaftsleistung, ist dieser im Vergleich zu 2010 gesunken. Während Hartz IV damals 1,8 Prozent ausmachte, lag der Anteil des Bürgergeldes 2024 nach fast stetigen 1,3 Prozent in den Vorjahren bei 1,4 Prozent. Die Anpassungen vom Regelbedarf erfolgen nicht willkürlich, die Ermittlung ist gesetzlich geregelt und auch deshalb kann der Staat hier nicht einfach kürzen und Kosten einsparen. Wie die Sozialwissenschaftlerin Jutta Schmitz-Kießler von der Hochschule Bielefeld in einem Blogbeitrag erklärt, orientiert sich die Anpassung der Regelbedarfe an der Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben unterer Einkommensgruppen. Seit 2005 sind die Regelbedarfe im Vergleich zur Nettolohnentwicklung und den Verbraucherpreisen nicht deutlich gestiegen. Eine Studie im Auftrag des Vereins Sanktionsfrei bei der rund tausend Menschen, die Bürgergeld beziehen, befragt wurden, ergab, dass mehr als jeder dritte Bürgergeldempfänger auf Essen verzichtet, um andere notwendige Dinge finanzieren zu können. Insbesondere Eltern verzichten demnach zu Gunsten ihrer Kinder auf Essen (54 Prozent). Nicht alle Unterstützungszahlungen, die Bürgergeldbeziehende bekommen, haben sie auch wirklich zur Verfügung. Das trifft besonders auf die Kosten für Wohnen und Heizen zu, denn diese Kosten übernimmt der Staat und zahlt sie nicht an die Menschen aus. Übernommen werden Kosten „in angemessener Höhe“. Was angemessen ist, kommt auf den Wohnort und darauf an, wie groß der Haushalt ist. Jobcenter orientieren sich dabei am Mietspiegel. Stimmung wird mit den angeblich zu teuren Wohnungen dennoch gemacht. Bundeskanzler Friedrich Merz sagte zum Beispiel im Juli in seinem Sommerinterview: „Sie haben in den Großstädten heute teilweise bis zu 20 Euro pro Quadratmeter, die Sie vom Sozialamt oder von der Bundesagentur bekommen für Miete, […] wenn Sie das mal hochrechnen, das sind bei 100 Quadratmetern schon 2.000 Euro im Monat“. Eine „normale Arbeitnehmerfamilie“ könne sich eine solche Wohnung nicht leisten, so Merz weiter. Dass solche Kosten nur in München, Hamburg und im Main-Taunus-Kreis erreicht werden können, wenn in einem Haushalt zwischen 6 und 16 Personen leben, erklärten wir im Juli 2025. Auf Anfrage stellte uns die Bundesagentur für Arbeit Daten zur Verfügung, die zeigen, wie viel sogenannte Bedarfsgemeinschaften zwischen einer und sechs Personen im Jahr durchschnittlich für die Unterkunft gezahlt wurde. Von den von Merz behaupteten 2.000 Euro sind die Durchschnittswerte weit entfernt: Wie hoch die übernommenen Durchschnittskosten nur für die Miete in den Jahren 2020 bis 2024 in den Bundesländern waren, zeigt die folgende Grafik, die ebenfalls auf Daten der Bundesagentur für Arbeit basiert. In Hamburg waren die übernommenen Kosten 2024 mit durchschnittlich 701 Euro am höchsten, am niedrigsten waren sie in Thüringen mit durchschnittlich 369 Euro. Auch beim Thema Sanktionen kursieren falsche Behauptungen. Vor allem mit Blick auf Menschen, die Jobangebote mehrfach abgelehnt haben – abwertend „Totalverweigerer“ genannt. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann behauptete etwa 2024, es gebe eine „sechsstellige Zahl“ von Menschen, die „grundsätzlich nicht bereit“ seien, „eine Arbeit anzunehmen“. Laut Informationen der Bundesagentur für Arbeit ist diese Zahl jedoch deutlich zu hoch gegriffen. In ihren Statistiken erfasst die Agentur, wie viele Sanktionen es gab, weil die Aufnahme einer Arbeit, Ausbildung oder vergleichbare Maßnahmen verweigert wurden. 2024 gab es aus diesem Grund insgesamt rund 23.400 Kürzungen. Diese Kürzungen standen laut der Bundesagentur für Arbeit im Februar 2025 rund 5,4 Millionen Leistungsberechtigten gegenüber, die Anspruch auf Bürgergeld haben. Von diesen 5,4 Millionen standen aber nur ein Bruchteil, rund 1,8 Millionen tatsächlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung – denn ein Großteil der Leistungsberechtigten sind Kinder oder Menschen in Ausbildung und Weiterbildungen. Wie uns ein Sprecher der Bundesagentur erklärte, lässt sich aus der Zahl der Sanktionen nicht zwingend auf die Anzahl der sanktionierten Personen rückschließen, weil eine Person auch mehrfach sanktioniert werden könne. Wir sind der Einfachheit halber davon ausgegangen, dass jede Sanktion genau eine leistungsberechtigte Person betraf, also insgesamt 23.400 Menschen sanktioniert wurden. Das heißt, dass der Anteil derjenigen, die arbeiten könnten, aber die „Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung oder Teilnahme an einer Eingliederungsmaßnahme“ im Jahr 2024 verweigert haben, bei maximal rund 1,3 Prozent lag. Als Mittel, um Menschen zum Arbeiten zu bewegen, bringen Politikerinnen und Politiker immer wieder schärfere Sanktionen ins Spiel. CDU und SPD vereinbarten in ihrem Koalitionsvertrag im Mai 2025: „Bei Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen.“ Das ist allerdings in sehr wenigen Fällen möglich, wie wir im Juni 2025 berichteten. Nämlich nur dann, wenn „Leistungsberechtigte es selbst in der Hand haben, durch Aufnahme einer ihnen angebotenen zumutbaren Arbeit […] ihre menschenwürdige Existenz tatsächlich und unmittelbar durch die Erzielung von Einkommen selbst zu sichern“. Das urteilte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2019. Die Effekte von Sanktionen sind bislang wenig erforscht. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil schreibt, zeigten vorhandene Studien zwar, dass Leistungskürzungen positive arbeitsmarktpolitische Wirkungen entfalten können, dass Betroffene dadurch jedoch ihre Hilfebedürftigkeit tatsächlich besser überwinden können, sei „nicht eindeutig belegt“. In einer Untersuchung im Jahr 2013 zeigte das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik Köln mithilfe einer repräsentativen Befragung in Nordrhein-Westfalen, dass Totalsanktionen vor allem dazu führten, dass Menschen das Vertrauen in ihren Sachbearbeiter oder ihre Sachbearbeiterin verloren. Im August 2024 berichtete das Institut für Arbeitsmarkt und Bildungsforschung (IAB), eine Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit, dass die Möglichkeit von Sanktionen zwar dazu führen könne, dass Menschen eher eine Beschäftigung aufnehmen. Eine hohe Sanktionswahrscheinlichkeit führte jedoch eher dazu, dass Menschen schlechter bezahlte Berufe annehmen würden. Zudem verstärkte sie „psychische Belastungen“ und bei Sanktionen von 30 Prozent oder mehr drohe die „Sperrung der Energieversorgung oder gar Wohnungsverlust“, so das IAB im März 2025. Der Verein Sanktionsfrei fragte rund tausend Menschen, die Bürgergeld beziehen, für eine Studie von Juni 2025 unter anderem, ob sie sich zur Gesellschaft zugehörig oder ausgeschlossen fühlen. Laut dem Verein gaben 42 Prozent der Befragten an, dass sie sich schämen, Bürgergeld zu beziehen. „Dabei sagt die große Mehrheit, dass vielen Menschen nicht klar sei, wie schnell sie selbst ins Bürgergeld rutschen können (82 %)“, so Sanktionsfrei. Ähnliche Ergebnisse berichteten auch die Forscher Andreas Hirseland und Stefan Röhrer in einem Fachaufsatz mit Blick auf Hartz IV: „Vor diesem Hintergrund erleben viele Hilfebeziehende, obwohl sie ihnen zustehende soziale Rechte wahrnehmen und mit dem Bezug von Unterstützungsleistungen lediglich eine bestehende gesellschaftliche Verpflichtung eingelöst wird, die Inanspruchnahme eben dieser Leistungen letztlich als beschämendes Almosen“. Auch deshalb ist fraglich, ob Sanktionen als zusätzliches „Druckmittel“ sinnvoll sind. Welche Menschen das Bürgergeld in Anspruch nehmen, sorgt regelmäßig für Aufregung. Zum Beispiel, wenn Politikerinnen und Politiker wie etwa Petr Bystron, AfDler und EU-Abgeordneter oder die AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst Grafiken teilen, die zeigen sollen, dass Ausländerinnen und Ausländer beziehungsweise Menschen mit Migrationshintergrund besonders häufig Bürgergeld beziehen. Über dieses Narrativ berichteten wir bereits 2023. Richtig ist, dass Deutsche in absoluten Zahlen die größte Gruppe der Bürgergeldbeziehenden sind. Richtig ist aber auch: Menschen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, machen ebenfalls einen großen Anteil aus. Ob sich Ausländerinnen und Ausländer in den Arbeitsmarkt integrieren können, hängt jedoch zum Beispiel davon ab, wie lange sie bereits in Deutschland sind, wo sie untergebracht werden, ob sie Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder finden und ob sie in Deutschland bleiben wollen. Detailliert haben wir die Gründe hier erklärt. Ein Blick auf die Situation der Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland zeigt das beispielhaft. Rund 65 Prozent der in Deutschland lebenden erwerbsfähigen Ukrainerinnen und Ukrainern sind Stand Februar 2025 auf das Bürgergeld angewiesen, genauso wie knapp 4 Prozent der Deutschen. Die meisten von ihnen befinden sich seit 3,5 Jahren in Deutschland. Ihre Beschäftigungsquote lag laut einem Bericht des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung von Oktober 2024 bei 30 Prozent. Das ist nicht ungewöhnlich, wie folgende Grafik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von 2023 zeigt. Die Erwerbstätigenquote aller Geflüchteten, egal aus welchem Land, liegt demnach 3,5 Jahre nach dem Zuzug nach Deutschland im Schnitt bei rund einem Drittel. Je länger die Menschen hier sind, desto höher die Quote derjenigen, die arbeiten. Ein weiterer Bericht des IAB zeigt, dass die Beschäftigungsquote von Geflüchteten, die im Jahr 2015 nach Deutschland kamen, 2024 bei 64 Prozent lag und damit nur noch leicht unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 70 Prozent. Auch bei den Begrifflichkeiten rund ums Bürgergeld geht es teils durcheinander. So teilte der AfD-Bundestagsabgeordnete Bernd Schattner im März 2023 auf Tiktok die Behauptung: „Unfassbar: 63 Prozent aller Grundsicherungsempfänger in Deutschland haben einen Migrationshintergrund!“ um im nächsten Satz eine „Abschiebeoffensive für abgelehnte Asylbewerber“ zu fordern. Das eine hat mit dem anderen jedoch nichts zu tun. Denn Asylbewerberinnen und Asylbewerber bekommen kein Bürgergeld, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Mit Blick auf den Migrationshintergrund von Bürgergeldbeziehenden lässt sich sagen: Richtig ist, dass rund 64 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten einen Migrationshintergrund haben. Doch was heißt das? Die Bundesagentur für Arbeit erfasst so alle Menschen, die keine deutsche Staatsangehörigkeit haben oder die außerhalb Deutschlands geboren wurden und nach 1949 nach Deutschland einwanderten. Migrationshintergrund haben für die Bundesagentur auch diejenigen, bei denen ein Elternteil nicht in Deutschland geboren wurde, das nach 1949 nach Deutschland einwanderte. Aktuell treffen diese Kriterien auf rund 2,5 Millionen erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu. Insgesamt hatten laut dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes rund 23 von 84 Millionen Deutschen im Jahr 2023 einen Migrationshintergrund. Es ist also nicht verwunderlich, dass von den Menschen mit Anspruch auf das Bürgergeld viele einen Migrationshintergrund haben. Immer wieder schaffen es Behauptungen über angebliche Riesensummen, die an Bürgergeldempfänger gezahlt würden, in die Schlagzeilen. So berichtete beispielsweise das Rechtsaußen-Portal Nius im April 2025, mehr als 400 Haushalte und Familien würden mehr als 10.000 Euro, fünf sogar 20.000 Euro Bürgergeld pro Monat „kassieren“. Verdreht wird dabei die Tatsache, dass das Geld zum Großteil gar nicht an die Bedarfsgemeinschaften ausgezahlt wurde, sondern vom Amt direkt an die Vermieter, wie die Bild im Oktober 2024 berichtete. Eine falsche Geschichte von einem Syrer mit mehreren Frauen und Kindern, der angeblich monatlich 30.000 Euro Sozialhilfe erhalte, geistert seit 2017 durch Soziale Netzwerke. „Unsere Sozialkassen werden geplündert und beraubt,“ hieß es dazu in Kommentaren. Wir haben die Behauptung mehrfach widerlegt. Anfang Juni 2025 sagte die Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas im Interview mit dem Stern, es gebe in Deutschland „groß angelegten Sozialleistungsmissbrauch“ und „mafiöse Strukturen“ im Zusammenhang mit dem Bürgergeld. Menschen würden aus anderen europäischen Staaten für Mini-Arbeitsverträge nach Deutschland gelockt, gleichzeitig würde für sie aufstockendes Bürgergeld beantragt und abgeschöpft werden. Als Beispiel nannte Bas die Stadt Duisburg. Medienberichte, die Bundesagentur für Arbeit und der Leiter des Jobcenters bestätigen solche Fälle, auch andernorts – vor allem da, wo es viel Leerstand und günstigen Wohnraum gebe. Insbesondere würden Menschen aus Rumänien und Bulgarien auf Minijob-Basis hergelockt. Wie groß das Ausmaß ist, ist unklar. Auf Nachfrage schreibt ein Sprecher des BMAS, es handele „sich nach derzeitiger Kenntnis um regionale Phänomene, nicht um ein flächendeckendes Problem“. Fälle von Sozialbetrug im Zusammenhang mit „mafiösen Strukturen“ werden demnach statistisch nicht gesondert erfasst. Laut Bundesagentur für Arbeit hätten die gemeinsam betriebenen Jobcenter 2023 229 Fälle und 2024 421 Fälle von „bandenmäßigen Betrug“ erfasst. Im laufenden Jahr 2025 bis zum Mai seien es 195 Fälle gewesen. Insgesamt wurde für alle Jahre in etwa 360 Fällen Strafanzeige gestellt. Es sei jedoch von einer höheren Dunkelziffer auszugehen. Wie schnell rassistische Vorurteile beim Thema Bürgergeld wirken, zeigt einer unserer Faktenchecks aus 2023: Weil an drei Briefkästen an einem Haus in Rheinland-Pfalz 120 ausländisch-gelesene Namen standen, witterten viele online Sozialbetrug und prangerten die „Ausplünderung“ des Staates an. Dabei wurde das Gebäude von einer Spedition zur Unterbringung von LKW-Fahrern angemietet, Sozialleistungen wurden an keine der Personen ausgezahlt. Wenn es um den Missbrauch von Sozialleistungen geht, bekämen „anekdotische Einzelfallgeschichten“ viel Aufmerksamkeit und provozierten Empörung, schreibt Jennifer Eckhardt, Sozialwissenschaftlerin an der TU Dortmund, in einem Blogbeitrag. Die verfügbaren Zahlen zeigen, dass die Missbrauchsquote verhältnismäßig gering ist. 2024 hat die Bundesagentur für Arbeit in 101.000 Fällen Leistungsbetrug beim Bürgergeld festgestellt. Als Leistungsmissbrauch zählen unter anderem das Verschweigen von Einkommen, nicht gemeldete Beschäftigungen oder nicht gemeldete Haushaltsmitglieder. Der Zoll hat 2024 knapp 70.000 Ermittlungsverfahren wegen Verdacht auf Leistungsmissbrauch eingeleitet, heißt es auf Nachfrage aus der Pressestelle. Dabei werde nicht zwischen Bürgergeld und Arbeitslosengeld unterschieden. Gemessen an 5,56 Millionen Leistungsempfangenden entspricht das zusammen einer Missbrauchsquote von etwa 3 Prozent. Es ist möglich, dass bei dieser Berechnung Fälle, die sowohl in der Statistik der Bundesagentur als auch des Zolls vorkommen, doppelt gezählt werden. Auch ein Blick auf die Schadenssummen liefert Kontext: 2023 betrug der Schaden laut Bundesagentur für Arbeit etwa 260 Millionen Euro. Schwerwiegende Fälle kämen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Leistungsberechtigten eher selten vor. Der „bandenmäßige Leistungsmissbrauch“, bei dem etwa Gruppen aus dem Ausland Arbeitsverhältnisse vortäuschen, machte rund viereinhalb Millionen Euro aus. Aktuelle Zahlen gebe es nicht, schreibt die Bundesagentur für Arbeit auf Nachfrage, denn die Methodik der zugrunde liegenden Datenerhebung werde überarbeitet. Zum Vergleich: Allein durch Tricksereien bei der Erbschaftssteuer entgingen dem Staat 2023 etwa 2,6 Milliarden Euro, wie eine TAZ-Recherche ergab, 2024 waren es laut Netzwerk Steuergerechtigkeit sogar 3,6 Milliarden Euro. Der Sonderbericht des Bundesrechnungshofes schätzt den jährlichen Schaden durch Steuerhinterziehung auf einen „zweistelligen Milliardenbetrag“. Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft geht von Schäden zwischen 100 oder sogar 200 Milliarden Euro aus, wenn man die aggressive Steuergestaltung multinationaler Konzerne miteinbeziehe. Den größten Anteil mache ansonsten der alltägliche Steuerbetrug, wie Schwarzarbeit, aus. Korrektur, 13. Oktober 2025: Wir haben die Grafik „So setzt sich die Gruppe der Bürgergeldbeziehenden zusammen“ angepasst und deutlich gemacht, dass sowohl Aufstocker als auch Totalverweigerer zu den erwerbsfähigen Bürgergeldbeziehenden gehören. Wir haben zudem die anteiligen Kosten des Bürgergeldes am Bundeshaushalt ergänzt. Update, 21. Oktober 2025: Wir haben ergänzt, dass die Auswertungen zur Frage „Lohnt sich Arbeit?“ mögliche Mehrausgaben durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, wie etwa Fahrtkosten, nicht enthalten. Wir haben zudem konkretisiert, dass der Staat nicht alle Ausgaben aus dem Sozialbudget-Bericht trägt. Redigatur: Max Bernhard, Sophie Timmermann
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Matthias Bau
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Es sei zu teuer, biete keinen Anreiz zum Arbeiten oder verleite zu Sozialbetrug. Die größten Narrative zum Bürgergeld im Faktencheck.
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"Faktencheck",
"Hintergrund",
"Politik"
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2025-09-30T15:55:44+02:00
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2025-09-30T15:55:44+02:00
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2025-10-24T11:44:56+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/09/30/das-buergergeld-die-hartnaeckigsten-behauptungen-im-faktencheck/
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Zur Hälfte erfunden: Zitat wird Rechtswissenschaftler Hans Herbert von Arnim untergeschoben
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Rechtswissenschaftler Hans Herbert von Arnim gilt als Kritiker, der Politikern auf die Finger schaut. Ein Beispiel zeigt jedoch: In Sozialen Netzwerken wird von Arnim teilweise falsch zitiert. von Steffen Kutzner Seit Jahren kursiert ein angebliches Zitat von dem Rechtswissenschaftler Hans Herbert von Arnim in Sozialen Netzwerken: „Hinter der demokratischen Fassade wurde ein System installiert, in dem völlig andere Regeln gelten als die des Grundgesetzes. Das ‚System‘ ist undemokratisch und korrupt, es betrügt die Bürger skrupellos.“ Im August und September 2025 tauchten diese Sätze wieder auf Facebook und Threads auf. Von Arnim fordert seit Jahren mehr direkte Demokratie und kritisiert Parteien sowie Politiker für deren Arbeitsweise und Finanzierung. Dennoch stammt das Zitat in der Form nicht von ihm. Der erste Satz des Zitats findet sich sehr ähnlich in von Arnims Buch „Das System“ von 2001. Im Buch heißt es auf Seite 26: „Im Laufe der Zeit wurde hinter der demokratischen Fassade ein System etabliert, in dem völlig andere Regeln gelten als die des Grundgesetzes. Dieses im Verborgene wuchernde (…)“ Darauf folgt aber ein anderer Satz, als in den Beiträgen in Sozialen Netzwerken behauptet. Eine Google-Suche nach dem zweiten Satz, das „System“ sei undemokratisch, korrupt und „betrüge“ Bürger „skrupellos“, führt zu keinen brauchbaren Ergebnissen. Es finden sich jedoch mehrere Faktenchecks der Deutschen Presse-Agentur (DPA). Das Zitat kursierte im fast identischen Wortlaut schon vor mehreren Jahren auf Facebook. Damals noch mit dem Zusatz, Krisen seien das Ziel der Eliten. Arnim ließ der DPA damals mitteilen, dass das Zitat in dieser Zusammenstellung nicht von ihm stamme. Redigatur: Kimberly Nicolaus, Sarah Thust
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Steffen Kutzner
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Hans Herbert von Arnim gilt als Kritiker, der Politikern auf die Finger schaut. In Sozialen Netzwerken wird er jedoch teils falsch zitiert.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-09-26T15:31:32+02:00
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2025-09-26T15:31:32+02:00
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2025-09-26T17:34:11+02:00
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Hans Herbert von Arnim habe gesagt: „Hinter der demokratischen Fassade wurde ein System installiert, in dem völlig andere Regeln gelten als die des Grundgesetzes. Das ‚System‘ ist undemokratisch und korrupt, es betrügt die Bürger skrupellos.“
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Beiträgen auf Threads und Facebook
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2025-10-05 00:00:00
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https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=pfbid02aMXYEN5JRsNYZ5MmFD1Wqi1pBik5AXLuDW7mUz2gDpPoyMBYuAe8giXi6DTYLC9Zl&id=100008858958350
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Teilweise falsch
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Teilweise falsch. Der erste Satz stand so ähnlich in einem Buch des Rechtswissenschaftlers, doch der zweite Satz stammt laut seinen Angaben nicht von ihm und es finden sich auch keine anderen Quellen, die das Zitat belegen würden.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/09/26/hans-herbert-von-arnim-zitat-korrupt-und-betruegerisch-wurde-untergeschoben/
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OB-Wahl in Ludwigshafen: Nein, AfD-Politiker Joachim Paul wurde nicht „wegen Tolkien-Zitat“ ausgeschlossen
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Für die Oberbürgermeister-Wahl in Ludwigshafen am Rhein darf Joachim Paul im September 2025 nicht antreten. Manche behaupten im Netz, er sei ausgeschlossen, weil er literarische Werke wie das von Tolkien zitiert habe. Das ist irreführend: Pauls Ausschluss lagen mehrere Anhaltspunkte zugrunde, die seine Verfassungstreue infrage stellten. von Sara Pichireddu Am 21. September 2025 wählt Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz eine neue Oberbürgermeisterin oder einen neuen Oberbürgermeister. Nicht auf dem Stimmzettel: Joachim Paul von der AfD. Der Wahlausschuss der Stadt schloss ihn Anfang August von der Wahl aus. Paul selbst sah sich zu Unrecht angegriffen, scheiterte aber mit einem Antrag beim Oberverwaltungsgericht. Grundlage für seinen Ausschluss ist ein Bericht des Landesverfassungsschutzes Rheinland-Pfalz, der beim Wahlausschuss offenbar Zweifel an Pauls Verfassungstreue weckte. Pauls Parteikollege Markus Buchheit, Abgeordneter im Europäischen Parlament, veröffentlichte dazu ein Bild auf X mit der Aufschrift: „Ein VS-Bericht, sie zu knechten. Wegen Tolkien-Zitat von der Wahl ausgeschlossen“. Er schreibt weiter, der Verfassungsschutz habe Tolkien, den Schriftsteller, und das Nibelungenlied „als Verdachtsmomente“ gewertet. Sein Beitrag wurde auf der Plattform X und Facebook hundertfach geteilt, auch von anderen AfD-Politikern und Parteiprofilen. In den Kommentaren: Empörung über das angeblich „undemokratische“ Vorgehen des Verfassungsschutzes. Auf unsere Bitte um Stellungnahme antwortete Buchheit nicht. Das Rechtsaußen-Medium Nius griff Buchheits Wortwahl später in der Überschrift auf. Drei Wochen danach nimmt das Narrativ international an Fahrt auf: Der US-amerikanische Journalist und Buchautor Michael Shellenberger schrieb in einem Beitrag auf X vom 29. August, Paul sei aus „nichtigen Gründen“ von der Kandidatur für das Bürgermeisteramt ausgeschlossen worden, etwa wegen einer „Lobeshymne“ auf „Herr der Ringe“. Elon Musk teilte Shellenbergers Beitrag, der es damit auf 5,2 Millionen Ansichten brachte. Pauls Ausschluss von der Wahl kam jedoch nicht wegen harmloser literarischer Zitate zustande, wie in den Beiträgen angedeutet. CORRECTIV.Faktencheck liegt die elfseitige Antwort des Verfassungsschutzes Rheinland-Pfalz an die Vorsitzende des Landeswahlausschusses vor (PDF). Wir fragten außerdem einen Rechtswissenschaftler, wie er den Fall einschätzt. Zu dem Ausschluss kam es so: Die Vorsitzende des Wahlausschusses, Ludwigshafens amtierende Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (parteilos), schrieb dem Innenministerium Rheinland-Pfalz, es gebe Hinweise auf fehlende Verfassungstreue des Bewerbers Paul und bat um Einschätzung. Der Landesverfassungsschutz Rheinland-Pfalz antwortete mit 16 „gerichtsverwertbaren“ Anhaltspunkten, nach denen Pauls Verfassungstreue nicht gegeben sein könnte. Die Mehrheit im Wahlausschuss (6:1 Stimmen) bezweifelte danach, dass Paul gemäß Gemeindeordnung des Landes Rheinland-Pfalz „jederzeit“ für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten würde und schloss den Kandidaten der AfD aus. Paul legte Beschwerde beim Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße ein. Das hielt laut einer Pressemitteilung die Entscheidung des Wahlausschusses nicht für rechtswidrig: „Gerade die von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erfasste Menschenwürde sei als der oberste Wert des Grundgesetzes anerkannt und unverfügbar. Antisemitische oder auf rassistische Diskriminierung zielende Konzepte seien damit nicht vereinbar“, begründete das Gericht. Hinreichende Zweifel an der Verfassungstreue könnten bereits daraus abgeleitet werden, dass der AfD-Kandidat „wiederholt die Verbreitung von sogenannten Remigrationsplänen zumindest unterstützt habe“. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung anschließend. Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Universität zu Köln, erklärte uns auf Nachfrage, dass die durch den Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz übermittelte Zusammenstellung „tatsächlich eher dünn ausfällt“. Jedoch könnten bereits „wenige Belege von verfassungsfeindlichen Betätigungen“ Zweifel begründen, die einen Ausschluss rechtfertigen. Beispielsweise, wenn ein Oberbürgermeister-Kandidat den Begriff „Remigration“ nutze, basierend auf dem Konzept der Identitären Bewegung um den vom Verfassungsschutz als Rechtsextremisten eingestuften Martin Sellner. Die Gruppierung verwende den Begriff „in einer eindeutig verfassungsfeindlichen Zielrichtung“ (CORRECTIV berichtete). Der Verfassungsschutz lieferte insgesamt 16 Anhaltspunkte, die er in Bezug auf ein Ausschlussverfahren für „gerichtsverwertbar“ hielt. Mehr als die Hälfte der Punkte beziehen sich auf Aussagen, die Paul in diversen rechten Plattformen und Magazinen veröffentlicht hatte – auch zum Thema „Remigration“. In den übrigen Punkten geht es um seine Veranstaltungen und Verbindungen in die rechtsextreme Szene, auch zu Personen wie Sellner. Der Name Tolkien kommt im ersten Punkt vor. Eindeutig geht es dabei nicht darum, dass Paul den Autor zitiert habe. Stattdessen wird ein Beitrag angeführt, den Paul im rechten österreichischen Freilich-Magazin veröffentlicht hatte. Dort besprach er 2022 die Serie „Die Ringe der Macht“, die auf den Werken Tolkiens beruht. Laut Verfassungsschutz zieht er im Artikel „Parallelen zum Nationalismus und der von der ‘Neuen Rechten’ verfolgten ‘Konservativen Revolution’“. Neue Rechte steht für ein Netzwerk, das mit einer „Kulturrevolution von rechts“ grundlegende politische Veränderungen vorantreiben will. Die Strömung stützt sich hauptsächlich auf das Gedankengut der „Konservativen Revolution“ – eine Intellektuellenströmung in der Weimarer Republik, die damals statt demokratischem Verfassungsstaat eine autoritäre Diktatur anstrebte. Zu den Strategien der Neuen Rechten zählt es, ideologische Positionen und Diskurse gezielt in der Gesellschaft zu platzieren, um Wahlerfolge für rechte Parteien zu ermöglichen. Sie versucht Ideen des Rechtsextremismus zu etablieren, aber grenzt sich vom historischen Nationalsozialismus ab, zum Beispiel, indem ihre Sprache weniger offen rassistisch ist und sie eher die regionale Herkunft in den Fokus setzt. Ogorek beschreibt das so: „Prägend für den Extremismus aus der sog. Neuen Rechten ist, dass er weniger an klassisch-nationalsozialistische Vorstellungen wie die biologische Unterschiedlichkeit von Menschen (‘Untermenschen’) anknüpft, sondern eher Begriffe wie den sog. Ethnopluralismus verwendet.“ Unter Ethnopluralismus versteht man die nationalistische Überzeugung, dass ein Volk in seinen angestammten Grenzen bleiben oder dorthin zurückwandern sollte. Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes legt jedoch fest, dass niemand wegen unter anderem Abstammung, Rasse, Heimat und Herkunft benachteiligt werden darf. Wird zwischen „echten“ Deutschen und „Passdeutschen“ differenziert, ist das laut Ogorek mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht mehr in Einklang zu bringen. Der Verfassungsschutz weist insbesondere auf einen Absatz hin, in dem Paul Parallelen zwischen Tolkiens Werk und aktuellem Nationalismus zieht: Laut Markus Ogorek könnte Pauls Beitrag als Verweis auf sogenannten Ethnopluralismus verstanden werden, einen zentralen Begriff der Neuen Rechten. Das allein belege aus seiner Sicht aber keine verfassungsfeindlichen Positionen. Materialsammlungen des Verfassungsschutzes seien immer in ihrer Gesamtheit sowie eingebettet in kontextuelle Einordnungen zu lesen, schreibt der Rechtswissenschaftler. Buchheit, der ursprüngliche Verbreiter des X-Beitrags, erwähnt neben Tolkien auch das Nibelungenlied. Auch dieses Schlagwort kommt zwar im Bericht des Verfassungsschutzes vor, aber in einem deutlich anderen Kontext, als behauptet. Zwei der 16 Anhaltspunkte beziehen sich darauf, es wird aber an keiner Stelle kritisiert, dass Paul auf die Sage verwies. Erneut geht es um den Kontext: In anderen Punkten werden mögliche verfassungsfeindliche Positionen deutlicher: Demnach soll sich Paul laut Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz beispielsweise im November 2023 in einem Vortrag auf die von der Identitären Bewegung geforderte „erzwungene Rückführung“ von Migrantinnen und Migranten in ihre jeweiligen Herkunftsländer bezogen haben. Titel: „Schicksalsfrage Einwanderung – Warum Remigration nötig und machbar ist“. Ein Bericht darüber erschien im Magazin der Deutschen Burschenschaft. Darin stehen Passagen, die auf ethnopluralistische Ideen Bezug nehmen, die Rede ist von „Handlungsperspektiven zur Remigration einzelner Migrantengruppen“. Ein expliziter Bezug zur Identitären Bewegung fehlt aber im Artikel. Jedoch heißt es im Bericht des Verfassungsschutzes Rheinland-Pfalz auch: „Aufgrund des Social-Media-Auftritts Pauls kann von einer weiteren Vernetzung mit Sellner ausgegangen werden.“ Dass Paul den als Rechtsextremisten eingestuften Sellner getroffen hat, zeigt ein Beitrag auf Instagram. Über Pauls Nähe zu Sellner berichtete CORRECTIV hier. Der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz listete weitere Fälle, bei denen Rechtsextreme sich auf Pauls Veranstaltungen vernetzen konnten. Im Mai etwa sollen ehemalige Mitglieder der im November 2024 aufgelösten „Revolte Rheinland“ zusammen mit der „Jungen Alternative“ den sogenannten Stolzmonat gefeiert haben, eine rechtskonservative Gegenveranstaltung zum Pride Month, bei dem jedes Jahr im Juni sexuelle Vielfalt gefeiert wird. Schließlich weist der Verfassungsschutz in dem Bericht auf einen AfD-internen Vorfall hin. Medienberichten zufolge, die von Paul bestätigt wurden, wurde er Ende 2023 vorübergehend von der Partei für alle parteipolitischen Ämter gesperrt. Wie der SWR berichtete, soll er auf einem Foto bei einer Veranstaltung mit Parteichef Chrupalla ein Handzeichen gemacht haben, das als Erkennungszeichen in der rechtsextremen Szene gilt und die Überlegenheit weißer Menschen impliziert. Paul bestritt diese Absicht hinter seiner Geste. Fazit: Paul wurde nicht wegen eines Tolkien-Zitats oder anderen literarischen Zitaten von der Kandidatur ausgeschlossen. Der Wahlausschuss begründete seine Entscheidung aufgrund mehrerer Beispiele mit Zweifeln an Pauls Verfassungstreue, vor allem in Zusammenhang mit seiner Nutzung des Begriffes Remigration. Auch seine Kontakte zu Martin Sellner, zur Identitären Bewegung und allgemein in rechtsextreme Kreise spielten eine Rolle. Redigatur: Steffen Kutzner, Sarah Thust
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Sara Pichireddu
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AfD-Politiker Joachim Paul darf bei der Oberbürgermeister-Wahl in Ludwigshafen nicht antreten. Über den Grund kursiert im Netz eine schräge Behauptung.
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[
"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-09-10T17:30:51+02:00
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2025-09-10T17:30:51+02:00
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2025-10-21T15:14:02+02:00
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Der AfD-Politiker Joachim Paul sei wegen literarischer Zitate von Tolkien und aus dem Nibelungenlied von der Oberbürgermeister-Wahl in Ludwigshafen ausgeschlossen worden.
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Markus Buchheit, AfD-Abgeordneter im EU-Parlament
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2025-06-08 00:00:00
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https://x.com/BuchheitMarkus/status/1953084860127485982
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Größtenteils falsch
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Größtenteils falsch. Der Wahlausschuss entschied auf Grundlage einer Liste des Verfassungsschutzes Rheinland-Pfalz mit 16 Anhaltspunkten, dass Zweifel an der Verfassungstreue des AfD-Politikers bestehen. Der Name Tolkien und das Nibelungenlied werden auf dieser Liste in drei Punkten erwähnt. Sie waren aber nicht alleine ausschlaggebend – und es wird auch nicht beanstandet, dass Paul daraus zitierte, stattdessen erklärte er damit seine Ideale: Der Verfassungsschutz verweist in anderen Punkten auf Pauls Nutzung des Begriffs Remigration in verfassungsfeindlichem Sinne und seine Nähe zu Rechtsextremismus.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/09/10/ob-wahl-in-ludwigshafen-nein-afd-politiker-joachim-paul-wurde-nicht-wegen-tolkien-zitat-ausgeschlossen/
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OB-Wahl Ludwigshafen: Wer ausgeschlossenen AfD-Kandidaten auf Stimmzettel schreibt, macht ihn ungültig
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Angeblich soll es möglich sein, den von der Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen ausgeschlossenen AfD-Kandidaten Joachim Paul trotzdem zu wählen. Dafür müsse man seinen Namen handschriftlich auf dem Stimmzettel ergänzen. Wieso das nicht stimmt. von Max Bernhard Am 21. September wird in Ludwigshafen eine neue Oberbürgermeisterin oder ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Der AfD-Kandidat und rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete Joachim Paul wurde zuvor von der Wahl ausgeschlossen. Wegen Zweifeln an der Verfassungstreue hatte der Wahlausschuss seine Kandidatur nicht zugelassen. Diese Entscheidung wurde später vom Oberverwaltungsgericht bestätigt. Paul möchte weiter rechtlich gegen die Entscheidung vorgehen. Nach Pauls Ausschluss heißt es in verschiedenen Beiträgen in Sozialen Netzwerken, dass man den AfD-Kandidaten trotzdem wählen könne: „Einfach Joachim Paul mit auf den Wahlzettel schreiben!“, schreibt ein Nutzer auf X. „Wählt AfD. Ob sie auf dem Wahlzettel stehen oder nicht“, ein anderer. Auch die ehemalige Politikerin Vera Lengsfeld, die inzwischen für rechtsgerichtete Medien tätig ist, rief dazu auf. In einem späteren Beitrag korrigierte sie sich, ließ den ursprünglichen Aufruf jedoch unverändert. Ähnliche Behauptungen verbreiten sich auch zur OB-Wahl in Lage in Nordrhein-Westfalen, wo ein AfD-Kandidat aus demselben Grund ausgeschlossen wurde. Viele der Beiträge verweisen auf einen Fall in Bayern, bei dem ein Mann zum Oberbürgermeister gewählt worden sei, der zuvor gar nicht auf dem Stimmzettel gestanden habe. Die Wählenden hätten ihn einfach dazugeschrieben. Unsere Recherche zeigt: Den Fall in Bayern gab es tatsächlich. Ist das also auch bei den kommenden Wahlen in Ludwigshafen und Lage möglich? Nein – und wer so vorgeht, macht seine Stimme ungültig. „Zusätze, Vorbehalte oder andere Beifügungen auf dem Stimmzettel – dazu zählen auch Streichungen oder das Hinzufügen von Namen – führen grundsätzlich zur Ungültigkeit der Stimme“, erklärt uns Simone Müller von der Stadt Ludwigshafen auf Nachfrage. Das ist in Paragraf 38 Absatz 1 des Kommunalwahlgesetzes Rheinland-Pfalz geregelt. Auch die Landeswahlleiterin in Nordrhein-Westfalen warnt auf ihrer Webseite: „Aktuell wird im Internet folgende Behauptung aufgestellt: Steht eine Kandidatin oder ein Kandidat nicht auf dem Stimmzettel, könne die Stimme für diese Person auch abgegeben werden, indem der Name der Person handschriftlich auf dem Stimmzettel ergänzt wird. Hierbei handelt es sich um eine Falschinformation.“ Die Stimme werde so ungültig. Den Vorfall aus Bayern, auf den viele der Beiträge mit der Behauptung verweisen, gab es tatsächlich. „In einer bayerischen Stadt wurde ein Mann zum Bürgermeister gewählt, dessen Name gar nicht auf dem Wahlzettel stand“, heißt es in einem Artikel der Nachrichtenplattform Kommunal von September 2024. Möglich ist das in Bayern, „sofern nur ein Kandidat benannt ist“, wird in dem Artikel erklärt. Das stimmt. In Artikel 40 des bayerischen Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes heißt es: „Wird kein oder nur ein Wahlvorschlag zugelassen, wird die Wahl ohne Bindung an eine vorgeschlagene sich bewerbende Person durchgeführt.“ Auch auf einem Stimmzettel-Muster für so einen Fall wird darauf verwiesen, dass eine Kandidatin oder ein Kandidat handschriftlich eingetragen werden kann. So eine Regelung gibt es auch in Rheinland-Pfalz, wie uns Müller von der Stadt Ludwigshafen auf Nachfrage schreibt. In Paragraf 30 Absatz 2 Kommunalwahlgesetz Rheinland-Pfalz heißt es: „Ist nur ein Wahlvorschlag zugelassen worden, so vergibt der Wähler seine Stimmen durch Ankreuzen oder eine andere eindeutige Kennzeichnung der auf dem Stimmzettel aufgeführten Bewerber, die er wählen will. […] Er kann auf dem Stimmzettel andere wählbare Personen eintragen und auch Bewerber streichen.“ Das sei bei der Wahl in Ludwigshafen aber nicht der Fall. Zur Wahl im September sind dort vier Personen zugelassen. In Nordrhein-Westfalen gibt es keine solche Regelung. Das Hinzufügen oder Durchstreichen des Namens einer Kandidatin oder eines Kandidaten ist also in jedem Fall unzulässig. Redigatur: Paulina Thom, Steffen Kutzner
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Max Bernhard
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Online kursiert der irreführende Aufruf, den von der OB-Wahl in Ludwigshafen ausgeschlossenen Joachim Paul auf den Stimmzettel zu schreiben.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-09-05T16:58:01+02:00
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2025-09-05T16:58:01+02:00
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2025-09-15T21:55:13+02:00
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Bei der Wahl zur Oberbürgermeisterin oder zum Oberbürgermeister in Ludwigshafen am 21. September könne der ausgeschlossene AfD-Kandidat Joachim Paul gewählt werden, indem sein Name auf den Wahlzettel geschrieben werde. Das zeige ein Fall aus Bayern.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken, Vera Lengsfeld
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2025-09-25 00:00:00
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Falsch
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Falsch. Das Hinzufügen eines Namens oder anderer Zusätze macht die Stimme laut dem Kommunalwahlgesetz Rheinland-Pfalz ungültig. Der Fall aus Bayern beruht auf einer Sonderregelung, wenn es nur eine vorgeschlagene Kandidatin oder Kandidaten gibt. So eine Regelung gibt es auch in Rheinland-Pfalz. Für die Wahl im September 2025 hat sie jedoch keine Relevanz, dort gibt es vier Kandidatinnen und Kandidaten.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/09/05/ob-wahl-ludwigshafen-wer-ausgeschlossenen-afd-kandidaten-auf-stimmzettel-schreibt-macht-ihn-ungueltig/
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Sommerinterview mit Friedrich Merz: Aussagen zu Krankheitstagen und Arbeitszeiten im Faktencheck
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Im Sommerinterview beim ZDF sprach Bundeskanzler Friedrich Merz über Steuererhöhungen und den Zustand der deutschen Wirtschaft. Wir nehmen unter anderem seine Aussage zum Krankenstand und zur Zahl der geleisteten Arbeitsstunden unter die Lupe. von Paulina Thom , Matthias Bau Friedrich Merz gab am 31. August sein zweites Sommerinterview. Diesmal war er nicht bei der ARD, sondern im ZDF zu Gast. Mit der Moderatorin Diana Zimmermann sprach er unter anderem über Steuererhöhungen und die deutsche Wirtschaft. Dabei standen Themen wie Krankheitstage in Deutschland, sowie geleistete Arbeitsstunden und die Arbeitskosten im Fokus, aber auch zum Rückhalt für Merz in der Koalition stellte Zimmermann mehrere Fragen. Das Sommerinterview mit Merz war das letzte der Reihe – wir haben uns auch bei vergangenen die Sachlage zu einigen Äußerungen angesehen, etwa bei Alice Weidel, Markus Söder oder Bärbel Bas. „Wir haben uns in diesem Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass die Steuern nicht erhöht werden und dieser Koalitionsvertrag gilt.“ Bewertung: Fehlender Kontext Zu Beginn des Sommerinterviews ging es um Steuererhöhungen. Der Regierungskoalition fehlen für den Haushalt 2027 laut Finanzminister Lars Klingbeil rund 30 Milliarden Euro. Klingbeil hatte daher zuletzt Steuererhöhungen nicht ausgeschlossen. Von Merz will Zimmermann im Interview wissen, ob er „Steuererhöhungen vom Tisch nehme“. Merz antwortete darauf, dass sich CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag darauf geeinigt hätten, Steuern nicht zu erhöhen. Im Koalitionsvertrag ist davon jedoch nichts zu lesen. Zwar werden einige Beispiele für Steuersenkungen genannt, zum Beispiel die Senkung der Stromsteuer oder der Einkommenssteuer für kleine und mittlere Einkommen, gleichzeitig werden Steuererhöhungen aber an keiner Stelle ausgeschlossen. Und selbst wenn, dann hätte das rechtlich auch keinerlei Bedeutung, da der Koalitionsvertrag kein Vertrag im juristischen Sinne ist. Das wäre auch nicht sinnvoll, da die Bundesregierung in der Lage sein muss, auf unvorhergesehene Ereignisse und Situationen reagieren zu können. Der Koalitionsvertrag ist als Absichtserklärung zu verstehen, die Transparenz über die Vorhaben der Regierung schaffen soll. Wenig später sagte Merz im Interview, man habe über das Thema Steuererhöhungen „lange in den Koalitionsverhandlungen diskutiert“. Dabei hätten sowohl Markus Söder als auch er betont, dass man keinen Koalitionsvertrag „mit Steuererhöhungen“ unterschreibe. „Wir haben mit einen der höchsten Krankenstände in ganz Europa.“ Bewertung: Fehlender Kontext. Im weiteren Verlauf des Interviews fragt Zimmermann Friedrich Merz, ob er der Meinung sei, man müsse bis ins Alter von 70 Jahren arbeiten. Merz holt daraufhin aus und stellt zunächst verschiedene Behauptungen zum Zustand der deutschen Wirtschaft auf. Darunter die Behauptung, Deutschland habe einen „der höchsten Krankenstände in ganz Europa“. Eine konkrete Quelle für diese Aussage führte der Kanzler nicht an. Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen: 2024 waren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland durchschnittlich 14,8 Arbeitstage krank gemeldet. Von 2021 auf 2022 gab es zudem einen deutlichen Anstieg der Krankentage: Forscher des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim (ZWE) führten diesen Anstieg vor allem darauf zurück, dass es eine verbesserte statistische Erfassung durch die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) gegeben habe. Doch wie steht Deutschland damit im europäischen Vergleich da? Laut einer Analyse des Forschungsinstituts Iges von Januar 2025, die auf Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beruht, hatte Deutschland 2022 mit 24,9 Tagen die meisten bezahlten, krankheitsbedingten Fehltage in Europa. Das Iges verglich krankheitsbedingte Fehlzeiten auf europäischer Ebene im Auftrag der Krankenkasse DAK. Allerdings ist es laut Fachleuten irreführend, nur diese Daten heranzuziehen, denn die Statistik weist Lücken auf: In keinem Land seien die bezahlten Fehlzeiten vollständig erfasst worden und der Grad der Untererfassung zwischen den Ländern unterscheide sich stark. Das hänge von den jeweiligen Prozessen der Lohnfortzahlung, Krankschreibung und dem Meldeverfahren ab. In Deutschland gebe es durch die eAU aber nahezu eine Vollerhebung. Zudem enthalten die Daten nur bezahlte Fehltage. Die Regelungen zur Lohnfortzahlung sind in Europa aber unterschiedlich. In Deutschland haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Krankheitsfall für sechs Wochen Anspruch auf 100 Prozent ihres Lohns. Anders ist das laut den ZWE-Wissenschaftlern beispielsweise in Schweden. Dort gibt es „einen Karenztag, der gänzlich unbezahlt bleiben kann. Danach greift eine Lohnfortzahlung von 80 Prozent von bis zu zwei Wochen.“ Arbeitnehmer in Estland, Frankreich, Irland, Italien, Portugal und Spanien haben laut Iges drei unbezahlte Karenztage, bevor die Lohnfortzahlung oder Krankengeldzahlung einsetzt. All diese Fehltage werden in den Daten nicht berücksichtigt. Eine andere Untersuchung der OECD wertet aus, wie viel Arbeitszeit anteilig an der Wochenarbeitszeit durch Krankheit verloren geht. Die Untersuchung beruht auf Umfragen, in Deutschland etwa durch den Mikrozensus. Hier landet Deutschland im europäischen Vergleich im oberen Mittelfeld. Die Daten beziehen sich auf 2023. „Wir arbeiten 200 Stunden weniger als die Schweizer.“ Bewertung: Fehlender Kontext Bereits im Mai hatte Merz in seiner ersten Regierungserklärung gefordert, Menschen in Deutschland müssten wieder mehr und effizienter arbeiten. Im Sommerinterview wiederholte er diese Forderung. Wir würden 200 Stunden weniger als die Schweizer arbeiten, sagte der Bundeskanzler. Eine Google-Suche mit diesen Stichwörtern führt zu einer Auswertung des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), die auf Daten der OECD von 2023 beruht. Demnach haben Menschen in Deutschland im Schnitt knapp 200 Stunden weniger gearbeitet als Menschen in der Schweiz, nämlich 1.335 Stunden im Vergleich zu 1.530. Hierfür wird die Gesamtzahl der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden in einem Jahr durch die durchschnittliche Anzahl der Beschäftigten in diesem Jahr geteilt. Unter allen 38 OECD-Ländern landete Deutschland damit auf dem letzten Platz. Das IW hat diese Zahlen auf alle Einwohner im Erwerbsalter, also zwischen 15 und 64 Jahren, und nicht nur auf Beschäftigte umgerechnet: So landet Deutschland 2023 mit im Schnitt 1.036 Arbeitsstunden auf dem drittletzten Platz, vor Frankreich und Belgien. Doch diese Zahlen sind nicht aussagekräftig. Wie es auf der Webseite der OECD heißt, dienen die Daten dem Vergleich von Trends im Zeitverlauf. Ungeeignet seien sie dagegen für Vergleiche der durchschnittlichen Arbeitszeit eines bestimmten Jahres – also genau dem, was Merz daraus macht. Auch die Auswertung des IW stand deswegen bereits mehrfach in der Kritik. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) bezeichnete sie als „Unstatistik des Monats“. Der Ländervergleich ist demnach irreführend. Zum einen umfasst die Statistik „die regulären Arbeitsstunden von Vollzeit-, Teilzeit- und Saisonarbeitskräften, bezahlte und unbezahlte Überstunden sowie die in Nebentätigkeiten geleisteten Stunden“. Doch deren Anteile variierten je nach Land, was bei der Berechnung eines Durchschnitts unterschlagen werde. Dabei steigt die Erwerbsbeteiligung in Deutschland laut RWI „erheblich an“, weil immer mehr Menschen in den Arbeitsmarkt einsteigen, aber nur in Teilzeit. Das seien vor allem Frauen, Studierende und ältere Menschen. Katharina Hölzl, Leiterin des Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, sagte dem SWR im Mai, würde man die Teilzeitquote richtig gewichten, stünde Deutschland im Mittelfeld des Rankings. Auch fehle dem Vergleich der Arbeitsstunden über zehn Jahre Kontext. So heißt es beim IW, im Unterschied zu Spanien, Griechenland oder Polen stagnierten in Deutschland die Arbeitsstunden. Doch die Zahl der Arbeitsstunden je Einwohner im Erwerbsalter sei nicht aussagekräftig in Bezug auf die Frage, ob in Deutschland ausreichend und effizient genug gearbeitet werde, schreibt das RWI. „Relevant ist der Kontext: Produktivität, Erwerbsbeteiligung, strukturelle Hürden.“ Eine Auswertung des RWI mittels der inflations- und kaufkraftbereinigten Arbeitsproduktivität zeigt: Im Unterschied zu Ländern wie Spanien, Griechenland oder Polen schneidet Deutschland – trotz weniger Arbeitsstunden – besser ab. Die inflations- und kaufkraftbereinigte Arbeitsproduktivität misst, wie viel Bruttoinlandsprodukt pro Erwerbstätigen und geleistete Stunde erwirtschaftet wird. Statt auf die Arbeitszeit-Debatte verweist das RWI auf die strukturellen Probleme auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Dazu zählten neben dem demografischen Wandel, die Arbeitsmigration und -integration oder auch die vielen Mütter in der sogenannten „Minijob-Falle“. „Wir haben mit die höchsten Arbeitskosten in ganz Europa, verglichen mit Amerika ohnehin.“ Bewertung: Größtenteils richtig Auch die Höhe der Arbeitskosten bemängelte Merz im Sommerinterview: Sie seien mit die höchsten in Europa und höher als in Amerika. Die Arbeitskosten setzen sich aus den Bruttoverdiensten und den Lohnnebenkosten, also zum Beispiel Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung, zusammen. Laut dem Statistischen Bundesamt kostete eine Arbeitsstunde in Deutschland 2024 durchschnittlich 43,40 Euro, damit lagen die Arbeitskosten 2024 rund 30 Prozent höher als im EU-Durchschnitt. Seit 2022 sei der relative Abstand zum EU-Durchschnitt fast gleich geblieben. Im EU-Vergleich landet Deutschland damit auf Rang 7. Noch höher sind die Arbeitskosten etwa in Luxemburg, Belgien oder Frankreich. Der prozentuale Anstieg der Arbeitskosten im Vergleich zum Vorjahr lag in Deutschland demnach im EU-Durchschnitt (plus 5 Prozent). In Luxemburg und Belgien sind die Arbeitskosten vor allem wegen der Lohnindexierung hoch, die Löhne werden dort automatisch an die Inflation angepasst. In Frankreich werden hauptsächlich hohe Sozialabgaben für das Niveau der Arbeitskosten verantwortlich gemacht. Auch in Deutschland stehen die Lohnnebenkosten häufig in der Kritik, Deutschland als Wirtschaftsstandort unattraktiv zu machen. Allerdings zeigt eine Auswertung von Eurostat von März 2025: Deutschland liegt bei den Lohnnebenkosten mit einem Anteil von 23,3 Prozent an den gesamten Arbeitskosten unter dem EU-Durchschnitt von 24,7 Prozent. In Frankreich haben die Lohnnebenkosten einen Anteil von 32,2 Prozent, in Schweden 31,6 Prozent. Für die USA gibt es keinen jährlichen Schnitt der Arbeitskosten, sie werden vierteljährlich vom Bureau of Labor Statistics veröffentlicht (Download). Nimmt man diese Zahlen für die Privatwirtschaft als Grundlage, kostete eine Arbeitsstunde 2024 im Schnitt etwa 44,20 Dollar. Umgerechnet mit dem Jahreswechselkurs von 2024 landet man bei etwa 40,80 Euro. Der Anteil für Sozialabgaben bewegte sich zwischen 29,5 und 29,7 Prozent. Das liegt also unter den durchschnittlichen 43,40 Euro Arbeitskosten in Deutschland. Unabhängig davon halten einige Experten die Arbeitskosten allein für die Wettbewerbsfähigkeit eines Standortes nicht für aussagekräftig. Gegenüber dem ZDF erklärte Alexander Herzog-Stein von dem gewerkschaftsnahem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, dass die Arbeitskosten immer ins Verhältnis zur Arbeitsproduktivität gesetzt werden müssten. Ein Faktor, der das abbildet, sind die Lohnstückkosten. Bei denen lag Deutschland in einer Auswertung des IMK der Jahre 2020 bis 2023 im europäischen Durchschnitt. Die CDU-Pressestelle reagierte bis zur Veröffentlichung inhaltlich nicht auf eine Anfrage mit unseren Rechercheergebnissen. Update, 8. September 2025: Wir haben im Text ergänzt, dass die CDU inhaltlich nicht auf unsere Presseanfrage reagierte. Redigatur: Kimberly Nicolaus, Steffen Kutzner, Sophie Timmermann
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Paulina Thom
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Merz lehnte Steuererhöhungen mit Verweis auf den Koalitionsvertrag ab und kritisierte hohe Krankenstände in Deutschland. Wir ordnen ein.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-09-05T14:26:56+02:00
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2025-09-05T14:26:56+02:00
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2025-09-09T12:14:42+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/09/05/sommerinterview-mit-friedrich-merz-aussagen-zu-krankheitstagen-und-arbeitszeiten-im-faktencheck/
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CDU-Generalsekretär Linnemann hinterlässt falschen Eindruck zur Beschäftigungsquote von Geflüchteten
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CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann behauptet, seit 2015 seien 6,5 Millionen Menschen nach Deutschland gekommen und weniger als die Hälfte sei in Arbeit. Das stimmt nicht. von Paulina Thom Zehn Jahre ist es her, als die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: „Wir schaffen das!“ Damals kamen binnen eines Jahres mehr als eine Million Geflüchtete nach Deutschland, anfangs vorrangig aus dem vom Bürgerkrieg betroffenen Syrien. In der Politik ziehen einige aktuell eine kritische Bilanz, darunter auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte er: „Seit 2015 sind 6,5 Millionen Menschen zu uns gekommen und weniger als die Hälfte ist heute in Arbeit. Ich finde das, gelinde gesagt, nicht zufriedenstellend.“ Linnemann suggeriert mit seiner Äußerung, dass mehr als drei Millionen Geflüchtete in Deutschland nicht arbeiten würden. Das stimmt nicht. Er bezieht Zahlen zur Beschäftigung und zu eingewanderten Menschen irreführend aufeinander. Sowohl Auswertungen zur Beschäftigung aller seit 2015 nach Deutschland Zugewanderten als auch konkret zu Geflüchteten zeichnen zudem ein anderes Bild. Auch wenn Linnemann nicht konkret von Geflüchteten spricht, legen der Kontext des Interviews zu Merkels Flüchtlingspolitik sowie eine Antwort der CDU-Pressestelle dies nahe. Denn auf Nachfrage nach einer Quelle verweist Pressesprecher Armin Peter auf eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit über „Beschäftigte aus den acht nichteuropäischen Asylherkunftsländern“. Dazu zählen Afghanistan, Syrien, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Eritrea. Aus diesen Ländern gab es zwischen 2012 und 2014 und im ersten Quartal 2015 die meisten Asylerstanträge, daher sind sie Grundlage der Statistik. Im Mai 2025 lag die Beschäftigungsquote von erwerbsfähigen Menschen (15 bis unter 65 Jahre alt) aus diesen Ländern bei etwa 47,6 Prozent, das entspricht rund 760.000 Menschen in Arbeit. Anders als Linnemann behauptet, bezieht sich diese Quote also nicht auf 6,5 Millionen, sondern auf etwa 1,6 Millionen Menschen. Zudem gibt die Statistik keine Auskunft darüber, wann die Menschen nach Deutschland kamen und sie umfasst auch Länder, die bei den starken Fluchtbewegungen seit 2015 eher eine untergeordnete Rolle gespielt haben – zum Beispiel Pakistan. Und in der Statistik werden auch Menschen gezählt, die nicht geflohen sind. Unabhängig davon ergibt es keinen Sinn, diese Beschäftigungsquote – wie Linnemann es macht – auf 6,5 Millionen Menschen anzuwenden, die gar nicht alle aus den genannten Ländern stammen. Woher die Angabe von 6,5 Millionen Menschen seit 2015 stammt, erfuhren wir, trotz mehrfacher Nachfrage bei der CDU-Pressestelle, nicht. Die Zahl findet sich aber beim Statistischen Bundesamt. Demnach sind so viele Menschen seit 2015 nach Deutschland eingewandert. Doch nur etwa ein Drittel (31 Prozent) von ihnen hat als Grund für die Einwanderung Flucht, Asyl oder internationalen Schutz angegeben. Insgesamt 31 Prozent kamen laut eigener Aussage wegen einer Arbeit, einer Beschäftigung, eines Studiums oder einer Ausbildung nach Deutschland und weitere 27 Prozent kamen im Rahmen der Familienzusammenführung oder Familiengründung nach Deutschland. Dass es sich bei den 6,5 Millionen Menschen nicht nur um Geflüchtete handelt, zeigen auch die Angaben zu ihren Herkunftsländern. Zwar sind die Ukraine (seit 2022: 843.000) und Syrien (seit 2015: 840.000) laut Statistischem Bundesamt die Hauptherkunftsländer, doch viele Menschen kamen seit 2015 auch aus Rumänien (300.000) oder Polen (230.000). Auch sind nicht alle der 6,5 Millionen Menschen erwerbsfähig: Wie wir mehrfach berichteten, sind etwa ein Viertel der aus der Ukraine Geflohenen unter 18 Jahre alt, auch ein Drittel der Visa im Rahmen des Familiennachzugs gingen 2024 an Minderjährige. Wie viele der seit 6,5 Millionen Zugewanderten arbeiten? Auf Anfrage der DPA-Faktencheckredaktion schlüsselte das Statistische Bundesamt hierfür Zahlen aus dem Mikrozensus (Download, Tabellenblatt 12211-31) auf: Demnach gaben 60 Prozent der seit 2015 eingewanderten Menschen im erwerbsfähigen Alter eine Erwerbstätigkeit an, 7 Prozent waren erwerbslos und 33 Prozent zählten sich als Nichterwerbsperson. Dazu gehören Schüler, Studenten, ältere Menschen oder Personen, die im Haushalt tätig sind. Diese Quote liegt also höher als die von Linnemann genannte. Die CDU-Pressestelle reagierte auf unsere Rechercheergebnisse nicht mehr. Zum Jahresende 2024 lebten in Deutschland laut Statistischem Bundesamt insgesamt 3,3 Millionen Schutzsuchende, etwa ein Viertel von ihnen sind Minderjährige. Beschäftigungsdaten ausschließlich zu Geflüchteten gibt es laut dem Mediendienst Integration nicht. Ein Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Beschäftigungsquote von Geflüchteten, die im Jahr 2015 nach Deutschland kamen, höher liegt als von Linnemann angegeben. Das IAB befragt seit 2016 jährlich Menschen, die als Schutzsuchende nach Deutschland gezogen sind und verknüpft die Umfragedaten mit den Sozialversicherungsdaten. 2024 lag die Beschäftigungsquote bei 64 Prozent und damit nur noch leicht unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 70 Prozent. Wie wir bereits mehrfach berichtet haben, steigt mit zunehmender Aufenthaltsdauer von Geflüchteten auch deren Beschäftigungsquote. Insbesondere ukrainische Geflüchtete sind erst seit maximal 3,5 Jahren in Deutschland. Ihre Beschäftigungsquote lag laut einem Bericht des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung von Oktober 2024 bei damals 30 Prozent und ist damit nicht ungewöhnlich, wie folgende IAB-Grafik zeigt: „Staatliche Maßnahmen – von beschleunigten Asylverfahren über Integrations- und Sprachkurse bis hin zu arbeitsmarktpolitischer Unterstützung – haben gewirkt“, schreiben die Autorinnen und Autoren des IAB-Berichts. Allerdings gebe es weiterhin Herausforderungen bei der beruflichen Integration von Frauen und älteren Menschen sowie beim Verdienstniveau, das deutlich unter dem Median aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland liegt. Eine Beschäftigungsquote von 64 Prozent unter den 2015 zugezogenen Schutzsuchenden sei „keineswegs selbstverständlich“, heißt es in dem IAB-Bericht. Geflüchtete hätten besondere Herausforderungen beim Einstieg in eine Beschäftigung. Hierzu zählen Belastungen, etwa traumatische Erfahrungen durch Krieg, Vertreibung und Flucht, sowie eine fehlende Vorbereitung auf die Migration, die sich etwa in fehlenden Kenntnissen der Sprache des Ziellandes zeige. Hinzukämen geringe oder aufgrund der Unterschiede in den Bildungssystemen schwer übertragbare Ausbildungs- und Bildungsabschlüsse und zuletzt institutionelle Faktoren in den Zielländern, wie die Dauer der Asylverfahren, Beschäftigungsverbote in der ersten Ankunftsphase, Wohnsitzauflagen und Diskriminierung. Laut dem Mediendienst Integration mussten viele Geflüchtete, die 2015 und 2016 eingereist sind, fast ein Jahrzehnt in Flüchtlingsunterkünften leben. Redigatur: Steffen Kutzner, Kimberly Nicolaus
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Paulina Thom
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Der CDU-Generalsekretär behauptet fälschlich, von 6,5 Millionen nach Deutschland gekommenen Menschen seien weniger als die Hälfte in Arbeit.
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"Faktencheck",
"Migration",
"Politik"
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Migration
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2025-09-03T17:47:41+02:00
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2025-09-03T17:47:41+02:00
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2025-09-23T19:10:42+02:00
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Seit 2015 seien 6,5 Millionen Menschen nach Deutschland gekommen und weniger als die Hälfte sei in Arbeit.
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CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann
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2025-08-25 00:00:00
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Teilweise falsch
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Teilweise falsch. Seit 2015 kamen 6,5 Millionen Menschen nach Deutschland, darunter Geflüchtete, Personen, die für eine Ausbildung oder eine Arbeit kamen, oder Kinder – egal woher. Von denjenigen, die darunter im erwerbsfähigen Alter sind, gehen laut Daten des Mikrozensus rund 60 Prozent einer Beschäftigung nach. Linnemann wendet stattdessen offenbar auf die Gruppe der 6,5 Millionen Menschen fälschlich die Beschäftigungsquote von Personen aus einem der acht häufigsten nichteuropäischen Asylherkunftsländern an. Diese Quote liegt zwar bei etwa der Hälfte, allerdings umfasst sie auch Personen, die nicht geflohen oder bereits vor 2015 nach Deutschland gekommen sind.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/09/03/cdu-generalsekretaer-linnemann-hinterlaesst-falschen-eindruck-zur-beschaeftigungsquote-von-gefluechteten/
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Sommerinterview mit Markus Söder: Aussagen zu ukrainischen Geflüchteten im Faktencheck
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Am 24. August war Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im ARD-Sommerinterview. Er wiederholte falsche und unbelegte Aussagen zu ukrainischen Geflüchteten und Bürgergeld. Wir ordnen sie ein. von Sara Pichireddu Aktuell laufen die traditionellen Sommerinterviews von ZDF und ARD mit deutschen Spitzenpolitikerinnen und -politikern. Am 24. August 2025 war in der ARD der CSU-Parteivorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder zu Gast. Im Gespräch mit Moderatorin Anna Engelke ging es unter anderem um den Umgang mit ukrainischen Geflüchteten in Deutschland. Söder will die Sonderregelung, mit der Ukrainerinnen und Ukrainer Bürgergeld statt Unterstützung für Asylbewerbende bekommen, abschaffen. Das begründet er mit falschen und unbelegten Aussagen. CORRECTIV.Faktencheck ordnet sie ein. „Das System jetzt führt dazu, dass Deutschland im internationalen Vergleich viel weniger Menschen hat aus der Ukraine, die arbeiten könnten. […] Das ist doch echt absurd, was wir in Deutschland machen. Da haben wir gut ausgebildete Leute, setzen aber Anreize, dass sie nicht arbeiten. Das macht nur Deutschland so. Keiner in Europa versteht das.“ Bewertung: Größtenteils falsch Schon in seinem ersten Sommerinterview dieses Jahr am 3. August sprach Markus Söder über Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland. Dass wegen des Bürgergelds in Deutschland im internationalen Vergleich besonders wenige von ihnen arbeiten würden, stimmt nicht, wie wir schon damals schrieben. Auch im aktuellen Sommerinterview mit der ARD wiederholt er bei Minute 27.40 seine falsche Behauptung. In einer im November 2024 veröffentlichten Studie untersuchte die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Situation ukrainischer Geflüchteter im europäischen Vergleich. Demnach lag Deutschland mit einer Beschäftigungsquote von etwa 27 Prozent im ersten Quartal 2024 unter Ukrainerinnen und Ukrainern „im europäischen Mittelfeld“. Seit 2023 stieg die Quote laut der Bundesagentur für Arbeit. Im Mai 2025 hatten demnach knapp 35 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer eine Arbeit. Der Großteil von ihnen war sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Söders Behauptung, das mache „nur Deutschland so“ bezieht sich auf die aktuelle Rechtslage in Deutschland, wonach geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer Anspruch auf das Bürgergeld haben. Sie unterliegen dabei den gleichen Regeln wie alle anderen Empfängerinnen und Empfänger auch. Das heißt, sie müssen umfangreiche Aussagen zu ihrem Vermögen machen, erreichbar sein und Termine und Maßnahmen wahrnehmen. Deutschland ist nicht das einzige Land, das die Unterstützung für Ukrainerinnen und Ukrainer mit einer Sonderregelung sichert: In fast allen EU-Staaten haben ukrainische Geflüchtete einen besonderen Schutzstatus, in manchen erleichtert ihnen das den Zugang zum Arbeitsmarkt. In Belgien erhalten sie darüber hinaus beispielsweise staatliche Sozialhilfe. „Wir haben da noch eine Menge Arbeit, Sparpotential und auch Veränderungen, die durchzusetzen sind. Denken Sie an das Thema Rechtskreiswechsel beim Thema Ukraine, damit auch mehr Menschen aus der Ukraine arbeiten.“ Bewertung: Unbelegt Dass Geflüchtete aus der Ukraine Bürgergeld bekommen, soll jedoch geändert werden, wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Demzufolge sollen Geflüchtete aus der Ukraine, die nach dem 1. April 2025 ins Land gekommen sind, künftig, so wie Asylwerbende aus anderen Ländern, Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben. Über diesen „Rechtskreiswechsel“ spricht auch Söder im Sommerinterview (ab Minute 27). Er will weiter gehen als die Koalition und die Leistungen auch für jene begrenzen, die schon vor April 2025 nach Deutschland kamen. Durch die damit verbundene Leistungsminderung – statt 563 Euro im Monat für Alleinstehende nur noch 441 Euro – erhofft er sich mehr Arbeitswillen. Doch für diese Annahme gibt es laut der Studie des IAB keine Belege. Vielmehr spielen demnach vor allem die Kinderbetreuung, soziale Netzwerke und auch gute Englischkenntnisse eine zentrale Rolle für die Integration in den Arbeitsmarkt. Darüber berichteten wir bereits im August 2023 und zuletzt im Juli 2025. Etwas weniger als 700.000 Ukrainerinnen und Ukrainer erhielten im April 2025 Bürgergeld. Das geht aus dem aktuellen „Migrationsmonitor“ der Bundesagentur für Arbeit hervor. Legt man die aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom 31. Dezember 2024 zu Grunde, beziehen von rund 1,1 Millionen ukrainischen Menschen etwa 64 Prozent Bürgergeld. Narrative, die mit dieser oder ähnlichen Zahlen Stimmung gegen Geflüchtete machen wollen, gibt es immer wieder. Wie wir bereits in diesem Faktencheck zeigten, ist die Quote aber kein Hinweis auf Arbeitsverweigerung oder gescheiterte Integration. Wir haben schon 2023 unter anderem mit Moritz Kuhn, Professor für Arbeitsökonomie, über die Zahlen und deren Bedeutung gesprochen. Er sagte, dass es vor allem wichtig sei, wie lange sich Menschen bereits in Deutschland befänden: „Menschen arbeiten sich in den Arbeitsmarkt rein“, sagt Kuhn. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer steige daher auch die Beschäftigungsquote. Das zeigten auch Veröffentlichungen des IAB: „Mit zunehmender Aufenthaltsdauer steigen die Erwerbstätigenquoten jedoch deutlich an: Im Durchschnitt erreichen sie sechs Jahre nach dem Zuzug 57 Prozent, sieben Jahre nach dem Zuzug 63 Prozent und bei einer Aufenthaltsdauer von acht und mehr Jahren 68 Prozent.“ Dass all das Geld einsparen könne, wie Söder behauptet, ist nicht belegt. Zum Vorschlag der Koalition – der weniger weit geht als Söders Vorschlag – gibt es entsprechende Berechnungen. Laut einem Referentenentwurf vom 8. August aus dem Arbeitsministerium liegen die Ersparnisse für Kommunen, Bund und Länder durch den Rechtskreiswechsel in den Jahren 2026 und 2027 bei knapp 1,7 Milliarden Euro. Demgegenüber stehen aber Mehrkosten von insgesamt knapp 1,8 Milliarden Euro. Dazu kommen noch ein einmaliger Erfüllungsaufwand von 1,3 Millionen Euro. Eine Ersparnis für den Haushalt ist der Vorschlag laut dem Papier also nicht. Weitere Faktenchecks zu den Sommerinterviews 2025 finden Sie unter anderem hier, hier und hier. Korrektur, 29. August 2025: Wir haben im ersten Absatz korrigiert, dass das Sommerinterview mit Söder am 24. August nicht beim ZDF ausgestrahlt wurde, sondern bei der ARD. Redigatur: Steffen Kutzner, Gabriele Scherndl
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Sara Pichireddu
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Am 24. August war Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im ARD-Sommerinterview. Seine Aussagen zu ukrainischen Geflüchteten im Faktencheck.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-08-28T14:11:12+02:00
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2025-08-28T14:11:12+02:00
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2025-09-11T22:44:39+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/08/28/sommerinterview-mit-markus-soeder-aussagen-zu-ukrainischen-gefluechteten-im-faktencheck/
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Sommerinterview mit Jan van Aken: Aussagen zur DDR-Vergangenheit und Vermögenssteuer im Faktencheck
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Jan van Aken, Co-Vorsitzender der Linken, war am 17. August zum Sommerinterview bei der ARD. Seine Aussagen haben wir im Faktencheck überprüft. Einige halten einer Überprüfung stand, andere sind falsch oder schwer zu belegen. von Matthias Bau , Sara Pichireddu Am 17. August war Jan van Aken, Co-Vorsitzender der Linken, im ARD-Sommerinterview zu Gast. Seine Aussagen hielten in weiten Teilen einer Überprüfung stand. Manches, was van Aken zu den Nato-Ausgaben, Sanktionen gegen russische Öltanker, Einnahmen durch eine Vermögenssteuer und die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit anderer Parteien sagte, benötigt jedoch weiteren Kontext oder ist in Teilen falsch. CORRECTIV.Faktencheck ordnet – wie auch schon bei vergangenen Sommerinterviews – ein, wie die Sachlage zu einigen Aussagen aussieht. „Aber auch heute […] fährt gerade vor Fehmarn wahrscheinlich ein Tanker längs mit illegalem russischen Öl. Die Einnahmen aus dem Ölverkauf gehen direkt in die Kriegskasse. Damit wird der Krieg finanziert. Und ich frage mich seit Monaten und sage es laut, warum tut die Bundesregierung nichts dagegen, dass die illegalen Ölexporte direkt durch unser Staatsgebiet fast laufen? Da könnte man mit so vielen kleinen Nadelstichen, man könnte die Küstenwache hinschicken, überprüfen, haben die eine Versicherung? […] Und da könnte man, glaube ich, richtig Druck auf die Kriegskasse des Kremls ausüben. Und es passiert nichts.“ Im ARD-Sommerinterview stellt Van Aken die Behauptung auf, vor der deutschen Insel Fehmarn seien russische Tanker unterwegs, deren Ölverkauf in die Kriegskasse fließe, und die Bundesregierung unternehme nichts dagegen. Das stimmt so nicht. Richtig ist, dass Schiffe der russischen Schattenflotte durch die Ostsee fahren, deutsche Inseln passieren und Sanktionen der EU gegen die Ölindustrie Russlands umgehen. Bekannt wurde vor allem der Tanker „Eventin“, der vor Rügen havarierte. Er wurde Mitte März vom deutschen Zoll beschlagnahmt, der Eigentümer klagte dagegen. Noch ist die Klage nicht entschieden. Am 23. Juni berichtete die ARD detailliert über zwei weitere Tanker der Schattenflotte, die auch deutsche Gewässer passierten: die Utaki und die Prosperity. Die EU sanktioniert 444 Schiffe, die zur Schattenflotte gezählt werden. An diesen Sanktionen beteiligt sich auch Deutschland. Darauf verwies Anna Engelke, stellvertretende Studioleiterin im ARD-Hauptstadtstudio, auch im Gespräch mit van Aken. Das Bundesministerium für Verkehr erklärte darüber hinaus am 1. Juli 2025, dass deutsche Behörden nun den Versicherungsschutz von verdächtigen Schiffen prüften. Das hatte Deutschland bereits im Dezember 2024 gemeinsam mit elf weiteren europäischen Staaten angekündigt. Durch die Sanktionen dürfen in der EU ansässige Firmen nämlich keine Dienstleistungen für Schiffe anbieten, die sanktioniertes Öl befördern. Das schließt auch Versicherungen ein, wie Umweltjuristin Sabine Schlacke im juristischen Onlinemagazin Legal Tribune Online schreibt. Wie wirksam die Maßnahme sein wird, ist unklar, da Russland bereits jetzt Schiffe der Schattenflotte teilweise durch Kriegsschiffe begleiten lässt. Die Schiffe der Schattenflotte vor der deutschen Küste zu stoppen, ist grundsätzlich nicht so einfach möglich, denn im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (PDF) ist in Teil 3 Artikel 17 festgelegt, dass jedes Schiff ein Recht auf friedliche Durchfahrt durch jedwede Meere hat, auch wenn diese in die territoriale Zuständigkeit eines Staates fallen. Bedingung ist dabei, dass die Durchfahrt kontinuierlich und zügig erfolgt – das war bei der Eventin nicht mehr möglich. „Wenn Russland jetzt mit dem Angriff auf die Ukraine durchkommt, befürchte ich auch andere Angriffe. […] Ja, wir müssen verteidigungsfähig sein. Wir brauchen eine EU- und Landesverteidigung. Deswegen: Nix mit ‚Keine Angst haben‘! Aber ich sage auch: Die europäischen Nato-Staaten, ohne die USA, nur die europäischen Nato-Staaten geben 420 Milliarden im Jahr für Militär aus und Russland nur 300.“ In Bezug auf die Bedrohungslage durch Russland behauptet van Aken zudem, dass die europäischen Nato-Staaten mehr Geld, nämlich 420 Milliarden US-Dollar im Jahr, für das Militär ausgeben würden und Russland nur 300 Milliarden US-Dollar. Interviewerin Anna Engelke vermutet richtig, dass sich van Aken auf eine Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2024 bezieht. Das bestätigte uns ein Pressesprecher der Linken auf Anfrage. Van Aken arbeitete bis 2009 als Experte für Gentechnik für Greenpeace. Er zitiert die Zahlen aus dem Papier weitgehend korrekt. Ein Fehler, den Van Aken macht, ist, dass er diese Summe nur den europäischen Nato-Staaten zuordnet: Gemeint sind aber alle Mitglieder außer den USA, also auch Kanada. Doch Kanadas Anteil an den Nato-Ausgaben beläuft sich laut der Greenpeace-Studie ohnehin nur auf rund zwei Prozent. Die Zahlen in der Greenpeace-Studie zu den Nato-Ausgaben stammen von der Nato selbst, die Zahlen zu Russlands Ausgaben stammen vom Stockholm International Peace Research Institute. Sie sind kaufkraftbereinigt. Das bedeutet: Um die Zahlen trotz Unterschieden zwischen Währungen und wirtschaftlicher Lage vergleichbar zu machen, wurden sie auf eine gemeinsame Basis umgerechnet. Die Greenpeace-Studie kommt dementsprechend zu dem deutlichen Schluss: „Ein Defizit der Nato besteht also nicht.“ Ein Bericht des International Institute for Strategic Studies (IISS) nutzt eine andere Berechnungsmethode. Den Bericht erwähnt auch die ARD in ihrem Faktencheck. Dem IISS-Bericht zufolge können die Militärausgaben nicht so einfach in Relation gesetzt werden. Angesichts der niedrigen Kosten für die inländisch dominierte Produktion, berechnet das IISS die russischen Militärausgaben kaufkraftbereinigt. Weil Europa viel Material in den USA einkaufe, berechnet das IISS, anders als Greenpeace, die europäischen Nato-Ausgaben nicht kaufkraftbereinigt, sondern MER-basiert, also angepasst an den Marktwechselkurs (Englisch: market exchange rates). Demnach beliefen sich die russischen Militärausgaben 2024 – nach Kaufkraftbereinigung – auf 462 Milliarden US-Dollar. Sie übertreffen die europäischen Nato-Ausgaben – MER-basiert – damit um etwa 5 Milliarden US-Dollar. Wirtschaftswissenschaftler Janis Kluge, der zur Innenpolitik und der wirtschaftlichen Entwicklung Russlands forscht, weist uns jedoch darauf hin, dass die Nato-Ausgaben auch hier insgesamt deutlich über den Ausgaben Russlands liegen würden, wenn man die USA mit einbeziehen würde. Das zeigt sich auch anhand des IISS-Berichts. Demnach lagen 2024 allein die US-Ausgaben bei etwa 968 Milliarden US-Dollar. Van Aken erwähnt im ARD-Sommerinterview also korrekte Zahlen und unterschiedliche Berechnungsmethoden kommen zumindest zu dem gleichen Schluss, was die höheren Ausgaben der gesamten Nato betrifft. Experten sehen jedoch einen Vergleich, wie van Aken ihn aufstellt, generell kritisch. Wir haben auch Michael Brzoska vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg um eine Einschätzung gebeten. Brzoska war selbst Projektleiter im Stockholm International Peace Research Institute, auf dessen Zahlen sich Greenpeace in ihrer Studie bezieht. Er schreibt uns: „Die Zahlen sind nur begrenzt für den Vergleich militärischer Fähigkeiten geeignet.“ Angaben zum finanziellen Input sagten nichts darüber aus, was mit dem Geld gemacht werde und wie effektiv das sei. „Sowohl in Russland wie der Nato jammert das Militär, dass es zu wenig Geld bekommt. Die Nato hat das Geld, um deutlich mehr Soldaten im Militär zu haben als Russland. Russland produziert mehr Munition, wohl auch gepanzerte Fahrzeuge als die Nato, aber deutlich weniger Kriegsschiffe und Flugzeuge“, so Brzoska. Ähnlich antwortet auch Janis Kluge. Putin habe beispielsweise im Verlauf des Krieges hunderttausende Soldaten zwangsweise eingezogen, was dem Staat bereits Kosten spare. Seine Stärke liege in seiner Skrupellosigkeit, so Kluge. Einen Vergleich zwischen dem „autokratisch geführten“ Russland und der Nato als Bündnis vieler Demokratien findet er deshalb „von Anfang an unsinnig“. „Die Frage der Vermögensteuer ist ja nicht eine theoretische: […] Das bringt übrigens 108 Milliarden im Jahr.“ Als der Linken-Co-Chef die Forderung seiner Partei für eine gestaffelte Vermögenssteuer erwähnt, behauptet er, das bringe 108 Milliarden Euro im Jahr in die Staatskasse. Engelke hält dagegen: Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) seien es nur 8 bis 20 Milliarden Euro im Jahr. Tatsächlich könnte laut einer Studie des DIW von 2016 eine Wiederaufnahme der Vermögenssteuer in Deutschland dem Staat pro Jahr etwa 10 bis 20 Milliarden Euro Mehreinnahmen einbringen. Die Linke schreibt uns auf Nachfrage, dass auch sie sich auf Berechnungen des DIW bezieht. Sie verweist auf eine Präsentation von Stefan Bach, einem der beiden Autoren der 2016er-Studie. Auf Grundlage der darin vorgestellten Vermögensverteilungsdaten, einem Freibetrag von fünf Millionen Euro für Betriebsvermögen und mithilfe ihres Vorschlags einer gestaffelten Vermögenssteuer, berechnet die Partei Mehreinnahmen für die Staatskasse von mindestens 105 Milliarden Euro – noch bevor eine, wie von den Linken gefordert, Milliardärssteuer greifen würde. Obwohl van Aken im Sommerinterview versicherte, man könne die Zahl „einfach nachrechnen“, ist die Simulation aber nicht öffentlich abrufbar. Außerdem hängt die Berechnung der Linken ohnehin davon ab, wie sich das Vermögen in Deutschland verteilt – und dazu gibt es nur Schätzungen, wie Bach und sein Kollege Andreas Thiemann in ihrer Studie 2016 erklärten. Dementsprechend kommen andere Studien mit verschiedenen Simulationen und Schätzungen zu anderen Ergebnissen: Die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young schreiben etwa in einem Bericht von 2017, dass eine Vermögensteuer durch Wechselwirkungen mit anderen Steuern gar keinen Mehrertrag für den Staat bringen würde. Die Friedrich-Ebert-Stiftung sieht Mehreinnahmen von bis zu 28 Milliarden Euro. Allerdings legt keine von ihnen den von den Linken geforderten gestaffelten Vermögenssteuersatz zugrunde. Wir konnten van Akens Aussage insofern belegen, dass die Rechnung der Linken ausgehend von ihren Schätzungen zur Vermögensverteilung korrekt ist. Wie nah diese Schätzung allerdings an der Realität ist, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen. „Wir sind die einzige [Partei, Anm. d. Red.], also in der CDU und SPD, die ja auch Blockparteien waren, gab es gar keine Aufarbeitung [ihrer SED-Vergangenheit, Anm. d. Red]. Ich glaube, wir haben das sehr gut gemacht.“ Gegen Ende des Interviews (ab Minute 27:44) bittet Anna Engelke den Co-Parteichef der Linken, einige Sätze zu vervollständigen. Darunter auch den Satz: „Dass meine Partei sich mit der Aufarbeitung ihrer SED-Vergangenheit so schwer tut, ist für mich…“. Van Aken widerspricht und sagt, die Linke habe die Aufarbeitung „sehr gut gemacht“. Bei den „anderen Blockparteien“, van Aken nennt CDU und SPD, habe es eine solche Aufarbeitung nicht gegeben. Bei der Frage nach der Aufarbeitung der SED-Vergangenheit geht es darum, inwieweit sich die Parteien damit auseinandergesetzt haben, welche Rolle sie in der DDR hatten. Die Linke ist die Nachfolgepartei der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), also der Staatspartei der DDR. Die SED regierte autoritär und nutze die Stasi, um die eigene Bevölkerung und politische Gegner zu überwachen. Bei SPD, CDU und FDP geht es darum, ob und inwiefern sie ehemalige Stasi-Agenten und SED-Politikerinnen und -Politiker aufgenommen haben. Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht und dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 wurden Berlin und Gesamtdeutschland in vier Besatzungszonen geteilt, darunter die Sowjetische Besatzungszone (SBZ). In der Sowjetischen Besatzungszone traf zwar die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) alle grundsätzlichen Entscheidungen, doch sie erlaubte am 10. Juni 1945 die Gründung von „antifaschistisch-demokratischen Parteien“, wie der Historiker Hermann Weber in einem Artikel der Bundeszentrale für Politische Bildung schreibt. Daraufhin gründeten sich unter anderem die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), die SPD, die CDU und die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD bzw. LDP). Diese Parteien bildeten am 14. Juli 1945 einen sogenannten Block, der sich „Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien“ nannte. In einer wissenschaftlichen Arbeit der „Enquete-Kommissionen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ schreibt der Historiker Michael Richter: „Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Weimarer Republik waren die Gründer von CDU und LDP bereit, sich dem von den Sowjets angeordneten Block anzuschließen. Sie hofften auf diese Weise, der Bevorzugung der KPD durch die Sowjets zu begegnen und Einfluß auf die Politik zu gewinnen.“ Zu diesem Zeitpunkt wurde der Block nicht, wie in den Folgejahren, von der SMAD und der SED kontrolliert. So schreibt der wissenschaftliche Dienst des Bundestages, der Block sei „zunächst noch auf der Grundlage einer freiwilligen Zusammenarbeit“ zusammengekommen. Auch, wenn er zu diesem Zeitpunkt bereits unter dem Einfluss der SMAD stand. Letztendlich wurde der Block jedoch von der KPD dominiert und so zu „einem brauchbaren Instrument [für die Sowjetische Militäradministration, Anm. d. Red.] bei der Formung des Parteiensystems“, so Hermann Weber in seinem Artikel. Im April 1946 folgte dann, unter dem Druck der SMAD, die Zwangsvereinigung der SPD mit der KPD zur SED. Dadurch war die SPD nicht mehr Teil der Blockparteien. Die Aussage von van Aken, die SPD sei eine Blockpartei gewesen, ist also falsch. Und auch der Vorwurf, den van Aken im Sommerinterview macht, dass die SPD keine Aufarbeitung zur SED-Vergangenheit geleistet habe, ist laut Fachleuten falsch. Der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer, der zur Geschichte der SPD und der Linken forschte, sagte im Gespräch mit CORRECTIV.Faktencheck: „Die SPD war innerhalb der SED eliminiert“, es habe daher in der SED auch keine sozialdemokratische Tradition gegeben. So äußerte sich auch der Historiker Martin Sabrow. Die SPD habe nichts aufzuarbeiten, da sie mit der KPD zwangsvereinigt worden sei und so nicht Teil der Blockparteien war, die später von der SED und der SMAD gelenkt wurden. Erst im Oktober 1989 gab es mit der „Sozialdemokratischen Partei in der DDR“ (SDP), die sich im Januar 1990 in SPD umbenannte, wieder eine sozialdemokratische Partei in Ostdeutschland. Gero Neugebauer sagte im Gespräch mit CORRECTIV.Faktencheck über die Ost-SPD: „Diese SPD, wie sie 1989 gegründet wurde und die sich im September 1990 mit der West-SPD vereinigte, hatte mit der alten SPD nichts mehr zu tun.“ Auch ein Sprecher der SPD schreibt uns: „Die SPD hat keine SED-Vergangenheit, die es aufzuarbeiten gilt.“ Die Zwangsvereinigung der SPD mit der KPD habe „gegen die überwältigende Mehrheit der SPD-Mitglieder mit diktatorischen Mitteln der sowjetischen Besatzungsmacht und deutscher Kommunisten“ durchgesetzt werden müssen. Mit seiner Aussage konfrontiert, schreibt uns van Aken: „Da ist mir ein Fehler durchgerutscht, ich bitte alle Genossen der SPD da um Verzeihung. Die FDP hatte mit der LPDP eine Schwesterpartei, die Blockpartei war, nicht die SPD.“ Die FDP übernahm die LDPD und Mitglieder der National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD), wie Hermann Weber in seinem Artikel für die Bundeszentrale für Politische Bildung schreibt. Die NDPD wurde mit dem Ziel gegründet, „ehemalige Soldaten und Mitglieder der NSDAP sowie Angehörige des Bürgertums“ in die DDR zu integrieren, schreibt die Bundeszentrale für politische Aufklärung. Dazu schreibt uns ein Sprecher der FDP auf Anfrage: „Die Geschichte der DDR und der darin tätigen Blockpartei LDPD (Liberal-demokratische Partei Deutschlands) ist durch die parteinahe Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in mehrfacher Hinsicht und umfangreich aufgearbeitet worden.“ Man habe den Archivbestand der LDPD „im Umfang von ca. 700 laufenden Metern“ in das „Archiv des Liberalismus“ der Friedrich-Naumann-Stiftung überführt. „Dieser Bestand wurde und wird weiter bearbeitet und laufend für die Nutzung zur Verfügung gestellt.“ Zum anderen habe die „Stiftung zahlreiche Forschungen zur DDR und zur LDPD angeregt und selbst durchgeführt“. Auch mit dem Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in Dresden habe man Forschungsprojekte zur Geschichte der LDPD durchgeführt. Doch diese Aufarbeitung bezeichnet Historiker Christoph Wunnicke als „vertuschend“ und „verharmlosend“. In einem Gutachten erklären er und die Historiker Ehrhart Neubert und Mario Niemann: „Historische Aufarbeitung [durch CDU und FDP, Anm. d. Red.] wird überwiegend in den parteinahen Stiftungen betrieben. Bezüglich der DDR geschieht dies nahezu ausschließlich zur Geschichte ihrer Vorgängerparteien in den Jahren unmittelbar nach dem Krieg bis zur endgültigen Gleichschaltung Anfang der fünfziger Jahre. Über die folgenden Jahrzehnte bis zur Friedlichen Revolution wird so gut wie gar nicht geforscht und publiziert. Den wenigen Ausnahmefällen liegt oft eine Verklärungsabsicht zu Grunde.“ Und wie steht es um die Behauptung von van Aken, dass die CDU ihre SED-Vergangenheit nicht aufgearbeitet hätte? Das hat der Historiker Christoph Wunnicke, der auch für die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen tätig ist, für uns eingeordnet. Er schrieb uns: „Die CDU (West) hat sich bis zum Frühjahr 1990 sehr kritisch mit der CDU in der DDR auseinandergesetzt. Spätestens mit der damals absehbaren Fusion brach das ab. In der CDU (Ost), später in der gesamtdeutschen CDU, gab es dieses Interesse nie – und damit auch keine Kommissionen.“ Es gebe zwar einige Studien und Bücher zur „eher unbelasteten Frühgeschichte ostdeutscher CDU-Landesverbände bis zur Gleichschaltung Anfang der 1950er Jahre“, so schreibt uns Wunnicke weiter. Die „danach einsetzende belastende Zeit“ werde aber ausgeblendet. Eine Aufarbeitung der Geschichte des Landesverbandes Thüringen hält Wunnicke für nicht ausreichend. Zum Beispiel sei die Aufnahme von Mitgliedern der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD) und deren Karrieren nicht untersucht worden. Auch Gero Neugebauer kommt zu einem ähnlichen Fazit: Die CDU habe sich nicht systematisch mit ihrer Vergangenheit befasst, von einer „Aufarbeitung“ könne man daher nicht sprechen. Wir baten die CDU um eine Stellungnahme, doch erhielten bis zur Veröffentlichung keine Antwort. Die Linke entstand in ihrer heutigen Form durch die Umbenennung der SED in PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) und den Zusammenschluss mit der WASG (Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative) im Jahr 2007, wie die Bundeszentrale für Politische Bildung schreibt. Über die Aufarbeitung der Geschichte der eigenen Partei sagt van Aken, die Partei habe das „sehr gut gemacht“. Martin Sabrow, ehemaliger Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam, sagte im Gespräch mit CORRECTIV.Faktencheck, die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit der Partei sei eine „Existenznotwendigkeit“ gewesen. Diese sei in der Folge allerdings auch ernst genommen worden. So habe die Partei eine historische Kommission mit etwa zwei Dutzend Fachleuten eingerichtet und, neben der vom Bundestag beschlossenen Enquete-Kommission, eine alternative Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Verbrechen initiiert. Gero Neugebauer sagte uns, in Bezug auf die Befassung mit der SED-Vergangenheit: Diese habe es, auch organisiert durch die Partei, innerhalb der PDS als auch in bzw. im Umfeld der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegeben. Dennoch, so Neugebauer, „kann man nicht sagen, dass die Partei ihre SED-Vergangenheit“ komplett „auf den Tisch gelegt“ habe. Ungeklärt sei beispielsweise der Verbleib des SED-Vermögens. Ähnlich sieht das auch Christoph Wunnicke. „Soweit ich weiß, gilt ein Großteil des Auslandsvermögens der SED zwar als aufgeklärt und eingezogen, dennoch bleiben viele Millionen D-Mark verschwunden.“ Redigatur: Kimberly Nicolaus, Steffen Kutzner
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Matthias Bau
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Am 17. August war Jan van Aken von der Linken im Sommerinterview der ARD. Einige seiner Aussagen im Faktencheck.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-08-28T08:47:51+02:00
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2025-08-28T08:47:51+02:00
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2025-08-28T11:38:20+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/08/28/sommerinterview-mit-jan-van-aken-aussagen-zur-ddr-vergangenheit-und-vermoegenssteuer-im-faktencheck/
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CDU suggeriert fälschlich Zusammenhang zwischen Familiennachzug und Kriminalität
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Ende Juni beschloss der Bundestag, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte vorübergehend auszusetzen. Laut einem Beitrag der CDU mache das „Deutschland wieder sicherer“. Das stimmt so nicht. von Matthias Bau Am 27. Juni 2025 setzte der Bundestag den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre aus. Das betrifft Personen, die im Asylverfahren keinen Flüchtlingsstatus oder keine Asylberechtigung erhalten haben, denen aber im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland Folter, die Todesstrafe oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen. Sie dürfen ihre Familie (Ehepartner, Kinder, Eltern von minderjährigen Kindern) nur noch in Härtefällen nach Deutschland holen. Dafür stimmten mehrheitlich CDU/CSU, SPD und AfD. Hintergrund der aktuellen Entscheidung zum Familiennachzug ist laut dem Gesetzentwurf der Regierungskoalition, dass die Behörden entlastet werden sollen. Ein Narrativ, mit dem Innenminister Alexander Dobrindt bereits Zurückweisungen an der Grenze rechtfertigte, die Fachleute als juristisch nicht haltbar bezeichneten. In einem Beitrag auf X erweckt die CDU den Eindruck, Deutschland solle durch das neue Gesetz sicherer werden. Wörtlich schreibt die Partei: „Bundestag beschließt Aussetzung des Familiennachzugs. Wir machen Deutschland wieder sicherer.“ Was die Aussetzung des Familiennachzugs mit mehr Sicherheit zu tun hat, lässt das Bild im X-Beitrag offen. Die Pressestelle der Partei antwortete auf unsere Fragen dazu nicht. Wir schauen uns an: Wen betrifft die beschlossene Änderung beim Familiennachzug? Und hat das Auswirkungen auf die Kriminalität? Seit 2015 ist der Familiennachzug ein Streitpunkt politischer Debatten in Deutschland. Ein Jahr nach seinem ersten Inkrafttreten wurde er schon wieder ausgesetzt. Später wurde er auf 1.000 Visa pro Monat begrenzt, betroffen davon waren immer Familien von subsidiär Schutzberechtigten. Asylberechtigte und anerkannte Geflüchtete dürfen weiterhin ihre engsten Angehörigen nach Deutschland holen, darauf haben sie gesetzlich Anspruch. Wer nur den X-Beitrag der CDU sieht, könnte denken, der gesamte Familiennachzug nach Deutschland sei ausgesetzt worden. Laut Mediendienst Integration machen die Anträge der subsidiär Schutzberechtigten lediglich rund acht Prozent beim Familiennachzug aus. Die Grafik des Mediendienstes zeigt: Zwischen 2018 und 2024 wurden demnach rund 58.400 Visa zum Zweck des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten vergeben. Im ersten Halbjahr 2025 rund 5.800 Visa (Stand: 23.6.2025). In Deutschland gibt es verschiedene Schutzformen, die mit unterschiedlichen Rechten beim Familiennachzug einhergehen. Die Schutzformen sind Asyl, die Anerkennung als Flüchtling nach der Genfer Konvention, der Subsidiäre Schutz und das Nationale Abschiebeverbot. Asyl: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, heißt es in Artikel 16a des Grundgesetzes. Das Bamf erklärt dazu auf seiner Homepage, dass Menschen dann asylberechtigt sind, wenn sie bei der Rückkehr in ihr Herkunftsland mit einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung rechnen müssen, die ihnen auf Grund ihrer Rasse, Nationalität, politischen Überzeugung, religiösen Grundentscheidung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht. Die Verfolgung muss vom Staat oder einer Organisation ausgehen, die den Staat ersetzt hat. Zudem darf es keine Fluchtalternative innerhalb des Herkunftslandes geben, wenn Menschen Asyl erhalten wollen. Flüchtlinge nach der Genfer Konvention: Die Vereinten Nationen (UN) definieren einen Flüchtling im „Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ aus dem Jahr 1967 als Person, die: „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.“ Wie das Bamf schreibt, kann hier die Verfolgung auch von einem nicht-staatlichen Akteur ausgehen. Subsidiärer Schutz: Wer kein Asyl oder Schutz nach der Genfer Konvention bekommt, kann subsidiären Schutz erhalten, wenn ihm im eigenen Herkunftsland „ernsthafter Schaden“ droht. Wie das Bamf schreibt, kann ein ernsthafter Schaden sowohl von staatlichen als auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen. In Paragraf 4 Absatz 1 des Asylgesetzes sind dafür folgende Gründe aufgelistet: die Verhängung der Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und eine ernsthafte Bedrohung für das Leben. Nationales Abschiebeverbot: Greift keine der anderen Schutzformen, dann kann es immer noch sein, dass Schutzsuchende aufgrund eines Abschiebeverbots in Deutschland bleiben dürfen. Ein solches Verbot wird dann erlassen, so das Bamf, wenn „die Rückführung in den Zielstaat eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) darstellt, oder dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.“ Ein Beispiel für eine solche Gefahr sind auch lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch eine Abschiebung wesentlich verschlimmern würden. Geregelt ist das in Paragraf 60 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gibt in seinem Papier „Das Bundesamt in Zahlen“ (PDF, Download) an, im Jahr 2024 in 75.092 Fällen subsidiären Schutz gewährt zu haben. Insgesamt lebten laut Statistischem Bundesamt etwas mehr als 381.000 Menschen mit diesem Aufenthaltsstatus in Deutschland (Stichtag: 31. Dezember 2024): knapp zwei Drittel von ihnen männlich; der größte Teil aus Syrien (295.614), dem Irak (20.858) und Afghanistan (18.543). Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Partei Die Linke vom 14. Mai 2025 hervor. Grundsätzlich ist der Familiennachzug für alle Schutzberechtigten möglich. Denn, so heißt es im Aufenthaltsgesetz: „Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.“ Im Grundgesetz steht: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“ Dass die Aussetzung des Familiennachzugs überhaupt möglich ist, liegt laut Rhea Kummer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung daran, dass es keine europäischen Vorgaben zum subsidiären Schutz gibt. „Das bedeutet, dass Deutschland die Vorschrift des § 36a AufenthG grundsätzlich ändern kann“, so Kummer. Deutschland sei aber gleichzeitig auch an Artikel 6 des Grundgesetzes gebunden. Sie sehe dies bei einer Aussetzung des Familiennachzugs als verletzt an. In einem Artikel auf dem Verfassungsblog argumentierte sie im März 2025 gemeinsam mit Greta Wessing, dass die Aussetzung des Familiennachzugs „verfassungsrechtlich nur Bestand haben“ könne, „wenn das öffentliche Interesse gegen die Interessen aller betroffenen Familienmitglieder abgewogen wird“. Das Argument von Innenminister Dobrindt, dass mit der Aussetzung die Aufnahme- und Integrationssysteme entlastet würden, weisen die Autorinnen zurück. Sie schreiben darüber hinaus, dass „die weitere Beschränkung des Familiennachzugs angesichts des deutlichen Rückgangs der Asylantragszahlen überhaupt nicht erforderlich scheint“. Weiter argumentieren Kummer und Wessing, dass eine langfristige Trennung eine „massive psychische Belastung“ für Geflüchtete darstelle. Der Familiennachzug hingegen „erleichtert Integration, wirkt gewaltpräventiv und dem demographischen Wandel entgegen“, so die Autorinnen. Daher sei das „öffentliche Interesse an einer erneuten Aussetzung […] als marginal zu bewerten“, demgegenüber überwiege das „öffentliche Interesse und das Interesse der betroffenen Familien an einer Aufrechterhaltung und Ausweitung des Familiennachzugs […] deutlich“. Ähnlich argumentierte auch Valentin Feneberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Leuphana Universität Lüneburg, im Juni 2025 auf dem Verfassungsblog. Der europäische Gerichtshof urteile dazu im Jahr 2021, dass im konkreten Fall einer subsidiär schutzberechtigten Person eine Wartezeit von zwei Jahren im Einklang mit der Rechtslage sei, eine längere Frist aber nicht zumutbar sei beziehungsweise das Interesse der schutzbedürftigen Person in der Interessenabwägung stärker berücksichtigt werden müsse. Für subsidiär Schutzberechtigte gibt es einen gesonderten Paragraphen im Aufenthaltsgesetz, den der Bundestag nun für zwei Jahre ausgesetzt hat. Demnach gilt, dass sie nur noch in Härtefällen Familienangehörige nach Deutschland holen dürfen. Was das genau heißt, wird in der Gesetzesänderung nicht weiter erläutert. Auf der Webseite des Auswärtigen Amtes heißt es, dass dabei „vor allem völkerrechtliche und dringende humanitäre Gründe“ bedeutsam sind. Laut Medienberichten sagte Innenminister Alexander Dobrindt, dass das zum Beispiel Situationen seien könnten, in denen Familienangehörige „dringende medizinische Versorgung brauchen, die ihnen in ihrem Heimatland nicht gewährt werden kann“. Da es bereits zuvor im Gesetz eine Deckelung auf 1.000 Anträge pro Monat gab, werden durch den Beschluss von CDU, SPD und AfD nun maximal 12.000 Visa weniger pro Jahr vergeben. Wer sind die Menschen, die zuvor über solche Visa nach Deutschland kamen? Das ist nicht eindeutig zu sagen, denn die Statistik des Auswärtigen Amtes unterscheidet nicht nach der Schutzform. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es dazu auf Anfrage: „Ein Visum zum Familiennachzug – unabhängig vom Aufenthaltsstatus der Person in Deutschland – wird statistisch als Familiennachzug erfasst. Die statistische Erfassung erfolgt entlang der Rechtsgrundlage des Visums, nicht entlang des Status der Person in Deutschland.“ Wie der Mediendienst Integration auf Grundlage einer Anfrage berichtet, wurden im ersten Halbjahr 2025 rund 54.600 Visa zum Familiennachzug insgesamt erteilt. Im Vorjahr waren es laut Daten des Auswärtigen Amtes etwas mehr 120.000. Das Auswärtige Amt schlüsselt die Daten einmal im Jahr nach „Ehegattennachzug“, „Elternnachzug“, „Kindernachzug“ und „Sonstiger Familiennachzug“ auf. So lässt sich nachvollziehen, dass 2024 mehr als ein Drittel der Visa an Kinder unter 18 Jahre erteilt wurden (45.452). Etwas mehr als 70.000 Visa wurden im Rahmen des Ehegattennachzugs für alle Schutzsuchenden erteilt. Wie viele davon Frauen erhielten, ist unklar, da diese Information statistisch nicht erfasst wird, wie uns auch das Auswärtige Amt auf Nachfrage bestätigte. Zahlen zeigen aber: Grundsätzlich stellen mehr Männer in Deutschland einen Asylantrag – damit haben grundsätzlich auch mehr Männer die Möglichkeit, ihre Familien nachzuholen. Auch die subsidiär Schutzberechtigten sind – wie bereits oben erwähnt – überwiegend männlich. Gina Wollinger ist Professorin für Kriminologie und Soziologie an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Nordrhein-Westfalen. Wir wollten von ihr wissen, ob die 12.000 Visa, die 2024 für den Familiennachzug genehmigt wurden, ein höheres Kriminalitätsrisiko nach sich zogen. Wolling schrieb uns: „Nein. Die Anzahl der Menschen ist sehr klein und es ist nicht davon auszugehen, dass sie besonders kriminogen sind.“ Sie schätze, dass es eher Frauen und Kinder seien, da unter den Geflüchteten eher junge Männer sind. Frauen und Kinder hätten ein „sehr niedriges“ Kriminalitätsrisiko. Laut der Kriminologin könnte die Aussetzung des Familiennachzugs sogar einen negativen Effekt haben. Denn: „Es ist ein Kernbefund der Kriminologie, dass soziale Bindungen enorm wichtig für Menschen sind und das Risiko, sich antisozial zu verhalten, Straftaten zu begehen, senken. Das gilt gerade für enge familiäre Bindungen […] Familiennachzug ist somit ein schützender Faktor vor Kriminalität. Unterbindet man dies, kann das Menschen, die eh schon lang von ihrer Kernfamilie getrennt sind, in tiefe Verzweiflung und Perspektivlosigkeit bringen. Das ist eher ein Risiko.“ Dörte Negnal, Juniorprofessorin im Fachbereich Sozialwissenschaftliche Kriminologie und Legal Gender Studies an der Universität Siegen, schreibt uns dazu: „Aus der Strafvollzugsforschung wissen wir, dass die Trennung von der Familie für Menschen immer einen Bruch darstellt, der enormer Aufwendungen bedarf, um aufgefangen zu werden. Dies verschärft sich noch, wenn die Trennung durch das Eingreifen staatlicher Behörden erfolgt.“ Aus ihrer Sicht sind ein sicherer Aufenthaltsstatus sowie eine Arbeitserlaubnis wichtige Maßnahmen, um das Kriminalitätsrisiko von Geflüchteten zu senken. „Berufsbildende und berufliche Integration ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe“, so die Expertin. Die gesellschaftliche Integration unterstützte auch der Familiennachzug. Denn, so Negnal: „Wessen Familie im Ausland ist, insbesondere wenn es Ehepartner*innen und Kinder sind, wird sich nicht im gleichen Maße um Teilhabe hierzulande bemühen können.“ Straftaten sind zudem ein Grund dafür, warum Personen – trotz der ansonsten erfüllten Kriterien – Schutz verweigert oder aberkannt werden kann. So steht es im Asylgesetz (siehe § 3 und § 4 Abs. 2). Darüber berichteten wir im November 2024. Damals schrieb uns Bamf-Sprecher von Borstel: Sollten Ausländerinnen oder Ausländer straffällig geworden sein, könne das Bamf eine Rücknahme oder den Widerruf des Schutzstatus prüfen. „Insbesondere vorsätzliche Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung stehen hier im Fokus.“ Für die Aussage der CDU auf X hat Negnal kein Verständnis: „Diese Aussage ist hoch problematisch, weil sie im Grunde eine Täter-Opfer-Umkehr vollzieht. Es wird davon ausgegangen, dass Menschen, deren Angehörige massiv von Gewalt bedroht sind, selbst Gewalttäter*innen sind.“ Gina Wolling schreibt uns über die Aussage der CDU: „Schon allein aufgrund der geringen Anzahl an Menschen, um die es hier geht, ist das Unfug.“ Ausländerinnen und Ausländer gerieten in der Vergangenheit immer wieder in den Fokus der CDU. Mal kritisierten Parteivertreter Asylbewerber, mal Schutzsuchende aus der Ukraine. So behauptete CDU-Chef Friedrich Merz im September 2022 ohne Belege, es gebe „Sozialtourismus“ durch Ukrainerinnen und Ukrainer, die angeblich unrechtmäßig in Deutschland Bürgergeld bezögen. Im Januar 2025 sagte er ohne Belege, es gebe „täglich stattfindende Gruppenvergewaltigungen aus dem Milieu der Asylbewerber“. Auf unsere Anfrage, wie die CDU zu ihrer Aussage auf X kam und was genau sie mit „Deutschland wird sicherer“ meint, erhielten wir bis zur Veröffentlichung keine Antwort. Redigatur: Sarah Thust, Paulina Thom
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Matthias Bau
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Der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte ist erstmal ausgesetzt. Laut CDU mache das „Deutschland wieder sicherer“. Ein Faktencheck.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-08-21T12:54:58+02:00
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2025-08-21T12:54:58+02:00
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2025-08-26T16:02:58+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/08/21/cdu-suggeriert-faelschlich-zusammenhang-zwischen-familiennachzug-und-kriminalitaet/
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ZDF-Sommerinterview: Aussagen von Tino Chrupalla im Faktencheck
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Im ZDF-Sommerinterview 2025 mit dem AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla fielen nur wenige prüfbare Behauptungen. An einigen Stellen äußerte er sich aber irreführend über die eigene Partei. von Steffen Kutzner , Gabriele Scherndl Am 10. August 2025 war AfD-Co-Vorsitzender Tino Chrupalla zu Gast im ZDF-Sommerinterview – es ging unter anderem über Waffenlieferungen, Bürgergeld und Rechtsextremismus. Moderator Wulf Schmiese versuchte, den Politiker über weite Strecken zu einer außenpolitischen Positionierung zu bewegen. Entsprechend rar blieben klare Tatsachenbehauptungen, die sich für einen Faktencheck eignen. Doch einige Aussagen von Chrupalla lassen sich prüfen. CORRECTIV.Faktencheck ordnet – wie auch schon bei vergangenen Sommerinterviews – ein, wo Kontext fehlte oder welche Angaben irreführend waren. „Ich kann nicht davon ausgehen […], dass jemand rechtsextrem ist. Wenn es diese Personen gibt, und da hat unsere Partei sich immer dagegen gewehrt, wird es auch […] Maßnahmen […] geben, die Landes- und Bundesschiedsgerichte [werden dem] nachgehen und diese Personen werden wir auch ausschließen. Wenn es Grenzüberschreitungen gibt […] gegen die freiheitlich demokratischen Grundregelungen und das Grundgesetz […], ist [das] die rote Linie.“ Etwa ab Minute 16:30 sagt Chrupalla einerseits, er gehe nicht davon aus, dass es Rechtsextreme in der AfD gebe. Andererseits sagt er: Sollte es diese geben, würden diese von den Landes- und Bundesschiedsgerichten ausgeschlossen. Im Verfassungsschutzbericht wird das rechtsextreme Personenpotenzial in der AfD seit 2022 explizit erfasst. Der aktuelle Verfassungsschutzbericht sah Ende 2024 ein „Rechtsextremismuspotential“ von geschätzt 20.000 Personen in der AfD. Dabei sind auch Personen in der Jungen Alternative (JA) eingerechnet. Laut Medienberichten von Juni 2024 hatte die AfD rund 48.000 Mitglieder, die JA hat nach aktuellen Eigenangaben mehr als 3.000. Die AfD trennte sich Anfang 2025 von der JA, sie soll durch eine neue Jugendorganisation ersetzt werden. Auf Seite 102 schreibt der Verfassungsschutz über die Partei: „In den Verlautbarungen der AfD und ihrer Repräsentanten kommt vielfach ein ethnisch-abstammungsmäßig geprägtes Volksverständnis zum Ausdruck, das im Widerspruch zum Volksverständnis des Grundgesetzes steht.“ Das ist keine jüngere Entwicklung: Hier hat CORRECTIV 14 Zitate aus den vergangenen Jahren zusammengetragen, die das völkische und damit rechtsextreme Denken von AfD-Vertretenden verdeutlichen. Im Mai 2025 stufte der Verfassungsschutz die AfD als „rechtsextremistisch“ ein, wegen eines laufenden Rechtsstreits kommuniziert er jedoch nur, dass die AfD ein derartiger Verdachtsfall sei. Über den innerparteilichen Streit um den „ethnisch-kulturellen Volksbegriff“, der von Gerichten als maßgeblich für die Verfassungsfeindlichkeit der Partei bewertet wurde, berichtete CORRECTIV im Juli 2025. Unter Fachleuten gehen die Bezeichnungen für die AfD auseinander. Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent nannte im Mai 2025 die Partei im Gespräch mit der ARD ein „Gravitationszentrum des Rechtsextremismus“. Hendrik Cremer, Jurist beim Deutschen Institut für Menschenrechte, schreibt: „Die Partei ist nicht nur rechtspopulistisch oder in Teilen rechtsextrem, die AfD ist in ihrer Programmatik insgesamt rechtsextrem und verfassungsfeindlich.“ Auch Einzelpersonen stehen immer wieder im Fokus. Etwa Björn Höcke, Vorsitzender des AfD-Landesverbandes in Thüringen. 2019 entschied ein Gericht, dass die Äußerung, er sei ein „Faschist“ in dem Kontext, in dem sie gefallen ist, zulässig war. Die Begriffe „Faschismus“ und „Rechtsextremismus“ sind nicht deckungsgleich, weisen aber inhaltliche Überschneidungen auf. Kürzlich stufte der Verfassungsschutz Brandenburg fünf der dortigen Abgeordneten als „rechtsextremistisch“ ein, wie eine Pressesprecherin auf Anfrage bestätigt. CORRECTIV.Faktencheck wollte von den einzelnen AfD-Landesschiedsgerichten und dem AfD-Bundesschiedsgericht wissen, wie viele Personen aus der AfD aus der Partei ausgeschlossen wurde, weil sie rechtsextrem sind oder gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen. Und auch, wie die Schiedsgerichte Einordnungen definieren. Einzig das Landesschiedsgericht Mecklenburg-Vorpommern antwortete inhaltlich: In Bezug auf Extremismus würden Aspekte wie eine Delegitimierung des Staates und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit betrachtet. Der Präsident des Landesschiedsgerichts, Horst Förster, schrieb: In diesem Jahr habe er drei Parteiausschlussverfahren wegen verfassungsfeindlichen Verhaltens behandelt, zwei davon hätten zum Parteiausschluss geführt. Aus Brandenburg kam keine Antwort auf die Frage, ob das dortige Landesschiedsgericht sich derzeit mit den fünf als „rechtsextremistisch“ eingestuften Abgeordneten beschäftigt. Mit Höcke befasste sich das Schiedsgericht zwar, er blieb jedoch in der Partei. In Nordrhein-Westfalen entschied das Landesschiedsgericht laut Medienberichten im Juli 2025 den Ausschluss des Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich, der Verfahrensstand ist jedoch unklar. „Wir haben uns erstens in der Vergangenheit dazu reichlich geäußert, auch im deutschen Bundestag [zu Gaza, Anm. d. Red.]. Auch unsere Position, was zum Beispiel Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete angeht, ist klar, die haben wir von Anfang an auch im Wahlprogramm immer abgelehnt und dazu stehen wir auch.“ Moderator Schmiese sagt ab Minute 2:52, dass es von der AfD in den vergangenen Wochen keine Pressemitteilungen zu Israel und Gaza gegeben habe, obwohl dieses Thema „Deutschland und die Welt“ umtreibe. Chrupalla entgegnet, die Position der AfD sei klar: Man habe Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete „von Anfang auch im Wahlprogramm immer abgelehnt“. Redebeiträge im Bundestag zum Thema Gaza und Israel gab es tatsächlich, doch so eindeutig, wie von Chrupalla dargestellt, ist die Position der AfD zu Waffenlieferungen nicht. Zwar kritisierte die AfD in den Wahlprogrammen zur Europawahl 2019 und zur Europawahl 2024 Waffenlieferungen in Kriegsgebiete allgemein. In den Wahlprogrammen zu den Bundestagswahlen 2017 und 2021 kam das nicht vor. Im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2025 kritisiert die AfD lediglich Waffenlieferungen an die Ukraine. Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und den darauf folgenden Angriffen Israels auf den Gazastreifen gibt es in der AfD unterschiedliche Positionen. Im Dezember 2024 schrieb die Abgeordnete Beatrix von Storch, die AfD habe „allgemeine Bedenken und eine Diskussion bezüglich der Lieferung von Waffen in Krisenregionen. Zwischen Deutschland und Israel gibt es aber seit Jahrzehnten eine intensive Rüstungskooperation, die weiter fortgesetzt werden soll und die durch die aktuelle Situation in Gaza nicht berührt wird.“ Das zeigt sich auch im Bundestag: Während der Abgeordnete Alexander Gauland in einem Redebeitrag im Juni 2025 Israels Vorgehen im Nahost-Krieg unterstützte, lobte Markus Frohnmaier im selben Monat Trump dafür, dass er Druck auf Israel ausübte. Das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas) hat recherchiert, dass Vertreterinnen und Vertreter der Partei im Nahost-Krieg teils eine vermeintlich Israel-solidarische Haltung einnehmen, andere hingegen antisemitische Stereotype bedienen. Das Internetportal der Amadeu Antonio Stiftung, Belltower News, schrieb im Juni 2025: Die AfD verabschiede sich zunehmend von einer „strategisch-solidarischen Position gegenüber Israel“ – doch dieser Kurs sei bislang kein Konsens. „Im Übrigen auch ein Punkt, wo ich wirklich ein Stück weit schmunzeln musste, als er [CSU-Chef Markus Söder im Sommerinterview, Anm. d. Red.] kritisiert hat, dass Ukrainer Bürgergeld beziehen. Eine Position, die wir von Anfang an vertreten haben.“ Beim Thema Bürgergeld für Ukrainer (ab Minute 15:25) gibt Chrupalla die damalige Parteiposition richtig wieder. Es geht um einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 7. April 2022. Er sah vor, dass ukrainische Kriegsflüchtlinge ab dem 1. Juni 2022 Sozialleistungen nicht mehr nach dem Asylbewerbergesetz erhalten sollen, sondern nach dem Sozialgesetzbuch. Damit können sie Bürgergeld erhalten. Die AfD stimmte damals zwar nicht gegen diesen sogenannten Rechtskreiswechsel, sondern enthielt sich, wie aus dem Plenarprotokoll hervorgeht. Das heißt aber nicht, dass sie für die Umstellung war. Auf Nachfrage erklärt die AfD-Bundestagsfraktion, man habe sich bei der Abstimmung enthalten, um einen anderen Teil des Gesetzänderungsantrags nicht zu blockieren: einen Sofortzuschlag für Kinder in Mindestsicherungssystemen aus Anlass der Covid-19-Pandemie. Im Plenarprotokoll auf Seite 103 ist auch nachzulesen, dass sich die AfD-Abgeordnete Gerrit Huy für den Zuschlag aussprach. Am 18. Oktober 2022 stellt die AfD-Fraktion einen Antrag, den Rechtskreiswechsel rückgängig zu machen, also ukrainische Flüchtlinge wie andere Flüchtlinge auch nach dem Asylbewerbergesetz zu behandeln. Der zuständige Ausschuss empfahl die Ablehnung des Antrags. Das fordern auch Parteivertreter der CDU und CSU, wie zum Beispiel unser Faktencheck zum ZDF-Sommerinterview mit Markus Söder zeigt. Bei einigen anderen Aussagen im Sommerinterview blieb Chrupalla vage. So sagte er etwa recht unkonkret, die „freie Meinungsäußerung“ in Deutschland sei in Gefahr. Die Meinungsfreiheit umzudeuten ist eine bekannte Strategie, die Vertretende der AfD und ihre Unterstützer anwenden, wie wir hier in einer Hintergrundrecherche berichten. Diese Strategie lässt außer Acht, dass das grundrechtlich verankerte Recht auf Meinungsfreiheit vom Strafrecht beschränkt wird. Das Grundrecht sieht also vor, dass die Meinungsfreiheit nicht allumfassend ist. Es endet dort, wo Delikte wie Volksverhetzung oder das Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen beginnen. Auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck antwortete Chrupalla nicht. Weitere Faktenchecks zu den Sommerinterviews 2025 finden sich hier. Redigatur: Matthias Bau, Sarah Thust
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Gabriele Scherndl
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Im ZDF-Sommerinterview 2025 mit Tino Chrupalla fielen nur wenige prüfbare Behauptungen. Er äußerte sich jedoch irreführend über die eigene Partei.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-08-14T14:07:20+02:00
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2025-08-14T14:07:20+02:00
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2025-08-19T13:07:38+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/08/14/zdf-sommerinterview-aussagen-von-tino-chrupalla-im-faktencheck/
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Sommerinterview mit Bärbel Bas: Wird Bürgergeld weitergezahlt, wenn jemand unbekannt verzieht?
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Im Sommerinterview mit Bärbel Bas ging es zumeist um ihre Pläne für die Rente und das Bürgergeld. Dabei unterlief der Ministerin zumindest eine Ungenauigkeit beim Thema Sanktionen. Auch eine Behauptung zu der Anzahl Geiseln, die die Hamas noch gefangen hält, ist nicht korrekt. von Steffen Kutzner Am 10. August fand das ARD–Sommerinterview mit Bärbel Bas statt. Bas ist Bundesministerin für Arbeit und Soziales und seit dem Juni 2025 gemeinsam mit Lars Klingbeil Vorsitzende der SPD. In dem halbstündigen Interview äußerte sie sich zu verschiedenen Themen und sprach über ihre Pläne für die Rente. Überprüfbare Tatsachenbehauptungen nahmen im Interview weniger Raum ein als in anderen Sommerinterviews, die wir uns angeschaut haben. Dennoch lassen sich einige der Aussagen von Bas überprüfen. Manche halten einem Faktencheck stand, andere nicht. Darunter eine Aussage zu Sanktionen beim Bürgergeld und der Situation im Gaza-Streifen. Ab Minute 14:38 befragt der Interviewer Matthias Deiß Bas zu ihren Plänen, was Sanktionen beim Bürgergeld angeht. Bas antwortet zunächst mit einer Anekdote: Bei ihren Aufenthalten in Nordrhein-Westfalen habe sie viel mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jobcenter gesprochen. Diese hätten ihr gesagt, so fasst Bas zusammen: „Wenn ich doch einen Termin zu jemandem schicke und da kommt der Brief zurück, unbekannt verzogen, dann muss ich doch das Instrument haben, die Leistungen sofort einstellen zu können.“ Bas ordnet das mit Blick auf die Pläne der Koalition aus SPD und CDU ein und sagt: „Das sind so Instrumente, wo wir uns einig sind, wo wir sagen: Da müssen wir stärker rein“, und legt so nahe, dass das Bürgergeld aus diesem Grund bisher nicht gestrichen werden könne. Wenig später sagt sie „Diese Instrumente, die gibt es zum Teil schon, die wollen wir aber nochmal verstärken, [damit] mehr Verpflichtung reinkommt.“ Richtig ist, dass das Jobcenter Leistungen einstellen kann, wenn eine Person nicht erreichbar ist oder unbekannt verzieht, wie wir hier schon 2024 recherchiert haben. Das bestätigte uns auch die Pressestelle der Bundesagentur für Arbeit auf Anfrage. „Die Leistungen werden ab Beginn der Kenntnisnahme der Nichterreichbarkeit aufgehoben“. Das ist auch nicht unbedingt an einen Umzug geknüpft, sondern gilt allgemein, wenn eine Person nicht erreichbar ist. So steht es auch im Sozialgesetzbuch und der sogenannten Erreichbarkeits-Verordnung. Selbst Urlaube müssen angekündigt werden. Gegen Ende des Interviews (ab Minute 21:12) befragt Interviewer Deiß Bärbel Bas auch zum Thema Gaza und der Entscheidung der Bundesregierung, „bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können“ mehr zu genehmigen. In diesem Zusammenhang verweist Bas darauf, dass Israel von „Ländern und Regimen, die den Staat Israel auslöschen wollen“ umgeben sei und auch auf den Hunger im Gazastreifen. Sie sagt auch, es seien immer noch „hunderte“ Geiseln „nicht frei“. Das ist falsch. Laut dem israelischen Außenministerium hielt die Hamas zum Zeitpunkt des Interviews 49 Geiseln, die am 7. Oktober 2023 verschleppt wurden, gefangen. Bei dem Angriff nahm die Terrororganisation etwa 250 Menschen als Geiseln, die Mehrheit von ihnen ist laut Medienberichten vermutlich tot. Auf eine Nachfrage danach, woher Bas die Angabe bezogen hat, antwortete die Pressestelle der SPD: „Hunderte Geiseln sind es mittlerweile nicht mehr. Das war eine Ungenauigkeit.“ Zu der Frage nach den angeblichen fehlenden Bürgergeldregelungen, schickte die Pressestelle keine inhaltliche Antwort. Weitere Faktenchecks zu den Sommerinterviews 2025 finden Sie hier, hier, hier, hier und hier. Mitarbeit: Matthias Bau Redigatur: Matthias Bau, Gabriele Scherndl
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Steffen Kutzner
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Wer umzieht, ohne dem Jobcenter zu sagen, wohin, verliert seinen Bürgergeldanspruch. Oder? Bärbel Bas implizierte im Sommerinterview das Gegenteil.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-08-12T18:01:47+02:00
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2025-08-12T18:01:47+02:00
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2025-08-29T12:37:36+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/08/12/sommerinterview-mit-baerbel-bas-wird-buergergeld-weitergezahlt-wenn-jemand-unbekannt-verzieht/
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Bekannter Telegram-Account verbreitet erfundenes Zitat von Lars Klingbeil über deutsche Rentner
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Ein bekannter Verbreiter von Fake-Zitaten behauptet, Lars Klingbeil habe gesagt, er würde sich für die deutschen Rentner schämen, weil sie so faul seien. Das Zitat ist frei erfunden und der Kanal hat Verbindungen zur russischen Propaganda. von Sara Pichireddu „Just in“ – Wieder einmal beginnt ein Beitrag im Telegram-Kanal „UNN – Unabhängig Neutrale Nachrichten“ mit diesen Worten und wieder einmal folgt darauf ein erfundenes Zitat eines deutschen Politikers. In dem Beitrag vom 25. Juli geht es diesmal um Finanzminister Lars Klingbeil: Er soll gesagt haben, dass er sich für deutsche Rentnerinnen und Rentner schäme. Diese seien die faulsten Menschen in Deutschland. Dass das Zitat falsch ist, bestätigt uns das Finanzministerium auf Anfrage: „Wir können ausschließen, dass Minister Klingbeil sich so geäußert hat“, schreibt ein Sprecher. Auch Recherchen über Suchmaschinen und in der Pressedatenbank „Genios“ lieferten keine Hinweise darauf, dass Klingbeil sich so geäußert hat. Erfundene oder verzerrte Zitate begegnen uns in sozialen Netzwerken immer wieder. In diesem Hintergrund erklären wir, wie Sie solche Zitate überprüfen und sich vor Irreführungen schützen können. Klingbeils SPD-Fraktion im Bundestag selbst zitiert im April auf Facebook deutlich andere Worte ihres Vorsitzenden: „Wer gebuckelt hat – in der Pflege, als Erzieherin, auf dem Bau oder an der Supermarktkasse – soll eine auskömmliche Rente haben. Das ist eine entscheidende Gerechtigkeitsfrage und kein Wahlgeschenk.“ Mehrere Medien griffen dieses Zitat des SPD-Vorsitzenden auf. Auch im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD steht ausdrücklich: „Statt einer weiteren Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters wollen wir mehr Flexibilität beim Übergang vom Beruf in die Rente. Dabei setzen wir auf Freiwilligkeit.“ Das Arbeiten im Alter wolle man mit einer „Aktivrente“ attraktiv machen, bei der bis zu 2.000 Euro des Gehalts im Monat nicht versteuert werden müssen. UNNs gefälschten Zitate erreichen mitunter tausende Menschen. Beim gefälschten Klingbeil-Zitat zweifeln manche Nutzerinnen und Nutzer dessen Authentizität an. In anderen Fällen gelingt es jedoch, damit zu emotionalisieren: Unter einem X-Beitrag, der das falsche Klingbeil-Zitat verbreitet (ohne die Quelle zu nennen), reagieren Nutzerinnen und Nutzer empört. „Selber nix auf die Kette gebracht […] und dann sein Maul weit aufreißen“ schreibt ein Nutzer etwa. In einem anderen Kommentar steht: „Ich würde ihn sehr gerne mal treffen und mit ihm sprechen. Dieses Bürschchen braucht mal eine Kopfwäsche.“ In anderen Fällen sind die Reaktionen auf UNN-Beiträge noch drastischer. Im März 2025, als der Kanal ein ebenfalls erfundenes Zitat von Mario Voigt veröffentlichte – auch er sollte von „arbeitsunwilligen Rentnern“ gesprochen haben – dokumentierten wir Reaktionen von Rücktrittsforderungen, bis Gewalt- und Mordfantasien. Voigt und Klingbeil sind nicht die einzigen, denen UNN Worte in den Mund legt: Im Juni hat CORRECTIV.Faktencheck bereits Beiträge überprüft, die behaupteten, Friedrich Merz wolle Deutsche dazu verpflichten, ihren Wohnraum mit Geflüchteten zu teilen. Das Zitat war erfunden. Kurz nach der Bundestagswahl im Februar veröffentlichte UNN außerdem einen angeblichen Brief eines Wahlhelfers aus Düsseldorf. Auch dieser stellte sich als falsch heraus. Hinter dem Kanal steht laut Impressum ein Mann namens Christopher Wolf, der sich selbst auf seinem Youtube-Kanal als „Unternehmer, Investor und Auswanderer“ beschreibt. Er veröffentlicht auf seinen Plattformen neben eigenen Fakes auch Propagandainhalte von bekannten Akteurinnen und Akteuren, darunter etwa Alina Lipp und Thomas Röper. Außerdem bewirbt er Kryptowährungs-Kurse, zweifelhafte Medizinprodukte und Nahrungsergänzungsmittel. Regelmäßig prahlt Wolf in Sprachnachrichten mit angeblich guten Verbindungen nach Russland. Im Sommer 2023 veröffentlichte der Kanal zwischenzeitlich Inhalte von der „RIA Nowosti Deutschland GmbH“ – sie wird in den Beiträgen sogar als Autor angegeben. RIA Nowosti ist eine russische Nachrichtenagentur, die im Frühjahr 2024 von der EU sanktioniert wurde. Auf unsere Anfrage an Wolf, ob er für die Verbreitung russischer Propaganda bezahlt wird, und von welcher Natur seine Verbindungen zum russischen Staatsapparat sind, erhielten wir keine Antwort. Redigatur: Matthias Bau, Gabriele Scherndl
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Sara Pichireddu
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Der Finanzminister soll deutsche Rentnerinnen und Rentner als die „faulsten Menschen“ des Landes bezeichnet haben. Das stimmt nicht.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-08-12T15:18:37+02:00
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2025-08-12T15:18:37+02:00
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2025-08-29T12:37:51+02:00
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Finanzminister Lars Klingbeil habe behauptet, er schäme sich für deutsche Rentnerinnen und Rentner, weil sie die faulsten Menschen des Landes seien.
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Telegram-Kanal „UNN – Unabhängig Neutrale Nachrichten“
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2025-07-25 00:00:00
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https://www.google.com/url?q=https://t.me/unabhaengig_neutral/21403&sa=D&source=docs&ust=1755005766187343&usg=AOvVaw3HurAdv1eXqFIdqeUlz7VO
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Falsch
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Falsch. Das Zitat ist erfunden. Es scheint nirgendwo sonst aufzutauchen und das Finanzministerium dementiert, dass es gefallen sei.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/08/12/bekannter-telegram-account-unn-verbreitet-erfundenes-zitat-von-lars-klingbeil-ueber-deutsche-rentner/
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Sommerinterview mit Felix Banaszak: Aussage zu Familiennachzug im Faktencheck
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Am 3. August war der Bundesvorsitzende der Grünen, Felix Banaszak, zu Gast bei der ARD für ein Sommerinterview. Die meisten seiner Aussagen lassen sich mit Fakten belegen. Eine seiner Behauptungen zum subsidiären Schutz von Geflüchteten war ungenau und benötigt weiteren Kontext. von Sara Pichireddu Im Sommerinterview stellte sich Felix Banaszak, Bundesvorsitzender der Grünen, am 3. August den Fragen der ARD. Es ging unter anderem um die Stromsteuer, die Deutsche Bahn und die Migrationspolitik der aktuellen Bundesregierung. Die meisten seiner Aussagen lassen sich durch Fakten belegen, beim Thema Familiennachzug und subsidiärer Schutz war Banaszak jedoch ungenau. Wir ordnen seine Behauptung ein und geben wichtigen Kontext. „Es wurde immer wieder gesagt, wir müssen die ‚irreguläre Migration‘ begrenzen […]. Das erste, was dieser Bundesregierung einfällt, ist, den Familiennachzug auszusetzen. Das heißt dafür zu sorgen, dass alleinstehende Männer aus Bürgerkriegsländern, denn das sind die, die man als subsidiär schutzbedürftig bezeichnet, unter sich bleiben. Und ihre Frauen und Kinder werden wieder auf Schleuserboote gezwungen. 80 Prozent beim Familiennachzug sind Frauen und Kinder.“ Im Laufe des Interviews mit Banaszak befragt der Journalist Matthias Deiß den Parteivorsitzenden unter anderem zum Thema Migration. Banaszak habe Abschiebungen nach Afghanistan als Symbolpolitik kritisiert, doch auch die alte Regierung habe unter Beteiligung der Grünen solche Abschiebungen durchgeführt, so Deiß. Er will von Banaszak daher wissen, ob eine Regierung mit Beteiligung der Grünen so etwas heute nicht mehr tun würde. Banaszak sagt daraufhin, die aktuelle Migrationspolitik von CDU und SPD sei „irrational“ und führt dafür zwei Gründe an. Zum einen habe die Koalition den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte ausgesetzt. Damit bezeichne man „alleinstehende Männer aus Bürgergkriegsländern“. Das sorge aber zum anderen dafür, dass nun Frauen und Kinder „auf Schleuserboote“ gezwungen würden. Denn über den Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige kämen zu 80 Prozent Frauen und Kinder nach Deutschland. Banaszaks erste Aussage ist ungenau, für die zweite konnten wir keine Statistik finden, die seine Behauptung stützt: Sie ist unbelegt. Subsidiären Schutz können in Deutschland alle Menschen, nicht nur Männer, bekommen, denen zwar kein Asyl gewährt wird, denen aber in ihrem Herkunftsland schwere Menschenrechtsverletzungen wie Folter drohen, oder deren Leben bedroht ist. Laut dem Statistischen Bundesamt lebten zum Stichtag 31. Dezember 2024 insgesamt etwas mehr als 381.000 Menschen mit diesem Schutzstatus in Deutschland: Knapp zwei Drittel von ihnen sind männlich. Banaszak drückt sich also ungenau aus, wenn er pauschal behauptet, dass junge Männer diejenigen sind, „die man als subsidiär schutzbedürftig bezeichnet“. Auf Nachfrage bestätigte ein Sprecher der Grünen, dass sich der Bundesvorsitzende auf die gleichen Zahlen bezog: „Diese Zahlen untermauern die Aussage, dass diese Schutzform überwiegend von ‚alleinstehenden‘ Männern in Anspruch genommen wird“, so der Sprecher. Weil Bürgerkrieg eine besonders bedrohliche Lage für das Leben darstellt, kann denjenigen, die davor flüchten, subsidiärer Schutz gewährt werden. In Deutschland haben diesen Schutzstatus vor allem Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Partei Die Linke vom 14. Mai 2025 hervor. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gibt in seinem Papier „Das Bundesamt in Zahlen“ (PDF, Download) an, im Jahr 2024 in 75.092 Fällen subsidiären Schutz gewährt zu haben. Die Menschen, deren Anträge positiv beschieden wurden, kamen zu 75 Prozent aus Syrien. Wie viele davon Männer waren, ist nicht eindeutig. Aus einer weiteren Statistik geht jedoch hervor, dass mit Blick auf alle gestellten Anträge, darunter auch Anträge auf Asyl oder den Status als UN-Flüchtling, 72,5 Prozent der Antragstellenden aus Syrien Männer waren. Für diese Menschen hat der Bundestag am 27. Juni 2025 den Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt. Dafür stimmten mehrheitlich CDU/CSU, SPD und AfD. Seit Jahren ist der Familiennachzug ein Streitpunkt. Zuvor war er auf 1.000 Menschen pro Monat begrenzt, von März 2016 bis Juli 2018 war er schon einmal ausgesetzt worden. Betroffen sind dabei immer die Familien der subsidiär Schutzberechtigten. Asylberechtigte und anerkannte Geflüchtete dürfen weiterhin ihre Familien nach Deutschland holen, darauf haben sie gesetzlich Anspruch; subsidiär Schutzberechtigte haben diesen Anspruch dagegen nicht. Für subsidiär Schutzberechtigte gilt nach dem Beschluss des Bundestages, dass sie nur noch in Härtefällen Familienangehörige nach Deutschland holen dürfen. Was das genau heißt, wird in der Gesetzesänderung nicht weiter erläutert. Laut Medienberichten sagte Innenminister Alexander Dobrindt, dass das zum Beispiel Situationen seien könnten, in denen Familienangehörige „dringende medizinische Versorgung brauchen, die ihnen in ihrem Heimatland nicht gewährt werden kann“. Wer sind die Menschen, die bisher über den Familiennachzug nach Deutschland kamen? Sind es tatsächlich zu 80 Prozent Frauen und Kinder, wie Banaszak behauptet? Das ist nicht eindeutig zu sagen, denn die statistische Erfassung unterscheidet nicht nach der Schutzform, wegen derer Menschen nach Deutschland kommen dürfen. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es dazu auf unsere Anfrage: „Ein Visum zum Familiennachzug – unabhängig vom Aufenthaltsstatus der Person in Deutschland – wird statistisch als Familiennachzug erfasst. Die statistische Erfassung erfolgt entlang der Rechtsgrundlage des Visums, nicht entlang des Status der Person in Deutschland.“ Das heißt aber nicht, dass diese Menschen in keiner Statistik auftauchen. Wie der Mediendienst Integration berichtet, wurden im Jahr 2024 rund 12.000 Visa zum Familiennachzug für Menschen unter subsidiären Schutz erteilt. Zahlen zu allen erteilten Visa veröffentlicht das Auswärtige Amt auf seiner Homepage, schlüsselt diese jedoch nicht nach erteilen Schutzformen, sondern zum Beispiel nach „Ehegattennachzug“, „Elternnachzug“, „Kindernachzug“ und „Sonstiger Familiennachzug“ auf. Nach Geschlechtern differenziert diese Statistik auch nicht: Das Auswärtige Amt bestätigte uns auf Nachfrage, dass bei vergebenen Visa Geschlechter gar nicht statistisch erfasst werden. Ein Grünen-Sprecher verweist uns auf Anfrage auf den Migrationsbericht der Bundesregierung von 2023. In dem Bericht werden Daten zu den Menschen ausgewertet, die 2023 im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland kamen. Daten zum subsidiären Schutz werden darin nicht explizit ausgewiesen. Mit Blick auf die Gesamtzahlen heißt es in dem Bericht, dass etwa 55 Prozent ein Visum als Ehepartner oder -partnerin erhielten, etwa 33 Prozent der Visa gingen an Kinder. Die Pressestelle der Partei bezeichnet Banaszaks Behauptung als „konservative, realistische Näherung“. Ist die Aussage tatsächlich realistisch? Um uns der Antwort anzunähern, haben wir uns die Visa-Zahlen für die drei Haupt-Herkunftsländer für subsidiär Schutzberechtigte angeschaut: Syrien, Afghanistan und Irak. 2024 erhielten insgesamt etwa 15.800 Menschen aus diesen Ländern ein Visum zum Familiennachzug. Wichtig dabei: Nicht jeder Syrer oder jede Syrerin in Deutschland ist subsidiär Schutzberechtigt, einige haben Flüchtlings- oder Asylstatus. Außerdem können auch etwa Syrerinnen, die mit einem oder einer Deutschen verheiratet sind, bei der deutschen Botschaft in ihrem Heimatland ein Visum zum Ehegattennachzug beantragen. Das machten im ersten Halbjahr 2024 allein 1380 Personen. Für das ganze Jahr 2024 gilt: 53 Prozent der Visa erhielten Eheleute, zehn Prozent Eltern. 3631 Kinder durften aus Syrien nach Deutschland einreisen. Das sind allein 37 Prozent der ausgestellten Visa für das Land. Angesichts der Geschlechterverteilung unter den syrischen Menschen, die in Deutschland subsidiären Schutz bekommen (75 Prozent sind männlich) liegt es nahe, dass ein Großteil der 5260 Ehegatten-Visa Frauen erteilt wurden. Mit dieser spekulativen Rechnung und der Zahl der Kinder-Visa erscheint Banaszaks Aussage, es würden zu 80 Prozent Frauen und Kinder über den Familiennachzug nach Deutschland kommen zwar möglich – klare Belege gibt es dafür aber nicht. Weitere Faktenchecks zu den Sommerinterviews 2025 finden Sie hier, hier, hier und hier. Korrektur, 20. August 2025: Wir haben im Text eine Angabe korrigiert. Rund 12.000 Visa zum Familiennachzug für Menschen unter subsidiärem Schutz wurden nicht im ersten Halbjahr 2025, sondern im gesamten Jahr 2024 vergeben. Mitarbeit: Matthias Bau Redigatur: Matthias Bau, Steffen Kutzner
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Sara Pichireddu
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Am 3. August war Felix Banaszak von den Grünen im Sommerinterview der ARD. Eine Aussage von ihm zum Thema Familiennachzug ist unbelegt.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-08-08T12:44:12+02:00
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2025-08-08T12:44:12+02:00
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2025-08-21T12:31:51+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/08/08/sommerinterview-mit-felix-banaszak-aussage-zu-familiennachzug-im-faktencheck/
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Ein Medienimperium aus Luftschlössern: Mit gefälschten Zeitungen ans große Geld
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Der bosnische Serbenführer Milorad Dodik steht wegen Separatismus-Vorwürfen in der Kritik. Dann tauchen mehrere wohlwollende Medienberichte auf – doch die sind erfunden und führen zu einem Netzwerk gefälschter Nachrichtenportale. Digitale Spuren führen zu zwei dubiosen Unternehmern, die offenbar vor allem eins wollen: Geld machen. von Max Bernhard An seinem 66. Geburtstag winken Milorad Dodik nicht nur Glückwünsche, sondern auch ein Gefängnisaufenthalt. Bosnische Staatsanwälte ordnen am 12. März 2025 seine Verhaftung an. Sie werfen ihm verfassungsfeindliche Aktivitäten vor. Dodik ist Präsident der Republika Srpska, die Teil von Bosnien und Herzegowina ist, aber in Teilen ein eigenes politisches System besitzt und in der mehrheitlich bosnische Serben wohnen. Er gilt als Kopf der dortigen separatistischen Bewegung, die die Abspaltung von Bosnien und Herzegowina will. Inzwischen wurde Dodik wegen separatistischer Aktivitäten zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt und zum Verlust seines Amtes. Aus Deutschland und anderen Ländern wurde Dodik zuvor heftig kritisiert. In der Nacht vor seinem Geburtstag aber veröffentlichte der öffentlich-rechtliche Fernsehsender der Republika Srpska, RTRS, einen Artikel, der einen anderen Eindruck erzeugte: Medien weltweit hätten über eine Stellungnahme Dodiks berichtet, dass die Republika Srpska friedlich sei, heißt es darin. Schuld an der Staatskrise in Bosnien und Herzegowina sei die Regierung in Sarajevo. Der Sender zeigt einen Artikel des „New York Mirror“. Und verweist im Text auch auf zwei deutsche Medien, die so berichtet hätten: die „Neue Berliner Zeitung“ und das „Frankfurter Handelsblatt“. Doch keine dieser Zeitungen existiert. Sie sind Teil eines von CORRECTIV.Faktencheck aufgedeckten Netzwerks von mindestens 26 erfundenen Medien weltweit, auf denen Artikel gegen Geld veröffentlicht werden können. Zu dem Netzwerk gehören Profile in Sozialen Netzwerken mit teilweise fast einer Million Followern, die vermutlich zusätzlich Seriosität vortäuschen sollen. CORRECTIV.Faktencheck hat recherchiert, wer hinter diesen Seiten steht und ist dabei auf zwei Männer gestoßen, denen schon mehrfach Betrug vorgeworfen wurde. Die Spur führt über die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate bis nach Österreich. Auch ein ehemaliges Regierungsmitglied in Wien wartet offenbar auf sein Geld. Dem Botschafter Bosnien und Herzegowinas in Deutschland, Damir Arnaut, fielen die Zeitungen im März 2025 schnell auf. „Für jemanden, der sich in der deutschen Medienszene auskennt, war sofort ersichtlich, dass es sich nicht um echte deutsche Nachrichtenseiten handelte“, schreibt er uns in einer E-Mail. Nachdem er damit an die Öffentlichkeit gegangen sei, sei „die Scharade“ vorbei gewesen und die Artikel seien innerhalb weniger Stunden verschwunden. Tatsächlich sind die drei Artikel inzwischen nicht mehr aufrufbar. Diese Taktik hinter solchen Fake-Seiten hat einen Namen: Informationswäsche. Desinformations-Akteure nutzen sie, um falsche Informationen und Narrative über vermeintlich seriöse Absender zu streuen – in diesem Fall erfundene Nachrichtenseiten. Botschafter Arnaut sieht einen Zusammenhang mit Russland: Das Vorgehen sei identisch mit vergangenen Aktionen mit Verbindungen zum Kreml, die sich gegen andere Länder richteten. Tatsächlich nutzt Russland solche Methoden immer wieder: CORRECTIV berichtete erst im Januar über dutzende gefälschte Nachrichtenseiten, mit denen der Kreml versuchte, Einfluss auf den Bundestagswahlkampf zu nehmen. Digitale Spuren der Webseiten führen aber zunächst nicht nach Moskau, sondern in die USA. Allem Anschein nach wollen die Strippenzieher vor allem eins: abkassieren. Registrierungsdaten vom „New York Mirror“ führen zur „GNN Group“. Glaubt man deren Webseite, handelt es sich um ein internationales Medienunternehmen mit über 200-jähriger Geschichte, zu dem angeblich Medien wie „Basler Nachrichten“, „Grazer Tageszeitung“, „Euronews 24“ oder der „Financial Mirror“ gehören. Eigentlich sind Internetseiten über eine Zahlenfolge, die sogenannte IP-Adresse, erreichbar. Damit sich Menschen diese Zahlen nicht merken müssen, gibt es Domains. Wenn Sie im Webbrowser die Domain www.correctiv.org eingeben, liefern sogenannte Nameserver, ähnlich wie ein Telefonbuch, die dazugehörige IP-Adresse, die dann angewählt wird. Mehrere Domains können aber zum Beispiel auch auf dieselbe IP verweisen. Kauft jemand eine Domain von einem Anbieter, speichert dieser verschiedene Informationen zum Inhaber der Domain, etwa den Namen oder die E-Mail-Adresse. Diese lassen sich dann teils öffentlich über Dienste wie Domaintools, Whoxy oder Denic abrufen. Dafür wird ein Protokoll namens „Whois“ verwendet. Diese Domain-Registrierungsdaten werden deshalb auch Whois-Daten genannt. Um anonym zu bleiben, gibt es auch die Möglichkeit, Privatsphäre-Dienste zu nutzen, deren Daten dann statt der eigenen für die Domain gespeichert werden. Beim genaueren Blick auf die Webseite der „GNN Group“ bröckelt diese Fassade: Einzelne Links, beispielsweise zu Finanzberichten, funktionieren nicht, und in den Pressemitteilungen taucht auf einmal der Name eines ganz anderen Unternehmens auf: die „News Corp“. Zu diesem Verlag gehören tatsächlich viele bekannte Medien, wie das US-amerikanische Wall Street Journal, die New York Post oder die britische The Times. Die „GNN Group“ dagegen ist erfunden, genauso wie alle angeblich dazugehörenden Medien. Die „GNN Group“ ist nicht das einzige erfundene Medienunternehmen, das zu dem Netzwerk von Fake-Seiten gehört und dabei existierende Unternehmen imitiert. Da gibt es noch „We Publisher“ (offenbar eine Kopie von „We Work“), „PR Push“ (eine Kopie von „Brand Push“) und das „Global Media Network“ (die der Webseite des rechten US-Moderators Tucker Carlson ähnelt). Sie alle führen die gleichen gefälschten Nachrichtenseiten wie „Neue Berliner Zeitung“, „Frankfurter Handelsblatt“ und „New York Mirror“ auf und versprechen dabei potenziellen Kunden garantierte Veröffentlichung auf „weltweit führenden Nachrichtenseiten“. Der Preis geht dabei von wenigen zu mehreren Tausend Euro: Einen Artikel in der „Neuen Berliner Zeitung“ gibt es bei „We Publisher“ für gerade mal 15 US-Dollar, das Deutschland-Paket mit mehreren Fake-Medien kostet dagegen 45.000 Euro, Österreich und Schweiz gibt es günstiger. „Mit Millionen von Lesern jeden Monat erhalten Sie einen enormen Schub an Aufmerksamkeit, Interesse und Glaubwürdigkeit“, verspricht die Seite. Ob das wirklich so ist, ist äußerst fragwürdig. CORRECTIV.Faktencheck identifizierte insgesamt 26 Webseiten, die Teil des Fake-Medienimperiums sind. Registriert wurden die Internetadressen zum Großteil erst in den vergangenen Monaten. Übrigens nutzen die Hintermänner des Netzwerkes die Seiten wohl auch für ihre eigenen Zwecke, doch dazu später mehr. Die erfundenen Nachrichtenseiten werden offenbar unter Einsatz von KI mit Artikeln gefüllt. Wie viele bezahlte Texte darauf erschienen sind, ist unklar und auch,welcher Themenlogik sie folgen – oder ob sie das überhaupt tun. Dort erscheinen nicht unbedingt nur Informationen, wie die zur Republika Srpska. So gibt es etwa Artikel über eine Studie, die es wirklich gibt. Vermutlich nutzen die Seiten Texte von echten Medien und schreiben diese um. Auf den Seiten finden sich aber auch auffällig viele Artikel über eine Elektro-Roller-Marke oder ein Text über eine österreichische Kunsthandlung. Auch Autorennamen tauchen mehrfach auf: „Ryan Maxwell“ veröffentlicht bei erfundenen US-Zeitungen, schreibt aber auch für die fiktive „Hamburger Allgemeine“. Ein Professor, der in einem Artikel des „Frankfurter Handelsblatt“ zitiert wird, erklärte hingegen auf Nachfrage, er habe nie mit jemandem dort gesprochen oder sich sonst irgendwo entsprechend geäußert. Einige der ausgedachten Medien-Seiten haben außerdem Profile in Sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder X, und das mit teils beachtlicher Reichweite. So folgen dem fiktiven „New York Mirror“ mehr als 800.000 Follower, die Tucker-Carlson-Kopie „Global Media Network“ schafft es auf fast 150.000 Folgende. Sie sind jedoch Ausnahmen, die meisten Profile haben keine oder wenige Follower oder Likes. Auf manchen Facebook-Seiten der erfundenen Medien sind neben Links zu Artikeln auch Clips aus Nachrichten-Sendungen zu sehen. Bei den Moderierenden handelt es sich offenbar um Avatare, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) erzeugt wurden – das muss auf Facebook eigentlich gekennzeichnet werden. Meta, der Betreiber von Facebook und Instagram, wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern. Die Beiträge und Seiten sind weiterhin online (Stand: 5. August 2025). Wer steckt also hinter dem Netzwerk? Registrierungsdaten, wie Namen oder E-Mail-Adressen, deuten auf zwei Personen aus Österreich hin: R. und D. Weil sie nicht verurteilt sind, haben wir uns entschieden, ihre Namen nicht zu veröffentlichen. Allzu viele Informationen findet man über die beiden Männer im Internet nicht. Doch die wenigen Spuren zeigen: Sie suchten offenbar öfter das schnelle Geld und den Erfolg auf Kosten anderer. Beiträge in Sozialen Netzwerken warnen vor drei Banken, die R. und D. sich ausgedacht haben und damit Menschen betrogen haben sollen. Vor einer der Banken warnte auch die österreichische Marktaufsicht. Ein ehemaliges Regierungsmitglied, das als Berater für das Projekt tätig war, sagt, es warte immer noch auf sein Honorar. Ein Investmentbetrug mit Schneeball-System geht laut Beiträgen im Netz mutmaßlich auf R.’s Kappe. Eine Betroffene erklärte uns, sie habe durch den Betrug über 20.000 Euro verloren. Ein dazu passender Firmenname taucht auch in den Registrierungsdaten von mehreren der vermeintlichen Nachrichtenseiten auf. In einem Instagram-Beitrag von September 2024, der vor den beiden warnt, heißt es, D. wolle „mehrere Fake News-Portale in den USA anmelden, um seine Opfer zu diffamieren und sich selbst als reine Seele darzustellen“. Tatsächlich taucht die Bank, vor der die österreichische Marktaufsicht warnte, in mehreren Artikeln des Fake-Netzwerkes auf, darunter vom „New York Mirror“. Darin heißt es, Anschuldigungen gegen den Gründer der angeblichen Bank hätten sich als haltlos herausgestellt. Für einen Kommentar habe er aber nicht zur Verfügung gestanden, weil er auf einer „diplomatischen Sondermission“ sei. R. meldete sich nicht auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck. D. ließ sie durch einen Anwalt beantworten: Er sei Opfer von Datendiebstahl und einer „gezielten Desinformationskampagne“ durch eine kriminelle Gruppe, die „hauptsächlich aus ehemaligen Geschäftspartnern“ bestehe. Weder gegen D. oder Unternehmen, an denen er beteiligt sei, noch gegen R. gebe es Ermittlungs- oder Strafverfahren. Die Bank, vor der die österreichische Marktaufsicht warnte, habe „weder geschädigte Kunden, noch geschädigte Investoren“, das beratende Regierungsmitglied habe „mangels Leistungserbringung“ kein Honorar erhalten. D. habe zudem keinerlei Verbindungen zu den genannten Medien-Webseiten und -Unternehmen. Fakt ist: Nach unserer Anfrage verschwanden mehrere der Seiten, darunter auch der Artikel, der wohlwollend über ihn berichtete. Nach einer Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck zog der Hostinganbieter Hostinger dann den Stecker: Inzwischen sind die meisten der erfundenen Medien-Webseiten nicht mehr zu erreichen. Bleibt die Frage, wer die Fake-Artikel zu Serbenführer Dodik in Auftrag gab, die der öffentlich-rechtliche Fernsehsender der Republika Srpska später zitierte. Der Sender antwortete nicht auf die Frage, wie die Redaktion darauf aufmerksam wurde. Auch von Dodik erhielten wir keine Antwort. Der Text von RTRS, der sich auf die nicht existierende „Neue Berliner Zeitung“, den „New York Mirror“ und das „Frankfurter Handelsblatt“ beruft, ist weiter online. Redigatur: Sophie Timmermann, Sarah Thust
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Max Bernhard
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Wohlwollende Medienberichte über den bosnischen Serbenführer Milorad Dodik führen zu einem erfundenen Medienimperium.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-08-06T17:31:51+02:00
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2025-08-06T17:31:51+02:00
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2025-09-05T19:58:31+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/08/06/ein-medienimperium-aus-luftschloessern-mit-gefaelschten-zeitungen-ans-grosse-geld/
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Kein Anti-Merz-Protest: Dieses Video zeigt eine Pro-Palästina-Demo von 2023
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Ein Tiktok-Video soll zeigen, dass Ende Juli 2025 tausende Menschen gegen CDU-Chef Friedrich Merz demonstrierten. Doch das ist falsch: Die Bilder stammen von einer ganz anderen Demonstration – und sind fast zwei Jahre alt. von Max Hillenberg Tausende Menschen ziehen mit Schildern und Transparenten eine Straße entlang. Einzelne Palästina-Flaggen und der Berliner Dom sind sichtbar. Diese Szene ist in einem Video zu sehen, das ein Tiktok-Profil am 26. Juli 2025 veröffentlichte. Damit erreichte es mehr als 200.000 Aufrufe und fast 19.000 Likes. Im Video steht der eingeblendete Text „Herr Merz abschaffen”, ergänzt durch die Behauptung „Berlin heute”. Damit wird suggeriert, die gezeigte Demonstration richte sich gegen Bundeskanzler Friedrich Merz – so verstehen es auch Nutzende in den Kommentaren. Nur zwei Tage später – am 28. Juli 2025 – veröffentlichte dasselbe Tiktok-Profil das Video noch einmal. Hier klingt es so, als rufe die Menschenmenge wiederholt „Deutschland“. Doch die Aufnahmen sind weder aktuell, noch haben sie mit Friedrich Merz zu tun. Tatsächlich stammen sie von einer Pro-Palästina-Demonstration, die bereits im Jahr 2023 in Berlin stattfand. In dem Video mit der Behauptung ist ein weiterer Nutzername erkennbar. Auf dessen Tiktok-Profil findet sich dasselbe Video, es wurde bereits am 4. November 2023 veröffentlicht. Der einzige Unterschied: Dieser Clip enthält keine „Merz“-Bezüge. In der Videobeschreibung heißt es: „Tausend Solidarität mit Palästina in Berlin“. Eine Bilder-Rückwärtssuche mit einem Standbild aus dem Video führt zu weiteren Treffern – ein Tiktok-Video und ein X-Beitrag zeigen dieselbe Szene aus einem anderen Blickwinkel. Auch diese Beiträge stammen vom 4. November 2023; in beiden heißt es, die Demonstration habe in Berlin stattgefunden. Anders als im zweiten Video des Tiktok-Profils sind in diesen Aufnahmen keine „Deutschland“-Rufe zu hören, sondern Sprechchöre mit „Viva, Viva Palästina“. Der Nutzer hat die Tonspur – die laut Beschreibung vermutlich aus einem Fußballstadion stammt – nachträglich über das Video gelegt. Wir haben bereits mehrfach berichtet, wie Videos so verfremdet werden. Am 4. November 2023 fanden laut Berichten von Tagesschau und Deutscher Welle in mehreren deutschen Städten Pro-Palästina-Demonstrationen mit tausenden Teilnehmenden statt – auch in Berlin. Die Teilnehmenden forderten stärkere Solidarität mit den Palästinensern und protestierten gegen die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen in Folge des Terrorangriffs der Hamas am 7. Oktober 2023. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg veröffentlichte am selben Tag die genehmigte Route der Berliner Demonstration. Sie verlief durch das Stadtzentrum – unter anderem vorbei am Berliner Dom. Genau dieser ist im Tiktok-Video deutlich im Hintergrund zu erkennen. Zwei Archivbilder zeigen Demonstrierende direkt vor dem Dom, ein weiteres Bild dokumentiert den Streckenverlauf auf der Straße „Unter den Linden“ – mit Blick auf die Humboldt-Universität. Auch dieses Gebäude ist im Tiktok-Video klar zu sehen. Medienberichte über eine Demonstration gegen Friedrich Merz am 26. Juli 2025 finden sich dagegen keine. Auch auf der Webseite der Stadt Berlin ist keine solche angemeldete Demonstration zu finden. Auf Nachfrage schreibt uns der Tiktok-Nutzer, das Video sollte nur zeigen, dass wir als Deutsche genauso viele werden können, „um den Merz abzuschaffen“. Ob in dem Video eine deutsche oder palästinensische Demonstration zu sehen sei, sei für ihn kein Problem. Immer wieder werden Proteste und Demonstrationen online in einen falschen Kontext gesetzt. In der Vergangenheit berichteten wir etwa über eine Demonstration gegen Rechtsextremismus, die fälschlich als Demo für die AfD ausgegeben wurde, oder Proteste der „Black Lives Matter“-Bewegung, die als Pro-Palästina-Demonstration verbreitet wurden. Redigatur: Matthias Bau, Paulina Thom
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Paulina Thom
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Anders als auf Tiktok behauptet, zeigt ein Video keine Anti-Merz-Demo in Berlin, sondern eine Pro-Palästina-Demo von 2023.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-08-06T10:58:57+02:00
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2025-08-06T10:58:57+02:00
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2025-08-06T10:58:57+02:00
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Ein Video zeige eine Demonstration am 26. Juli 2025 in Berlin.
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viralem Tiktok-Video
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2025-07-26 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@berlin2475/video/7531457890360560918
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Falsch
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Falsch. Die Aufnahmen zeigen eine Pro-Palästina-Demonstration in Berlin am 4. November 2023.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/08/06/kein-anti-merz-protest-dieses-video-zeigt-eine-pro-palaestina-demo-von-2023/
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Sommerinterview mit Markus Söder: Aussagen zu Bürgergeld und Flucht im Faktencheck
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Am 3. August war Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im ZDF-Sommerinterview. Manche seiner Aussagen waren so nicht korrekt, andere unbelegt. von Johannes Gille , Sara Pichireddu , Gabriele Scherndl , Paulina Thom Aktuell laufen die traditionellen Sommerinterviews von ZDF und ARD mit deutschen Spitzenpolitikerinnen und -politikern. Am 3. August 2025 war im ZDF der CSU-Parteivorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder zu Gast. Im Gespräch mit Moderator Wulf Schmiese ging es unter anderem um die Wahlergebnisse der Union und den Umgang mit Geflüchteten in Bayern. Nicht alle Antworten von Söder waren so korrekt, für andere fehlen Belege. CORRECTIV.Faktencheck ordnet sie ein. „Die Hamas verhindert tatsächlich den Zugang – auch so offenkundig in den letzten Tagen vermittelt worden – zu Hilfsgütern.“ Bewertung: Unbelegt Vor Beginn des Sommerinterviews befragte ZDF-Journalist Wulf Schmiese Söder zu seiner Haltung zu Israel. Söder erklärte, Deutschland sei engster Partner von Israel. Israel sei angegriffen worden und die Hamas halte bis heute Geiseln. Die Hamas veröffentlichte Propagandavideos mehrerer Geiseln in einem ausgehungerten Zustand. Die Terrororganisation verhindere in Gaza auch den Zugang zu Hilfsgütern, sagte Söder im Interview weiter. Was genau Söder damit meint oder was seine Belege sind, bleibt unklar. Auf Nachfrage antworteten bis zur Veröffentlichung weder Söder, noch die CSU-Pressestelle. In den jüngsten Tagen berichtete etwa das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, über „Informationen“, wonach große Mengen an Hilfsgütern von der Hamas und kriminellen Organisationen zurückgehalten würden und erklärte gleichzeitig, dass Israel in der Pflicht stünde, die Versorgung im Gazastreifen sicherzustellen. Die DPA schreibt laut Tagesschau unter Berufung auf anonyme Experten, dass 50 bis 100 Prozent der Hilfsgüter, die in den Gazastreifen gelangen, von der Hamas oder anderen kriminellen Organisationen „abgezweigt“ würden. Die Quellenlage dazu ist jedoch unübersichtlich, die Beleglage schlecht. Denn es gibt auch gegenteilige Berichte. Bekannt ist: Zwischen Anfang März und Mitte Mai blockierte die israelische Regierung völkerrechtswidrig Hilfslieferungen nach Gaza vollständig. Seitdem kommt zwar wieder Nahrung durch die Vereinten Nationen und die von Israel und den USA unterstützte Gaza Humanitarian Foundation (GHF) in die Region, diese ist aber nicht ausreichend. Israel hatte der umstrittenen privaten Hilfsorganisation GHF im Mai die Ausgabe von Hilfslieferungen übertragen. In der Nähe ihrer Verteilzentren wurden in den letzten Monaten laut Medienberichten und UN-Angaben hunderte Palästinenserinnen und Palestinenser getötet. Eine Begründung für den Einsatz der GHF war der angebliche systematische Diebstahl von UN-Hilfsgütern durch die Hamas. Die israelische Regierung lieferte dafür jedoch bislang keine ausreichenden Belege. Ende Juli gaben zwei hochrangige israelische Militärvertreter und zwei weitere anonyme Quellen gegenüber der New York Times an, die Hamas habe zwar kleinere Hilfsorganisationen bestohlen, das Militär habe aber nie Beweise für einen systematischen Diebstahl der UN-Hilfslieferungen durch die Hamas gefunden. Auch eine interne Analyse der US-Regierung, konkreter der US-Hilfsagentur USAID, über die Reuters Ende Juli berichtete, fand keine Belege für den von der israelischen Regierung behaupteten systematischen Diebstahl von Hilfsgütern durch die Hamas. Die UN hat die Behauptungen in der Vergangenheit immer wieder zurückgewiesen. „Die CSU hat das beste Wahlergebnis erzielt aller Parteien in Deutschland […].“ Bewertung: Teilweise falsch Vom Moderator auf ein „mieses“ Bundestagswahlergebnis angesprochen, widerspricht Söder: Die CSU habe „das beste Wahlergebnis aller Parteien in Deutschland“ erzielt. Das stimmt so nicht. Gewonnen hat die CSU in Bayern – das ist das einzige Bundesland, in dem die Partei antritt. Dort war sie mit rund 3,27 Millionen Erststimmen (41,2 Prozent) und rund 2,96 Millionen Zweitstimmen (37,2 Prozent) stärkste Kraft. So ein hoher Stimmenanteil in einem Bundesland war bei der Bundestagswahl 2025 nicht einmalig: In Sachsen und Thüringen erreichte die AfD im Vergleich mehr Stimmenanteile unter den Zweitstimmen, nämlich 37,3 und 38,6 Prozent. Diese Stimmen bringen auf Bundesebene ein Ergebnis von 6,6 (Erststimmen) beziehungsweise 6,0 Prozent (Zweitstimmen) für die CSU. Auf Bundesebene ist die CSU in einer Fraktionsgemeinschaft mit der CDU, gemeinsam erreichten die Unionsparteien 28,6 Prozent der Zweitstimmen und damit die höchsten Stimmenanteile. Das ist das zweitschlechteste Wahlergebnis der Union seit 1949. „Es muss zum Beispiel auch bei den Ukrainern dafür gesorgt werden, dass Ukrainer nicht mehr im Bürgergeld sind. Und zwar am besten nicht nur für die, die in der Zukunft kommen, sondern für alle, weil [Deutschland] das einzige Land der Welt ist, [wo] das so stattfindet. Deswegen sind bei uns auch so wenige Menschen aus der Ukraine in Arbeit, obwohl sie eine gute Ausbildung haben.“ Bewertung: Größtenteils falsch Etwas mehr als 700.000 Ukrainerinnen und Ukrainer sind im März 2025 in Deutschland unter den Bürgergeldbeziehenden. Das geht aus dem aktuellen „Migrationsmonitor“ der Bundesagentur für Arbeit hervor, einem monatlichen Bericht. Geflüchtete aus der Ukraine können unter den gleichen Voraussetzungen wie Deutsche Bürgergeld beziehen – eine Sonderregelung, die die aktuelle Regierung für neu ankommende Geflüchtete abschaffen will. Legt man die aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom 31. Dezember 2024 zu Grunde, dann bedeutet das, dass von rund 1,1 Millionen ukrainischen Menschen 64,6 Prozent Bürgergeld beziehen. Narrative, die mit dieser oder ähnlichen Zahlen Stimmung gegen Geflüchtete machen wollen, gibt es immer wieder. Wie wir bereits in diesem Faktencheck zeigten, ist die Quote aber kein Hinweis auf Arbeitsverweigerung oder gescheiterte Integration. Auf die Frage, auf welche Zahlen sich Söder hier konkret bezieht, erhielten wir bis Veröffentlichung keine Antwort. In einer im November 2024 veröffentlichten Studie untersuchte die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Situation ukrainischer Geflüchteter im europäischen Vergleich. Demnach lag Deutschland mit einer Beschäftigungsquote von etwa 27 Prozent im ersten Quartal 2024 unter Ukrainerinnen und Ukrainern „im europäischen Mittelfeld“. Seit 2022 stieg die Quote laut der Bundesagentur für Arbeit. Im Mai 2025 hatten demnach knapp 35 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer eine Arbeit. Der Großteil von ihnen war sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Deutschland ist außerdem nicht das einzige Land, das die Unterstützung für Ukrainerinnen und Ukrainer mit einer Sonderregelung sichert: In fast allen EU-Staaten haben ukrainische Geflüchtete einen besonderen Schutzstatus, in manchen erleichtert ihnen das den Zugang zum Arbeitsmarkt. In Belgien erhalten sie darüber hinaus beispielsweise staatliche Sozialhilfe. Wie steht es aber um Söders Behauptung, das Bürgergeld halte Ukrainerinnen und Ukrainer von der Arbeit ab? Dafür gibt es laut der Studie des IAB keine Belege. Vielmehr spielen demnach vor allem die Kinderbetreuung, soziale Netzwerke und auch gute Englischkenntnisse eine zentrale Rolle für die Integration in den Arbeitsmarkt. Darüber berichteten wir bereits im August 2023 und zuletzt im Juli 2025. Anders als von Söder behauptet, stellen die Forschenden in ihrer Studie fest, dass sich zwischen sozialen Transferleistungen, also Unterstützung wie das Bürgergeld, und der Beschäftigungsquote, nur ein „statistisch nicht signifikanter“ Zusammenhang ergab. Sie betonen, Deutschland habe gute Chancen, die Beschäftigungsquoten unter ukrainischen Geflüchteten weiter zu erhöhen: mit langfristig angelegten Integrationsstrategien. Weitere Faktenchecks zu den Sommerinterviews 2025 finden Sie hier, hier und hier. Korrektur, 5. August 2025: Wir haben Titelbild und Bildunterschrift getauscht. Redigatur: Matthias Bau, Max Bernhard
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Faktencheck-Redaktion
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Am 3. August war Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im ZDF-Sommergespräch. Manchen seiner Aussagen waren so nicht korrekt, andere unbelegt.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-08-04T18:21:50+02:00
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2025-08-04T18:21:50+02:00
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2025-08-19T13:00:54+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/08/04/sommerinterview-mit-markus-soeder-aussagen-zu-buergergeld-und-flucht-im-faktencheck/
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Brantner im Sommerinterview: Aussagen zur Klimapolitik im Faktencheck
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Grünen-Chefin Franziska Brantner stellte sich im Sommerinterview den Fragen des ZDF. Einige Aussagen halten einem Faktencheck stand. Behauptungen zur Klimapolitik der Regierung treffen teilweise aber so nicht zu. von Max Bernhard , Katarina Huth , Lena Schubert , Sophie Timmermann Am 20. Juli war die Bundesvorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, beim Sommerinterview des ZDF. Es ging unter anderem um Klimaschutz, Energiepolitik und Patente. Einige Aussagen, etwa jene zu Patenten, halten einem Faktencheck stand. Bei ihrer Kritik an der Regierung und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) gingen Brantners Aussagen teilweise zu weit. Ein Überblick. Es sei ärgerlich zu sehen, „dass diese Regierung so viel Geld hat wie nie zuvor und die Aufgaben damit nicht angeht, dass sie rumtrickst, dass sie Klimageld nutzt für Gas […]“. Bewertung: Größtenteils richtig Brantner sagt, der Bundesregierung stehe „so viel Geld wie nie zuvor“ zur Verfügung – und bezieht sich auf einen Teil eines geplanten 500 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögens, das die Bundesregierung für Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz eingerichtet hat. Konkret sind 100 Milliarden Euro davon für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) bestimmt, um Investitionen in Klimaschutz und die Transformation der Wirtschaft zu finanzieren. Er ist laut Regierung „das wichtigste Instrument auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045“. Diese 100 Milliarden wirken auf den ersten Blick beachtlich, doch sie verteilen sich über zehn Jahre, was zehn Milliarden Euro jährlich ergibt. Angesichts der geschätzten Investitionsbedarfe von mehreren hundert Milliarden Euro für den Klimaschutz ist das eher ein begrenzter Beitrag. Zudem sind die Einnahmen des KTF aus dem Emissionshandel für 2025 im Vergleich zum Vorjahr rückläufig – und ein Großteil davon bereits durch frühere Verpflichtungen gebunden – wie der Bundesrechnungshof kürzlich kritisierte. Er warnt trotz Sondervermögen vor einem knappen finanziellen Spielraum im Fonds. Brantner wirft der Regierung weiter vor, sie trickse und verwende „Klimageld für Gas“. Tatsächlich zeigen CORRECTIV-Recherchen, dass das Bundesfinanzministerium unter Lars Klingbeil (SPD) rund 20 Milliarden Euro als vermeintlich neue Klimamittel im KTF ausgewiesen hat – obwohl diese Gelder dort bereits veranschlagt waren. Durch diesen buchhalterischen Trick entsteht der Eindruck zusätzlicher Investitionen, obwohl real kein neues Geld bereitgestellt wird. Gleichzeitig plant die Regierung, KTF-Gelder für andere Haushaltszwecke abzuziehen. Außerdem sollen KTF-Mittel künftig zweckentfremdet werden: So plant die Regierung, die sogenannte Gasspeicherumlage nicht länger von Gaskunden finanzieren zu lassen, sondern aus dem KTF zu begleichen. Damit fließen Gelder aus dem Klimafonds in fossile Infrastruktur – entgegen seinem eigentlichen Zweck. Brantners Vorwürfe bezüglich Intransparenz und Zweckentfremdung der Klimamittel lassen sich somit belegen. „Wenn man sieht, dass Frau Reiche komplett auf die fossilen Technologien setzt, die neuen kaputt macht, man sieht, es gibt die Speichertechnologien, die sich entwickelt haben […] sie macht das alles wieder rückgängig, setzt rein auf Gas.“ Bewertung: Teilweise falsch Brantner behauptet, dass Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) „komplett auf fossile Technologien setzt“ und die Energiewende rückgängig mache. Damit spitzt sie eine Kritik zu, die sie zuvor schon gegenüber der Rheinischen Post geäußert hatte. Tatsächlich kündigte Reiche drei Tage nach Amtsantritt neue Gaskraftwerke mit einer Leistung von mindestens 20 Gigawatt an, die nicht einmal auf Wasserstoff umrüstbar sein müssen. Dies wäre ein Rückschritt gegenüber den Plänen von Vorgänger Robert Habeck (Grüne). Doch die Umsetzbarkeit ist fraglich: Der Zubau unterliefe laut Spiegel die EU-Leitlinien für Energiebeihilfen. Brantner behauptet weiter, Reiche mache neue Technologien „kaputt“. Tatsächlich lehnt die Ministerin weder erneuerbare Energien noch ihre Speicherung komplett ab: So erklärte Reiche der Nachrichtenagentur DPA, „wir brauchen die Erneuerbaren für die Dekarbonisierung“. Auch Stromspeicher seien ein Teil der Lösung, reichten aber alleine nicht aus. Richtig ist, dass Reiche die Schlüsselrolle erneuerbarer Energien infrage stellte. Sie nannte den Ausbau „völlig überzogen“ und kündigte einen „Realitätscheck“ der Energiewende an, um deren Kosten zu senken. Unklar ist die Zukunft des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Laut Koalitionsvertrag will die Regierung das sogenannte „Heizungsgesetz“ abschaffen. Gemeint ist eine Änderung von 2023, wonach neu eingebaute Heizungen unter bestimmten Voraussetzungen zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen müssen. Reiche stellt diese Vorgaben infrage: Etwa will die Ministerin das Betriebsverbot für alte Öl- und Gaskessel aufheben, fossile Heizungen könnten so unbegrenzt weiterlaufen. Doch das könnte das im Koalitionsvertrag festgelegte Klimaneutralitätsziel 2045 beeinträchtigen. Es bleibt abzuwarten, welche Änderungen am GEG die Regierung wirklich vornimmt. Reiche war vor ihrem Ministerposten in der Energiewirtschaft tätig und steht im Ruf, seit ihrem Amtsantritt Klimaschutzziele zu untergraben und fossile Energieträger erneuerbaren vorzuziehen. „Wir haben ein Prozent der Bevölkerung, zwölf Prozent der Patente weltweit.“ Bewertung: Richtig Die Moderatorin sagt bei Minute 10:50, Merz habe den Grünen während des Wahlkampfes vorgeworfen, es mit dem Klimaschutz übertrieben zu haben. Darauf erwidert Brantner, dass Merz den Ernst der Lage beim Klimaschutz nicht erkenne und kritisiert die fehlenden Ambitionen des Bundeskanzlers für Deutschland: „Wenn Merz sagt: ,Wir sind ein Prozent der Bevölkerung, deswegen müssen wir nichts tun‘. Ich sage mal: ,Wir haben ein Prozent der Bevölkerung, zwölf Prozent der Patente weltweit.‘“ Ihr Ziel sei es, dass Deutschland Maßstäbe setze und bei den Klima-Technologien vorne dabei sei. Aber hält Deutschland so viele Patente? Auf Nachfrage verweist die Pressestelle der Grünen auf eine Reuters-Meldung zum Patentindex für 2024 des Europäischen Patentamts, zu dem auch weitere Medien berichteten. Laut dessen Daten (Excel-Datei archiviert) meldete Deutschland letztes Jahr tatsächlich 12,6 Prozent der weltweiten Patente an. Betrachtet man die erteilten Patente, sind es sogar 14,2 Prozent. Laut der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) hatte Deutschland 2024 dagegen nur einen Anteil von 6,1 Prozent an den Anmeldungen – Platz fünf weltweit. Es kommt also darauf an, welche Statistik man betrachtet. Insgesamt hielten Deutsche 2023 laut Daten, die WIPO uns zur Verfügung stellte, weltweit rund 1,27 Millionen aktive Patente und damit 6,8 Prozent. Daten der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) für 2023 zeigen: Deutschland gehört auch bei Patenten für erneuerbare Energien zu den führenden Nationen – allerdings weit hinter China und den USA. Weitere Faktenchecks zu den Sommerinterviews 2025 finden Sie hier und hier. Korrektur, 24. Juli 2025: Wir haben die Zahl der aktiven Patente von Deutschen für 2023 laut WIPO korrigiert. Zuvor stand dort die Zahl der aktiven Patente in Deutschland. Redigatur: Steffen Kutzner, Paulina Thom
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Gabriele Scherndl
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Grünen-Chefin Franziska Brantner war am Sonntag im ZDF-Sommerinterview. Aussagen zur Klimapolitik der Regierung trafen teilweise so nicht zu.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-07-23T17:52:52+02:00
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2025-07-23T17:52:52+02:00
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2025-07-24T17:56:25+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/07/23/brantner-im-sommerinterview-aussagen-zur-klimapolitik-im-faktencheck/
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Keine Belege für Verbrennungsöfen im US-Abschiebegefängnis „Alligator Alcatraz“
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Auf Tiktok wird das Abschiebegefängnis „Alligator Alcatraz“ in den USA als „Auschwitz 2.0“ bezeichnet, weil dort angeblich Verbrennungsöfen installiert seien. Verschiedene Versionen des Gerüchts gehen viral, obwohl es dafür keine Belege gibt. von Kimberly Nicolaus Inmitten der Sumpfgebiete des US-Bundesstaats Florida hat die US-Regierung innerhalb von acht Tagen ein neues Abschiebegefängnis mit bis zu 5.000 Betten gebaut. Grund ist, dass die Zahl der Festnahmen von „illegalen Migranten“ in den USA auf 3.000 pro Tag steigen soll. Mehrere Schätzungen gehen davon aus, dass in den USA rund elf Millionen Menschen ohne Aufenthaltspapiere leben – die meisten arbeiten. US-Präsident Donald Trump nennt das Abschiebegefängnis „Alligator Alcatraz“, da Alligatoren rund um den abgelegenen Ort leben. Trump hatte das Gelände am 1. Juli 2025 erstmals besucht – zwei Tage später zogen laut der Abteilung für Notfallmanagement von Florida die ersten Gefangenen ein. Ihnen wird laut Medienberichten das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren verweigert. Etliche Probleme am Bau könnten zudem die Sicherheit der Menschen vor Ort gefährden. Auf Tiktok kursiert indes ein noch schlimmerer Vorwurf: „Trump baut Auschwitz 2.0“, sagt ein Nutzer zu einem Beitrag, der mehrere Öfen zeigt, die angeblich in „Alligator Alcatraz“ stehen sollen. Der Nutzer sagt, „sowas ähnliches gabs auch in Auschwitz“ – eine Anspielung auf das größte deutsche Konzentrationslager, in dem das NS-Regime unter Adolf Hitler Millionen Menschen ermordet und verbrannt hatte. Doch dieser Vergleich ist haltlos. CORRECTIV.Faktencheck hat das Video der Öfen geprüft – es zeigt Anlagen zur Müllverbrennung und hat mit dem Gefängnis in den USA nichts zu tun. Laut demokratischen Oppositionellen in Florida waren am 12. Juli keine solchen Öfen in der Anlage zu sehen. Die US-Regierung spricht von „Fake News“. Das Gerücht setzte eine Tiktok-Nutzerin am 2. Juli 2025 in die Welt, die sich in ihren Videos mehrfach gegen die von Trump geführte US-Regierung ausgesprochen hat. Die Nutzerin behauptete am 2. Juli: Ein Nachbar habe ihr vor ein paar Tagen erzählt, dass seinem Cousin ein Auftrag für die Errichtung von Verbrennungsöfen in „Alligator Alcatraz“ angeboten worden sei. Nachdem sie gehört hatte, was Trumps Pressesprecherin dazu sagte, sei die Erzählung für sie kein Gerücht mehr. Pressesprecherin Karoline Leavitt hatte am Tag zuvor die „größte Massendeportationskampagne in der amerikanischen Geschichte“ angekündigt – und den Besuch von Trump im Abschiebegefängnis angekündigt. Die Videos der Tiktok-Nutzerin sind inzwischen nicht mehr abrufbar. Auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck reagierte sie nicht. Für ihre Erzählung finden sich keine Belege und dennoch erreichte auch eine zweite Tiktok-Nutzerin mit dem gleichen Gerücht über fünf Millionen Aufrufe. Ihr Video, in dem sie sich korrigiert und sagt, es würden sich derzeit keine Verbrennungsöfen in „Alligator Alcatraz“ befinden, erhielt nur etwa 12.000 Aufrufe. Dann erreichte das Gerücht Deutschland und mit ihm verbreitete sich das Video, das angeblich die Öfen vor Ort zeigen soll. Um herauszufinden, woher das Video stammt, suchten wir nach „Incinerator“ (deutsch: Verbrennungsofen) auf Tiktok. Die Suche führte zum ursprünglichen Video aus März 2024. Der Sprecher darin sagt, die Öfen würden bei dem Unternehmen CT Sales in Dawson im US-Bundesstaat Minnesota stehen – das Tiktok-Profil gehört offenbar dem Besitzer des Unternehmens. Ein Abgleich mit Google Maps bestätigt die Ortsangabe. Das ist an den Gebäuden und einem Mast in der Umgebung des Unternehmens CT Sales erkennbar. Das Video ist also nicht – wie behauptet – in „Alligator Alcatraz“ aufgenommen worden. Ein Standbild aus dem Video verrät zudem, dass die Öfen vom US-Unternehmen Riverside Industries (RSI) stammen. Wir haben das Unternehmen kontaktiert. Jerome Waldner, der Assistent der Geschäftsführung, teilte uns mit, dass die Behauptung falsch sei. „Wir bauen Anlagen, um Müll zu verbrennen. Wir haben keine Verträge mit Alligator Alcatraz“, so Waldner. Auch sonst gibt es für die Behauptung nirgends Belege: Wie die US-Tageszeitung Miami Herald berichtet, gibt es mindestens neun staatliche Auftragnehmer, die am Bau des Abschiebegefängnisses beteiligt waren. Keiner von ihnen steht laut Eigenangaben in Verbindung mit dem Bau oder dem Vertrieb von Verbrennungsöfen. Auf Fotos und Videos von „Alligator Alcatraz“ der Nachrichtenagenturen Associated Press (AP), Reuters und DPA sind keine Verbrennungsöfen sichtbar. Seitens der US-Regierung heißt es auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck: „Das sind offensichtlich Fake News.“ Hinter dem amtierenden Präsidenten Donald Trump stehen die Republikaner, Demokraten bilden aktuell die Opposition in den USA. Demokratischen Abgeordneten wurden Besuche im Abschiebegefängnis zunächst verweigert. Erst am 12. Juli durften Vertreter beider Parteien an einem Rundgang teilnehmen. Telefone und Kameras mussten außerhalb der Einrichtung bleiben, wie AP schreibt. Journalisten wurde der Einlass verwehrt. Die Republikaner lobten das Gefängnis anschließend, sie berichteten von Sauberkeit und guten Matratzen. Demokraten erzählten dagegen von „Käfigeinheiten mit je 32 Männern“, die sich drei kombinierte Toiletten-Waschbecken-Kombinationen teilten. Im medizinischen Aufnahmebereich herrschten Temperaturen von 29 Grad Celsius. Rufe wie „Ich bin ein amerikanischer Staatsbürger“ und „Libertad“ seien zu hören gewesen, es habe von Heuschrecken und anderen Insekten gewimmelt. Keine der beiden Parteien erwähnte jedoch Verbrennungsöfen. Anna Eskamani, Abgeordnete der Demokraten im Repräsentantenhaus Floridas, schreibt über ihren Besuch im Abschiebegefängnis an CORRECTIV.Faktencheck: „Ich habe diese Verbrennungsöfen nicht gesehen, aber es war eine sehr strukturierte Tour, die vom Staat Florida durchgeführt wurde.“ Die Haftbedingungen seien Eskamani zufolge „beunruhigend“. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International mobilisiert in den USA inzwischen mit einem Aufruf gegen „Alligator Alcatraz“: Es gebe „schockierende Berichte über Mückenschwärme, Lebensmittel mit Maden, fehlende Duschen und extreme Temperaturen“. Das sei erschreckend und inakzeptabel. „Und es ist ein Zeichen dafür, was uns bevorsteht, wenn wir nicht sofort aktiv werden, um dem ein Ende zu setzen.“ Laut AP schilderte ein ehemaliger Häftling die Haftbedingungen in „Alligator Alcatraz“ als „unmenschlich“. Eine Einwanderungsanwältin habe von ihrem Klienten erfahren, dass die medizinische Versorgung mangelhaft sei und gleich mehrere Anwälte sagten der Nachrichtenagentur gegenüber, dass Häftlingen „unter anderem das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren verweigert werde und dass ihnen dadurch zahlreiche verfassungsmäßige Schutzrechte verwehrt würden“. Dem Miami Herald zufolge sollen mehr als 250 der etwa 700 Häftlinge gegen Einwanderungsgesetze verstoßen haben, seien aber in den USA weder strafrechtlich verurteilt noch sei Anklage gegen sie erhoben worden (Stand: 13. Juli 2025). Redigatur: Sarah Thust, Paulina Thom
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Kimberly Nicolaus
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„Alligator Alcatraz“ sei „Auschwitz 2.0“, heißt es auf Tiktok. Das stimmt nicht. Es gibt keine Belege dafür, dass dort Verbrennungsöfen installiert sind.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-07-23T15:09:46+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/07/23/keine-belege-fuer-verbrennungsoefen-im-us-abschiebegefaengnis-alligator-alcatraz/
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Gehalt, Kriminalität und Merz: Aussagen von Alice Weidel beim Sommerinterview im Faktencheck
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Das Sommerinterview von Alice Weidel in der ARD wurde von lauten Demonstrationen gestört. Dazu – und zu anderen Themen – stellte Weidel mehrere falsche oder unbelegte Behauptungen auf. von Max Bernhard , Sara Pichireddu , Gabriele Scherndl , Sophie Timmermann Am 20. Juli stellte sich Alice Weidel den Fragen der ARD im Sommerinterview. Wir haben mehrere Behauptungen von Weidel im Faktencheck geprüft. Aussagen, die sie im Interview tätigte, etwa zum Thema Migration, waren falsch, wieder anderen fehlte Kontext. Auf Rückfragen von CORRECTIV.Faktencheck antwortete sie bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks nicht. „Ich habe Friedrich Merz als Lügenkanzler bezeichnet, weil er alle Wahlversprechen gebrochen hat, die er von sich gegeben hat. Er hat versprochen das Heizungsgesetz abzuschaffen – ist nicht mehr. Er hat die Migrationswende versprochen, auch das ist abgeräumt.“ Bewertung: Unbelegt Alice Weidel behauptet direkt zu Anfang, Friedrich Merz habe seine Wahlversprechen rund um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und um Migration gebrochen. Für so eine Bilanz ist es allerdings zu früh. Das GEG, umgangssprachlich als Heizungsgesetz bekannt, wurde 2020 von der Großen Koalition beschlossen und 2023 von der Ampel-Regierung reformiert. Es war eines der größten Streitthemen während der Ampel-Regierungszeit und ein umstrittenes Wahlkampfthema, zu dem auch immer wieder Falschmeldungen kursierten. Friedrich Merz positionierte sich immer wieder klar gegen das Gesetz. Und – obwohl es um die Formulierung Diskussionen gegeben haben soll – steht im Koalitionsplan: „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen“. Das neue Gebäudeenergiegesetz soll „technologieoffener, flexibler und einfacher“ werden. Wie genau das aussehen soll, bleibt offen, einige Änderungen wurden allerdings schon angestoßen. So verkündete Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) im Mai in ihrer Regierungserklärung, „die Technologieverbote der letzten Novelle des Gebäudeenergiegesetzes zurücknehmen“ zu wollen. Dazu gehöre als erste Maßnahme das „Betriebsverbot für Heizkessel abzuschaffen“. In Paragraph 72 des GEG ist geregelt, dass Gebäudeeigentümer ihre Heizkessel nicht mehr betreiben dürfen, wenn diese mit einem flüssigen oder gasförmigen Brennstoff betrieben werden und vor dem 1. Januar 1991 eingebaut wurden oder älter als 30 Jahre sind. Dennoch bleibt die Union bei dem Thema vage. Auf Nachfrage an die Regierung, zum Stand des Vorhabens, erhielten wir keine Rückmeldung. Und wie sieht es beim Thema Migration aus? Hierzu heißt es im Koalitionsvertrag, man wolle „die irreguläre Migration wirksam zurückdrängen“ und etwa den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre komplett aussetzen. Das wurde vom Bundesrat im Juli gebilligt. Ebenfalls wurde eine Aussetzung der Einbürgerung nach drei Jahren beschlossen. Innenminister Dobrindt (CSU) ordnete zudem die Zurückweisung von Asylsuchenden an der Grenze an – was Fachleute allerdings als rechtswidrig betrachten. Weidels Aussage, Merz habe alle seine Wahlversprechen gebrochen, trifft so also nicht zu. „Wir lesen heute in der Bild-Zeitung nur noch eins […]: Dass das CDU-regierte Berlin jetzt sogar Mindestquoten für Einbürgerungen hochgesetzt hat von letztem Jahr 20.000, dieses Jahr auf 40.000.“ Bewertung: Fehlender Kontext Im Zuge des Gesprächs rund um Wahlversprechen von Merz sagt Weidel auch: Das CDU-geführte Berlin habe seine „Mindestquoten“ für Einbürgerungen von 20.000 auf 40.000 erhöht. Doch mit Merz als Bundeskanzler, wie Weidel suggeriert, haben die Vorgaben nichts zu tun. Weidel bezieht sich offenbar auf einen Bild-Artikel vom 20. Juli 2025, in dem es um ein internes Protokoll aus dem Berliner Landesamt für Einwanderung geht. Demnach seien in der ersten Jahreshälfte 2025 20.060 Einbürgerungen durchgeführt worden, damit liege man „bestens im Plan für das Ziel von 40.000 Einbürgerungen insgesamt im Jahre 2025“. Engelhard Mazanke, Direktor des Landesamtes für Einwanderung, bestätigt über einen Sprecher gegenüber CORRECTIV.Faktencheck, dass dieses interne Protokoll echt sei. Diese Ziele würden unter anderem von ihm, Mazanke, vorgegeben und würden sich etwa nach Personalressourcen und den rechtlichen Rahmenbedingungen richten. Eine politische Vorgabe habe es nicht gegeben. Dieses Jahresziel ist seit Januar 2025 bekannt, schon damals schrieb die Stadt Berlin in einer Pressemeldung davon. Sondern, so schreibt Mazanke, mit der Digitalisierung des Verfahrens – die Einbürgerungsstelle hatte laut Pressemeldung Anfang 2024 40.000 offene Verfahren in Aktenform von den Bezirken übernommen. Die Akten mussten erst einmal digitalisiert werden. Das habe bis Juni 2024 gedauert. Auch die geänderte Gesetzeslage erlaubt jetzt schneller Einbürgerungen: Im Juni 2024 trat eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts in Kraft. Es ermöglicht die Einbürgerungen in der Regel nach fünf statt wie bisher nach acht Jahren und erlaubt in mehr Fällen als bisher die Mehrstaatigkeit. Das Ziel von 40.000 Einbürgerungen in diesem Jahr ist also eine administrative Zielvorgabe, bei der übernommene und neue Anträge abgearbeitet werden. „Dann müssen wir ausreisepflichtige Menschen abschieben. Wir haben beispielsweise 215.000 Syrer, das ist eine Großstadt, die ausreisepflichtig sind.“ Bewertung: Falsch Dass 215.000 Syrer in Deutschland ausreisepflichtig seien, wie Weidel behauptet, stimmt nicht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) liefert auf Anfrage die aktuellsten Daten. Demnach hielten sich bis zum 30. Juni 226.506 ausreisepflichtige Personen in Deutschland auf. Davon seien aber nur 11.000 syrische Staatsangehörige. Ausreisepflichtig sind zum Beispiel Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Die große Mehrheit syrischer Personen, die ausreisepflichtig sind (9.997 laut Bamf), hat jedoch eine Duldung, das bedeutet, die Personen dürfen nicht abgeschoben werden. Das Bamf hatte nach dem Sturz des Assad-Regimes Asylanträge aus Syrien Ende 2024 ausgesetzt. Nach Überzeugung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe darf die Behörde die Asylanträge jedoch nicht länger aufschieben. Insgesamt befanden sich laut Bamf bis Ende Juni 2025 958.561 syrische Staatsangehörige in Deutschland. „Wir sind die einzige Fraktion, die transparent ist [was die Entlohnung der Vorstände angeht] […] das Gehalt der Vorstände und auch der Vorsitzenden [wurde] auf das übliche Niveau der anderen Fraktionen und Parteien angehoben.“ Bewertung: Falsch Ende Juni hat die AfD die Zulagen der AfD-Partei- und Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla auf 12.000 Euro verdoppelt, die des restlichen Fraktionsvorstands auf 6.000 Euro. Das entspricht 100 beziehungsweise 50 Prozent der monatlichen Diät für Bundestagsabgeordnete. Weidel und Chrupalla bekommen demnach zusätzlich zum regulären Abgeordnetengehalt in Höhe von 12.000 Euro pro Monat plus der steuerfreien Kostenpauschale von rund 5.300 Euro pro Monat noch einmal 12.000 Euro zusätzlich. Angesprochen auf die Erhöhung sagte Weidel im Interview bei Minute 7:55, ihre Fraktion sei die einzige, die bezüglich dieser Entlohnung transparent sei. Außerdem hätte die Partei mit der Erhöhung nur die Gehälter an das „übliche Niveau der anderen Fraktionen und Parteien“ angepasst. Beides ist falsch. Die AfD hatte die Erhöhung der Gehälter gar nicht selbst bekannt gegeben, sondern sie wurde erst durch einen Bericht von T-Online öffentlich. Auf eine Anfrage dazu, ob diese Zulagen auch von der Fraktion selbst veröffentlicht werden, antwortete diese nicht. Andere Parteien sind teils transparenter. So machen die Grünen die prozentualen Zulagen für Fraktionsmitglieder auf ihrer Webseite öffentlich. „Fraktionsvorsitzende, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin, die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und stellvertretende Fraktionsvorsitzenden erhalten eine Funktionszulage in Höhe von 50, 37,5, 25 und 20 Prozent einer monatlichen Diät“, heißt es dort. Die Zulagen liegen also unter denen der AfD. Aus CDU/CSU-Kreisen heißt es, die Höhe der Gesamtleistungen an Fraktionsmitglieder für die Wahrnehmung besonderer Funktionen sei öffentlich und in der jährlichen Rechnungslegung der Fraktion zu finden. Eine Aufschlüsselung auf die einzelnen Funktionen würde aber nicht veröffentlicht. Die aktuellsten Zahlen liegen für das Jahr 2023 vor (Seite 6). Damals lag dieser Betrag für die CDU/CSU-Fraktion bei rund zwei Millionen Euro. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erklärte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Carsten Linnemann, dass er auf seine Zulage freiwillig verzichtet habe. Der ebenfalls stellvertretende Vorsitzende Sepp Müller erhielt laut Angaben auf seiner Webseite von 2022 30 Prozent der Abgeordnetendiät als Zulage – weniger also als die 50 Prozent bei der AfD. Die Nichtregierungsorganisation Transparency International kritisierte zuletzt die fehlende Transparenz mancher Fraktionen. Wie das RND berichtet, macht auch die SPD die Aufschlüsselung der Zulagen nicht öffentlich. Einzelne SPD-Politikerinnen und Politiker erwähnen ihre Zulagen, nennen aber nicht deren Höhe. Laut dem Finanzbericht von 2023 lagen die Ausgaben damals bei der SPD insgesamt bei rund 1,8 Millionen Euro. Die SPD-Fraktion antwortete nicht auf eine Anfrage zur Höhe der Zulagen. Die Linke zahlt keine Zulagen mehr, wie der Fraktionsvorsitzende Sören Pellmann auf seiner Webseite erklärt. Auch Ina Latendorf, erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Die Linke, erklärte auf Nachfrage, dass Vorstandsmitglieder inklusive den Vorsitzenden und der Parlamentarischen Geschäftsführung keine Zulagen für diese Tätigkeiten erhalten. Fazit: Die AfD-Fraktion hat ihre Zulagen selbst soweit bekannt nicht öffentlich gemacht. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD machen die einzelnen Zulagen ebenfalls nicht öffentlich. Deshalb lässt sich auch nicht nachvollziehen, ob die der AfD-Fraktion auf demselben Niveau liegen. Die Grünen und Die Linke machen Zulagen, beziehungsweise die Abwesenheit dieser, öffentlich und zahlen weniger als die AfD-Fraktion. Dass die AfD als einzige Fraktion die Gehälter transparent mache und die Gehälter nur den anderen Fraktionen angepasst habe, ist somit falsch. „Remigration ist die Einhaltung von Recht und Gesetz. Und die Einhaltung von Recht und Gesetz bedeutet nach unserem Asylgesetz, Artikel 18, dass jeder, der aus einem sicheren Drittstaat zu uns kommt, abzuweisen ist.“ Bewertung: Falsch Weidel spricht außerdem über den Begriff der „Remigration“ und sagt, es gehe dabei lediglich um die Einhaltung von Recht und Gesetz. Das deckt sich nicht mit den Angaben im AfD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl. Dort steht, das Konzept umfasse Maßnahmen, „die bereits heute der geltenden Rechtslage entsprechen oder sich jedenfalls mittels verfassungskonformer Gesetzesänderungen umsetzen lassen“, es ist also auch von Gesetzesänderungen die Rede. Im Anschluss spricht Weidel von Paragraf 18 des Asylgesetzes und behauptet, dass demnach „jeder, der aus einem sicheren Drittstaat zu uns kommt, abzuweisen ist.“ Damit lässt Weidel außer Acht: Im selben Paragraf steht, dass unter bestimmten Umständen von einer Zurückschiebung einer asylsuchenden Person aus einem sicheren Drittstaat abzusehen ist. Etwa dann, wenn Deutschland nach Unionsrecht für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dann dürfe, so schreibt auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, Deutschland eine Person an der Grenze nicht abweisen, die Einreise müsse gestattet werden. Relevant sei dabei die Dublin-III-Verordnung. In einem Dublin-Verfahren muss dann geprüft werden, ob Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Der von Weidel angesprochene Abschnitt im Paragraf 18 sei „totes Recht“, sagt dazu auf Anfrage Rechtswissenschaftlerin Anuscheh Farahat. „Diese Vorschrift kann nicht zur Anwendung kommen, sobald eine Person Asyl beantragt, weil dann immer ein Dublin-Verfahren durchgeführt werden muss.“ Auch das Verwaltungsgericht Berlin schrieb in einem Urteil rund um Zurückweisungen an der deutschen Grenze, dass der von Weidel angesprochene Teil des Paragrafens durch die Dublin-III-Verordnung verdrängt werde – sogar dann, wenn die Person, die den Asylantrag stellt, sich noch nicht in Deutschland, sondern noch an der Grenze oder in der Transitregion befindet. Wie „Remigration“ als ein verharmlosender Tarn- und Funktionsbegriff der völkischen Ideologie verwendet wird, erklären wir hier. „Wenn ein Gericht hingeht und dann auch vor Gericht in irgendeiner Art und Weise es gelten lässt, dass […] ich die Messerkriminalität in unseren Landesgrenzen, die Entwicklung derselben, die letzten zehn Jahre ganz klar beleuchte […] und sage, dass wir hier ein migrantisches Problem haben, das wir vorher nicht hatten, was importiert wurde, dann wird das gleich aufgegriffen und auch vor Gericht gebracht.“ Bewertung: Unbelegt Weidel wiederholt eine Behauptung, die immer wieder zur Stimmungsmache gegen Ausländerinnen und Ausländer herangezogen wird. Im September 2024 behauptete beispielsweise der für Desinformation bekannte österreichische Sender Auf1, Menschen mit Migrationshintergrund würden sechsmal häufiger „zum Messer greifen“ als Deutsche. Das ist falsch. Weidel führt im Interview keine Quelle für ihre Aussage an. Auf Nachfrage dazu antwortete sie bis zur Veröffentlichung nicht. Weder die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), noch der Jahresbericht der Bundespolizei 2023, auf den Auf1 sich bezog, treffen Aussagen über Menschen mit Migrationshintergrund. Für Vergleiche, wie häufig Ausländer oder Deutsche Straftaten begehen, sind die Zahlen nur begrenzt aussagekräftig. Die kriminologische Forschung zeigt, dass nicht die Herkunft eines Menschen oder seine Staatsbürgerschaft entscheidend sind für die Begehung von Straftaten, sondern Faktoren wie Gewalterfahrung, Bildungsniveau oder Armut. Die PKS erfasst als Messerkriminalität Taten, „bei denen der Angriff mit einem Messer unmittelbar gegen eine Person angedroht oder ausgeführt“ wird, heißt es in einer Pressemitteilung. Einen Anstieg der vergangenen zehn Jahre, wie Weidel ihn gesehen haben will, kann die Statistik aber schon methodisch nicht liefern. Erst seit dem 1. Januar 2024 werden Angriffe mit Messern einheitlich in der Statistik erfasst, wie eine Sprecherin des BKA uns erklärte. Ein Vergleich von aktuellen Zahlen mit Vorjahren ist also irreführend. Die PKS unterscheidet zwischen deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen – zu letzteren gehören aber auch etwa Touristinnen und Touristen, Grenzpendelnde und Stationierungskräfte. Sie bietet also von vorneherein keine klaren Daten über Geflüchtete oder Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland. Ganz abgesehen davon, dass die Tatverdächtigen in dieser Statistik stets nur eben genau das sind: Verdächtige, die noch keinen Gerichtsprozess durchlaufen haben oder verurteilt wurden. Von der Forschung belegt ist, dass 2022 im Vergleich zu 2013 etwas mehr Jugendliche gelegentlich ein Messer bei sich haben, unabhängig davon, ob ein Migrationshintergrund vorliegt oder nicht. Das schreibt etwa der Mediendienst Integration. Was der Grund für diese Bewaffnung sei, sei aber noch nicht ausreichend erforscht. „Die Hälfte der Bürgergeldempfänger sind Ausländer. Die haben nie in dieses Sozialsystem eingezahlt. Und die andere Hälfte hat zu drei Vierteln einen Doppelpass. Sie haben Migrationshintergrund.“ Bewertung: Größtenteils falsch In den Wochen vor dem Interview kursierten bereits ähnliche Behauptungen in den sozialen Medien – mit dem Thema Bürgergeld wird immer wieder gegen migrantische Personen Stimmung gemacht. Bevor wir auf die Zahlen schauen, müssen zunächst die von Weidel genutzten Begriffe differenziert werden: „Menschen mit Migrationshintergrund“ ist nicht gleichbedeutend mit „Menschen mit Doppelpass“. Die Bundesagentur für Arbeit – zuständig für das Bürgergeld und Daten über die Beziehenden – bezeichnet in ihren Statistiken diejenigen als Menschen mit Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht von Geburt an die deutsche Staatsbürgerschaft hatten. Menschen müssen also selbst gar keine Migration erfahren haben, um trotzdem in der Statistik als „Mensch mit Migrationshintergrund“ zu zählen. Das entspricht auch der Definition des Statistischen Bundesamts. Ein Deutscher oder eine Deutsche mit „Doppelpass“, wie Weidel formuliert, hat dagegen neben der deutschen Staatsbürgerschaft noch eine weitere. Diese Gruppen haben Überschneidungen, sind aber nicht identisch: 2024 lebten in Deutschland insgesamt rund 3,1 Millionen Deutsche mit doppelter Staatsangehörigkeit und 25,2 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Es stimmt, dass etwa die Hälfte der Beziehenden von Bürgergeld Ausländerinnen und Ausländer sind: 48 Prozent, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion hervorgeht. Von den 52 Prozent der deutschen Beziehenden sollen laut Weidel drei Viertel einen Doppelpass haben. Ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit schreibt uns, dass es zu Bürgergeldbeziehenden mit doppelter Staatsbürgerschaft keine Daten gibt. Auch Weidels Behauptung drei Viertel der deutschen Beziehenden hätte einen Migrationshintergrund stimmt nicht: Eine Aufschlüsselung nach Migrationshintergrund (mindestens ein Elternteil ist zugewandert) und Migrationserfahrung (selbst zugewandert) zeigt: Der überwiegende Teiler deutschen Beziehenden – in der Grafik in Gelb dargestellt – hat keinen Migrationshintergrund. Zu behaupten, ausländische Menschen würden in Deutschland nicht in das Sozialsystem einzahlen, ist ebenfalls irreführend: Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit waren in Deutschland im vierten Quartal 2024 etwa 5,7 Millionen Ausländerinnen und Ausländer sozialversicherungspflichtig beschäftigt – also in etwa jeder Zweite. Das sind etwa 16 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland. Während des Interviews waren im Hintergrund Demonstrierende zu hören und zu sehen. Der lautstarke Protest richtete sich gegen die AfD und die Einladung Weidels zum Interview. Bei Minute 12:30 sagt Weidel, man wisse nicht, ob diese Demonstration mit Steuergeldern über „irgendwelche NGOs angeschoben“ sei. Dass Menschen, die gegen die AfD oder gegen rechts demonstrieren, bezahlt würden, wird immer wieder behauptet. Angebliche Belege dafür stellten sich aber in der Vergangenheit immer wieder als falsch heraus, wie CORRECTIV.Faktencheck schon mehrfach berichtet hat. Lediglich in Einzelfällen wurden Demonstrationen gegen Rechtsextremismus tatsächlich finanziell unterstützt, wie 2015 in Brandenburg. Auch die AfD hat in der Vergangenheit Demonstrierende bezahlt. Die Demonstration während des Interviews war nicht angemeldet, zitiert T-Online einen Polizeisprecher. Organisiert wurde sie vom Zentrum für Politische Schönheit. Auf Fotos von dem Protest waren außerdem Personen zu sehen, die Westen des Vereins Omas gegen Rechts trugen. Das Zentrum für Politische Schönheit ist spendenfinanziert und hat laut einer Antwort der Bundesregierung 2021 keine Förderung durch die Bundesregierung erhalten (Seite 15). Das erklärte uns auch eine Vertreterin auf Nachfrage: „Das Zentrum für Politische Schönheit hat nicht einen Cent an staatlichen Fördermitteln erhalten. Weder in der Vergangenheit noch im Zusammenhang mit der Aktion am vergangenen Sonntag.“ Der Verein Omas gegen Rechts distanzierte sich auf Nachfrage, und erklärte, dass die Protesaktion nicht von ihm stamme. Es sei auch nicht bekannt, wer daran teilgenommen habe. Der Verein erhalte keine staatliche Förderung und finanziere sich über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Einzelne Regionalgruppen erhielten in der Vergangenheit auch in geringem Umfang Förderung durch die Bundesregierung, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (Seite 62) von August 2024 hervorgeht. Die Protestaktion gegen Weidel und das Interview mit ihr wurden also nicht „mit Steuergeldern angeschoben“. Den Faktencheck zum Sommerinterview mit Friedrich Merz lesen Sie hier. Redigatur: Steffen Kutzner, Paulina Thom
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Gabriele Scherndl
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Im Sommerinterview stellte Alice Weidel mehrere falsche oder unbelegte Behauptungen auf.
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"Politik"
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2025-07-22T17:27:46+02:00
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2025-07-22T17:27:46+02:00
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2025-08-12T15:33:17+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/07/22/gehalt-kriminalitaet-und-merz-aussagen-von-alice-weidel-beim-sommerinterview-im-faktencheck/
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Was Merz im Sommerinterview über Bürgergeld und Mieten sagte – und was nicht
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Bundeskanzler Friedrich Merz sagt im ARD-Sommerinterview, für Menschen, die Bürgergeld erhalten, würden in Großstädten „heute teilweise bis zu 20 Euro pro Quadratmeter“ übernommen. Für einige wenige Regionen stimmt das, die Regel ist das nicht. von Max Bernhard Am 13. Juli 2025 war Bundeskanzler Friedrich Merz beim ARD-Sommerinterview in Berlin. Dabei ging es auch um die Kosten, die durch das Bürgergeld entstehen. Aussagen von Merz dazu, wie hoch die Mietkosten sind, die Jobcenter für Bürgergeld-Beziehende übernehmen, waren grundsätzlich nicht falsch. Dennoch ließ er einige Aspekte weg. Angesprochen darauf, ob in Anbetracht hoher Ausgaben für Unterkunft auch eine Deckelung der Mietkosten bei Bürgergeld-Empfangenden in Frage käme, sagte der Bundeskanzler im Sommerinterview: „Sie haben in den Großstädten heute teilweise bis zu 20 Euro pro Quadratmeter, die Sie vom Sozialamt oder von der Bundesagentur bekommen für Miete, […] wenn Sie das mal hochrechnen, das sind bei 100 Quadratmetern schon 2.000 Euro im Monat“. Eine „normale Arbeitnehmerfamilie“ könne sich das nicht leisten. Diese Angaben decken sich mit einer Grafik, die Die Zeit kürzlich veröffentlicht hatte. Die Datenauswertung für 2024 zeigt die gezahlten Warmmieten durch das Jobcenter in einzelnen Regionen. Demnach lagen die Kosten der Unterkunft pro Quadratmeter inklusive Heiz- und Nebenkosten in München, Hamburg und im Main-Taunus-Kreis bei über 20 Euro, überall sonst darunter. Die aktuellsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (Excel-Dateien zum Download hier, hier und hier) für die drei Regionen bestätigen, dass dort der Preis über 20 Euro pro Quadratmeter liegt. Wie kommen diese Kosten zustande? Grundsätzlich, so steht es im Gesetz (Paragraf 22 SGB II), müssten Kosten für Unterkunft und Heizung in „angemessener Höhe“ sein. Was dabei angemessen ist, entscheiden die Jobcenter und Kommunen. „Ihr Jobcenter achtet darauf, dass die Mietkosten und die Größe Ihrer Unterkunft bestimmte Richtwerte nicht überschreiten“, heißt es dazu auf der Webseite der Bundesagentur für Arbeit. Seien die Kosten zu hoch, müsse man umziehen oder gegebenenfalls ein Zimmer untervermieten. Ein Sonderfall ist die sogenannte Karenzzeit: Im ersten Jahr wird die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft bei Menschen, die Bürgergeld erhalten, laut der Bundesagentur für Arbeit nicht geprüft. Diese Richtwerte lassen sich von den Kommunen erfragen, teils sind sie auch online zu finden. Neben den Mietkosten ist auch geregelt, wie groß eine Wohnung sein darf. Wir haben uns die Richtwerte für die drei teuersten Großstädte in Deutschland angesehen. In München – der teuersten Stadt – liegt die Grenze für die Bruttokaltmiete, also die Kaltmiete inklusive Nebenkosten, aber ohne Heizkosten, für eine einzelne Person bei 890 Euro (Stand: 1. Januar 2025). Um innerhalb des Richtwerts auf 2.000 Euro oder mehr zu kommen, müsste es sich um einen Haushalt mit mindestens sechs Personen in einer Bedarfsgemeinschaft handeln. Für so einen Haushalt liegt die Mietobergrenze bei 2.188 Euro für eine Wohnung mit bis zu 120 Quadratmetern – das entspricht einem Quadratmeterpreis von 18,23 Euro. In Frankfurt am Main liegt die Obergrenze – aufbauend auf dem Mietspiegel von 2024 – für eine einzelne Person bei 786 Euro. Um über 2.000 Euro zu kommen, müsste ein Haushalt aus mindestens zehn Personen bestehen, die Bürgergeld erhalten. Bei einer maximalen Wohnungsgröße von 159 Quadratmetern entspräche das 12,97 Euro pro Quadratmeter. In Berlin liegt der Richtwert laut einem Rundschreiben von September 2023 für eine einzelne Person bei 449 Euro. Ein Fünf-Personen-Haushalt bekommt maximal 903,72 Euro. Für jede weitere Person werden 106,32 Euro angerechnet. Um über 2.000 Euro zu kommen, müsste der Haushalt also aus mindestens 16 Personen bestehen. Berlin gibt außerdem einen Preis von 7,09 Euro pro Quadratmeter als Richtwert an. Keine der Quadratmeterpreise innerhalb des Richtwerts in den drei teuersten Städten Deutschlands erreichen also die von Merz genannten 20 Euro. Auch in einer Übersicht der Webseite buergergeld.org zu den 20 größten Städten Deutschlands ist keine einzige Konstellation dabei, die auf 20 Euro Kostenübernahme pro Quadratmeter kommt. Eine Bruttokaltmiete von 2.000 Euro, die vom Jobcenter übernommen wird, erreichen nur Haushalte mit sehr vielen Personen. Es gibt laut der Gewerkschaft Verdi jedoch Ausnahmen: So muss das Jobcenter in manchen Fällen auch höhere Kosten übernehmen, beispielsweise wenn keine günstigeren Wohnungen auf dem Markt verfügbar sind, oder persönliche Umstände einen Umzug unmöglich machen. Das können laut dem Sozialberatungsverein zum Beispiel gesundheitliche Gründe sein. Diese Ausnahmen können dazu führen, dass der Quadratmeterpreis, gerade in besonders teuren Regionen wie Hamburg, München und im Main-Taunus-Kreis höher als innerhalb des Richtwerts geht. Auch eine Regierungssprecherin erklärte auf Nachfrage zu Merz Äußerungen: „Die Mieten in vielen deutschen Großstädten sind sehr hoch, und darauf hat der Bundeskanzler hingewiesen.“ Die Aufgabe der Kommunen sei es, Obdachlosigkeit vorzubeugen. Weil es Mangel an alternativem günstigem Wohnraum gebe, könne es dazu kommen, dass die Kommunen bereit sind, deutlich erhöhte Mietkosten zu übernehmen. Wie die Tagesschau berichtet, gab es nach dem Sommerinterview Kritik an Merz’ Plänen zum Bürgergeld. Dagmar Schmidt, die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, verwies ebenfalls auf die bestehenden Grenzen für Wohnungsgrößen für Menschen, die Bürgergeld bekommen. „Wohnungen für Normalverdiener werden nicht günstiger, indem man Bürgergeldempfängern die Unterstützung streicht“, erklärte sie. Die Präsidentin des Deutschen Mieterbundes, Melanie-Weber Moritz, sagte laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland, die Regierung sollte für ausreichend bezahlbaren Wohnraum und angemessene Mieten sorgen. „Denjenigen die Gelder zu kürzen, die auf dem aus dem Ruder geratenen Mietwohnungsmarkt ohne staatliche Hilfe keine Bleibe finden, ist keine Lösung“. Der ARD-Faktenfinder prüfte weitere Behauptungen aus dem Sommerinterview. So behauptete Merz demnach fälschlicherweise, eine Vermögenssteuer wäre verfassungswidrig. Auch dass alle Gesetzesvorhaben wie geplant durch den Bundestag gekommen seien, stimmte nicht ganz. Update, 17. Juli 2025: Wir haben eine Antwort der Bundesregierung ergänzt, die uns nach Veröffentlichung erreichte. Außerdem haben wir weitere Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zu München, Hamburg und dem Main-Taunus-Kreis ergänzt. Redigatur: Sarah Thust, Gabriele Scherndl
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Max Bernhard
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Merz sagte, in Großstädten würden beim Bürgergeld „teilweise bis zu 20 Euro pro Quadratmeter“ Mietkosten übernommen. Das stimmt zwar, ist aber nicht die Regel.
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2025-07-16T17:37:25+02:00
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2025-07-28T10:32:24+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/07/16/was-merz-im-sommerinterview-ueber-buergergeld-und-mieten-sagte-und-was-nicht/
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Die Meinungsfreiheit, die sie meinen
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Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit arbeiten Vertreter der AfD und Personen in ihrem Umfeld daran, Volksverhetzung zu normalisieren und zu legalisieren. Wie gehen sie vor und wie erfolgreich sind sie dabei? von Kimberly Nicolaus , Gabriele Scherndl Als ein verurteilter Volksverhetzer in Haft muss, springt Björn Höcke ihm zur Seite. Der Verurteilte ist der rechtsradikale Youtuber Aron Pielka, besser bekannt unter dem Pseudonym Shlomo Finkelstein. Zu einem Bild von Shlomo, das Höcke auf Facebook postet, schreibt er nicht das Wort „Volksverhetzung“, sondern „Meinungsfreiheit“. Höcke ist selbst wegen mutmaßlicher Volksverhetzung angeklagt. Er ist es auch, der den Straftatbestand der Volksverhetzung abschaffen oder zumindest einschränken wollte. Damit ist er nicht alleine. Der Fall „Shlomo“ ist nur ein Beispiel dafür, wie Vertreter der AfD und Personen in ihrem Umfeld die Meinungsfreiheit umdeuten. Manche verdrehen dabei Tatsachen, andere greifen das Justizsystem an. Das offenkundige Ziel: Die Grenzen des Sagbaren zu verschieben – und wenn es nach Einzelnen geht, sogar die Grenzen des Gesetzes. Wie sehen die Strategien dahinter aus und was wäre, wenn sie erfolgreich sind? Ende 2020 wurde der Youtuber Aron Pielka alias „Shlomo Finkelstein“ vom Amtsgericht Köln unter anderem wegen Volksverhetzung auf Bewährung verurteilt, weil er antisemitische Darstellungen veröffentlicht und rassistische Lieder und islamfeindliche Koranverbrennungen abgespielt hat. Abgesehen davon war er in den inoffiziellen EU-Wahlkampf für die AfD verwickelt. Im August 2024 wurde er wegen Verstößen gegen seine Auflagen verhaftet. In der AfD feiert man ihn als Helden. Da gibt es nicht nur Höckes Zuspruch, auf Landesebene werden von Lena Kotré, einer Abgeordneten in Brandenburg, „Free Shlomo“-T-Shirts verlost, auf Bundesebene tönt der Abgeordnete Matthias Helferich, Finkelstein könne jederzeit bei ihm im Bundestag auftreten und auf europäischer Ebene will Abgeordneter Alexander Jungbluth „den Fall auf die Tagesordnung der Plenarsitzung“ setzen. Die Delikte des Youtubers werden von Teilen der AfD als Volksverhetzung in Anführungszeichen bezeichnet, seine Verurteilung als „Angriff auf die Meinungsfreiheit“. Die AfD Bundespartei schrieb mit Bezug auf „Shlomo“: „Die Zeiten, in denen das Äußern einer freien Meinung dazu führt, dass man hinter Gittern landet, müssen endlich vorbei sein“. Ali B. Norouzi, Mitglied im Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltverein, korrigiert diese Einschätzung: „Er hat gegen Bewährungsauflagen verstoßen und damit das Vertrauen widerlegt, auf dem die Bewährungsstrafe beruhte. Deshalb ist er verhaftet worden. Und seine Äußerungen waren nach Bewertung des Gerichts Volksverhetzung und nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt. Deshalb ist er bestraft worden“, so der Jurist im Gespräch mit CORRECTIV.Faktencheck. Der X-Post der AfD verschwand im Laufe dieser Recherche, auf eine Anfrage antwortete die Bundespartei nicht. Auch alle weiteren Vertreterinnen und Vertreter der Partei, die CORRECTIV.Faktencheck zu dieser Recherche kontaktiert hatte, antworteten nicht. Die AfD zeichnet offenbar ihr eigenes Bild der Meinungsfreiheit – doch was umfasst die tatsächlich? Die Meinungsfreiheit ist im Artikel 5 des Grundgesetzes geregelt, da heißt es: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (…)“. Dann jedoch steht im nächsten Absatz: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (…)”. So kommen strafrelevante Paragrafen wie Volksverhetzung (Paragraf 130 StGB) oder auch das Verbot verfassungswidriger Kennzeichen ins Spiel (Paragraf 86a StGB). Paragraf 130 im Strafgesetzbuch regelt den Straftatbestand der Volksverhetzung. Dabei geht es um verschiedene Formen der Hasskriminalität, etwa darum, „gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen“ aufzufordern. Es geht auch darum, die Menschenwürde anderer anzugreifen oder Handlungen der Nationalsozialisten zu billigen, zu leugnen oder zu verharmlosen. Der Strafrahmen reicht je nach konkretem Delikt von drei Monaten bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen. Paragraf 86a betrifft das „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“. Bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe stehen darauf, wenn jemand etwa Abzeichen oder Parolen von verfassungswidrigen Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder verwendet. Darunter fällt zum Beispiel das Hakenkreuz, das SS-Totenkopfsymbol oder die Grußformel „Sieg Heil“ – allerdings spielt in der Frage der Strafbarkeit auch der Kontext, in dem ein Symbol geteilt wird, eine Rolle, zum Beispiel, ob die Verwendung eines Symbols der Aufklärung dient. Das heißt: Schon im Grundgesetz steht, dass die Meinungsfreiheit nicht grenzenlos ist. Auf der anderen Seite schützt die Meinungsfreiheit aber jene, die eine strittige Aussage machen. Wenn nun die AfD auf X postet, der Paragraf zur Volksverhetzung sei „schwammig und längst ein beliebtes Werkzeug politisierter Strafverfolger“, dann ist das nach Ansicht von Strafrechtler Norouzi eine „plakative Zuspitzung“, die die bisherige Rechtssprechung – auch zugusten der AfD – ausblende. Er verweist da etwa auf den Fall Gauland: Der damalige AfD-Parteivorsitzende hatte 2017 über die damalige Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz gesagt, man könne sie „in Anatolien entsorgen“. Die Staatsanwaltschaft entschied mit Verweis auf frühere Urteile des Bundesverfassungsgerichts, dass die Äußerung im Rahmen der freien Rede lag. Zuletzt urteilte das Bundesverwaltungsgericht im Falle von Compact: Auch wenn manche Inhalte des Magazins gegen die Menschenwürde verstießen, seien andere Inhalte – in diesem Fall etwa „Verschwörungstheorien und geschichtsrevisionistische Betrachtungen“, die in Compact Platz fanden – von der Meinungsfreiheit geschützt. Ein Verbot wäre nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn die „verfassungswidrigen Aktivitäten“ überwogen hätten. Nicht nur im Fall „Shlomo“ deuten AfD-Vertretende die Meinungsfreiheit um. So auch etwa im Zusammenhang mit Plänen der Union und SPD. Die Regierungskoalition will Menschen, die mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt wurden, das passive Wahlrecht entziehen und den Straftatbestand verschärfen. Ein solcher Vorschlag stieß in der Vergangenheit unter Fachleuten auf Kritik. AfD-Bundestagsabgeordnete Christina Baum nutzt ihn, um Volksverhetzung als „Äußerung von Meinungen“ abzutun. Das stimmt schon allein deshalb nicht, weil juristisch unter Volksverhetzung nicht nur Meinungen fallen können, schreibt Jurist Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosoph an der Universität des Saarlandes und selbst Richter, auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck. Der Paragraf umfasst etwa auch die Leugnung oder Verharmlosung der Nazi-Verbrechen. Oğlakcıoğlu formuliert das so: „Die Ermordung von sechs Millionen Juden stellt keine Meinung dar, sondern eine Tatsache.” Manche gehen deutlich weiter, als Volksverhetzung öffentlich zu bagatellisieren. Zum Beispiel der X-Account „Wuppi“, der dem rechten Aktivisten Patrick Kolek zugeordnet wird. „Wuppi“ kämpft auf eine andere Art für seine Version der Meinungsfreiheit: Er hat das Justizsystem im Visier. Auch wenn seine Reichweite dabei überschaubar ist, so ist er ein Bindeglied zur AfD. Er hat für sie gearbeitet und würde das offenbar gerne wieder tun. Im Visier hat „Wuppi“ etwa jenen Staatsanwalt, der laut ihm gegen „Shlomo Finkelstein“ vorging. „Wuppi“ veröffentlichte nicht nur dessen Namen und Foto, er schrieb auch, er wolle ihm „ein wenig auf die Finger schauen“, der Staatsanwalt komme auf den „Prüfstand“. Der Staatsanwalt, so scheint es, steht für Kolek stellvertretend für den Rechtsstaat und für das, was Kolek als Einschränkung der Meinungs- oder Redefreiheit versteht. Weil er den Staatsanwalt exponiert habe, gab es eine Hausdurchsuchung bei ihm, das sagt auch Kolek in einem Video. „Wuppi“ ruft in seinem „Rechtskampf“ auch dazu auf, „Material zu Staatsanwälten und Richtern“ einzusenden, um sie „unter die Lupe“ zu nehmen und dazu, deren Namen zu veröffentlichen. Auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck schreibt Kolek, es gehe dabei um den „transparenten Ansatz, den Urteilen und Entscheidungen ein Gesicht zu geben. Ich träume von einem gläsernen Staat und Justizapparat“. Eine Bedrohung sieht er darin nicht. Vor allem aber stellt Kolek selbst dutzende Anzeigen und andere Nutzer folgen seinem Beispiel. Etwa 60 Anzeigen sollen es bislang sein. Viele davon sind öffentlich, häufig geht es um angebliche Delikte von Volksverhetzung oder dem Zeigen verbotener Symbole. So veröffentlichte „Wuppi“ etwa eine Anzeige gegen den Stern, nachdem dieser im Rahmen seiner Berichterstattung ein Hakenkreuz auf dem Cover hatte, oder gegen den ehemaligen Gesundheitsminister Karl Lauterbach, weil dieser den Arm angeblich zum Hitlergruß gehoben habe. Von einer Staatsanwaltschaft, bei der gleich 19 derartige Anzeigen liegen, heißt es: „Zu einem nicht unerheblichen Teil sind die Verfahren eingestellt beziehungsweise Ermittlungen gar nicht erst aufgenommen worden.“ Werden solche Fälle eingestellt, sagt Strafrechtler Norouzi, bleibe die Botschaft übrig: „Soweit kann man noch gehen. Da passiert einem noch nichts“. Und: So könne man „das System gut sabotieren“, indem man Arbeit verursacht. Bei „Wuppi“ klingt das auf X so: „Wenn ihr keine Hausdurchsuchungen bekommt, dann sind wir vielleicht daran schuld“. Nicht nur die Anzeigen, auch andere Beiträge von „Wuppi“ scheinen die Grenzen der Meinungsfreiheit auszuloten. Abschließend bewerten kann man solche Beiträge auf Anhieb nicht, betonten von uns befragte Expertinnen und Experten. So sei etwa ein Meme, in dem es heißt, er arbeite daran, dass „Rassismus zum Alltagshumor wird”, auf den ersten Blick wohl keine Volksverhetzung, meint Strafrechtler Norouzi. „In diese Richtung“ gehe aber ein Bild vom sprechenden Hut aus den Harry-Potter-Filmen, der ein schwarzes Kind nach Askaban – also ins Gefängnis – schickt. Zu einem Beitrag, den Wuppi als Repost geteilt hat und in dem es um Geschlechtsverkehr zwischen Migranten und Ziegen geht, sagt Norouzi: „Da habe ich ein Störgefühl, da würde ich als Staatsanwalt schon mal genauer drauf schauen“. Kolek schreibt dazu auf Anfrage: „Ich bin Redefreiheitsmaximalist und mache mir nicht viel daraus, wenn die Gefühlchen einzelner Leute, die mich hassen, tangiert werden“. Er betont: Erst kürzlich sei eine Volksverhetzungsanzeige gegen ihn eingestellt worden. „Wuppis“ X-Beiträge werden nur wenig geteilt, seine Reichweite hält sich in Grenzen. Gleichzeitig hat er Verbindungen zur Identitären Bewegung und zahlreiche Anknüpfungspunkte zur AfD. Die AfD Köln stellte ihn 2020 als Referent der Kölner Ratsfraktion und als Kandidat für die damals anstehende Stadtratswahl vor – in den Stadtrat kam er nicht. Kolek bestätigt zudem auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck, dass er einst die Social-Media-Betreuung für die AfD Wuppertal gemacht habe, die „endgültige Kündigung“ sei erst kürzlich erfolgt. Ein Amt habe er bei der AfD nicht, aber sei reguläres Mitglied. Die AfD Wuppertal antwortete nicht auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck. Von Vertreterinnen und Vertretern der AfD wird sein selbsternannter „Rechtskampf“ öffentlich verfolgt und augenscheinlich unterstützt. So fragt etwa Lena Kotré aus dem Brandenburger Landtag nach weiteren Details zu dem durch „Wuppi“ exponierten Staatsanwalt. Auf der einen Seite erhält „Wuppi“ für sein Vorgehen etwa Zuspruch von Erik Ahrens, einem rechtsextremen Aktivisten. Ahrens schreibt auf X, Kolek verteidige „die Ehre der SA“. Auch Martin Sellner, Kopf der österreichischen Identitären Bewegung (IB) warb für eine Petition Koleks zur „Freien Rede“. Die IB steht auf einer Unvereinbarkeitsliste der AfD – und Kolek offenbar sehr nahe. Die Adresse einer Agentur, deren alleiniger Inhaber Kolek laut eigenen Angaben ist, ist auch der Firmensitz von drei Unternehmen, die der IB zuzuordnen sind: der Kohorte UG, Schanze Eins und Gegenuni. Auf der anderen Seite gibt es zahlreiche Anknüpfpunkte zur AfD: So tauschen sich etwa Thorsten Weiß aus der Berliner Fraktion und „Wuppi“ sich in lockerem Ton über Abschiebungen aus. Und dann ist da noch der in der AfD umstrittene Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah, der sich mit „Wuppi“ öffentlich über die Kostenerstattung von 200 T-Shirts streitet, die „Wuppi“ offenbar im Zuge einer Aktion des „Stolzmonat“ ausgelegt haben soll. „Stolzmonat“ ist eine rechtsextreme Kampagne als Reaktion auf den Pride-Month. Krah antwortete nicht auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck dazu. Laut einem X-Beitrag von „Wuppi“ soll auch Steffen Kotré den „Stolzmonat“ finanziell unterstützt haben, auf Anfrage schreibt Kolek widerum, es habe keine „finanziellen Ströme“ gegeben. Steffen Kotré antwortete nicht auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck, veröffentlichte anlässlich dessen aber ein Video, in dem er eine Verlosung zum „Stolzmonat“ startet. Kolek macht klar, was sein Ziel ist: Dass Straftatbestände wie Volksverhetzung oder das Verwenden von verfassungswidrigen Symbolen abgeschafft werden – und so der Rahmen der Meinungsfreiheit endgültig neu gesetzt wird. Mit diesem Ziel ist er nicht der Einzige. Den Straftatbestand der Volksverhetzung wollten auch schon Hans-Georg Maaßen, Chef der rechtskonservativen Werteunion, oder der rechtsextreme Aktivist Erik Ahrens abgeschafft sehen. Der Paragraf „behindert den Rechtsruck, indem er Rassismus kriminalisiert“, schreibt Ahrens. CORRECTIV.Faktencheck hat sich im Zuge dieser Recherche ein Bild davon gemacht, wer sich in der Deutschen Politik innerhalb der vergangenen zwölf Monate besonders häufig zum Thema Meinungsfreiheit geäußert hat. Ausgangspunkt dafür war ein Datenpool an Social-Media-Accounts von Partei-Vertretenden der AfD, Grüne, BSW, CDU/CSU, FDP, Linke und SPD. Die Suche erfolgte über die Stichwörter „Meinungsfreiheit“, „Volksverhetzung“ und die in diesem Zusammenhang relevanten Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch. Grundlage der durchsuchten Accounts waren die „Datenbank Öffentlicher Sprecher“ sowie Recherchen von CORRECTIV. Im Vergleich zur AfD spricht keine andere Partei, beziehungsweise ihre Vertretenden, in einem solchen Ausmaß über die Meinungsfreiheit und die Abschaffung des Straftatbestands der Volksverhetzung. Auch aus der AfD kommen immer wieder Forderungen Einzelner. Medienberichten zufolge stellte Björn Höcke beim AfD-Parteitag einen Antrag, um Paragraf 130 größtenteils abzuschaffen. In das Wahlprogramm der AfD hat es sein Antrag nicht geschafft. Doch es gibt andere Anläufe, Gesetze im Namen der Meinungsfreiheit zu ändern. Erst Ende Juni brachte die AfD-Bundestagsfraktion einen Gesetzentwurf ein, mit dem Paragraf 188 im Strafgesetzbuch (Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung) abgeschafft werden soll – um die Meinungsfreiheit zu stärken, wie es zu dem Antrag heißt. Im Dezember 2023 und im Oktober 2024 hat die Fraktion zwei Anträge unter dem Schlagwort „Keine Beschränkung der Meinungsfreiheit in den sozialen Netzwerken“ eingebracht. Darin fordert sie, das EU-Gesetz über digitale Dienste, den Digital Services Act, abzuschaffen. Es sieht vor, dass Online-Plattformen, wie Facebook oder Tiktok, auf illegale Inhalte angemessen reagieren müssen. Demnach müssen Plattformen rechtswidrige Inhalte „entfernen oder den Zugang dazu sperren“, sobald die Plattform „tatsächliche Kenntnis“ davon erlangt. Ihrem Antrag zufolge will die AfD das EU-Gesetz abschaffen, damit die Meinungs- und Informationsfreiheit nicht „noch weiter“ beschränkt würde. Auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck, ob die Bundestagsfraktion plant, einen Antrag auf Abschaffung von Paragraf 130 einzubringen, kam keine Antwort. Was aber wäre, wenn der Paragraf 130 doch einmal fallen sollte? Eine Verschärfung oder zu strikte Verfolgung von Äußerungsdelikten sieht Oğlakcıoğlu kritisch – weil das auf längere Sicht auch missbraucht werden könnte. Aber: Würde man Volksverhetzung als Delikt einfach abschaffen, würden auch Passagen fallen, die es verbieten, den Nationalsozialismus so zu verherrlichen und verharmlosen, dass es den öffentlichen Frieden stört. „Gerade in diesen Zeiten“ sei man aber auf so ein „Erinnerungsstrafrecht“ angewiesen, schreibt Oğlakcıoğlu. Auch Strafrechtler Norouzi verweist darauf, dass der Nationalsozialismus immer weiter in die Vergangenheit rückt. Er vergleicht den Paragrafen der Volksverhetzung mit einem Stoppschild, das aufgestellt wird, damit bestimmte Tabus nicht fallen. Im Idealfall brauche es so ein Stoppschild nicht, „weil die Menschen so anständig sind, dass sie gewisse Dinge nicht sagen, dass sie nicht gegen Minderheiten polemisieren, nicht zum Hass auf Minderheit aufhetzen“. Aber: „Ich glaube, so weit sind wir leider noch nicht“. Auch wenn die Meinungsfreiheit im Grundgesetz ist, braucht es keine Verfassungsmehrheit, um sie neu zu definieren. Damit Stoppschilder wie Paragrafen zur Volksverhetzung oder dem Verwenden verfassungsfeindlicher Kennzeichen fallen, reicht eine einfache Mehrheit im Bundestag. Momentan hat die AfD die nicht. Redigatur: Sophie Timmermann, Paulina Thom
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Gabriele Scherndl
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Vertreter der AfD und Akteure aus ihrem Umfeld arbeiten daran, Volksverhetzung zu normalisieren oder sogar abzuschaffen – alles im Namen der Meinungsfreiheit.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-07-04T07:12:53+02:00
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2025-07-04T07:12:53+02:00
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2025-07-28T10:32:05+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/07/04/wie-die-afd-und-personen-in-ihrem-vorfeld-meinungsfreiheit-und-volksverhetzung-umdeuten/
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„Importierter Antisemitismus“? Warum Fachleute Merz widersprechen
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Bei seiner USA-Reise wurde Bundeskanzler Friedrich Merz vom TV-Sender Fox News auf vermehrte Straftaten gegen jüdische Menschen angesprochen. Merz erklärte, in Deutschland gebe es eine „Art importierten Antisemitismus mit der großen Zahl an Migranten“ seit 2015. Was sagen Statistiken und Fachleute dazu? von Paulina Thom Antisemitische Straftaten haben 2024 einen neuen Höchststand erreicht. Das ist eine der Kernaussagen des Berichts zur politisch motivierten Kriminalität (PMK), den das Bundeskriminalamt (BKA) gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern (BMI) am 20. Mai 2025 veröffentlichte. Demnach gab es im vergangenen Jahr 6.236 Fälle, die höchste Zahl seit Beginn der Erhebung 2001. Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias), kommt in seinem Bericht für 2024 auf 8.627 antisemitische Vorfälle. Auf diesen Anstieg wurde Bundeskanzler Friedrich Merz während seiner USA-Reise Anfang Juni angesprochen. In einem Interview beim TV-Sender Fox News sagte er: „Offen gesagt haben wir mit der großen Zahl von Migranten, die wir in den letzten zehn Jahren aufgenommen haben, eine Art importierten Antisemitismus.“ „Importierter Antisemitismus“ – dieser Begriff ist nicht neu. Schon vor Jahren kursierte er in medialen und politischen Debatten. Demnach verbreitet sich Antisemitismus in Deutschland zunehmend oder sogar vorranigig bei Menschen mit Migrationshintergrund. Doch stimmt das? Wir haben uns Kriminalitätsstatistiken und Studien angeschaut. Und wir blicken auf das Narrativ dahinter. Die bundesweiten Fallzahlen zur PMK erscheinen einmal jährlich, der Bericht lässt sich auf der Webseite des Bundeskriminalamtes herunterladen. Straftaten werden darin bestimmten Phänomenbereichen zugeteilt, die auf politischen Einstellungen beruhen („rechts“, „links“, „ausländische Ideologie“, „religiöse Ideologie“, „sonstige Zuordnung“). Insgesamt gab es 2024 mehr als 80.000 politisch motivierte Straftaten, die Hälfte davon ist dem rechten Bereich zugeordnet (Seite 4). Die meisten Straftaten sind Propaganda-Delikte (37,1 Prozent), also das Verbreiten von Propagandamitteln oder Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, gefolgt von Sachbeschädigungen (21,4 Prozent), Beleidigungen (11,8 Prozent) und Volksverhetzungen (10,8 Prozent). Die Fallzahlen werden bestimmten Ober- und Unterthemenfeldern (OTF und UTF) zugeordnet. OTF sind beispielsweise „Hasskriminalität“, „Verschwörungserzählung“ oder „Krisenherde/Bürgerkriege“. UTF sind beispielsweise „Islamfeindlich“, „Antisemitisch“, „Bundestagswahlen“ oder „Israel“ und „Palästina“. Bei den antisemitischen Straftaten ergibt sich folgendes Bild: Knapp die Hälfte der Straftaten ist dem Phänomenbereich „rechts“ zugeordnet (48,4 Prozent), im Vergleich zum Vorjahr ist das ein minimaler Rückgang. An zweiter Stelle folgen mit 31,1 Prozent Straftaten im Bereich „ausländische Ideologie“ – das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um mehr als 60 Prozent. 2.832 der 6.236 antisemitischen Straftaten hatten mit den UTF „Israel“ und „Palästina“ zu tun (Seite 24). Auch Rias – also der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus – ordnet, wenn möglich, antisemitische Vorfälle einem politisch-weltanschaulichen Hintergrund zu. Rias bündelt die Zahlen regionaler Meldestellen sowie eines Onlineportals. Ziel ist es, auch solche antisemitischen Vorfälle zu erfassen, die womöglich nicht strafbar wären – beispielsweise alltägliche Pöbeleien. Bei den meisten, nämlich 57 Prozent, der mehr als 8.500 erfassten Fälle war dies 2024 nicht möglich, da entweder die Täterinnen oder Täter oder ihre jeweiligen Motivation unbekannt blieben. Bei den Vorfällen, die eindeutig einem politischen Hintergrund zugeordnet werden konnten, war der „antiisraelische Aktivismus“ mit einem Anteil von 26 Prozent die häufigste Kategorie, gefolgt von einem rechtsextremen Hintergrund in 6 Prozent der Fälle. Sowohl an den Zahlen der PMK-Berichte als auch an den Rias-Berichten gibt es Kritik. So umfassen die Zahlen der PMK nur das Hellfeld an Straftaten, obwohl viele Vorfälle nicht angezeigt werden. Als Eingangsstatistik umfasst sie zudem auch Vorfälle, bei denen die Ermittlungen eingestellt werden. Ob es zum Beispiel zu einer Anklage oder einem Urteil kommt, wird nicht berücksichtigt. Weitere Verzerrungen ergeben sich durch mögliche falsche Zuordnungen zu den Phänomenbereichen oder den jeweiligen UTF. Die PMK umfasst nur das Hellfeld und ist eine Eingangsstatistik Die PMK betrachtet nur tatsächlich zur Anzeige gebrachte Straftaten, sie ist also von der Anzeigebereitschaft betroffener Personen abhängig. Eine Umfrage von 2023 unter jüdischen Menschen in Europa zeigt, dass nicht einmal jede dritte Gewalttat der Polizei gemeldet wurde. In einer Studie der Universität Bielefeld von 2017 gaben nur knapp ein Viertel der Betroffenen an, ein antisemitisches Ereignis der Polizei, Gemeinde oder einer Beschwerdestelle gemeldet zu haben. Wichtig ist zudem: Bei der PMK handelt es sich um eine Eingangsstatistik. Das heißt, hier werden die Straftaten mit Aufnahme der polizeilichen Ermittlungen und damit bereits beim ersten Anfangsverdacht erfasst. Nicht ablesen lässt sich aus der Statistik der Verlauf der Ermittlungen oder deren Ausgang und ob es überhaupt zu einer Anklage kam. Die Statistik enthält also mehr Fälle als am Ende verurteilt werden. Verzerrungen der Zahlen durch falsche Zuordnungen in der PMK Weitere Verzerrungen in der Statistik können sich durch die Zuordnung der Delikte zu den Phänomenbereichen durch die Polizeikräfte ergeben: Zum einen muss die Polizei in der Lage sein, Antisemitismus zu erkennen, und zum anderen ihn richtig zuzuordnen. An dieser Zuordnung gab es insbesondere vor 2023 Kritik: Bis dahin wurden antisemitische Straftaten dem Bereich „rechts“ zugeordnet, wenn es keine „gegenteiligen Anhaltspunkte“ auf einen der anderen Phänomenberiche gab. Seit 2024 werden diese im Bereich „sonstige Zuordnung“ erfasst. Gleichzeitig birgt auch die Unterscheidung der UTF „Antisemitismus“ und „Israel“ und „Palästina“ Verzerrungsgefahr, und zwar in doppelter Hinsicht: Zum einen könnten antisemitische Vorfälle verkannt und nur dem UTF „Israel“ und „Palästina“ zugeordnet werden, wie beispielsweise Rias es im Bundesland NRW in mehreren Fällen zwischen 2014 bis 2018 kritisierte. Zum anderen könnten Fälle erfasst werden, bei denen umstritten ist, ob sie tatsächlich antisemitisch sind. So gab es beispielsweise unterschiedliche gerichtliche Entscheidungen über die Parole: „From the river to the sea, Palestine will be free“. Manche Gerichte sahen darin ein strafbares Kennzeichen der Terrororganisation Hamas, andere Gerichte verneinten dies. Bislang gibt es diesbezüglich keine Rechtssicherheit. Im Verfassungsschutzbericht 2024 heißt es dazu auf Seite 49: „Die Parole ist insbesondere dann verboten, wenn sie im Kontext mit den verbotenen Vereinigungen [etwa Hamas oder Samidoun, Anm. d. Red.] gebraucht wird.“ Auch an den Zahlen von Rias gibt es Kritik: Mit 6 Prozent der gemeldeten Fälle mit rechtsextremen Hintergründen liegt der Bericht weit hinter den von der PMK im Bereich „rechts“ erfassten Fälle. Der Journalist Itay Mashiach hat Rias-Berichte in einer Studie von Mai 2025 (abgeschlossen im September 2023) ausgewertet und kommt zu dem Schluss, dass der „israelbezogenen Antisemitismus“ überbetont und rechtsextreme Straftaten unterschätzt würden. Hinzukommt, dass insbesondere die Kategorie „israelbezogener Antisemitismus“ umstritten ist, denn manche sehen dadurch Kritik an der Politik des Staates Israel, die sich von Antisemitismus fern hält, bedroht. Rias hat die Vorwürfe in einer Stellungnahme zurückgewiesen. Laut mehreren Beiträgen der Bundeszentrale für politische Bildung und Sina Arnold, Antisemitismusforscherin an der TU Berlin, lässt sich Antisemitismus in drei verschiedene Formen einteilen: Der klassische Antisemitismus entstand Ende des 19. Jahrhunderts und wurde rassistisch begründet. Er ist ein Vorurteil und eine Weltsicht, in der jüdischen Menschen bestimmte biologische oder kulturelle Eigenschaften zugeschrieben werden. Diese Stereotype verbinden sich häufig zu Verschwörungstheorien. Ein Beispiel: „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß.“ Der sekundäre Antisemitismus ist eine Form der Judenfeindschaft, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte. Er äußert sich etwa in Relativierung oder Leugnung des Holocaust oder in der rhetorischen Umkehr von Opfern und Tätern. Ein Beispiel: „Viele Juden versuchen, aus der Vergangenheit des Dritten Reiches heute ihren Vorteil zu ziehen.“ Von israelbezogenem Antisemitismus spricht man, wenn Israel negativ dargestellt wird und diese Darstellung gleichzeitig auf antisemitischen Einstellungen, Vorurteilen, Ressentiments und Weltanschauungen beruht. Kritik an Israel wird beispielsweise als antisemitisch verstanden, wenn die Politik Israels mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt wird oder wenn an israelische Politik andere Standards als an andere Demokratien angelegt werden. Ein Beispiel: „Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben.“ Gerade die letzte Kategorie ist umstritten, denn nicht immer ist eindeutig, was legitime oder auch falsche Kritik an Israel ist, und was Antisemitismus. Exemplarisch zeigt sich das am Streit zwischen den zwei einflussreichsten Definitionen von Antisemitismus: der „International Holocaust Remembrance Alliance“ (IHRA) von 2016, die 2017 von der Bundesregierung übernommen wurde, und der „Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus“ (JDA) von 2021. Einig sind sich aber beide darin, dass es antisemitisch ist, Jüdinnen und Juden das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in Israel abzusprechen oder den Holocaust zu leugnen. Die aufgeführten Beispiele stammen aus der Publikation des Mediendienst Integration. Auf die Frage, warum im Rias-Bericht die Vorfälle mit einem rechten/rechtsextremen Hintergrund deutlich geringer als in der PMK seien, schreibt uns Cord-Heinrich Plinke von Rias, der relative Anteil einzelner politischer Hintergründe könne je nach aktuellem Kontext zu- oder abnehmen. Während der Corona-Pandemie habe etwa das verschwörungsideologische Millieu an Bedeutung gewonnen, seit dem 7. Oktober 2023 der antiisraelische Aktivismus. „Die meisten der politisch zuordenbaren Vorfälle seit Beginn unserer bundesweiten Erhebung fallen in die Kategorie rechtsextrem/rechtspopulistisch“, schreibt Plinke. Gibt es in den Berichten Belege dafür, dass es in Deutschland – wie von Friedrich Merz behauptet – wegen der großen Zahl an Migranten seit 2015 eine „Art importierten Antisemititsmus“ gibt? In Deutschland leben etwa 14 Millionen Ausländerinnen und Ausländer, sprich Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Fast jede dritte Person in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, also sie selbst oder mindestens ein Elternteil besaß bei Geburt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Trotzdem ist mit Merz’ zeitlicher Einordnung „seit 2015” offensichtlich, dass er vorrangig auf Migrantinnen und Migranten aus dem arabischsprachigen Raum und mehrheitlich muslimischen Ländern abzielt. Auf unsere Frage nach Quellen für den „importierten Antisemitismus“ antwortete ein Regierungssprecher lediglich: „Die Statistik der politisch motivierten Kriminalität gibt Aufschluss über die hohe Zahl antisemitischer Straftaten, auch auf Basis ausländischer Ideologie.“ Doch diese Erklärung ist irreführend: Das BMI schreibt uns auf Nachfrage, der Anteil ausländisch und religiös motivierter Straftaten im Unterthemenfeld „antisemitisch“ sei in den elf Jahren seit 2013 um knapp vierzig Prozent gestiegen. Doch: „Bei der phänomenologischen Einordnung wird auf die Motivation des Täters abgestellt und nicht auf die Staatsangehörigkeit oder einen etwaigen Migrationshintergrund, der nicht erfasst wird.“ Ebenso wenig zeigt sich in den vorhandenen PMK-Zahlen zu antisemitischen Straftaten ein markanter Anstieg unmittelbar nach 2015. Stattdessen blieb die Zahl von 2001 bis 2018 etwa gleich; erst danach stieg sie an. Auswirkungen hatte aber regelmäßig die Situation im Nahen Osten, insbesondere seit 2021. Im aktuellen Rias-Bericht taucht das Wort „Migrant“ gar nicht auf, die Begriffe Migrationshintergrund und Muslim nur jeweils an einer – für die Behauptung jedoch irrelevanten – Stelle. Auf Nachfrage schreibt Plinken von Rias zu der Behauptung: „Nein. Rias wertet keine Informationen zu Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit oder Migrationsgeschichte von Personen aus, die antisemitische Vorfälle begehen. Unsere Arbeit basiert auf der Grundannahme, dass Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist.“ Heiko Beyer, Soziologe an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, schreibt uns auf Nachfrage, der Migrationshintergrund habe keinen isolierten Einfluss auf antisemitische Einstellungen. Das sei das Ergebnis von zwei Studien, eine bundesweite und eine für NRW, an der Beyer beteiligt war. Insgesamt gebe es nicht allzu viel Forschung zu dem Thema, merkt er an. Auch Sina Arnold, Antisemitismusforscherin an der TU Berlin, schreibt in einer Analyse für die Bundeszentrale für Politische Bildung, dass sich die Vorstellung eines in Deutschland primär „importierten Antisemitismus“ empirisch nicht halten lasse. „Würden ‚die‘ nicht kommen, hätten ‚wir‘ kein Problem“, fasst Arnold die Intention hinter dem Narrativ zusammen. Doch das stimmt laut Arnold nicht, in der gesamtdeutschen Gesellschaft sei Antisemitismus weit verbreitet: „In repräsentativen Meinungsumfragen der letzten Jahre stimmten etwa 6 bis 7 Prozent der gesamtdeutschen Bevölkerung klassisch antisemitischen Aussagen eindeutig zu, weitere 15 bis 20 Prozent befürworteten sie teils/teils. Über ein Drittel stimmt mit sogenannten sekundärantisemitischen Aussagen überein, in denen sich Erinnerungs- und Schuldabwehr in Bezug auf den Holocaust ausdrücken. Die Zustimmung zu israelbezogenem Antisemitismus findet sich bei bis zu einem Fünftel der Gesamtbevölkerung.“ Die Forschungslage in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund ist laut Arnold uneindeutig: Je nach Studie hätten sie vergleichbare oder leicht erhöhte Zustimmungswerte zu klassischem Antisemitismus und vergleichbare oder leicht verringerte Werte beim sekundären Antisemitismus. „Beim israelbezogenen Antisemitismus zeigen sich bei Menschen mit Migrationshintergrund außerhalb der EU höhere Zustimmungswerte, insbesondere aus der Türkei und arabischen Ländern“, schreibt Arnold. Was die vorhandene Forschung laut Beyer auch zeige: Muslimische Menschen in Deutschland hätten tendenziell stärkere antisemitische Einstellungen, außer beim sekundären Antisemitismus. Der zentrale Einflussfaktor sei laut Studien, inwieweit der Islam fundamentalistisch interpretiert wird. Unabhängig von der Religion nennt Arnold weitere Einflussfaktoren, etwa die Herkunft, insbesondere die regionale Nähe zur Konfliktregion Nahost. In einigen Herkunftsländern sei Antisemitismus weiter verbreitet als in Deutschland: So seien beispielsweise nicht nur unter muslimischen, sondern auch unter christlichen Menschen im Nahen Osten und Nordafrika die Zustimmungswerte zu antisemitischen Aussagen weitaus höher als im weltweiten Vergleich, wie Umfragen von 2014 und 2024 ergaben. In Deutschland schwindet die höhrere Zustimmung zu Antisemitismus, je länger eine zugewanderte Person hier lebt, wie eine Studie von 2019 zeigt. Indirekt relevant für höhere Zustimmungswerte sind auch Diskriminierungserfahrungen. Sie könnten zu einer Identifikation mit einer – religiösen, nationalen, ethnischen – „Eigengruppe“ mit gleichzeitiger stärkeren Abgrenzung von vermeintlichen „Fremdgruppen“, darunter jüdische Menschen, führen, schreibt Arnold. Dies gelte insbesondere bei Jugendlichen. Neben antisemitischen haben auch rassistische und islamfeindliche Straftaten laut PMK-Bericht in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Zu unseren Rechercheergebnissen äußerte sich ein Sprecher der Bundesregierung nicht konkret. Die Forschung verwendet den Begriff „importierten Antisemitimus“ nicht, denn er suggeriert, es würde in Deutschland ohne Migration keinen Antisemitismus geben – was nachweislich falsch ist. Wie Heiko Beyer von der Universität Düsseldorf in einem Forschungsartikel schreibt, werde das Narrativ insbesondere von rechtspopulistischen Akteurinnen und Akteuren sowie Parteien verwendet. Der Begriff kaschiere nicht nur verschiedene Formen des Antisemitimus sondern verhindere auch eine tiefergehende Analyse des politisch-islamischen Antisemitismus. Ähnlich sieht das das Projekt „Nichts-gegen-Juden.de“ der Amadeu-Antonio-Stiftung: Judenhass habe eine lange Geschichte im Islamismus, eine Kritik daran sollte sachlich und konkret argumentieren. Das Narrativ des „importierten Antisemitismus“ sei dagegen rassistisch, heißt es auf der Webseite. Insbesondere von Rechten werde es „nicht zur Bekundung ehrlichen Interesses am Schutz jüdischer Kultur und jüdischen Lebens“, sondern „als Stimmungsmacher gegen die Immigration von insbesondere arabischen oder muslimischen Menschen eingesetzt“. Auch Cord-Heinrich Plinke von Rias kritisiert auf Nachfrage, dass mit dem Begriff die Debatte verschoben werde, etwa in Richtung einer Migrationsbeschränkung. „Gerade im Land der Täter des Nationalsozialismus ist die Vorstellung, Antisemitismus könne oder müsse hierher erst noch importiert werden, stark verwunderlich.“ Antisemitismus sei kein nach Deutschland importiertes Problem. Er trete in allen Teilen der Gesellschaft auf und müsse gesamtgesellschaftlich bekämpft werden. Als „Ideologie mit einer langen Geschichte, einer weltweiten Verbreitung und einer – aufgrund ihres welterklärenden Anspruches – hohen Attraktivität“ sei Antisemitismus selbstverständlich auch unter Menschen mit Migrationsgeschichte verbreitet – wie auch in der restlichen Bevölkerung, schreibt Sina Arnold. Das sei aber kein Problem „der Anderen“, sondern ein Deutsches. Korrektur 9. Juli 2025: Wir haben konkretisiert, dass sich eine Antwort von Rias an uns nicht auf die Kritik in der Studie von Itay Mashiach bezog, sondern auf die Frage, warum im Rias-Bericht die Vorfälle mit einem rechten/rechtsextremen Hintergrund deutlich geringer als in der PMK sind. Wir haben zudem eine Stellungnahme des Vereins ergänzt und hinzugefügt, dass die Studie von Itay Mashiach im September 2023 abgeschlossen wurde. Redigatur: Steffen Kutzner, Max Bernhard
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Paulina Thom
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Bei seiner USA-Reise erklärte Merz, in Deutschland gebe es seit 2015 eine „Art importierten Antisemitismus“ durch Migranten. Stimmt das?
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-07-03T16:07:17+02:00
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2025-07-03T16:07:17+02:00
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2025-08-05T12:23:36+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/07/03/importierter-antisemitismus-warum-fachleute-merz-widersprechen/
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KI-Videos auf Tiktok verbreiten Fake zu angeblichem „internationalen“ Soli-Zuschlag
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In mehreren Videos auf Tiktok wird behauptet, ab August 2025 werde in Deutschland ein Solidaritätszuschlag erhoben. Damit sollten von Krieg betroffene Länder wie die Ukraine, Israel oder der Iran unterstützt werden, heißt es in den Beiträgen, die KI-generierte Bilder von Friedrich Merz nutzen. Doch die vermeintliche Nachricht ist ausgedacht. von Max Bernhard „Ab dem 1. August 2025 wird jedem arbeitenden Bürger in Deutschland automatisch Geld vom Lohn abgezogen“, heißt es Anfang Juni auf Tiktok. Grund sei ein „neuer Solidaritätszuschlag zugunsten ausländischer Staaten“, heißt es in dem Video, das mehr als eine Million Aufrufe hat. Zu sehen ist ein KI-generiertes Bild von Bundeskanzler Friedrich Merz, der einen Einkommensteuerbescheid hochhält. Auch weitere Tiktok-Beiträge mit teils hunderttausenden Aufrufen verbreiten die Behauptung über den neuen „internationalen“ Soli und nutzen KI-generierte Bilder von Merz. Angeblich sollen mit der neuen Abgabe von Krieg betroffene Länder wie die Ukraine, Israel oder der Iran unterstützt werden. Zu dem angeblich geplanten Solidaritätszuschlag finden sich über eine Google-Suche keinerlei Medienberichte. Ein Sprecher der Bundesregierung schreibt uns auf Nachfrage: „Die Behauptung entbehrt jeglicher Grundlage.“ Dass die Behauptung erfunden ist, zeigt sich auch daran, dass sie manche der Tiktok-Kanäle unter dem Deckmantel der Satire verbreiten. In einem Post heißt es zum Beispiel: „Satirischer Beitrag, keine realen Aussagen“. In der Beschreibung eines anderen Profils steht: „reine Satire, kein Ernst, nur Spaß und Ironie“. Aber um Satire geht es augenscheinlich nicht – die Videos sind nachrichtlich gestaltet und sollen mit falschen Behauptungen Klicks generieren. Das kommt immer wieder vor. Was wir als Satire bewerten und was als Falschmeldung, steht in unserer Satire-Richtlinie. Falschbehauptungen über einen angeblichen Soli-Beitrag, beispielsweise für die Ukraine, kursieren schon seit Jahren in Sozialen Netzwerken. So wurde 2022 unter dem Vorwand der Satire behauptet, fünf Prozent der Bruttolöhne würden automatisch vom Gehalt abgezogen und einem Ukraine-Soli zugeführt. Auch das ist frei erfunden. Redigatur: Sarah Thust, Steffen Kutzner
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Max Bernhard
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Auf Tiktok wird behauptet, ab August 2025 werde in Deutschland ein Solidaritätszuschlag für von Krieg betroffene Staaten erhoben. Das ist falsch.
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[
"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-06-30T15:20:05+02:00
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2025-06-30T15:20:05+02:00
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2025-06-30T15:20:05+02:00
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Am 1. August 2025 werde in Deutschland ein neuer Solidaritätszuschlag für von Krieg betroffene beziehungsweise ausländische Staaten eingeführt.
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Tiktok-Videos
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2025-03-06 00:00:00
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Falsch
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Falsch. So ein Solidaritätszuschlag ist laut der Bundesregierung nicht geplant. Es finden sich auch keine Medienberichte dazu. Einige der Verbreiter bezeichnen ihre Beiträge als Satire.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/06/30/ki-videos-auf-tiktok-verbreiten-fake-zu-angeblichem-internationalen-soli-zuschlag/
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Nein, Giorgia Meloni hat keine Zusammenarbeit mit der AfD verkündet
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Seit Ende Mai heißt es in Youtube-Videos, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni habe eine Zusammenarbeit mit der AfD verkündet. Doch hinter der Behauptung stecken dubiose Youtube-Kanäle. Meloni sprach in Zusammenhang mit der AfD von „unüberbrückbaren Differenzen“. von Paulina Thom „Neue Allianz gegen Brüssel“, „EU Beben! und „EU-Schock“ – so lauten die Titel mehrerer Youtube-Videos von Ende Mai. Das Viralste hat mehr als 400.000 Aufrufe. Sie alle vereint eine Behauptung: Giorgia Meloni, Italiens Ministerpräsidentin, habe offiziell die Zusammenarbeit mit der AfD verkündet. Die Videos verbreiteten sich auch auf weiteren Plattformen wie Tiktok, LinkedIn und Instagram. Die AfD gilt nach mehreren Skandalen in Brüssel als isoliert: Nach dem Anfang 2024 durch CORRECTIV aufgedeckten Geheimplan-Treffen distanzierte sich Frankreichs rechtspopulistisches Rassemblement National unter Marine Le Pen. Im Mai 2024 folgte dann der Ausschluss der AfD aus der Rechtsaußen-Fraktion ID im Europaparlament. Auslöser waren verharmlosende Aussagen des AfD-Politikers Maximilian Krah über die SS. Giorgio Meloni sprach schon Anfang 2024 von „unüberbrückbaren Differenzen“ zwischen ihrer ultrarechten Partei Fratelli d’Italia und der AfD wegen unterschiedlicher Beziehungen zu Russland – Meloni unterstützt anders als die AfD Waffenlieferungen an die Ukraine. Hat sie nun mit Alice Weidel eine „neue Allianz gegen Brüssel“ geformt, wie es in einem der Videos heißt? In den Videos geht es um einen offenen Brief, der Mitte Mai vom Büro Melonis veröffentlicht wurde. Darin fordern neun EU-Mitgliedstaaten – unter der Initiative Italiens und Dänemarks – eine Debatte über die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Im viralsten Video heißt es weiter: Alice Weidel habe ihre Zustimmung dafür ausgesprochen und geschrieben: „Deutschland muss diese Initiative unterstützen.“ Meloni habe ihr daraufhin geantwortet: „Ich schätze Ihre Unterstützung sehr. Ich freue mich, Sie eines Tages persönlich zu treffen.“ In den anderen Videos ist teilweise von einer Pressemitteilung durch Meloni, in anderen gar von einer gemeinsamen Pressekonferenz mit AfD-Vertretern die Rede. Dieser angebliche Austausch zwischen Weidel und Meloni wird in den Videos als „offizielle Ankündigung zur Zusammenarbeit“ interpretiert. Das ist nicht nur sehr weit hergeholt, sondern auch schlicht falsch: Zwar hat Weidel auf X tatsächlich geschrieben, Deutschland solle die Initiative unterstützen. Doch von Melonis angeblicher Reaktion fehlt jede Spur. Weder auf X noch auf der Presseseite der Ministerpräsidentin oder in Medienberichten findet sich das angebliche Zitat, eine Pressemeldung oder eine gemeinsam mit AfD-Vertretern abgehaltenen Pressekonferenz. Auf unsere Nachfrage dazu bei Melonis Partei, der Fratelli d’Italia, und der Regierung erhielten wir keine Antwort. Die Audiospuren der Videos scheinen mit einer KI generiert worden zu sein. Die Aussprache der Namen ist teils seltsam, die Sprechweise wirkt künstlich und zwischendurch kommt es zu Verzögerungen in der Artikulation. Inhaltlich gibt es viele Wiederholungen und in den Formulierungen steckt wenig Abwechslung. Zudem gibt es weitere Fehler: So ist an einer Stelle von der Ampel-Regierung die Rede, die angeblich im Chaos versinke. Ende Mai war die aber nicht mehr im Amt. Die Accounts hinter den Videos heißen „Fokus Deutschland“, „Politik Aktuell“ oder „Verheimlicht“, teils haben sie zehntausende Follower. Sie verbreiten regelmäßig angebliche „Skandale“, „Eilmeldungen“ oder anderweitig „schockierende Meldungen“. Die Inhalte richten sich fast immer gegen die EU und/oder unterstützen rechte Parteien und ihre Politikerinnen und Politiker. Wer hinter den Accounts steckt, lässt sich nicht sagen: Keiner der Accounts hat ein Impressum, die meisten auch keine E-Mail-Adresse. Eine verlinkte Webseite des Accounts „Politik Aktuell“ lässt auf Verbindungen in die Türkei schließen. Auffällig ist auch: Die Accounts bestehen schon seit Jahren, aber bis vor einigen Monaten haben sie noch komplett andere Inhalte, teilweise auf Türkisch, veröffentlicht, wie Aufnahmen von Gebäck, Bastelarbeiten oder verschwörerische Videos über Lebensmittel. Wir haben bereits in der Vergangenheit über ein ähnliches Muster berichtet. Möglicherweise sind die zuvor unauffälligen Accounts vor einigen Monaten von anderen Betreibern gekauft worden, um die Follower und damit eine gewisse Reichweite zu übernehmen und nun Desinformation zu verbreiten. Der Kauf oder Verkauf von Youtube-Konten verstößt gegen die Nutzungsbedingungen von Youtube und ist somit nicht erlaubt. Auf unsere Nachfrage dazu antwortete Youtube nicht konkret, ein Sprecher teilte aber mit: „Wir dulden keinen Spam, Betrug oder andere betrügerische Praktiken, die versuchen, die YouTube-Gemeinschaft auszunutzen, und deshalb haben wir die gekennzeichneten Kanäle gesperrt.” Update, 26. Juni 2025: Wir haben eine Antwort von Youtube eingebaut, die uns nach Veröffentlichung erreichte. Redigatur: Max Bernhard, Sophie Timmermann
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Paulina Thom
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Die AfD gilt in Brüssel als isoliert. Auf Youtube heißt es nun, Meloni habe eine Zusammenarbeit verkündet. Das stimmt nicht.
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"Europa",
"Faktencheck",
"Politik"
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Europa
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2025-06-24T11:12:24+02:00
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2025-06-24T11:12:24+02:00
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2025-06-26T12:11:50+02:00
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Giorgia Meloni habe offiziell eine Zusammenarbeit mit der AfD verkündet.
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Youtube-Videos
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2025-05-27 00:00:00
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https://www.youtube.com/watch?v=-zEiodhQcUA
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Falsch
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Falsch. Es gibt keine Belege für eine solche Ankündigung Melonis. Die italienische Ministerpräsidentin sprach in der Vergangenheit von „unüberbrückbaren Differenzen" mit der AfD, unter anderem wegen deren Beziehungen zu Russland. Hinter der Behauptung stecken unseriöse Youtube-Accounts.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/06/24/nein-giorgia-meloni-hat-keine-zusammenarbeit-mit-der-afd-verkuendet/
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Stichwahl in Rumänien: Simion macht unbelegte Behauptung zu „Millionen Toten“ im Wählerverzeichnis
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Die Namen von Millionen Toten sollen in den Wählerverzeichnissen gestanden haben, behauptet der bei der rumänischen Präsidentschaftswahl unterlegene George Simion. Tausende Beweise will er haben. Die liefert er jedoch nicht und auch die Wahlbehörde in Rumänien hat von seiner angeblichen Mitteilung dazu an die Behörde nie gehört. von Steffen Kutzner Der pro-europäische Kandidat, Nicușor Dan, gewann am 18. Mai 2025 im zweiten Wahlgang die Präsidentschaftswahl in Rumänien. Doch schon Tage vor dem ersten Wahlgang am 4. Mai kursierten Behauptungen über angeblichen Wahlbetrug – verbreitet unter anderem vom später unterlegenen Kandidaten der rechtsextremen Partei AUR (Allianz für die Vereinigung der Rumänen), George Simion. In Rumänien wird der Präsident direkt vom Volk gewählt: Bekommt ein Kandidat im ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit, erfolgt in einem zweiten Wahlgang eine Stichwahl der zwei führenden Kandidaten. In diesem Fall waren das Dan und Simion. Schon vor dem ersten Wahlgang behauptete Simion in einem Tiktok-Video vom 1. Mai, dass die Namen von vier Millionen Toten auf den Wählerlisten stehen würden. In einer Pressekonferenz, die mutmaßlich am 4. Mai stattfand, sprach er dagegen von 1,7 Millionen. Auch in einem weiteren Video vom 18. Mai, also dem Tag des zweiten Wahlgangs, spricht er von 1,7 Millionen. Ausschnitte seiner Aussagen kursieren international auf X, Youtube und Tiktok. Er habe „ausreichend Beweise“ und „tausende Fälle“, die das belegen, behauptet Simion. Die liefert er aber nicht. Konkret geht die Erzählung so: Simion und sein Team hätten eine Wählerliste von nicht näher genannten rumänischen Behörden erhalten und dann Wählerbriefe an die darin aufgelisteten Haushalte von älteren Personen geschickt. Viele Familien hätten sich anschließend gemeldet und erklärt, dass die Haushalte Briefe für Personen erhalten hätten, die schon seit teilweise 20 Jahren tot seien. Wir haben bei Simion per E-Mail nachgefragt, ob er eine Quelle für seine Behauptung nennen könne. Eine Antwort erhielten wir nicht. Auch welche Beweise Simion oder sein Team angeblich haben, bleibt offen. Von den behaupteten tausenden Familien, die einen Wahlbrief für tote Personen erhalten haben sollen, finden sich keine Berichte. Das Innenministerium von Rumänien wies die Behauptung von Simions Partei bereits vor dem ersten Wahltag am 1. Mai zurück. Die rumänische Wahlbehörde widersprach den Anschuldigungen über Ungenauigkeiten in den Wählerlisten nach den Wahlen unter anderem in einem Statement vom 18. Mai. Dass sie, wie von Simion behauptet, über die Vorwürfe informiert worden sei, ist offenbar ebenfalls falsch. Es liege „keine offizielle Mitteilung einer politischen Partei über Fälle verstorbener Personen, die in den Wählerlisten für die Wahl des rumänischen Staatspräsidenten am 18. Mai 2025 aufgeführt sind“ vor. Die Wahlbehörde verweist zudem auf die Zuständigkeit der einzelnen Gemeinden: Die Bürgermeister und deren zuständige Mitarbeiter seien für die Aktualisierung der Wählerlisten verantwortlich. Wir haben einige Gemeinden in Rumänien gefragt, ob sie Kenntnis davon haben, dass Verstorbene auf den Listen stehen. Keine der Gemeinden konnte das bestätigen. Sie verwiesen darauf, dass die Namen von Verstorbenen spätestens binnen 48 Stunden nach dem Ausstellen der Sterbeurkunde von den Wählerlisten gestrichen würden. Auffällig ist auch: Den ersten Wahlgang, den Simion gewann, focht die Partei nicht an: „‚Wir haben heute gemeinsam Geschichte geschrieben‘, sagte Simion in einer in der AUR-Parteizentrale ausgestrahlten Videobotschaft“, wie es bei der Tagesschau heißt. Es gibt also keinerlei Belege für Simions Anschuldigungen. Das rumänische Verfassungsgericht lehnte seinen Antrag auf Annullierung des zweiten Wahlgangs einstimmig ab. Das Verfassungsgericht hatte die erste Präsidentschaftswahl von November 2024 im Dezember annulliert, weil vermutet wurde, dass der Gewinner, ein bis dahin praktisch unbekannter Politiker und Nationalist namens Călin Georgescu aus Russland unterstützt worden war und dadurch unter anderem eine große Präsenz auf Tiktok erreicht hatte, die ihm zum Sieg verhalf. Bei der Wiederholungswahl kam Simion im ersten Wahlgang auf 41 Prozent der Stimmen und sein stärkster Konkurrent, Nicușor Dan, auf lediglich 21 Prozent. Beim zweiten Wahlgang am 18. Mai erhielt Dan dann etwa 54 Prozent der Stimmen und verwies Simion auf den zweiten Platz mit 46 Prozent. Grund für den Anstieg war unter anderem eine höhere Wahlbeteiligung: Beim ersten Wahlgang hatte nur etwa die Hälfte der Bevölkerung gewählt, im zweiten Wahlgang kamen jedoch fast zwei Millionen Menschen mehr an die Urnen. Zudem mussten sich die Wähler, die sich im ersten Wahlgang für einen anderen Kandidaten, als die aus der späteren Stichwahl, entschieden hatten, für einen der beiden entscheiden, was die Stimmverteilung erneut zugunsten von Dan verschob. Wir haben hier darüber berichtet. Der starke Anstieg der Stimmen für Dan im zweiten Wahlgang ist seither von Rechtskonservativen in Rumänien, wie auch in Deutschland, als vermeintlicher Beleg für Wahlbetrug gehalten worden. Das Narrativ der angeblich gestohlenen Wahl passt zum Bild Simions, der mehrfach geäußert hat, er wolle der erste MAGA-Präsident Rumäniens werden – eine Anspielung auf den Wahlslogan „Make America Great Again“ des US-Präsidenten Donald Trump. Mitarbeit: Kimberly Nicolaus Redigatur: Sophie Timmermann, Max Bernhard
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Steffen Kutzner
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Millionen Namen Toter sollen in den Wählerverzeichnissen gestanden haben, behauptet der Verlierer der rumänischen Wahl, Simion. Belege dafür liefert er keine.
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[
"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-06-18T17:57:21+02:00
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2025-06-18T17:57:21+02:00
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2025-06-18T17:59:15+02:00
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Bei der Wahl in Rumänien Anfang Mai hätten die Namen von Millionen verstorbenen Personen auf den Wählerlisten gestanden.
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George Simion
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2025-04-05 00:00:00
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https://voxpopulimedia.com/post/election-fraud-in-romania-bombshell-press-conference-george-simion-english
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Unbelegt
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Unbelegt. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass in Rumänien Millionen Tote auf den Wählerlisten gestanden hätten. Simion nannte auf Nachfrage keine Quellen oder Belege für seine Behauptung. Die rumänische Wahlbehörde und das rumänische Innenministerium dementieren diese. Die Wahlbehörde hat auch Simions angebliche Mitteilung zu Unregelmäßigkeiten nach eigenen Angaben nie erhalten.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/06/18/stichwahl-in-rumaenien-simion-macht-unbelegte-behauptung-zu-millionen-toten-im-waehlerverzeichnis/
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Nach Messerangriff in Bielefeld: Nein, der Verdächtige hatte keine acht Identitäten
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Ein Syrer, der im Mai mutmaßlich vier Menschen in Bielefeld mit einem Messer angegriffen hat, soll angeblich acht Identitäten haben, mit denen er mehrfach Bürgergeld bezog. Das stimmt nicht. von Steffen Kutzner „Wie kann es sein dass der Attentäter von Bielefeld 8 Identitäten hat vom Staat 8x Bürgergeld und 8 Wohnungen bezahlt bekommt […]“, fragt eine Benutzerin am 23. Mai 2025 auf Facebook. Auch auf X kursiert die Behauptung. Quellen werden nicht genannt, in einigen Beiträgen wird jedoch ein Screenshot eines Nachrichtenbeitrags der Welt gezeigt, etwa in diesem Facebook-Beitrag der AfD-Bundestagsabgeordneten Carolin Bachmann. Wir haben nachgefragt, ob der festgenommene Syrer, der im Mai in Bielefeld vier Menschen mit einem Messer angegriffen haben soll, wirklich mehrere Identitäten hatte. Der Fernsehbeitrag der Welt beruft sich als Quelle auf die Bild. Die hatte am 21. Mai folgendes berichtet: „Aus Sicherheitskreisen erfuhr BILD, dass Mhemed acht verschiedene Identitäten benutzte. Ob er sich so auch mehrfach Sozialleistungen erschlich, wird derzeit geprüft.“ Wer genau die Quelle ist, und wie die Angabe überprüft wurde, bleibt bei Bild offen. Eine Anfrage dazu an den Springer Verlag blieb bis zur Veröffentlichung dieses Textes unbeantwortet. Eine Sprecherin des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen (NRW) erklärte uns zu der Angelegenheit, dass es in den verschiedenen Erfassungssystemen nicht acht sondern insgesamt zehn technische Datensätze zu dem Mann gegeben habe, wovon aber immer zwei identisch waren; es lagen also fünf inhaltlich unterschiedliche Datensätze vor. Diese Mehrfacherfassung ließe sich „im Wesentlichen auf technische, administrative und transkriptionsbedingte Gründe zurückführen“, so die Sprecherin. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass beispielsweise ein weiterer Datensatz entsteht, wenn die Akte des Verdächtigen vom Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zum BKA geschickt wird. Mehrere der Datensätze seien jedoch schon vor dem Angriff entstanden, als das BAMF bei der Beantragung des Asyls eine sogenannte Herkunftslandprognose durchführte. Dabei wird geschaut, in welchen Ländern der Name der Person häufig vorkommt. „Dies führte zur Zuweisung weiterer Herkunftsländer (Jordanien, Ägypten, Iran), obwohl Syrien als Herkunftsland bestätigt wurde.“ Für jedes dieser Länder werde ein weiterer Datensatz mit dem Namen des Mannes angelegt, so die Sprecherin des NRW-Innenministeriums. Das BAMF widerspricht dieser Darstellung: Bei der Herkunftslandprognose würde zwar überprüft, aus welchem Land eine Person kommt, dabei würde aber nicht für jedes Land ein eigener Datensatz erstellt, erklärt uns ein Sprecher telefonisch. Dennoch können offensichtlich bei der Einreise nach Deutschland im Rahmen des Asylverfahrens, oder im Falle einer Straftat bei den Polizeibehörden zusätzliche Datensätze entstehen; sie entstehen dann jedoch behördenintern und ohne das Zutun der Person, die einreist. Die verschiedenen Datensätze sind also kein Beleg dafür, dass sich der Verdächtige von Bielefeld mehrere Identitäten schuf, geschweige denn mit diesen mehrfach Bürgergeld bezog. Das bestätigt uns auch die Sprecherin des Innenministeriums NRW: „Es liegen keine Hinweise auf eine […] missbräuchliche Nutzung vor.“ Zudem lassen sich all diese Personalien auf eine einzige Identität zurückführen: Die, die von der Bundespolizei bei der Einreise angelegt wird. Dort sei auch der Fingerabdruck hinterlegt, womit Mehrfachidentitäten ausgeschlossen seien, da die am Asylverfahren beteiligten Behörden auf diesen Datensatz zugreifen, schreibt uns das BAMF. Sollten zu der Person mehrere Namen beziehungsweise mehrere Namensschreibweisen bekannt sein oder werden, würden diese als Alias-Namen in der Akte vermerkt. Da in der Akte auch die biometrischen Daten hinterlegt sind, sind auch alle eventuellen Alias-Namen, die etwa an verschiedenen Stellen bei der Übersetzung des arabischen Namens entstehen könnten (zusätzliche oder fehlende Bindestriche, ähnlich klingende Vokale, etc.), mit dieser spezifischen Person verknüpft. Auf Nachfrage beruft sich der Axel-Springer-Verlag, zu dem Bild gehört, als Quelle auf eine Aussage des NRW-Innenministers Herbert Reul. Der sagte aber nicht, dass der Mann acht Identitäten habe, sondern acht „Alias-Namen“. Nicht nur Bild setzte die Alias-Namen mit mehreren Identitäten gleich, auch der WDR oder RTL sprachen beispielsweise von acht Identitäten. Dass eine Person, ob Asylbewerber oder nicht, mit gefälschten Identitäten mehrfach Bürgergeld bezieht, ist nicht auszuschließen, aber es gibt mehrere Sicherheitsvorkehrungen, die so etwas unterbinden sollen, schreibt uns ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit. So müsse sich jeder Antragsteller durch entsprechende Nachweise authentifizieren; die Personaldokumente würden dann mittels eines vom bayerischen Landeskriminalamt entwickelten Online-Systems auf Echtheit geprüft. „Auch im weiteren Verlauf besteht regelmäßiger Kontakt mit dem Jobcenter. Ein Betrugsversuch dieser Art würde daher ein hohes Maß an krimineller Energie und die Umgehung mehrerer Prüfmechanismen erfordern.“ Redigatur: Max Bernhard, Matthias Bau
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Steffen Kutzner
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Der Syrer, der im Mai mutmaßlich vier Menschen in Bielefeld mit einem Messer angriff, soll angeblich acht Identitäten haben. Das ist falsch.
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"Faktencheck",
"Migration",
"Politik"
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Migration
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2025-06-17T17:36:27+02:00
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2025-06-17T17:36:27+02:00
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2025-06-17T17:37:55+02:00
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Der Mann, der in Bielefeld am 18. Mai 2025 mutmaßlich mehrere Menschen mit einem Messer verletzte, habe acht Identitäten gehabt und dadurch mehrfach Bürgergeld erhalten.
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Beiträgen auf Facebook und X
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2025-05-22 00:00:00
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https://x.com/Aufwachen_Leute/status/1925524924786962533%20
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Falsch
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Falsch. Der Verdächtige hatte zwar mehrere Einträge in verschiedenen behördlichen Erfassungssystemen, diese wurden aber ohne dessen Zutun erstellt. Daher kann er sich auch nicht mehrfach Bürgergeld erschlichen haben.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/06/17/nach-messerangriff-in-bielefeld-nein-der-verdaechtige-hatte-keine-acht-identitaeten/
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Wie Trump den rechten Verschwörungsmythos vom „Genozid an Weißen“ in Südafrika befeuert
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Als Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa zu Besuch im Weißen Haus war, legte ihm US-Präsident Donald Trump angebliche Belege für einen „Genozid an weißen Farmern“ in Südafrika vor. Wir haben einige davon geprüft und uns das Verschwörungsnarrativ genauer angeschaut. von Paulina Thom Als der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa im Mai bei US-Präsident Donald Trump im Oval Office zu Gast war, sprachen Medien von einem Eklat und diplomatischem Hinterhalt. Trump warf Ramaphosa vor, in Südafrika geschehe ein Genozid an der weißen Minderheit im Land. Der US-Präsident zeigte mehrere gedruckte Artikel und Fotos sowie mehrere Videos, die Gewalt, Mordaufrufe sowie Morde an weißen Farmern belegen sollen. Eine Konfrontation zwischen den beiden Präsidenten hatte sich abgezeichnet. Im Februar hatte Trump unter anderem mit Hinweis auf den angeblichen Genozid angewiesen, jegliche Hilfen für das Land einzustellen. Mitte Mai kamen die ersten weißen Südafrikaner in die USA – Trump hatte für sie eine Ausnahme seiner restriktiven Flüchtlingspolitik angekündigt, die sonst sogar Menschen aus Kriegsgebieten Asyl verwehrt. Wir haben uns Trumps Vorwürfe und angebliche Belege genauer angeschaut und recherchiert, woher die Theorie des weißen Genozids in Südafrika kommt. Die Behauptung von Trump ist nicht neu. 2018 schrieb der US-Präsident in einem Tweet, er habe den damaligen Außenminister angewiesen, „die Beschlagnahmungen und Enteignungen von Land und Farmen in Südafrika sowie die massenhafte Tötung von Bauern genau zu untersuchen“. Neuen Aufschwung bekam die Behauptung im Weißen Haus dann durch Elon Musk, selbst gebürtiger Südafrikaner und ebenfalls Anhänger des Verschwörungsglaubens eines „Weißen Genozids“, den er regelmäßig auf seiner Plattform X verbreitet. Angeheizt wurde das Narrativ zudem von einem Enteignungsgesetz, das Ramaphosa im Januar 2025 unterzeichnete. Es soll ein altes Enteignungsgesetz von 1975 ersetzen, ist aber noch nicht in Kraft: Es würde dem Staat erlauben, Land „für einen öffentlichen Zweck oder im öffentlichen Interesse“ zu enteignen – beides ist so bereits in in der südafrikanischen Verfassung von 1996 als Teil einer Landreform festgeschrieben. Allerdings dürfen die Enteignungen nicht willkürlich erfolgen – wie vielfach unter anderem von Trump behauptet – sondern der Staat muss laut Gesetz in den allermeisten Fällen eine Entschädigung zahlen und Betroffene können Entscheidungen vor Gericht anfechten. Bei dem Enteignungsgesetz geht es einerseits um Land, das für den Ausbau von Straßen oder Staudämmen benötigt wird. Auch in der US-Verfassung und dem deutschen Grundgesetz gibt es solche Regelungen zur Enteignung. Andererseits geht es in Südafrika zusätzlich darum, eine gerechte Verteilung von Landbesitz – eine Landreform – durchzusetzen. In der Verfassung stehen beide Möglichkeiten zur Enteignung seit fast 30 Jahren – es wird mit dem neuen Gesetz lediglich in eine aktuelle rechtliche Form gegossen. Streit sowie verfassungsrechtliche Bedenken gibt es aber hinsichtlich der Frage, ob der Staat Landbesitzer, wenn auch nur in Ausnahmefällen, ohne eine Entschädigung enteignen dürfte. Um zu verstehen, warum die Verfassung Südafrikas eine Landreform verlangt, muss man den historischen Kontext kennen: Mit dem sogenannten „Natives Land Act“ von 1913 beraubte die weiße Minderheit in Südafrika die indigene Schwarze Bevölkerung ihrer wirtschaftlichen Grundlage. Sie wurde vertrieben, umgesiedelt und durfte ab diesem Zeitpunkt nur noch sieben Prozent des Landes nutzen. Die südafrikanische Regierung bezeichnet den „Natives Land Act“ als „Ursünde der Apartheid“, die dem „seit der Kolonialzeit andauernden Enteignungsprozess eine gesetzliche Form verlieh“. Die weiße Minderheit im Land macht laut den aktuellsten verfügbaren Daten von 2022 nur etwa sieben Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Trotzdem besitzt sie laut offiziellen Daten von 2017 72 Prozent der landwirtschaftlich von Einzelbesitzern genutzten Fläche. Hinweis: In diesem Abschnitt geht es um das rassistische Apartheidsregime in Südafrika. Dabei werden teilweise historische rassistische Begriffe in Anführungszeichen verwendet. Als Apartheid wird das nach jahrhundertlanger Kolonialisierung eingeführte politische System der „Rassentrennung“ in Südafrika bezeichnet. Der Begriff „Rasse“ ist selbst rassistisch, es gibt keine menschlichen „Rassen“. Burische Nationalisten – hauptsächlich Nachfahren niederländischer Kolonisten – führten die Trennung ab 1948 ein, Grundlagen der Apartheid entstanden aber bereits davor unter britischer Herrschaft. Die weiße Minderheit im Land bestimmte in 148 Gesetzen, wo nicht-weiße Menschen – die sie neben der weißen in verschiedene „Rassen“ aufteilten – leben und arbeiten, was sie besitzen, wen sie heiraten und wo sie sich bewegen durften. Die weiße Minderheit bekam die besten Grundstücke, Millionen Menschen wurden zwischen 1960 und 1980 vertrieben und zwangsumgesiedelt. Apartheid als politisches System endete 1994 nach langem Widerstand mit den ersten freien Wahlen, an denen alle Südafrikaner teilnehmen durften. Die Folgen der Apartheid halten aber mit sozialen, wirtschaftlichen und räumlichen Ungleichheiten bis heute an. Trump behauptet, die weiße Minderheit in Südafrika sei einem Genozid ausgesetzt. Ein Genozid ist laut den Vereinten Nationen durch die Absicht gekennzeichnet, „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise auszulöschen“. Bei Völkermorden in der Vergangenheit, wie etwa dem an den Ovaherero und Nama in Namibia durch deutsche Kolonialtruppen (1904 bis 1908) oder der jüdischen Bevölkerung Europas während des Holocausts durch die Nationalsozialisten (1941 bis 1945), wurden zehntausende bis mehrere Millionen Menschen ermordet. In Südafrika leben laut den aktuellsten Zahlen von 2022 (Seite 18) etwa 4,5 Millionen weiße Menschen. Zwar gibt es keine Zahlen ausschließlich zu Morden an weißen Farmern, doch schon die Mordzahlen an allen Farmern widersprechen seiner These: Laut der Kriminalstatistik der südafrikanischen Polizei (SAPS) gab es zwischen 2017 und einschließlich Frühjahr 2022 (hier, hier und hier) durchschnittlich etwa 55 Mordopfer auf Farmen pro Jahr, darunter auch Schwarze. Demgegenüber gab es in dem Zeitraum durchschnittlich pro Jahr mehr als 21.500 Morde im ganzen Land (hier), der Anteil an ermordeten Farmern ist verglichen damit also sehr gering. Die Zahlen der Polizei weichen nicht stark von denen von „Afriforum“ ab, einem rechtsextremen Verein, der die Interessen der Buren international vertritt und seit Jahren vor einem „weißen Genozid“ warnt. Buren (niederländisch für „Bauern“) heißen die europäischstämmigen weißen Südafrikaner. Für die Jahre 2019 bis 2022 geht Afriforum in einem Bericht von etwas mehr als 200 Morden auf Farmen aus, durchschnittlich also etwa 53 pro Jahr – auch in diesen Zahlen sind nicht nur weiße Farmer enthalten. Die Daten wurden laut „Afriforum“ im Austausch mit der Polizei, privaten Sicherheitsfirmen, Opfern und Medien zusammengetragen. Für die Zeit nach März 2022 sind Daten zu Morden auf Farmen nur noch vereinzelt in vierteljährlichen Polizeistatistiken zu finden. Aus den vorhandenen Berichten lässt sich aber grundsätzlich kein steigender Trend erkennen. Von April 2024 bis März 2025 etwa gab es insgesamt 42 Morde auf Farmen – dazu zählen neben den Farmern auch Morde unter anderem an Landarbeitern und Angestellten (hier, hier, hier und hier). Zur Einordnung: Als Reaktion auf Trumps Behauptungen erklärte der südafrikanische Polizeiminister, 16 der 18 getöteten Menschen auf Farmen zwischen Oktober 2024 und März 2025 seien Schwarze gewesen. Auch wenn man weiter in die Vergangenheit zurückgeht, ergibt sich kein Bild eines Genozids. Zahlen ab 1990 zu Farmmorden hat die Transvaal Agricultural Union (TLU/TAU) gesammelt, eine Gewerkschaft hauptsächlich für weiße Farmer – die für ihre Statistiken seit 2015 mit Afriforum zusammenarbeitet. In einer eigenen Analyse, die die Faktencheck-Redaktion von AFP veröffentlichte, kommt die Gewerkschaft auf rund 64 Morde auf Farmen pro Jahr seit 1990. Im Februar 2025 hatte ein südafrikanisches Gericht den Vorwurf eines „Weißen Genozids“ als „offensichtlich eingebildet“ und „nicht real“ zurückgewiesen. Bei Ramaphosas Besuch im Weißen Haus legte Trump mehrere angebliche Beweise für den Genozid in Südafrika vor. In dem ersten Teil des Videos, das Trump vorführte, ist Julius Malema zu sehen, der Kopf der Economic Freedom Fighters, eine linksradikale Partei in Südafrika. Malema ist eine kontroverse Persönlichkeit, 2012 wurde er aus der größten Partei, dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC), ausgeschlossen. Seine eigene Partei ist aktuell die drittgrößte Oppositionspartei. Im Video ist unter anderem zu hören, wie Malema das Anti-Apartheidslied „Kill the Boer“ („Tötet den Buren“) singt. Malema singt das Lied regelmäßig und wies die Anschuldigung zurück, er habe mit dem Lied zum Mord an weißen Farmern aufgerufen. Der Begriff Buren stünde nicht für Individuen, sondern ein „System der Unterdrückung“, erklärte er. 2022 sagte er gegenüber dem Obersten Gerichtshof, das Lied sei nicht wörtlich zu nehmen. Der Gerichtshof stützte diese Interpretation damals und erneut im März 2025, als es gegen ein Verbot des Liedes entschied. Das Lied ist in Südafrika dennoch umstritten – sowohl Vertreter der ANC als auch der zweitgrößten Partei, der Demokratischen Allianz, kritisieren seine Verwendung und gehen dagegen vor – die ANC verpflichtete sich bereits 2012, das Lied nicht mehr zu singen. Darauf weist auch Ramaphosa beim Besuch im Weißen Haus hin: Er sagte, die bei Malemas Auftritt verwendete Phrase sei – anders als Trump es suggerierte – keine Regierungspolitik. „Das sind Grabstätten für mehr als tausend weiße Farmer“, sagte Trump anschließend zum zweiten Teil des Videos. Zu sehen seien mehr als „tausend weiße Kreuze“ an einer Straße, erklärte Trump, jedes davon stehe für einen Mord an einem weißen Farmer und seiner Familie. Ramaphosa fragte nach dem konkreten Ort des Videos, weil er es noch nie gesehen habe. Wir haben das Video schon mal gesehen: Vor knapp zwei Jahren kursierte es bereits in Sozialen Medien, auf Deutsch und international. Damals hieß es: „Ein Kreuz für jeden weißen Bauern, der zwischen 2018 und 2022 in Südafrika getötet wurde.“ Damals wie heute: Die Interpretation des Videos ist falsch. Es gab in diesen Jahren keine tausende Morde an weißen Farmern. Zu sehen sind in dem Video auch keine Grabstätten, sondern eine inoffizielle Gedenkstätte. Das Video ist von 2020 und bei einer Gedenkveranstaltung an einer Straße in der Nähe der südafrikanischen Stadt Newcastle aufgenommen worden – das fand die New York Times heraus. Zuvor war in der Gegend ein weißes Farmerpaar ermordet worden, wie Medien und Polizei berichteten. Inzwischen wurden die Täter verurteilt. Dass das Video dort aufgenommen wurde und die Kreuze mittlerweile entfernt seien, bestätigten Anwohner und Organisatoren der Gedenkveranstaltung der BBC. Solche Gedenkstätten sind nicht unüblich – 2003 wurden an einem Highway in Centurion 1.500 weiße Kreuze aufgebaut, wie die südafrikanische Medienwissenschaftlerin Nechama Brodie in einem Buch über Farmmorde schreibt. Die Anzahl der Kreuze war damals laut Brodie mehr als doppelt so hoch wie die Mordzahl an Farmern insgesamt. Zuletzt zeigt Trump Ramaphosa mehrere angebliche Medienberichte über Todesfälle „der letzten Tage“ in Südafrika. Manche der Artikel sind nicht deutlich genug zu erkennen, um sie zu prüfen. Doch einige sind offensichtlich keine Belege: So zeigt Trump beispielsweise einen Artikel von Februar 2025 der britischen Zeitung Daily Mail, der sich mit den Motiven weißer Südafrikaner beschäftigt, die in die USA fliehen wollen. Anschließend zeigt er einen weiteren Artikel und sagt: „Hier sind überall Grabstätten, alles sind weiße Bauern, die begraben werden.“ Das stimmt nicht. Die Nachrichtenagentur Reuters erklärte, das Foto sei ein Screenshot aus einem Videobericht über die Demokratische Republik Kongo. Es sei von Reuters am 3. Februar 2025 veröffentlicht worden und zeige humanitäre Helfer beim Heben von Leichensäcken in der Stadt Goma nach tödlichen Kämpfen mit Rebellen. Es ist unklar, warum Donald Trump das erfundene Narrativ des „Weißen Genozids“ seit Jahren immer wieder befeuert. Manche vermuten eine Einflussnahme durch Elon Musk, der in Südafrika seinen Internet-Satellitendienst Starlink betreiben will, aber die gesetzlichen Vorgaben ablehnt, wonach mindestens 30 Prozent des Unternehmens im Besitz historisch benachteiligter Gruppen sein müssen. Laut einem Bericht des Guardian setzt sich Afriforum für Musk ein, indem es behauptet, Starlink werde daran gehindert, in Südafrika Geschäfte zu machen, weil es „zu weiß“ sei und „strengen rassistischen Kriterien“ unterliege. Andere sehen Südafrikas Außenpolitik als eigentliches Ziel: Das Land ist Teil der BRICS-Vereinigung, zu der auch Russland, China und der Iran gehören und die eine engere, insbesondere wirtschaftliche Zusammenarbeit planen. Südafrika unterhält zudem diplomatische Beziehungen zum Iran und gilt als Kritiker Israels. Ende 2023 hat Südafrika Klage gegen Israel wegen Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen vor dem Internationalen Gerichtshof eingereicht. Redigatur: Max Bernhard, Steffen Kutzner
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Paulina Thom
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Immer wieder behauptet US-Präsident Donald Trump, in Südafrika gebe es einen „Weißen Genozid“. Das stimmt laut Statistiken nicht.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-06-13T13:40:53+02:00
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2025-06-13T13:40:53+02:00
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2025-06-13T16:46:32+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/06/13/wie-trump-den-rechten-verschwoerungsmythos-vom-genozid-an-weissen-in-suedafrika-befeuert/
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Koalitionspläne zu Totalsanktionen beim Bürgergeld sind rechtlich umstritten
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In ihrem Koalitionsvertrag forderte die neue Regierung für Arbeitslose, die mehrfach eine Arbeit ablehnen, einen vollständigen Leistungsentzug. Und das obwohl das Verfassungsgericht solche Sanktionen bereits 2019 einschränkte. Sind die Pläne der Koalition rechtmäßig? von Paulina Thom , Matthias Bau Die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP ersetzte 2023 das Hartz-IV-System durch das Bürgergeld. Seitdem gibt es ein großes Streitthema: Sanktionen gegen Menschen, die Jobangebote mehrfach abgelehnt haben – abwertend „Totalverweigerer“ genannt. Die von der Ampel beschlossenen Sanktionsmöglichkeiten gingen der Linken zu weit, CDU und AfD forderten dagegen mehr Härte. Nun will die neue Bundesregierung aus Union und SPD die Sanktionen verschärfen. Konkret heißt es zur „neuen Grundsicherung“ im Koalitionsvertrag: „Bei Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen.“ Um dieses Vorhaben umzusetzen, will die Regierung die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beachten – was jedoch schwierig sein könnte, denn dieses hatte solche Totalsanktionen 2019 eingeschränkt. Deshalb halten mehrere Stimmen die geplante Verschärfung für nicht rechtmäßig. So bezeichnete die Gewerkschaft Verdi die „neue Grundsicherung“ bereits 2024 als „verfassungswidrig“. Ein Experte des Sozialverbands VdK Deutschland erklärte Medien gegenüber, dass der Rahmen möglicher Sanktionen durch das Urteil von 2019 bereits ausgeschöpft sei und Jan van Aken, Co-Vorsitzender der Linken, sagte, der geplante „Totalentzug“ im Koalitionsvertrag sei ein „angekündigter Rechtsbruch“. Wir haben Rechtsexpertinnen um Einschätzung gebeten. Zwar ist der Fall kompliziert, klar ist aber: Der große Streit um Sanktionen für Menschen, die mehrfach einen Job abgelehnt haben, dreht sich um einen sehr geringen Anteil von Menschen, die Bürgergeld beziehen. Doch erstmal vorab: Es gibt nicht „das Bürgergeld“. Je nach Lebenssituation setzt sich die Grundsicherung für eine Person unterschiedlich zusammen: Es gibt den Regelbedarf, Mehrbedarfe, besondere Bedarfe und Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Wie die Bundesagentur für Arbeit erklärt, ist der Regelbedarf ein pauschaler Betrag, um „alle notwendigen Alltagsausgaben“ bezahlen zu können – Unterkunft und Heizung werden unabhängig davon übernommen. In besonderen Situationen haben bestimmte Personengruppen Anspruch auf einen Mehrbedarf, zum Beispiel Alleinerziehende. Die Sanktionsmöglichkeiten, die es von Anfang an beim Bürgergeld gab, betreffen den Regelbedarf. Dieser kann bei Pflichtverletzungen schrittweise um bis zu 30 Prozent für drei Monate gekürzt werden. Bürgergeldempfänger verletzen ihre Pflicht, wenn sie – ohne wichtigen Grund – beispielsweise einen Termin nicht wahrnehmen, Fristen nicht einhalten oder eine zumutbare Arbeit nicht aufnehmen. Im März 2024 ergänzte die Ampel-Regierung, dass der Regelbedarf für eine Dauer von zwei Monaten komplett gestrichen werden kann, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte innerhalb des letzten Jahres bereits sanktioniert wurden und „willentlich eine zumutbare Arbeit nicht aufnehmen“. Diese Regelung gilt zunächst bis Ende März 2026. So viel zum Ist-Stand der Sanktionen, den die neue Regierung nun verschärfen will. Unklar ist, was sie mit „vollständiger Leistungsentzug“ im Koalitionspapier meint. Will sie den Regelbedarf stärker und länger kürzen, oder plant sie neben dem Regelbedarf auch Leistungen für Heizung und Wohnung zu streichen? Auf unsere Nachfrage dazu bei den Parteien und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erhielten wir keine Antwort. Ein SPD-Sprecher schrieb uns lediglich, eine Kommission werde Vorschläge erarbeiten. Wie genau diese aussehen, bleibe abzuwarten. Das BMAS schrieb uns, man werde das Vorhaben „zügig“ umsetzen. Einen Zeitplan und die Inhalte der Reform nannte man uns aber nicht. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas sagte gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung Mitte Mai, schon heute könnten Leistungen komplett gestrichen werden. Weiter sagte die Ministerin: „Wer aber eine komplette Streichung auch der Wohnkosten fordert, verkennt die Lage. Das Existenzminimum muss gesichert werden – das sagen die Gerichte. Es kann nur darum gehen, dass Sanktionen schneller greifen und deutlicher sind.“ CDU Generalsekretär Carsten Linnemann sagte Anfang Juni: „Wenn jemand nachweislich wiederholt einen zumutbaren Job nicht annimmt, obwohl er offenkundig arbeiten kann, dann muss der Staat davon ausgehen, dass derjenige nicht bedürftig ist. Und dann bekommt er auch kein Bürgergeld mehr.“ Es bleibt also auch aktuell noch unklar, welche Verschärfungen SPD und CDU genau umsetzen wollen. Unabhängig davon gilt aber: Das Bundesverfassungsgericht hat Totalsanktionen nicht per se für verfassungswidrig erklärt. Constanze Janda, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Speyer, schreibt uns: Das Gericht habe 2019 entschieden, dass der vollständige Wegfall des Arbeitslosengeldes II mit den verfassungsrechtlichen Maßgaben nicht vereinbar sei. Und zwar aus folgenden Gründen: Bei einem vollständigen Leistungsentzug würden nicht nur die Geldleistungen wegfallen, sondern auch der Verlust von Wohnung und Krankenversicherung drohen. Das habe schwerwiegende Auswirkungen auf die Existenzsicherung, erklärt Janda. Außerdem müsse man jederzeit die Möglichkeit haben, sein Verhalten zu ändern und danach sofort wieder die vollen Leistungen zu beziehen. Laut Gericht gebe es zudem keine Studien, die belegen, dass der vollständige Entzug von Leistungen geeignet sei, Menschen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu bewegen. Letzteres hielt auch Andrea Kießling, Rechtswissenschaftlerin an der Goethe-Universität Frankfurt, für relevant. Sie schrieb 2024 auf dem Verfassungsblog: Das Gericht habe nur für Sanktionen in Höhe von 30 Prozent des Regelbedarfs eine durch Studien belegte Wirksamkeit festgestellt. In der Regel sind Totalsanktionen also verfassungswidrig, doch es gibt eine Ausnahme im Urteil: „Anders liegt dies folglich, wenn und solange Leistungsberechtigte es selbst in der Hand haben, durch Aufnahme einer ihnen angebotenen zumutbaren Arbeit […] ihre menschenwürdige Existenz tatsächlich und unmittelbar durch die Erzielung von Einkommen selbst zu sichern.“ Diese Situation wäre laut Gericht mit fehlender Hilfebedürftigkeit vergleichbar, schreibt uns Janda, und die Hürden dafür seien recht hoch: Denn die Ausnahme setze voraus, dass der Person eine zumutbare Arbeit angeboten worden sei, mit der sie ihr Existenzminimum sichern könne. Das Angebot müsse die betreffende Person willentlich, also in Kenntnis aller Umstände, verweigert haben, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Ein vollständiger Leistungsentzug ist also unter diesen Umständen möglich – darin sind sich alle von uns kontaktierten Rechtsexpertinnen einig. Ob der Vorschlag aus dem Koalitionsvertrag am Ende wirklich verfassungskonform wäre, darüber gehen die Meinungen aber auseinander. Die Bedeutung der Passage aus dem Urteil sei letztlich ungeklärt, schreibt uns Kießling: „Beim ersten Lesen klingt sie so, als habe der Gesetzgeber hier einen noch nicht ausgereizten Spielraum; bei näherer Betrachtung ergeben sich aber viele ungelöste Probleme, die den Spielraum wieder sehr stark einschränken.“ Es sei etwa unklar, wann man von einer „willentlichen Verweigerung“ einer angebotenen Arbeit sprechen könne und wie man sicherstelle, dass in der Praxis auch nur solche Fälle – und nicht etwa Menschen mit psychischer Erkrankung – sanktioniert würden. „Ich bin der Meinung, dass es nahezu unmöglich ist, die entsprechende Vorschrift im Gesetz so zu formulieren, dass man nur die ‚Richtigen‘ trifft“, so Kießling. „Ich sehe keine Spielräume, das im Koalitionsvertrag angekündigte Vorhaben umzusetzen“, schreibt uns Janda und erläutert auf Nachfrage, dass die angebotene Arbeit existenzsichernd sein müsse. Dieser Aspekt wird im Koalitionsvertrag jedoch nicht erwähnt. Zudem gibt es laut Janda noch immer keine Studien, die belegen, dass sich Totalsanktionen eigneten, um Menschen in Arbeit zu bringen. Anders sieht das Minou Banafsche, Rechtswissenschaftlerin an der Uni Kassel: Im Koalitionsvertrag stehe, dass man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beachten wolle. Der von Union und SPD geforderte vollständige Leistungsentzug im Sinne der „Totalsanktion“ sei nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts unter den dort genannten Umständen rechtlich möglich. Doch wie viele „Totalverweigerer“ gibt es überhaupt? 2024 behauptete CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, es gebe eine „sechsstellige Zahl“ von Menschen, die „grundsätzlich nicht bereit ist, eine Arbeit anzunehmen“. Zu der Frage, wie Linnemann zu seiner Behauptung gekommen sei, werde man sich nicht äußern, schreibt eine Sprecherin der CDU auf Nachfrage. Laut Informationen der Bundesagentur für Arbeit ist die Zahl deutlich zu hoch gegriffen. Ein Sprecher sagte gegenüber der Tagesschau im März 2024, man habe keine genauen Zahlen zu „Totalverweigerern“. Doch eine Zahl kommt dem nahe: In der Statistik werde erfasst, wie viele Sanktionen es gab, weil die Aufnahme einer Arbeit, Ausbildung oder vergleichbare Maßnahmen verweigert wurden. Aus diesem Grund gab es 2024 insgesamt rund 23.400 Kürzungen. Wie uns ein Sprecher der Bundesagentur auf Nachfrage telefonisch erklärte, lasse sich daraus jedoch nicht ableiten, ob eine Kürzung auf eine Person entfällt oder ob manche mehrfach sanktioniert wurden. Der Einfachheit halber gehen wir davon aus, dass jede Sanktion genau eine leistungsberechtigte Person betraf, also insgesamt 23.400 Menschen sanktioniert wurden, weil sie eine Arbeitsaufnahme verweigerten. Diesen standen laut der Bundesagentur für Arbeit im Februar 2025 rund 5,4 Millionen Leistungsberechtigte gegenüber, die Anspruch auf Bürgergeld haben. Von diesen 5,4 Millionen stehen nur rund 1,8 Millionen auch tatsächlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Das heißt, dass der Anteil derjenigen, die arbeiten könnten und wegen der „verweigerten Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung oder Teilnahme an einer Eingliederungsmaßnahme“ 2024 sanktioniert wurden, bei maximal rund 1,3 Prozent lag. Der häufigste Grund für Leistungskürzungen (rund 86 Prozent) waren Meldeversäumnisse. Von rund 369.200 Leistungskürzungen wurden 2024 insgesamt etwa 318.700 Kürzungen ausgesprochen, weil Personen ohne wichtigen Grund nicht zu Terminen bei einem Träger erschienen sind. Die Anzahl derjenigen, für die es solche Totalsanktionen geben soll, wäre also anteilig zu den Personen, die Bürgergeld beziehen, nur sehr gering. Die Effekte solcher Sanktionen sind bislang wenig erforscht. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 2019 schreibt, zeigten vorhandene Studien zwar, dass Leistungskürzungen positive arbeitsmarktpolitische Wirkungen entfalten können, dass Betroffene dadurch jedoch ihre Hilfebedürftigkeit tatsächlich überwinden können, sei „nicht eindeutig belegt“. So untersuchte etwa das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH Köln im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen mithilfe einer repräsentativen Befragung 2013 die Ursachen und Auswirkungen von Sanktionen. Dabei zeigte sich, dass Totalsanktionen vor allem dazu führten, dass 54 Prozent der unter 25-Jährigen anschließend angaben, kein Vertrauen mehr in ihren Sachbearbeiter oder ihre Sachbearbeiterin zu haben. Unabhängig von der Höhe der Sanktionen brachen eigenen Angaben zufolge 17 Prozent den Kontakt zum Jobcenter ab. Bei den über 25-Jährigen zeigte sich, je höher die Sanktionen waren, desto größer war der Anteil derjenigen, die laut Eigenaussage den Kontakt zum Jobcenter abgebrochen haben. Bei der Gruppe an Personen, die Sanktionen in Höhe von 60 Prozent oder mehr erhielten, gaben 23 Prozent an, den Kontakt abgebrochen zu haben. Dieselbe Studie zeigt darüber hinaus, dass sich Betroffene aus ihrem sozialen Umfeld zurückziehen. So gaben etwa 50 Prozent der unter 25-jährigen an, dass sie seit der Sanktion zurückgezogener leben und sich nicht mehr so häufig mit Freunden treffen. Das trifft auf Personen, deren Leistungen um 10 Prozent gekürzt wurden, genauso zu wie auf Personen, deren Leistungen vollständig gekürzt wurden. Die Tendenz zur sozialen Isolation zeigte bereits eine Studie aus dem Jahr 2009. Im August 2024 berichtete das Institut für Arbeitsmarkt und Bildungsforschung, eine Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit, dass die Möglichkeit von Sanktionen zwar dazu führen könne, dass Menschen eher eine Beschäftigung aufnehmen. Stärkere Sanktionen führten jedoch eher dazu, dass Menschen schlechter bezahlte Berufe annehmen würden. Update, 12. Juni 2025: Wir haben eine Aussage von Rechtswissenschaftlerin Banafsche konkretisiert. Redigatur: Kimberly Nicolaus, Steffen Kutzner
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Matthias Bau
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2019 schränkte das Verfassungsgericht Sanktionen beim Bürgergeld ein, die neue Regierung will sie verschärfen. Ist das rechtmäßig?
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"Faktencheck",
"Hintergrund",
"Politik"
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2025-06-11T16:11:38+02:00
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2025-06-11T16:11:38+02:00
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2025-06-17T10:28:34+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/06/11/koalitionsplaene-zu-totalsanktionen-beim-buergergeld-sind-rechtlich-umstritten/
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Merz bei Trump: Welche Falschbehauptungen Trump über Deutschland und Europa aufstellte
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Bundeskanzler Friedrich Merz besuchte US-Präsident Donald Trump – und ließ Trumps falsche und irreführende Behauptungen zum Ukrainekrieg unwidersprochen. von Kimberly Nicolaus , Gabriele Scherndl Nach dem Gespräch von Friedrich Merz und US-Präsident Donald Trump zog Merz ein positives Fazit: Es seien „sehr gute persönliche, aber auch politisch zielführende Gespräche“ gewesen, sagte er der ARD. Doch: Merz ließ mehrere falsche Behauptungen, die Trump aufgestellt hat, unwidersprochen. CORRECTIV.Faktencheck ordnet einige, die Deutschland und Europa betreffen, ein. Gleich mehrfach spricht der US-Präsident über Todesopfer in Russlands Krieg gegen die Ukraine. Er sagt: 5.000 bis 6.000 Soldaten pro Woche würden getötet werden. Dem entgegnet Merz zumindest, er kenne die Zahlen dazu nicht. Zahlen zu Todesopfern in Kriegen sind stets mit Vorsicht zu betrachten. Unter anderem, weil Kriegsparteien Interesse daran haben, ihre eigenen Opferzahlen zu unter- und die des Gegners zu übertreiben, wie wir hier erklären. Es gibt jedoch mehrere Organisationen, die versuchen, die Zahlen realistisch zu schätzen. Eine aktuelle Analyse des US-amerikanischen Center for Strategic and International Studies (CSIS) geht von 60.000 bis 100.000 getöteten ukrainischen Soldatinnen und Soldaten aus. Das Projekt UA Losses veröffentlicht Zahlen ukrainischer Verluste, die aus Todesmeldungen hervorgehen, aktuell sind das 147.000. Bei den russischen Streitkräften schätzt das CSIS die Zahl der Toten auf 200.000 bis 250.000. Das russische kremlkritische Medium Mediazona untersuchte in Zusammenarbeit mit der BBC Zahlen zu getöteten russischen Militärangehörigen. Sie schätzen sie bis Januar 2025 auf 138.500 bis 200.000. Die BBC geht in einem aktuellen Bericht davon aus, dass zwischen 164.000 und 237.000 russische Soldatinnen und Soldaten im Verlauf des Krieges starben. Unter Annahme der höchsten Zahlen starben wöchentlich bis zu etwa 2.300 Streitkräfte in den über 170 Wochen, die der Krieg gegen die Ukraine bislang andauert. Später sagt Trump weiter: Ein neuer Report zeige, dass Millionen Menschen sterben würden. Welchen Report er meint und ob es um Streitkräfte oder auch um Zivilbevölkerung geht, ist unklar. Naheliegend ist, dass er den CSIS-Bericht meint, in dem von fast einer Million „casualties“ bei den russischen und 400.000 bei den ukrainischen Streitkräften die Rede ist. Das Wort „casualties“ beschreibt in diesem Zusammenhang Getötete und Verwundete. Trump behauptet an mehreren Stellen, er habe die Gas-Pipeline Nord Stream 2 gestoppt. Die politischen Entscheidungen rund um die Pipeline nahmen einige Wendungen, fest steht aber: Trump ist nicht allein dafür verantwortlich, dass die Pipeline, die Gas von Russland nach Europa bringen sollte, nie in Betrieb ging. Trump unterzeichnete im Dezember 2019 ein Sanktionspaket gegen beteiligte Firmen. Im November 2021 setzte die deutsche Bundesnetzagentur das Zertifizierungsverfahren von Nord Stream 2 vorläufig aus, weil der Betreiber nicht in einer Rechtsform nach deutschem Recht organisiert war. Nach dem Großangriff Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 erklärte der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz, die Zertifizierung werde gestoppt. Im September 2022 wurden die Pipelines Nord Stream 1 und 2 bei Sprengstoffanschlägen beschädigt. Zuletzt hatten laut Medienberichten US-Investoren Interesse an der teils zerstörten Pipeline gezeigt, der Spiegel berichtet, dass die deutsche Bundesregierung ihren Betrieb in Zukunft aber verhindern wolle. Trump sagt außerdem, Nord Stream 2 sei die größte Pipeline der Welt. Laut Bundestag ist die Pipeline 1.230 Kilometer lang und damit nur einen Bruchteil so lang wie etwa die fast 9.000 Kilometer lange West-East Gas Pipeline in China. Laut einem Medienbericht von Januar 2024 hatte die West-East-Pipeline damals eine Kapazität von 77 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich, Nord Stream 2 sollte eine jährliche Kapazität von 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas haben. Dass der Ukrainekrieg beendet werden soll, darin sind sich Trump und Merz einig. Doch die Summen der Hilfsgelder an die Ukraine unterscheiden sich mit Blick auf die USA und Europa. Laut Trump, hätten die USA bereits 350 Milliarden Dollar „ausgegeben“. Das sei viel mehr als Europa ausgegeben habe. Das behauptet Trump nicht zum ersten Mal. Seine Behauptung wurde schon mehrfach widerlegt und bleibt auch im Juni 2025 falsch. Der aktuellste Bericht der zuständigen Generalinspekteure zeigt, dass der US-Kongress deutlich weniger Gelder bewilligte. Seit Beginn des Ukrainekriegs sind das insgesamt rund 185 Milliarden Dollar. Die Gelder stehen der sogenannten „Operation Atlantic Resolve“ zur Verfügung. Das ist ein umfassendes Programm, das die USA ursprünglich 2014 einrichtete. Es soll der „Abschreckung gegen die russische Aggression gegen die NATO“ und der „Stärkung des Bündnisses“ dienen und beinhaltet auch die Unterstützung für die Ukraine. Den größten Anteil der rund 185 Milliarden Dollar nutzen die USA selbst, heißt es in dem Bericht. Damit soll der US-Rüstungsbestand um die Materialien aufgestockt werden, die zuvor an die Ukraine geliefert wurden. Von den 185 Milliarden Dollar wurden bislang aber nur 89 Milliarden tatsächlich ausgezahlt. Der „Ukraine Support Tracker“ des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW) schaut genauer hin. Das Institut erfasst militärische, finanzielle und humanitäre Hilfsgelder, die der Ukraine direkt zugewiesen oder als Zusage vorgemerkt sind. „Zugewiesen“ bedeutet, dass die Gelder bereits ausgezahlt wurden oder zur Auszahlung vorgesehen sind, zum Beispiel in Form von Beschaffungsverträgen. Nicht berücksichtigt werden aber zum Beispiel Gelder, die zur Wiederauffüllung von US-Waffenbeständen verwendet wurden. Laut IfW-Daten zahlte die USA an die Ukraine bis Ende Februar 2025 rund 114,6 Milliarden Euro Hilfsgelder (umgerechnet aktuell etwa 130 Milliarden US-Dollar). Europas ausgezahlte Unterstützung beläuft sich dagegen auf etwa 138 Milliarden Euro (umgerechnet aktuell etwa 157 Milliarden US-Dollar). Auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck, ob Merz Trump abseits der Kameras auf dessen Falschbehauptungen ansprach, schreibt eine Regierungssprecherin: Man bewerte den Gesprächsverlauf im Oval Office im Nachgang nicht weiter, die anschließenden Gespräche seien vertraulich gewesen. Update, 6. Juni 2025: Wir haben das Statement einer Regierungssprecherin ergänzt. Redigatur: Steffen Kutzner, Paulina Thom
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Gabriele Scherndl
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Bundeskanzler Friedrich Merz besuchte US-Präsidenten Donald Trump – und ließ einige falsche oder irreführende Behauptungen Trumps unwidersprochen.
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"Hintergrund",
"Politik",
"Russland/Ukraine"
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2025-06-06T16:12:14+02:00
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2025-06-06T16:12:14+02:00
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2025-07-04T14:18:04+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/06/06/merz-bei-trump-welche-falschbehauptungen-trump-ueber-deutschland-und-europa-aufstellte/
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Warum der WHO-Pandemievertrag die nationale Souveränität nicht einschränkt
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Zwei AfD-Politikerinnen warnen vor dem Pandemievertrag der WHO, da er den Ländern angeblich die Souveränität nehme, zum Beispiel, um selbst über Maßnahmen bei Pandemien zu entscheiden. Das ist falsch – der Vertrag schließt aus, dass die WHO über nationales Recht verfügt. Über Maßnahmen im Fall einer Pandemie wie eine Impfpflicht oder Lockdowns bestimmen die Länder weiterhin selbst. von Johannes Gille Am 20. Mai 2025 haben sich die Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach mehr als drei Jahren darauf geeinigt, dass es einen Pandemievertrag geben soll. Die Länder wollen so künftig gemeinsam Pandemien besser vorbeugen und bekämpfen. In Sozialen Netzwerken wird bereits seit Beginn der Verhandlungen Stimmung gegen das Abkommen gemacht, da es angeblich über nationalen Gesetzen stehen würde – auch aktuell verbreiten sich solche Behauptungen in Sozialen Netzwerken. Es sind vor allem AfD-Profile, die von einem „Angriff auf unsere Freiheit“ sprechen: So behauptete etwa die AfD-Europaabgeordnete Anja Arndt auf Instagram, dass die WHO nun mit „diktatorischen Vollmachten“ ausgestattet sei. Sie könne „Zwangsmaßnahmen“ wie Impfpflichten und Lockdowns über nationale Parlamente hinweg beschließen. Die Bundestagsabgeordnete der AfD, Christina Baum, schrieb auf X, der Vertrag mache die „nationalstaatliche Souveränität bedeutungslos“. Auf Nachfrage bei Anja Arndt, wie sie zu diesen Schlüssen kommt, erhielten wir keine Antwort. Christina Baum schrieb uns: „Der Generalsekretär der WHO hat durch diesen Vertrag die alleinige Macht, jederzeit eine Notlage / Pandemie auszurufen, ohne demokratische Kontrolle“. Dieser Alleinvertretungsanspruch hebele alle Souveränitätsversicherungen im Pandemievertrag aus. Doch das ist irreführend. Von einer Pandemie spricht man, wenn sich eine Krankheit über Ländergrenzen hinweg oder gar global ausbreitet. Der Generaldirektor der WHO kann in so einem Fall eine „gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite“ ausrufen, nachdem er die Ansichten eines Notfallausschusses angehört hat. Grundlage dafür ist jedoch nicht der Pandemievertrag, sondern die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) von 2005, die seit Jahren vollständig im deutschen Recht verankert sind. Mit den Internationalen Gesundheitsvorschriften haben sich die Mitgliedsstaaten der WHO unter anderem verpflichtet, Fälle von bestimmten Infektionskrankheiten an die Organisation zu melden. Die WHO überwacht dadurch das globale Infektionsgeschehen und kann auf dieser Grundlage eine gesundheitliche Notlage ausrufen. Die Befugnisse dazu bestehen also bereits seit Jahren und wurden beispielsweise während der Covid-19-Pandemie angewandt. Was bedeutet eine gesundheitliche Notlage in der Praxis? Laut WHO dient eine solche Lage in erster Linie als internationale Warnung vor einem Gesundheitsrisiko. Wurde eine Notlage ausgerufen, ist der WHO-Generaldirektor befugt, „zeitlich begrenzte Empfehlungen“ für bestimmte Maßnahmen auszusprechen. AfD-Politikerin Baum bezeichnete diese Empfehlungen in ihrer Antwort an uns als „diktatorisch“ und behauptete, Staaten könnten sich dagegen „praktisch nicht mehr wehren“. Im Abkommen zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften werden die Empfehlungen jedoch explizit als „unverbindlich“ definiert. Das Bundesministerium für Gesundheit schrieb 2024 auf seiner Webseite zu einer Änderung der IGV, dass die Empfehlungen des Generaldirektors weiterhin nicht verpflichtend seien. Markus Kaltenborn, Rechtswissenschaftler an der Ruhr-Universität Bochum, schreibt uns auf Anfrage ebenfalls, dass sich aus den Empfehlungen im Rahmen einer Gesundheitsnotlage „keine über einen Appell hinausgehende Wirkung für die adressierten Regierungen herleiten“ ließen. Mit dem Pandemievertrag verpflichten sich die WHO-Mitgliedsstaaten zusätzlich zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften zu mehreren Maßnahmen, um möglichen Pandemien vorzubeugen, und die Reaktion auf einen Ausbruch besser zu koordinieren. Dadurch soll es beispielsweise bei der Verteilung von Schutzausrüstung und Medikamenten in Zukunft gerechter zugehen. Während der Covid-19-Pandemie waren vor allem ärmere Länder von der Knappheit dieser Ressourcen betroffen. Medizinisches Personal soll in zukünftigen pandemischen Lagen außerdem bevorzugten Zugang dazu erhalten. Zudem müssen Mitgliedstaaten potenzielle Erreger bei Menschen und Tieren genau beobachten sowie Proben und DNA-Sequenzen von Erregern für die Medikamentenentwicklung frei zur Verfügung stellen. Im Gegenzug dazu sollen Impfstoffhersteller verpflichtet werden, einen Teil ihrer Produktion kostenlos an ärmere Länder zu spenden, und einen weiteren Teil zu vergünstigten Preisen abzugeben. Dieser Teil des Vertrags ist noch nicht fertig (Stand: 3. Juni 2025): Als Nächstes müssen sich die Länder einigen, wie die Verteilung von Impfstoffen geregelt werden soll. Laut WHO wird das mindestens bis 2026 dauern. Erst danach kann der Vertrag von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Er tritt in Kraft, wenn 60 der 194 Mitgliedsstaaten diesen Schritt abgeschlossen haben. Pedro A. Villarreal forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik zu internationalem Gesundheitsrecht und der WHO. Er schreibt uns auf Anfrage, dass die Empfehlungen im Rahmen einer gesundheitlichen Notlage durch den Pandemievertrag „für die Mitgliedstaaten weiterhin nicht rechtlich bindend“ sein werden. Der Vertrag enthält mit Artikel 22 Absatz 2 darüber hinaus eine Passage, die explizit ausschließt, dass die WHO die von Arndt befürchteten Maßnahmen anordnen kann. Dort heißt es zusammengefasst: Keine Bestimmung des Pandemievertrags gewährt der WHO oder ihrem Generaldirektor die Befugnis, nationales Recht zu verfügen, zu ändern oder anderweitig vorzugeben. […] Ebensowenig darf die WHO spezielle Maßnahmen wie Reisebeschränkungen, Impfpflichten, therapeutischen oder diagnostischen Verfahren oder Lockdowns anordnen. Auch an anderen Stellen des Vertrags wird explizit betont, dass die vereinbarten Maßnahmen immer unter Berücksichtigung von nationalem Recht und regionalen Umständen umgesetzt werden sollen. Villarreal schreibt uns dazu, dass „alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der Verabschiedung von Gesundheitsmaßnahmen bei künftigen Pandemien weiterhin von den nationalen Gesundheitsbehörden getroffen werden.“ Das Bundesministerium für Gesundheit teilt diese Auffassung. In einer Pressemitteilung heißt es: „Mit dem Pandemieabkommen werden keine Souveränitätsrechte der Mitgliedstaaten angetastet. Dort ist festgehalten, dass Entscheidungen über konkrete Reaktionen auf Gesundheitskrisen nach wie vor von den einzelnen Ländern getroffen werden.“ Darüber hinaus sieht der Pandemievertrag keine Sanktionen für Staaten vor, die den Zusagen des Vertrages nicht nachkommen. „Der Vertrag setzt vielmehr ausschließlich auf die Mechanismen der Freiwilligkeit und internationalen Zusammenarbeit“, so Kaltenborn. Redigatur: Paulina Thom, Sarah Thust
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Johannes Gille
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Im Netz heißt es, dass die WHO durch den Pandemievertrag Lockdowns und Impfpflichten erzwingen könnte. Doch das stimmt nicht.
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"Hintergrund",
"Politik"
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2025-06-03T17:48:44+02:00
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2025-06-03T17:48:44+02:00
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2025-06-16T13:45:27+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/06/03/warum-der-who-pandemievertrag-die-nationale-souveraenitaet-nicht-einschraenkt/
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Zurückweisungen an der Grenze: Was sagen Fachleute zu Dobrindts Aussagen?
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Innenminister Alexander Dobrindt ordnete im Mai an, dass Asylsuchende an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden sollen. Das Berliner Verwaltungsgericht urteilte nun in drei Fällen, dass das nicht rechtmäßig ist. Dobrindt will dennoch an der Maßnahme festhalten. Seine Aussagen zu dem Beschluss sind jedoch fragwürdig. von Matthias Bau Am 2. Juni erklärte das Berliner Verwaltungsgericht in mehreren Eilverfahren die Zurückweisungen von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern an der deutschen Grenze für rechtswidrig. Im Anschluss erklärte Innenminister Alexander Dobrindt, man werde trotz des Gerichtsurteils an der Praxis festhalten. Der Minister sagte, das Gericht habe lediglich einen Einzelfallbeschluss gefasst und man strebe nun ein „Hauptsacheverfahren“ an. Man müsse, so interpretierte Dobrindt den Beschluss des Gerichts, die eigenen Maßnahmen lediglich besser begründen. „Wir sehen, dass die Rechtsgrundlage gegeben ist und werden deswegen weiter so verfahren, ganz unabhängig von dieser Einzelfallentscheidung“, schloss er. CORRECTIV.Faktencheck hat mit Fachleuten über die Behauptung Dobrindts gesprochen. Fazit: Es ist unklar, ob es zu einer erneuten Verhandlung über die Zurückweisungen kommen wird. Das Gericht sah, ebenso wie die kontaktierten Fachleute, die Zurückweisungen als rechtswidrig an – auch über die Einzelfälle hinaus. Am 7. Mai, wenige Stunden nach seinem Amtsantritt, kündigte Innenminister Alexander Dobrindt an, dass man Asylsuchende an der deutschen Grenze zurückweisen werde. Dafür habe er eine anderslautende mündliche Anweisung aus dem Jahr 2015 rückgängig gemacht. Zuständig für die Zurückweisung ist die Bundespolizei, die mehr Beamtinnen und Beamte an die Grenze schickte. Wie genau diese Kontrollen begründet werden sollen, war bereits im Mai unklar. Die Praxis wurde vielfach kritisiert und ihre Rechtmäßigkeit in Frage gestellt. Denn Deutschland ist nach der Dublin-III-Verordnung der EU dazu verpflichtet, zu prüfen, ob Asylbewerberinnen und Asylbewerber ein Asylverfahren in Deutschland oder in einem anderen EU-Land durchlaufen müssen. Darauf wies nun auch das Verwaltungsgericht Berlin in der Pressemitteilung zu den drei Eilverfahren hin. Dort heißt es: „Personen, die bei Grenzkontrollen auf deutschem Staatsgebiet ein Asylgesuch äußern, dürfen nicht ohne Durchführung des Dublin-Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für die Prüfung des Asylantrags zurückgewiesen werden.“ Dieses Verfahren kann ausgesetzt werden, wenn Deutschland eine „Notlage“ ausrufen würde. Doch auch diese Möglichkeit hat das Gericht nun zurückgewiesen. So heißt es in der Pressemitteilung: „Insbesondere könne sie (die Antragsgegnerin, also die Bundesrepublik vertreten durch die Bundespolizei, Anm.) die Zurückweisungen nicht auf die Ausnahmeregelung des Artikel 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) stützen. Es fehle dafür bereits an der hinreichenden Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Antragsgegnerin.“ Der Artikel erlaubt es Mitgliedstaaten „für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit“ von EU-Verordnungen wie Dublin III abzuweichen. Was ist also von der Aussage von Innenminister Dobrindt zu halten, dass das Gericht gesagt habe, „dass die Begründung für unsere Maßnahmen dezidierter hätte sein sollen“ und man an den Zurückweisungen festhalten werde, weil man die „Rechtslage als gegeben“ sehe? Dazu sagte Dana Schmalz, Referentin am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck, im Beschluss weise das Gericht an mehreren Stellen hin, dass eine bessere Begründung der Zurückweisungen nur schwer vorstellbar sei. Das könne man an mehreren Dingen erkennen, zum einen, so Schmalz, habe das Gericht die inhaltliche Begründung eines Hauptsacheverfahrens vorweggenommen. Zum anderen habe es mehrfach die Worte „weder vorgetragen“ und „noch ersichtlich“ genutzt. Die Beratungsstelle Pro Asyl, die eine Klägerin unterstützte, veröffentlichte den Beschluss des Verwaltungsgerichts. Auch Constantin Hruschka von der Evangelischen Hochschule Freiburg betonte im Gespräch mit CORRECTIV.Faktencheck, dass das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Beschluss klar gemacht habe, dass die aktuelle Zurückweisungspraxis an den Grenzen ein Verstoß gegen europäisches Recht sei. Eine Begründung für die Nichtanwendung der europäischen Vorgaben habe die Regierung aus Sicht des Gerichts bisher nicht geliefert. Ein Beispiel: Im Verfahren sollte die Notlage, die ein Dublinverfahren überflüssig macht, damit begründet werden, dass es eine hohe Zahl an Asylanträgen gebe. Dem hält das Gericht jedoch entgegen: „Es bleibt offen, was aus diesen Zahlen genau für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik folgt […] Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich aus diesen Zahlen einerseits eine Situation ergibt, die für die deutschen Behörden nicht zu bewältigen wäre und auf Grund derer die Funktionsfähigkeit staatlicher Systeme und Einrichtungen akut gefährdet wäre, und wie sich andererseits gerade Zurückweisungen an der Grenze auf diese Situation auswirken würden.“ Ähnlich äußerte sich das Gericht mit Blick auf den Fall „eines Massenzustroms von Personen, die internationalen Schutz beantragen“. In solchen Fällen gebe es bereits Mittel, um eine Entlastung für einzelne Staaten zu schaffen. Doch auch in diesem Fall sei „weder vorgetragen worden noch ersichtlich“, dass diese „Mechanismen vergeblich ausgeschöpft wurden“. Innenminister Dobrindt will nach eigener Aussage nun in einem Hauptsacheverfahren „dezidierte Begründungen“ nachliefern. Ob ein solches Verfahren überhaupt zustande kommen wird, ist aus folgendem Grund noch unklar: In den drei Eilverfahren, die das Verwaltungsgericht Berlin verhandelte, habe es nur eine Klage gegeben, bei der auch ein Hauptsacheverfahren herbeigeführt werden sollte. Das teilte eine Sprecherin des Gerichts CORRECTIV.Faktencheck telefonisch mit. Allerdings, so die Sprecherin, müsse nun erst einmal entschieden werden, ob in einem Hauptsacheverfahren erneut über die Zurückweisungen an der Grenze verhandelt werde. Per E-Mail wies eine Gerichtssprecherin auch darauf hin, dass die Kammer die rechtliche Frage der Zurückweisung bei Grenzkontrollen ausführlich geprüft und ihre Rechtsauffassung dargelegt habe: „Diese Rechtsauffassung dürfte auf vergleichbare Fälle übertragbar sein.“ Und: „Gerade in einer Situation wie der vorliegenden erscheint es zum Beispiel sehr gut denkbar, dass die Klägerin ihr Klageziel bereits mit dem Eilverfahren erreicht hat und die Hauptsache für erledigt erklärt.“ Darauf wies uns auch Völkerrechtlerin Schmalz hin. Das Gericht habe in seiner Begründung klargestellt, dass im Hauptsacheverfahren mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit nicht anders geurteilt würde. Konkret schreibt das Gericht dazu in seinem Beschluss: Die Bundesrepublik habe ihre Ansprüche auch „nach den strengen Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache glaubhaft gemacht.“ Ein solches Vorgehen käme aber nur dann in Betracht, so das Gericht, „wenn ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller schwere und unzumutbare, durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht wiedergutzumachende Nachteile in dem Fall drohen, dass die einstweilige Anordnung nicht erlassen wird“. Ob diese Frage erneut verhandelt werde, müsse das Gericht nun entscheiden, so eine Gerichtssprecherin. Die Klägerin, also eine der drei Personen aus Somalia, könne allerdings auch darauf dringen, dass über die Frage erneut verhandelt werde. Dass das geschieht, ist jedoch unwahrscheinlich. Ein Sprecher des Innenministeriums beantwortete Fragen dazu, wieso die Regierung eine Gesetzesgrundlage für das eigene Vorgehen weiter als gegeben betrachtet und welche Punkte in einem etwaigen Hauptsacheverfahren dezidierter begründet werden sollen, auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck nicht. Am 3. Juni sagte Dobrindt auf einer Pressekonferenz, ein Hauptsacheverfahren sei „anhängig“. Das ist zwar richtig, daraus folgt aber, wie beschrieben, jedoch nicht, dass erneut über die Zurückweisungen entschieden wird. Redigatur: Max Bernhard, Gabriele Scherndl
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Matthias Bau
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Innenminister Dobrindt will an Zurückweisungen an der deutschen Grenze festhalten. Doch sind seine Gründe dafür stichhaltig?
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"Faktencheck",
"Hintergrund",
"Politik"
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2025-06-03T17:17:25+02:00
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2025-06-03T17:17:25+02:00
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2025-06-25T13:38:57+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/06/03/zurueckweisungen-an-der-grenze-was-sagen-fachleute-zu-dobrindts-aussagen/
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Koalitionspläne zu Strafen bei Gruppenvergewaltigungen werden missverstanden
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Eine Passage im Koalitionsvertrag der Union und SPD zur Bestrafung von Gruppenvergewaltigungen sorgt online für Empörung: Die Koalition wolle Täter zukünftig nur dann härter bestrafen, wenn das Opfer schwanger werde, wird behauptet. Wir erklären, warum das so nicht stimmt und warum es trotzdem Kritik an den Plänen gibt. von Paulina Thom Hinweis: In diesem Artikel geht es um die strafrechtliche Bewertung von schweren Sexualstrafdelikten wie Vergewaltigungen. Konkrete Fälle schildern wir in diesem Text nicht. Wer Hilfe bei sexualisierter Gewalt sucht, kann sich unter anderem an den Weißen Ring wenden. Im April einigten sich CDU/CSU und die SPD auf einen Koalitionsvertrag. Eine Passage zum Strafmaß von Gruppenvergewaltigungen wird seither online laut diskutiert. Der AfD-Politiker Dennis Hohloch behauptet auf Instagram, die Koalition wolle Gruppenvergewaltigungen nur härter bestrafen, wenn das Opfer schwanger werde. Mit Kondom könnte die Strafe niedriger ausfallen. Seine Parteikollegin und Europaparlamentsabgeordnete Mary Khan schrieb zu einem Video auf Tiktok, Merz plane eine „Strafmilderung bei Gruppenvergewaltigung“. Und in einem Facebook-Reel von „Lukreta“ – einer rechtsextremistischen Initiative für „Frauenrechte“, hinter der die Influencerin Reinhild Boßdorf steckt, ehemaliges Mitglied der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ – heißt es, bei Gruppenvergewaltigungen solle der Strafrahmen nur dann erhöht werden, wenn potenziell eine Schwangerschaft herbeigeführt werde. Wir haben mit Juristinnen und Juristen über den Passus und die Rechtslage gesprochen. Welche Strafen gibt es bei Gruppenvergewaltigungen und was hat die Koalition vor? Zunächst zur Formulierung, um die es geht: „Für Gruppenvergewaltigungen wollen wir den Strafrahmen grundsätzlich erhöhen, insbesondere bei gemeinschaftlicher Tatbegehung, bei Vergewaltigung und bei Herbeiführung einer Schwangerschaft“ – so steht es im Koalitionsvertrag der CDU/CSU und SPD. Die Formulierung sorgte online für Verwirrung und sogar unter Rechtsexperteninnen für Erklärungsbedarf. Schließt eine Gruppenvergewaltigung nicht automatisch mit ein, dass sie gemeinschaftlich begangen wird und es sich um eine Vergewaltigung handelt? Elisa Hoven, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Leipzig und Richterin am sächsischen Verfassungsgerichtshof schreibt uns, den Begriff „Gruppenvergewaltigung“ gebe es so nicht im Strafgesetzbuch. Umgangssprachlich spreche man von einer Gruppenvergewaltigung, wenn beide Sätze des Paragraph 177 „Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung“ Absatz 6 des Strafgesetzbuches zutreffen würden: (6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn Laut Mohamad El-Ghazi, Rechtswissenschaftler an der Universität Trier, lasse sich der Satz im Koalitionsvertrag nicht ganz widerspruchsfrei auflösen. Grundsätzlich stimme es, dass eine „Gruppenvergewaltigung“ nur gemeinschaftlich verübt werden könne. Unter eine gemeinschaftliche Tatbegehung würden im entsprechenden Strafrechtsparagrafen aber auch andere sexuelle Handlungen fallen. Solche besonders schweren Fälle haben eine Mindeststrafe von zwei Jahren. Die Höchststrafe liegt bei 15 Jahren. „Das heißt, in diesen Fällen kann ein Gericht auch schon jetzt die höchste zeitliche Freiheitsstrafe verhängen, die das deutsche Strafrecht vorsieht. Schlimmer wäre nur die lebenslange Freiheitsstrafe“, erklärt uns El-Ghazi. Eine Untersuchung aus 2024 zu Sexualdelikten generell, an der auch Hoven von der Universität Leipzig mitwirkte und die insgesamt 86 Urteile aus den Jahren 2016 bis 2020 analysierte, konnte allerdings zeigen: Sämtliche Strafen befinden sich im unteren Drittel des Strafrahmens. Soviel zum Ist-Stand. Planen nun CDU/CSU und SPD – wie online etwa von AfD-Europaabgeordneter Kahn behauptet – tatsächlich eine „Strafmilderung bei Gruppenvergewaltigung“, nämlich dass sie ohne Schwangerschaft „in Zukunft weniger hart“ bestraft werde? „Nein, das kann man aus der Formulierung im Koalitionsvertrag ganz sicher nicht schließen“, antwortet uns El-Ghazi. Auch Hoven erklärt uns, man könne der Formulierung nicht entnehmen, dass es in Zukunft zu einer Absenkung des Strafrahmens in Fällen ohne Schwangerschaft kommen solle. „Schließlich werden für diese Fälle Strafschärfungen vorgesehen – das impliziert naturgemäß keine Absenkung bei anderen Fällen.“ Anders formuliert heißt das also: Nur weil dieser bestimmte Fall härter bestraft werden soll, heißt das nicht, dass andere Fälle milder bestraft werden sollen. Kommt es nach einer Vergewaltigung zu einer Schwangerschaft, müssten Gerichte schon heute schärfer bestrafen, erklärt El-Ghazi, und nicht nur dann: „Allein schon der Umstand, dass von der Tat die Gefahr einer Schwangerschaft oder auch der Übertragung von Krankheiten (vor allem ohne Präservativ) ausgeht, kann und muss schon heute in der Regel straferschwerend berücksichtigt werden.“ Der Post von AfD-Politiker Dennis Hohlochs mit der Formulierung „Mit Kondom weniger Strafe?!“ ist ebenfalls irreführend. „Wir bestrafen den Täter, der kein Präservativ bei seiner Tat verwendet, in der Regel schwerer“, erklärt El-Ghazi, „Es verhält sich aber keinesfalls so, dass wir den Täter, der ein solches Präservativ bei seiner Tat nutzt, milder bestrafen.“ Das bedeutet: Kein Kondom zu verwenden ist zwar ein Strafschärfungsgrund – ein Kondom zu verwenden, aber nicht im Umkehrschluss ein strafmildernder Grund. Dass sich das ändern soll, ist aus dem Koalitionsvertrag nicht abzuleiten. In ein fixes, einheitliches System gegossen ist all das nicht. Catharina Conrad, Rechtsanwältin und Mitglied der Strafrechtskommission vom Deutschen Juristinnenbund (DJB), erklärt uns am Telefon: Grundsätzlich seien die Höhen von Strafen immer Einzelfallentscheidungen, die von einer Menge Faktoren abhängen. Man könne nicht pauschal sagen, dass eine Vergewaltigung mit einer Schwangerschaft Folge im Vergleich schärfer bestraft werden würde. Beispielsweise könne ein Täter aufgrund seiner Vorstrafen oder weil er eine Waffe verwendet, zu fünf Jahren Freiheitsstrafen verurteilt werden, ohne dass das Opfer schwanger werde. Demgegenüber könne ein Ersttäter, dessen Opfer schwanger werde, drei Jahre Freiheitsstrafe bekommen. Laut Koalitionsvertrag planen die Parteien, den „Strafrahmen grundsätzlich“ zu erhöhen. Für Hoven von der Universität Leipzig lässt diese Formulierung offen, ob der Gesetzgeber nur eine Anpassung der Mindest-, der Höchststrafe oder beider beabsichtigt. Wir haben bei den Koalitionsparteien nachgefragt, erhielten auf diese Frage jedoch keine Antwort. Gegenüber der Schwäbischen Zeitung gab Günter Krings, rechtspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion, jedoch an, man wolle damit ein Anliegen aus einem Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches aus dem vergangenen Jahr aufgreifen. Dieser sieht eine Änderung der Mindeststrafen vor. Der Kern des Vorschlags: Die „gemeinschaftliche Tatbegehung“ bei Sexualdelikten soll mit mindestens drei Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden, ebenso wie eine „ungewollte Schwangerschaft“ als Folge einer Vergewaltigung. Mit mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe soll gemeinschaftliche Tatbegehung bestraft werden, bei der es zu einer Vergewaltigung kommt. Die Behauptungen in Sozialen Netzwerken bleiben also auch mit Blick auf die konkreteren Vorschläge im Gesetzentwurf falsch, da Gruppenvergewaltigungen generell höher bestraft werden sollen. Wir haben allen Verbreitern die Möglichkeit gegeben, zu ihren Beiträgen Stellung zu nehmen. Khan antwortete bis zur Veröffentlichung nicht, Hohloch und die Initiative „Lukreta“ gingen auf unsere Anfrage inhaltlich nicht ein. Insgesamt fallen die Reaktionen von Expertinnen und Experten auf den Gesetzentwurf und den Plan im Koalitionsvertrag durchmischt aus, es überwiegt aber Kritik: Elisa Hoven schreibt uns, grundsätzlich seien Strafrahmenverschärfungen „ein geeignetes Mittel, um das Sanktionsniveau in der Praxis anzuheben“. So sieht es auch Jörg Eisele, Rechtswissenschaftler an der Universität Tübingen. Die Union benannte Eisele als Sachverständigen zu einer Stellungnahme des Gesetzentwurfs. „Durch den Strafrahmen bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, wie er die Schwere des Delikts – auch im Verhältnis zu anderen Straftaten – einordnet“, schreibt Eisele darin. Auch El-Ghazi hält eine Erhöhung der Mindeststrafe bei einer Gruppenvergewaltigung mit einem Eindringen in den Körper für „rechtlich nachvollziehbar und vertretbar“, zugleich zweifelt er an dem Nutzen: „Die Gerichte haben schon jetzt alle Möglichkeiten, um auf schwere Begehungsweisen wie Gruppenvergewaltigungen auch mit der notwendigen Härte des Gesetzes zu reagieren.“ Damit meint er die möglichen hohen Freiheitsstrafen von bis zu 15 Jahren. Ähnliche Kritik äußerten Dilken Çelebi und Catharina Conrad vom Deutschen Juristinnenbund, die von der SPD und den Grünen als Sachverständige benannt wurden. Es stimme nicht, dass der bisherige Strafrahmen das Unrecht nicht ausreichend erfasse, da es möglich sei, hohe Freiheitsstrafen zu verhängen, heißt es in ihrer Stellungnahme. Dass sich „die verhängten Strafen ganz überwiegend im untersten Bereich des vorgesehenen Strafrahmens bewegen“, solle stattdessen mit verstärkter Sensibilisierung begegnet werden, also etwa verpflichtenden Fortbildungen. Conrad sagt uns am Telefon: „Wichtiger als den Strafrahmen zu erhöhen, ist, dass der Strafrahmen, der schon da ist, von den Gerichten auch genutzt wird.“ Die geplanten Strafschärfungen seien zudem symbolhaft, da kriminologische Erkenntnisse zeigten, dass sie nicht den erwünschten abschreckenden Effekt erzielten, schreiben Çelebi und Conrad. Letzterem schloss sich auch der von der FDP benannte Sachverständige Jörg Kinzig, Rechtswissenschaftler und Kriminologe von der Universität Tübingen, in seiner Stellungnahme an: Für die Richtigkeit einer Gleichung „höhere Strafen = weniger Straftaten“ gebe es keine Belege. Wir haben bei der CDU, der SPD und dem Bundesjustizministerium (BMJV) nachgefragt, warum der Strafrahmen bei der „Herbeiführung einer Schwangerschaft“ gesondert erhöht werden soll. Von der CDU erhielten wir keine Antwort, das BMJV antwortet uns, man prüfe derzeit, wie die Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag zu sogenannten Gruppenvergewaltigungen am besten umgesetzt werden können. Die SPD verwies auf ein Statement ihrer stellvertretenden rechtspolitischen Sprecherin Carmen Wegge: Jede Vergewaltigung sei ein massiver Angriff auf die Würde und Unversehrtheit eines Menschen – unabhängig von den Folgen, so Wegge. „Gleichzeitig sieht unser Strafrecht systematisch vor, besonders schwere Folgen – wie etwa eine daraus resultierende Schwangerschaft – im Strafmaß zu berücksichtigen.“ Auch diesbezüglich gehen die Ansichten der Fachleute auseinander: Eisele von der Universität Tübingen hält den Schritt in seiner Stellungnahme aufgrund der „schwerwiegenden psychischen Auswirkungen auf das Tatopfer“ für „durchaus plausibel“. Die Rechtswissenschaftlerinnen Hanna Welte und Patricia Geyler nennen die Strafschärfung in einem Artikel des Verfassungsblogs „grundsätzlich begrüßenswert“, merken aber an, dass die Regelung zu unangemessenen Ergebnissen führen könne, da sie von Faktoren außerhalb der Kontrolle des Täters abhänge, etwa wenn das Opfer verhüte oder aus biologischen Gründen nicht schwanger werden könne. Sie kritisieren zudem, dass der Koalitionsvertrag nur auf die Sanktionierung des Täters ziele und gleichzeitig der Abtreibungsparagraph 218a bestehen bleibe. Laut diesem sind Schwangerschaftsabbrüche – auch nach einer Vergewaltigung – rechtswidrig, wenngleich diese unter bestimmten Voraussetzung straffrei bleiben. Diese Kritik teilen auch Çelebi und Conrad vom DJB in ihrer Stellungnahme. Mitarbeit: Sarah Thust Redigatur: Gabriele Scherndl, Matthias Bau, Sophie Timmermann
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Paulina Thom
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Eine Passage im Koalitionsvertrag zu Schwangerschaften nach Gruppenvergewaltigungen sorgt online für Empörung. Wir ordnen sie ein.
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"Hintergrund",
"Justiz",
"Politik"
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2025-05-21T17:35:32+02:00
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2025-05-21T17:35:32+02:00
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2025-05-26T10:27:54+02:00
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https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/05/21/koalitionsplaene-zu-strafen-bei-gruppenvergewaltigungen-werden-missverstanden/
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Kein Bezug zu AfD-Gutachten: Verfassungsschutzchef Haldenwang ging Ende 2024 in den Ruhestand
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Nachdem der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft hat, kursiert in Sozialen Netzwerken ein Video, laut dem der Verfassungsschutzchef entlassen worden sei. Doch Thomas Haldenwang schied schon vor Monaten aus dem Amt. von Kimberly Nicolaus Der Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD Anfang Mai als gesichert rechtsextrem eingestuft. Das entsprechende Gutachten veröffentlichte das Magazin Cicero, zuvor berichtete der Spiegel. Für die Einstufung sind vor allem zwei Aspekte entscheidend: das völkische Denken der Partei und ihre Muslimfeindlichkeit, wie CORRECTIV berichtete. Die AfD klagte gegen die Entscheidung des BfV und erreichte vor dem Verwaltungsgericht Köln eine sogenannte Stillhaltezusage. Demnach bezeichnet das BfV die AfD vorerst nicht mehr öffentlich als eine gesichert rechtsextremistische Partei und beobachtet sie als solche auch nicht. Bis der Fall durch ein Gerichtsurteil entschieden wird, könnten Fachleuten zufolge mehrere Jahre vergehen. Vor diesem Hintergrund kursiert seit Mitte Mai ein virales Video auf Tiktok und Facebook, das unter anderem Bundeskanzler Friedrich Merz und Ex-Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang zeigt. Dazu heißt es: Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz sei mit sofortiger Wirkung entlassen worden. Doch das stimmt nicht. Haldenwang verabschiedete sich bereits Ende 2024 in den Ruhestand. Wie das BfV auf seiner Webseite schreibt, übernehmen aktuell Vizepräsidentin Silke Willems und Vizepräsident Sinan Selen die Leitung kommissarisch. Diese Angabe bestätigte uns Isabelle Kalbitzer, Pressesprecherin des BfV auf Anfrage. Wie die Pressestelle des Bundesinnenministeriums (BMI) auf Anfrage mitteilt, ging Ex-Verfassungschef Haldenwang zum Ende des Jahres 2024 regulär in den Ruhestand. Seine Ankündigung, bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2025 für die CDU zu kandidieren, führte dazu, dass er seine Amtsgeschäfte bereits im November 2024 niederlegte. Haldenwang wurde nicht in den Bundestag gewählt. Wer sein Nachfolger im BfV wird, ist bislang nicht bekannt. Aus der Pressestelle des BMI heißt es, Gespräche zur Nachfolge Haldenwangs würden derzeit geführt. Der Posten solle so bald wie möglich nachbesetzt werden. In einem weiteren Video auf Tiktok wird behauptet, der Verfassungsschutzpräsident von Sachsen-Anhalt sei am 7. Mai 2025 „wegen kritischer AfD-Einschätzung“ entlassen worden – auch das ist falsch. Laut der Webseite des Landesverfassungsschutzes führt Jochen Hollmann die Behörde weiterhin. Das belegt auch ein Artikel von t-online aus Mai 2025: Demnach gab Hollmann in seiner Funktion als Landesverfassungsschutz Sachsen-Anhalts der Deutschen Presse-Agentur ein Interview. Wer stattdessen Anfang Mai entlassen wurde, ist Jörg Müller, der Verfassungsschutzchef Brandenburgs. Wie es in einer Mitteilung des Landesinnenministeriums heißt, sei „das notwendige Vertrauen für eine gemeinsame weitere Zusammenarbeit nicht mehr gegeben“. Nach Angaben der brandenburgischen Innenministerin Katrin Lange hat der Landesverfassungsschutz den AfD-Landesverband am 14. April als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Lange sagt, sie sei darüber aber erst Wochen später informiert worden. Die SPD-Politikerin hat Müller deshalb entlassen. Wenig später trat sie selbst zurück. Diesen Schritt begründete sie damit, dass sie der „notwendigen Geschlossenheit“ in der Koalition nicht im Weg stehen wolle. Unterstellungen und Diffamierungen, auch aus den eigenen Reihen, seien ihr entgegengestellt worden. Das wolle sie nicht länger akzeptieren. Der Landesverfassungsschutz lehnt laut Lange zudem eine Veröffentlichung des Einstufungsvermerks, auch in teilgeschwärzter Form, ab. Eine solche „Geheimniskrämerei“ wolle sie nicht verantworten. Redigatur: Matthias Bau, Paulina Thom
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Kimberly Nicolaus
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Nach Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem sei der Verfassungsschutzchef entlassen worden, heißt es auf Tiktok. Doch das stimmt nicht.
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"Debatte um AfD-Verbot",
"Faktencheck",
"Politik",
"Polizei"
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2025-05-20T14:36:34+02:00
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2025-05-20T14:36:34+02:00
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2025-06-12T10:59:07+02:00
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Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz sei entlassen worden.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2025-11-05 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@politik_radar_/video/7503203772252933398
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Falsch
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Falsch. Ex-Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang ging Ende 2024 regulär in den Ruhestand. Die Führung des Verfassungsschutzes liegt seitdem kommissarisch bei seinen Stellvertretenden. Wer auf Haldenwang folgt, ist noch nicht bekannt.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/05/20/entlassung-von-verfassungsschutz-thomas-haldenwang-kein-bezug-zu-afd-gutachten-oder-friedrich-merz/
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Drei Stimmen von derselben Person? Kein Wahlbetrug bei Kanzlerwahl
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Weil eine Person bei der Kanzlerwahl am 6. Mai drei Stimmen in die Urne warf, vermuten einige Wahlbetrug. Dabei ist die Erklärung ganz simpel. von Steffen Kutzner Unter einem viralen Tiktok-Video, in dem ein Mann bei der Bundeskanzlerwahl am 6. Mai 2025 drei Stimmzettel in die Urne wirft, sammeln sich Kommentare, die den Vorgang hinterfragen: „Wieso darf man dreimal wählen?“ und „Die Wahl ist also ungültig wegen Betrug, also Neuwahlen oder net?“ Aber dass der Mann in dem dunklen Frack drei Stimmzettel abgibt, macht die Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler nicht ungültig – die Kleidung des Mannes verrät, warum. Unter dem Video schreibt der AfD-Bundestagsabgeordnete Kay-Uwe Ziegler: „Da ich an genau dieser Wahlurne gestern Dienst hatte, würde ich das kurz erklären. Es handelte sich um die drei Stimmzettel aus dem Präsidium. […] Ein Saaldiener gibt die unter Vorlage der persönlichen Wahlkarte in die Wahlurne.“ Im Video ist sichtbar, wie Ziegler den Wahlvorgang bewacht. Der Verbreiter des Videos nahm die Einordnung von Kay-Uwe Ziegler zur Kenntnis, löschte den Clip aber nicht. Indes griffen Dutzend andere Profile das Video auf Facebook, X und Telegram auf und spekulierten ebenfalls über Wahlbetrug. Die Aussage Zieglers bestätigt die Pressestelle des Bundestags auf Nachfrage. Demnach „bilden in einer Sitzung des Plenums die Bundestagspräsidentin und zwei Schriftführer den Sitzungsvorstand“. Diese drei Personen dürfen ihre Sitzplätze nicht verlassen, auch nicht für den Urnengang, daher übernimmt diese Tätigkeit ein sogenannter Plenar-Assistent. Die Saaldiener, wie sie umgangssprachlich genannt werden, erledigen kleine Aufgaben im Bundestag, überbringen etwa dringende Nachrichten an die Abgeordneten und legen wichtige Drucksachen aus. Dass sie für die Mitglieder des Sitzungsvorstands Stimmzettel überbringen oder an anderer Stelle bei Wahlen helfen, ist nicht ungewöhnlich. Auch bei namentlichen Abstimmungen zählen die Saaldiener etwa die Stimmen aus. Der Frack, der im Video zu sehen ist, ist die traditionelle Bekleidung der Saaldiener. Einige, die die Falschbehauptung verbreiten, betonen, dass Bundestagspräsidentin Julia Klöckner von 618 abgegebenen Stimmzetteln sprach, aber von nur 613 anwesenden Mitgliedern. Das sei ein weiterer Beleg für den „Kanzlerwahlbetrug“. Wie die österreichische Nachrichtenagentur APA in einem Faktencheck berichtete, hatte sich Klöckner bei der Verkündung der Mitgliederzahl im zweiten Wahldurchgang jedoch schlicht versprochen: Sie sprach von 613 Mitgliedern im Bundestag, korrekt waren aber 630 Mitglieder. Im Protokoll ist die korrekte Zahl notiert (Seite 8). Ein Beleg für Wahlbetrug ist das also nicht. Redigatur: Sarah Thust, Kimberly Nicolaus
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Kimberly Nicolaus
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Weil eine Person bei der Kanzlerwahl drei Stimmen in die Urne warf, vermuten einige Wahlbetrug. Das ist falsch, der Mann ist ein Saaldiener.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2025-05-13T16:09:57+02:00
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2025-05-13T16:09:57+02:00
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2025-06-05T13:38:50+02:00
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Es sei Wahlbetrug, dass eine Person bei der Bundeskanzlerwahl 2025 drei Stimmzettel in die Wahlurne eingeworfen habe.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2025-06-05 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@hebel809/video/7501341315767029014
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Falsch
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Falsch. Die drei Stimmzettel wurden von einem Saaldiener eingeworfen und gehören dem dreiköpfigen Sitzungsvorstand, der seinen Platz während der Sitzung nicht verlassen darf.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/05/13/drei-stimmen-von-derselben-person-kein-wahlbetrug-bei-kanzlerwahl/
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Verfassungsschutz kann Einstufung unabhängig vom Verfassungsgericht vornehmen
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Online stellen Nutzerinnen und Nutzer in Frage, ob der Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bewegung“ einstufen durfte. Angeblich müsse erst das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsfeindlichkeit feststellen. Das stimmt nicht. von Matthias Bau Am 2. Mai 2025 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Das begründete das Amt damit, dass das in der Partei „vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis“ nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar sei. Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen. Gegen die Einstufung durch den Verfassungsschutz reichte die AfD am 5. Mai Klage ein. Daraufhin gab der Verfassungsschutz am 8. Mai eine sogenannte „Stillhaltezusage“ ab: Bis der Fall vor Gericht geklärt sei, werde das Amt die Partei offiziell weiterhin als Verdachtsfall führen und die Aussage öffentlich nicht wiederholen, dass es die AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung einstufe. Infolgedessen wurde auch die Pressemitteilung des Amtes über die Einstufung von dessen Webseite entfernt. Online schreibt ein Instagram-Account, der behauptet, über „Zeitgeschehen“ zu berichten derweil: Der Verfassungsschutz dürfe politische Parteien ohnehin nur dann einstufen, wenn es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gebe, das die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei feststelle. Das ist falsch. Die Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz regelt das Bundesverfassungsschutzgesetz. Darin ist festgelegt, dass das Amt dem Bundesinnenministerium untersteht (Paragraf 2). Nach Paragraf 16 ist es die Pflicht des Verfassungsschutzes, die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten zu unterrichten, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Dafür darf der Verfassungsschutz auch personenbezogene Daten bekannt geben, „wenn die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhangs oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppierungen erforderlich ist und die Interessen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegen“. Voraussetzung für eine Einstufung ist laut Paragraf 4 aber nicht, was das Bundesverfassungsgericht sagt, sondern „das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte“. Diese sieht der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in „konkreten, in gewissem Umfang verdichteten Umständen, die bei vernünftiger Betrachtung auf das Vorliegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen hindeuten“. Eine „Gewissheit“ sei dafür nicht notwendig, gleichzeitig würden bloße Vermutungen aber nicht ausreichen. Wird eine Partei als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, bedeutet das erstmal, dass der Verfassungsschutz seine Entscheidung öffentlich macht. Je nach Einstufung darf der Verfassungsschutz unterschiedliche nachrichtendienstliche Mittel einsetzen – und je höher die Einstufung, desto eher wird er eingreifen, wie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags beschreibt. Ob eine Partei verboten wird oder nicht, liegt nicht in der Hand des Verfassungsschutzes, sondern beim Bundesverfassungsgericht. Das Grundgesetz hat Parteiverbotsverfahren dem Bundesverfassungsgericht zugewiesen. Laut Webseite des Gerichts ist so gewährleistet, „dass ein unabhängiges Gericht alleine nach verfassungsrechtlichen Maßstäben entscheidet“. Wird eine Partei vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, kann das als Beweis in das Verfahren einfließen. Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist im Vergleich zum Verbot das „mildere Mittel“, schrieb etwa auch das Verwaltungsgericht Köln schon 2004. Das Bundesverfassungsgericht prüft auf Antrag des Bundestages, des Bundesrats oder der Bundesregierung in einem eigenen Verfahren, ob eine Partei verfassungsfeindlich ist und verboten werden kann. Das legen die Paragrafen 43 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und 21 des Grundgesetzes fest. Ein Verbot sprach das Gericht bisher erst zweimal aus: 1952 gegen die Sozialistische Reichspartei und 1956 gegen die Kommunistische Partei Deutschlands. 2017 stellt das Gericht zwar die Verfassungsfeindlichkeit der Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD, jetzt „Die Heimat“) fest, da die Partei aber keine Aussicht darauf habe, ihre Ziele auch durchzusetzen, sprach das Verfassungsgericht kein Verbot aus. Der Instagram-Account antwortete nicht auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck. Redigatur: Sarah Thust, Gabriele Scherndl
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Matthias Bau
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Anders als online behauptet, kann das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Partei unabhängig von einem Urteil des Gerichts beurteilen.
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"Debatte um AfD-Verbot",
"Faktencheck",
"Politik"
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Debatte um AfD-Verbot
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2025-05-13T15:31:34+02:00
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2025-05-13T15:31:34+02:00
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2025-06-12T10:59:21+02:00
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Das Bundesverfassungsgericht müsse die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei feststellen, bevor das Bundesamt für Verfassungsschutz eine politische Partei einordnen oder beurteilen dürfe.
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Instagram-Beitrag
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2025-07-05 00:00:00
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https://www.instagram.com/reel/DJVyhFkIsa5/
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Falsch
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Falsch. Das Bundesamt für Verfassungsschutz nimmt seine Beurteilung und Einstufung von Parteien unabhängig von Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes vor.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/05/13/verfassungsschutz-kann-einstufung-unabhaengig-vom-verfassungsgericht-vornehmen/
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Kanzlerwahl: Grünen-Politiker Dzienus postete Foto des Wahlausweises, nicht der Stimmkarte
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Ein Foto des Grünen-Politikers Timon Dzienus sorgte am Tag der Kanzlerwahl für Aufregung: Angeblich soll er seine Stimme ungültig gemacht haben, weil er ein Selfie mit der Stimmkarte veröffentlichte. Das stimmt nicht. von Paulina Thom Ein Foto des Grünen-Politikers und Bundestagsabgeordneten Timon Dzienus schaffte es am 6. Mai 2025 in den Live-Ticker der Bild zur Kanzlerwahl von Friedrich Merz: Dzienus veröffentlichte nach dem ersten Wahlgang ein Selfie von sich mit einem orangen Zettel in der Hand mit der Aussage „Gerade gegen Friedrich Merz gestimmt“. Bild schrieb dazu, Dzienus stecke hinter der einen ungültigen Stimme beim ersten Wahlgang, weil er ein Foto des Stimmzettels veröffentlichte. Auch andere Nutzer behaupteten, Dzienus habe mit dem Foto seine Stimme ungültig gemacht. Der Hamburger FDP-Politiker Gert Wöllmann schrieb auf X zu dem Foto, „Ordnungsstrafe für Bild mit Stimmkarte: 1.000€“. Sein Beitrag wurde mehr als eine halbe Million Mal angezeigt. Doch sowohl Bild als auch Wöllmann nahmen ihre Behauptung zurück. Auf dem Foto zeigt Dzienus keinen Stimmzettel, sondern seinen Wahlausweis, was deutlich auf der orangen Karte zu lesen ist. Diesen Wahlausweis benötigen Abgeordnete, um ihre Stimme abgeben zu können, wie Bundestagspräsidentin Julia Klöckner vor der Wahl erklärte (Seite 42): „Bevor Sie den Wahlumschlag in eine der Wahlurnen werfen, müssen Sie Ihren Wahlausweis einer der Schriftführerinnen oder einem der Schriftführer an der Wahlurne übergeben. Der Nachweis der Teilnahme an der Wahl kann nur durch die Abgabe dieses Wahlausweises erbracht werden.“ Die Bild löschte ihren Beitrag im Live-Ticker und veröffentlichte einen Hinweis, auch der Focus musste einen entsprechenden Artikel korrigieren und FDP-Politiker Wöllmann berichtigte in einem Kommentar: „Nachtrag: Timon hält hier den Wahlausweis in die Kamera, nicht seine Stimmkarte.“ Wie auch bei anderen Wahlen, wie wir etwa hier berichteten, verletzt das Fotografieren oder Filmen der ausgefüllten Stimmkarte in der Wahlkabine das Wahlgeheimnis. Das erklärte auch Klöckner bei der Kanzlerwahl – den Wahlausweis erwähnte sie hierbei aber nicht. Eine Aufnahme des Stimmzettels könne Ordnungsmaßnahmen nach sich ziehen, sagte die Bundestagspräsidentin. Laut der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags kann dies etwa ein Ordnungsgeld von 1.000 Euro sein. Einen solchen Fall gab es 2018, als der AfD-Abgeordnete Petr Bystron seinen Stimmzettel fotografierte und veröffentlichte – ungültig wurde die Stimme dadurch aber nicht. Ungültig seien, wie Klöckner ebenfalls erklärte, Stimmen auf nichtamtlichen Stimmkarten sowie Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, kein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten. Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Redigatur: Max Bernhard, Gabriele Scherndl
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Paulina Thom
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Online heißt es, Timon Dzienus habe durch ein Foto seine Stimme bei der Kanzlerwahl ungültig gemacht. Das stimmt nicht.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-05-09T16:13:37+02:00
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2025-05-09T16:13:37+02:00
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2025-05-09T16:13:37+02:00
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Der Grünen-Politiker Timon Dzienus habe bei der Kanzlerwahl am 6. Mai 2025 seine Stimme ungültig gemacht, indem er ein Foto von sich und seiner Stimmkarte veröffentlichte.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2025-06-05 00:00:00
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https://x.com/NiklasWenzel_/status/1919784172727513552
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Falsch
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Falsch. Auf dem Foto ist keine Stimmkarte, sondern der Wahlausweis zu sehen. Durch das Verbreiten eines Fotos davon wird die Stimme nicht ungültig. Auch ein öffentliches Foto der Stimmkarte würde die Stimme nicht ungültig machen, es wäre aber eine Ordnungswidrigkeit.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/05/09/kanzlerwahl-gruenen-politiker-dzienus-postete-foto-des-wahlausweises-nicht-der-stimmkarte/
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Versprochene Hilfe fürs Ahrtal: Sharepic verwendet alte Zahlen
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Online verbreiten sich angebliche Zahlen zu Hilfsgeldern aus dem Aufbaufonds für das Ahrtal. Demnach sollen nur 0,8 der 15 Milliarden Euro versprochener Hilfsgelder ausgezahlt worden sein. Doch die Zahlen sind veraltet. von Paulina Thom „Ahrtal: Das Geld kam nie an“, heißt es in einem Tiktok-Beitrag vom 24. April 2025. Darunter eine Auflistung: Von 15 Milliarden Euro versprochener Hilfe seien erst 1,6 Milliarden Euro bewilligt und nur 0,8 Milliarden Euro ausgezahlt worden. Dieselben Zahlen kursierten bereits im September 2023 auf einem Sharepic, das tausendfach auf Facebook geteilt wurde und ursprünglich von der AfD Nordrhein-Westfalen stammt. In Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen kam es im Juli 2021 zu einer Hochwasserkatastrophe. Das Ahrtal in Rheinland-Pfalz war besonders betroffen, 135 Menschen starben dort. Im September 2021 beschloss der Bundestag den Fonds „Aufbauhilfe 2021“, der insgesamt 30 Milliarden Euro zum Wiederaufbau umfasste. Die Summe von 15 Milliarden Euro versprochener Hilfe auf dem Sharepic ist korrekt, so steht es auch auf der Webseite der Landesregierung von Rheinland-Pfalz. Laut der Aufbauhilfeverordnung waren 2 der bis zu 30 Milliarden Euro Sondervermögen für den Wiederaufbau der Bundesinfrastruktur gedacht, von den verbliebenen 28 Milliarden Euro erhielt das Bundesland etwa 55 Prozent zugewiesen. Doch woher stammen die anderen Zahlen auf dem Sharepic? Im März 2023 berichtete die ARD, dass auf Anfrage bei der Landesregierung erst fünf Prozent der versprochenen Hilfen, also circa 0,8 Milliarden Euro, ausgezahlt worden seien. Im Juli 2023 berichtete auch die Bild, dass erst fünf Prozent der Hilfen ausgezahlt worden seien, 1,6 Milliarden seien jedoch bewilligt worden. Die Zahlen aus dem Sharepic stammen vermutlich von dort. Sie decken sich grob mit Angaben aus einem Bericht der Landesregierung an den Landtag, der den Stand Ende Juni 2023 wiedergibt. Demnach waren etwas mehr als 1,6 Milliarden Euro bewilligt und knapp 1 Milliarde ausgezahlt worden – also etwa 6,5 Prozent der versprochenen Hilfen. Die Zahlen auf dem Sharepic geben also einen veralteten Stand wieder. Ende 2023 waren es bereits knapp 1,3 Milliarden Euro, im Mai 2024 mehr als 1,5 Milliarden Euro, wie aus einer Tabelle einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU hervorgeht. Wir haben die Landesregierung nach den aktuellen Werten gefragt. Aus dem Ministerium des Innern antwortete uns Pressesprecherin Sarah Heil: „Stand Ende März 2025 wurden über alle Förderbereiche 2,9 Milliarden Euro bewilligt. 1,9 Milliarden Euro davon sind ausgezahlt.“ Die Bewilligungsquote der bislang fast 20.000 Anträge betrage mehr als 95 Prozent, schreibt Heil. Die Bewilligungsquote ist relevant, denn die Summe der ausgezahlten Hilfsgelder hängt davon ab, wie viele Menschen, Unternehmen und Kommunen überhaupt einen entsprechenden Antrag gestellt haben. Heil ergänzt: Aktuell lasse sich nicht auf die voraussichtliche Gesamtsumme der Aufbauhilfen schließen, denn es sei nicht absehbar, wie viele Anträge noch gestellt werden, in welchem Ausmaß Versicherungen für den Schaden von Betroffenen aufkommen werden und inwiefern Schäden durch Spenden und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer bereits abgedeckt worden seien. Im Hinblick auf Privatpersonen zeigt eine Umfrage des SWR von Juli 2024: 15 Prozent der Befragten im Ahrtal haben Aufbauhilfe erhalten, 8 Prozent haben sich erfolglos darum bemüht – 68 Prozent der betroffenen Befragten haben keinen Antrag auf Hilfe gestellt. Dennoch bewerten mehr als die Hälfte der Befragten den Fortschritt des Wiederaufbaus des privaten Eigentums als bereits abgeschlossen (45 Prozent) oder weit vorangekommen (19 Prozent). Aus der Umfrage geht auch hervor: 24 Prozent der Befragten haben Erstattungen durch ihre Versicherung erhalten, bei jedem zweiten von ihnen hat die Versicherung die Schadenssumme entweder zu großen Teilen oder komplett übernommen. Die Landesregierung verwies in Antworten auf kleine Anfragen 2022 und 2023 auf weitere Ursachen, warum bislang insgesamt wenig Hilfsgelder geflossen sind: So müssten Privatpersonen für weitere Mittelabrufe aus dem Fonds Baufortschritte nachweisen. Dies sei wegen der „anhaltenden Hochkonjunktur der Bauwirtschaft, des Personalmangels in Handwerksberufen sowie der regional stark erhöhten Sondernachfrage im Ahrtal“ schwierig. Für die Kommunen wiederum sei der Wiederaufbau eine komplexe Aufgabe, die Zeit brauche. Manche Kommunen hätten das Geld vorgestreckt und würden es erst im Nachhinein anfordern. Mehrere Medien berichteten zudem über hohe bürokratische Hürden und viele Auflagen bei den Anträgen für Privatpersonen und Kommunen sowie überlastete Verwaltungen. Redigatur: Steffen Kutzner, Max Bernhard
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Paulina Thom
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Anders als online behauptet, sind mehr als 0,8 Milliarden Euro Hilfe für das Ahrtal ausgezahlt worden.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-05-06T15:32:12+02:00
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2025-05-06T15:32:12+02:00
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2025-05-06T15:32:12+02:00
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Im Ahrtal seien von 15 Milliarden Euro versprochener Hilfsgelder erst 1,6 Milliarden Euro bewilligt und nur 0,8 Milliarden Euro ausgezahlt worden.
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Tiktok-Beitrag
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2025-04-24 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@melanieboenick/video/7496720696601513238
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Fehlender Kontext
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Fehlender Kontext. Die Angaben sind aus 2023. Laut rheinland-pfälzischem Innenministerium wurden bis Ende März 2025 mehr als 2,9 Milliarden Euro bewilligt, 1,9 Milliarden Euro davon sind ausgezahlt.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/05/06/versprochene-hilfe-fuers-ahrtal-sharepic-verwendet-alte-zahlen/
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Annalena Baerbock weinte nicht wegen Alice Weidel, sondern bei Holocaust-Gedenk-Rede
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Auf Tiktok kursiert ein manipulativer Zusammenschnitt von Szenen, die sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Bundestag abspielten. Anders als dargestellt, weinte Außenministerin Annalena Baerbock nicht bei einer Rede von Alice Weidel. von Kimberly Nicolaus Mehr als 35.000 Tiktok-Profilen gefällt, dass Annalena Baerbock, die bald aus dem Amt scheidende Außenministerin, bei einer Rede der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel im Bundestag, geweint haben soll. Diesen Eindruck erweckt ein 20-sekündiges virales Tiktok-Video Ende März 2025. Andere Profile kopierten das Video und verbreiten es noch immer weiter. Der Videoausschnitt von Alice Weidels Rede im Bundestag stammt von der Generaldebatte zum Bundeshaushalt am 31. Januar 2024. Das Plenarprotokoll und eine Aufnahme des Fernsehsenders Phoenix belegen, dass Weidel sagte: „Sie können Deutschland nicht gut regieren, und Sie wollen es nicht. Sie richten es zugrunde. Und ich sage Ihnen auch, warum: Weil Sie Ihr eigenes Land, weil Sie Deutschland hassen.“ Ginge es nach dem Tiktok-Video, hätte Baerbock an dieser Stelle geweint, bevor Weidel weiter sagt: „Diese Regierung hasst Deutschland. Akzeptieren Sie wenigstens die Möglichkeit eines demokratischen Machtwechsels, und machen Sie den Weg frei für Neuwahlen.“ Doch die Realität sieht anders aus. In der oberen rechten Ecke des Tiktok-Videos sind das Wort „live” und die Uhrzeit 13:03 Uhr zu lesen, in der oberen linken Ecke ist das Symbol des Deutschen Bundestags erkennbar. Demnach stammt das Video aus dem Parlamentsfernsehen vom 31. Januar 2024 und ist auf der Webseite des Deutschen Bundestags abrufbar. An der Stelle, an der im Tiktok-Video Annalena Baerbock eingeblendet wird, zeigt die Originalaufnahme eine Schrägsicht auf Weidel und die Abgeordneten in erster und zweiter Reihe neben der damaligen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und den Schriftführenden. Über eine Stichwortsuche bei Youtube findet sich die gezeigte Aufnahme von Baerbock. Berichte mehrerer Medien zeigen, dass Baerbock die Tränen kamen, als Sportjournalist Marcel Reif als Gastredner im Bundestag über seinen Vater sprach, der den Holocaust nur knapp überlebt hatte. Reif zitierte ihn mit den Worten: „Sei ein Mensch.“ Wir haben den mutmaßlichen Erstverbreiter des Tiktok-Videos gefragt, ob er vorhat, seinen Beitrag zu korrigieren oder zu löschen. Vor Veröffentlichung erhielten wir jedoch keine Antwort. Redigatur: Paulina Thom, Matthias Bau
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Kimberly Nicolaus
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Ein virales Tiktok-Video soll Annalena Baerbock weinend bei einer Rede von Alice Weidel zeigen. Doch das Video ist manipuliert.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-04-30T12:30:09+02:00
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2025-04-30T12:30:09+02:00
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2025-05-19T13:43:07+02:00
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Ein Video zeige, wie Annalena Baerbock bei einer Rede von Alice Weidel weine.
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viralem Tiktok-Beitrag
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2025-03-25 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@best.breaking.news/video/7485750969020550422
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Manipuliert
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Manipuliert. Das Video ist ein manipulativer Zusammenschnitt aus Szenen vom 31. Januar 2024 im Deutschen Bundestag. Berichte mehrerer Medien belegen, dass Annalena Baerbock bei der Holocaust-Gedenk-Rede des Sportjournalisten Marcel Reif weinte.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/04/30/annalena-baerbock-weinte-nicht-wegen-alice-weidel-sondern-bei-holocaust-gedenk-rede/
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Virale Videos verbreiten falsche Behauptungen über angebliche Neuwahl am 6. Mai 2025
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Laut einiger Videos, die sich vor allem auf Tiktok und Youtube verbreiten, sind für den 6. Mai 2025 Neuwahlen geplant. Das ist jedoch laut Grundgesetz gar nicht möglich. An dem Tag soll eine andere Wahl stattfinden. von Steffen Kutzner Bundestagswahlen finden in Deutschland immer an Sonntagen statt. Dennoch wird in etlichen Videos auf Youtube und Tiktok behauptet, dass es am 6. Mai 2025, einem Dienstag, Neuwahlen gebe. Das ist frei erfunden und obendrein laut Grundgesetz gar nicht möglich. Neuwahlen des Bundestages kann es nur in zwei Fällen geben, wie uns die Pressestelle der Bundeswahlleiterin schrieb: Wenn der Bundeskanzler nicht mit der absoluten Mehrheit der Abgeordneten gewählt wurde, oder wenn die sogenannte Vertrauensfrage scheitert. Beides ist aktuell nicht der Fall. Nachdem Olaf Scholz im Dezember 2024 die Vertrauensfrage stellte und scheiterte, kam es am 23. Februar zu Neuwahlen. Im neu gewählten 21. Bundestag sind die CDU, die AfD und die SPD die Parteien mit den meisten Sitzen. CDU und SPD nahmen Sondierungsgespräche auf und erarbeiteten einen Koalitionsvertrag, über den die Mitglieder der SPD noch bis zum 29. April um 23:59 Uhr abstimmen können. Stimmen sie dem Koalitionsvertrag zu, soll am 6. Mai die Kanzlerwahl stattfinden. Klar ist also: Der Bundestag hat noch keinen neuen Bundeskanzler, der die Vertrauensfrage stellen könnte und da die Wahl eben noch nicht stattfand, kann der Kanzler auch nicht mit zu geringer Mehrheit gewählt worden sein. Somit ist die Auflösung des Bundestags und eine anschließende Neuwahl ausgeschlossen. Eine Neuwahl des Bundestages findet am 6. Mai nicht statt. Das bestätigte uns auch die Bundeswahlleitung per E-Mail. Redigatur: Matthias Bau, Viktor Marinov
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Sarah Thust
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Laut einiger Videos, die sich vor allem auf Tiktok verbreiten, sind für den 6. Mai 2025 Neuwahlen geplant. Das ist jedoch gar nicht möglich.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-04-29T16:29:42+02:00
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2025-04-29T16:29:42+02:00
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2025-04-29T16:29:42+02:00
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Für den 6. Mai 2025 seien Neuwahlen geplant.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2025-04-21 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@fan.brandon.shepherd_/video/7495676238128811286
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Falsch
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Falsch. Bevor der Bundestag neu gewählt werden kann, müsste er zunächst aufgelöst werden, was nicht geschehen ist. Das kann nach dem Grundgesetz nur in zwei spezifischen Fällen passieren, die beide von einem gewählten Bundeskanzler abhängen – der neue Bundestag hat den nächsten Kanzler aber noch gar nicht gewählt.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/04/29/virale-videos-verbreiten-falsche-behauptungen-ueber-angebliche-neuwahl-am-6-mai-2025/
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Nein, die AfD hat Ende April 2025 keine Neuwahlen vor Gericht gesichert
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Während die Abstimmungen von Union und SPD über den Koalitionsvertrag noch laufen, heißt es in viralen Tiktok-Videos: Neuwahlen seien gesichert, weil die AfD vor Gericht gewonnen habe. Das stimmt nicht. von Kimberly Nicolaus Im April einigten sich Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag, über den die SPD-Mitglieder bis Ende des Monats abstimmen. Der CDU-Bundesausschuss stimmte bereits für den Vertrag. Tage zuvor zeichneten mehrere Tiktok-Videos jedoch ein anderes Bild: Darin ist die Rede von angeblichen Neuwahlen. „Eilmeldung!!! Die AfD gewinnt vor Gericht und sichert Neuwahlen!“, heißt es. Die Videos erreichten knapp eine Million Aufrufe und verbreiteten sich auch auf Instagram. Eine Nutzerin kommentierte: „Hoffentlich stimmt das.“ Andere fragten nach der Quelle der Behauptung oder wollten wissen, wann die Neuwahlen sind. Anders als behauptet, gab es jedoch keinen solchen Sieg der AfD vor Gericht und damit auch keinen Beschluss für Neuwahlen. Schon die Tonspur der Videos verrät, dass an der Behauptung etwas nicht stimmt. Die mutmaßlich mit Künstlicher Intelligenz generierte Stimme führt keinerlei Belege dafür an, dass die AfD vor Gericht gewonnen habe und es deshalb Neuwahlen gebe. Im Gegenteil: Das Wort „Gericht“ taucht in der Tonspur nicht einmal auf. Und: Es gibt auch keine Medienberichte über eine etwaige Neuwahl Ende April 2025. Wie die Bundeswahlleiterin auf ihrer Webseite informiert, ist das für Wahlprüfungsverfahren zuständige Gericht das Bundesverfassungsgericht. Hätte also die AfD vor Gericht gewonnen und Neuwahlen gesichert – wie behauptet wird – dann müsste es eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geben. Doch die gibt es nicht. Das Grundgesetz schreibt vor, dass das Bundesverfassungsgericht über Wahlprüfungsbeschwerden erst in zweiter Instanz entscheidet. Zuvor liegt der Einspruch beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestags und dessen Abgeordnete stimmen darüber ab. Wie das Pressereferat des Bundestags auf Anfrage mitteilt, werden die 994 eingegangenen Einsprüche zur Bundestagswahl 2025 vom Wahlprüfungsausschuss des 21. Deutschen Bundestags geprüft und dieser müsse vom Plenum noch gewählt werden (Stand: 28. April 2025). Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen den Beschluss des Bundestags kann dann laut Bundesverfassungsgerichtsgesetz innerhalb von zwei Monaten eingereicht werden. Dass es jetzt schon ein Gerichtsurteil über Wahlprüfungsbeschwerden zur Bundestagswahl 2025 gibt, ist demnach ausgeschlossen. Am 3. Februar 2025 hat das Bundesverfassungsgericht eine ältere Beschwerde der AfD verworfen. Darin ging es um einen Einspruch zur Bundestagswahl 2021, der vom Bundestag auf Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses bereits am 30. März 2023 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die AfD begründete damals ihren Einspruch damit, dass die Zusammensetzung der Grünen-Bundestagsfraktion insbesondere wegen des Frauenstatuts „nicht auf verfassungsmäßige Art und Weise“ zustande gekommen sei. Laut Wahlprüfungsausschuss gilt jedoch: „Die Aufstellung verbindlicher Quotenregelungen durch Parteistatut ist Ausdruck der nach Artikel 21 Absatz 1 Satz 3 GG gewährleisteten Parteienfreiheit.“ Daher seien Frauenquoten in Parteisatzungen wahlrechtlich zulässig, wie unterschiedliche Wahlprüfungsausschüsse zum Beispiel schon 2014 und 2006 erklärten. Nun hat die AfD erneut Beschwerde gegen das Frauenstatut der Grünen eingereicht. Anders als in weiteren viralen Videos auf Tiktok behauptet, gibt es dazu bislang aber keine Gerichtsentscheidung. Redigatur: Max Bernhard, Paulina Thom
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Kimberly Nicolaus
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Laut viralen Tiktok-Videos habe die AfD vor Gericht Neuwahlen gesichert. Doch es gibt kein solches Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-04-29T13:41:15+02:00
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2025-04-29T13:41:15+02:00
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2025-04-29T13:41:15+02:00
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Die AfD habe vor Gericht gewonnen und Neuwahlen gesichert.
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viralen Tiktok-Beiträgen
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2025-04-19 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@strohhut123/video/7494776323643165974
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Falsch
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Falsch. Es gibt kein solches Urteil des zuständigen Bundesverfassungsgerichts.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/04/29/nein-die-afd-hat-ende-april-2025-keine-neuwahlen-vor-gericht-gesichert/
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Gerichtsurteil zum Ende des Ukraine-Kriegs? Keine Belege für angebliche Äußerung von Alice Weidel
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Videos auf Tiktok zufolge hat Alice Weidel gesagt, laut einer Gerichtsentscheidung sei in der Ukraine kein Krieg mehr und 1,5 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer müssten in ihre Heimat zurück. Doch weder für die angebliche Aussage Weidels noch die Gerichtsentscheidung finden sich irgendwelche Belege. von Max Bernhard „Gericht hat entschieden: In Ukraine ist kein Krieg mehr“, heißt es im April in Videos auf Tiktok. Eineinhalb Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer müssten jetzt zurück in ihr Heimatland, heißt es weiter. Laut den Beiträgen mit teils mehr als 150.000 Ansichten und hunderten Kommentaren soll diese Aussage von AfD-Parteichefin Alice Weidel stammen. In den Kommentaren drücken Unterstützerinnen und Unterstützer der Rechtsaußen-Partei ihre Zustimmung aus, andere kritisieren die Russland-freundliche Politik der AfD. Und einige Fragen nach einer Quelle für die Behauptung. Die Beiträge lassen offen, wo Weidel davon gesprochen haben soll und von welchem Gericht die Entscheidung stammen soll. Im Internet finden sich keine Belege dafür. Eines der Tiktok-Profile, die das angebliche Zitat Weidels verbreiten, teilte eine ähnliche Behauptung schon im November 2024. Darin ist von einer Sondersitzung der AfD am 15. November die Rede. Google-Suchen liefern jedoch keine Hinweise, dass es an diesem Tag überhaupt eine Sondersitzung der Partei gab. Auch auf Weidels Profilen in Sozialen Netzwerken findet sich rund um das Datum keine Erwähnung einer Sondersitzung, eines Gerichtsurteils oder eines Endes des Ukraine-Krieges. Insgesamt finden sich keine Medienberichte zu so einer Aussage Weidels oder einem solchen Gerichtsurteil. Auch auf dem Infoportal des Bundesamtes für Migration „Germany4ukraine“ steht nichts von einem Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus der Ukraine. Deutschland hat seine Bedingungen für ukrainische Geflüchtete zwar im November 2024 verschärft, einen Zwang zur Rückkehr – wie in den Videos behauptet – gibt es jedoch nicht. So erhalten Ukrainerinnen und Ukrainer weiterhin Schutzstatus, allerdings wird dieser Personen, die bereits in einem anderen Land ein Aufenthaltsrecht haben und sich dort aufhielten, nicht mehr gewährt. Die beiden Tiktok-Profile antworteten nicht auf Nachfragen zu der Quelle oder dem Wahrheitsgehalt ihrer Beiträge. Anfragen von CORRECTIV.Faktencheck an die Pressestellen der AfD, der AfD-Bundestagsfraktion, Weidels Pressesprecher Markus Frohnmaier und Alice Weidel blieben unbeantwortet. Die USA wollen ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine vermitteln und haben dafür Mitte April einen konkreten Vorschlag gemacht, den die Nachrichtenagentur Reuters am 25. April in Gänze veröffentlichte. Der US-Sondergesandte Steve Witkoff soll ihn Vertretern der Ukraine und führender europäischer Staaten am 17. April in Paris unterbreitet haben. Laut dem Vorschlag würde die Ukraine weitreichende Gebiete verlieren, die über die von Russland seit 2014 völkerrechtswidrig annektierte Krim hinausgehen. Reuters veröffentlichte außerdem einen Gegenvorschlag der Ukraine und Europas. Demnach sollten Gebietsverhandlungen erst nach einem vereinbarten Waffenstillstand stattfinden, und zwar auf Basis der aktuellen Kontrolllinie. Ungeachtet der Verhandlungen mit den USA greift Russland die Ukraine weiter massiv an. Laut dem Mediendienst Integration leben rund 1,2 Millionen ukrainische Schutzsuchende in Deutschland (Stand 1. März 2025). Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier. Redigatur: Paulina Thom, Sarah Thust
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Max Bernhard
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Auf Tiktok heißt es, Alice Weidel habe gesagt, ein Gericht habe entschieden, der Ukraine-Krieg sei zu Ende. Dafür gibt es keine Belege.
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"Faktencheck",
"Politik",
"Russland/Ukraine"
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Politik
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2025-04-28T17:49:02+02:00
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2025-04-28T17:49:02+02:00
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2025-04-28T19:16:39+02:00
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Alice Weidel habe gesagt, ein Gericht habe entschieden, dass in der Ukraine kein Krieg mehr sei, deswegen müssten 1,5 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer in ihre Heimat zurück.
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Tiktok-Videos
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2025-09-04 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@mariodeldjs/video/7491181947855703318
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Unbelegt
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Unbelegt. Weder für die angebliche Aussage Alice Weidels, noch für eine solche Gerichtsentscheidung finden sich Belege.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/04/28/gerichtsurteil-zum-ende-des-ukraine-kriegs-keine-belege-fuer-angebliche-aeusserung-von-alice-weidel/
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Rente mit 57 Jahren? Online kursiert falsche Behauptung zu ukrainischen Geflüchteten in Deutschland
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Geflüchtete aus der Ukraine sollen angeblich zehn Jahre früher als Deutsche in Rente gehen dürfen und das, ohne einzuzahlen. Beides stimmt nicht. von Paulina Thom Seit rund drei Jahren heißt es regelmäßig in Sozialen Netzwerken, ukrainische Geflüchtete in Deutschland würden von einer angeblichen Sonderregelung bei der Rente profitieren. Im Unterschied zu Deutschen, die bis 67 Jahren arbeiten müssten, dürften ukrainische Frauen bereits mit 57,5 Jahren und Männer mit 60 Jahren in Rente gehen, heißt es. Außerdem würden sie eine Rente erhalten, obwohl sie hier niemals in die Rentenkasse eingezahlt hätten. Aktuelle Beiträge mit der Behauptung kursieren auf Facebook und Tiktok und erreichen teils über hunderttausend Aufrufe. In den Kommentaren herrscht Unverständnis, manche Nutzerinnen und Nutzer sind wütend auf die geschäftsführende Regierung oder die „Altparteien“. Doch es gibt keine solche Sonderregelung bei der Rente für ukrainische Geflüchtete und sie ist laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auch nicht geplant. In manchen Beiträgen wird als Quelle für die angebliche Sonderregelung eine Angabe des MDR genannt. Wir berichteten darüber im Mai 2022. Der Sender teilte damals in einem Kommentar der Facebook-Seite von „MDR Investigativ“ die falsche Information, löschte den Kommentar später und korrigierte diesen mehrfach. Die Falschinformation kursierte bereits einige Wochen zuvor: Wir fanden sie erstmals in einem Beitrag auf Telegram vom 13. April 2022 – damals hieß es fälschlicherweise, die Ampel-Koalition habe dies so entschieden und eine entsprechende Anweisung an die Jobcenter verschickt. Trotz der Richtigstellung durch den MDR hält sich die Behauptung weiter hartnäckig im Netz. Im September 2023 reagierte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) mit einem eigenen Faktencheck – Gundula Sennewald aus der Pressestelle der DRV schreibt uns auf Nachfrage, dass dieser inhaltlich weiter Bestand hat. Demnach ist es falsch, dass ukrainische Geflüchtete in Deutschland bis zu zehn Jahre früher Rente erhalten als Deutsche. „Für den Bezug einer deutschen Rente gilt für Ausländer dasselbe Rentenrecht und dasselbe Renteneintrittsalter wie für deutsche Staatsbürger“, heißt es im Faktencheck. Ukrainische Geflüchtete können also – genau wie deutsche Staatsbürger – unter entsprechenden Abschlägen frühestens mit 63 Jahren in Rente gehen, sofern 35 Beitragsjahre vorliegen. Auch eine Sprecherin des BMAS schreibt uns auf Nachfrage: „Es gibt kein gesondertes Renteneintrittsalter für Ukrainerinnen und Ukrainer, die in Deutschland leben und es ist auch nichts derartiges geplant.“ Wir haben auch die CDU und die SPD, die sich im April 2025 auf einen Koalitionsvertrag geeinigt haben, angefragt. Von der SPD heißt es, die Behauptungen seien falsch, von der CDU erhielten wir bis zur Veröffentlichung keine Rückmeldung. Im Koalitionsvertrag findet sich eine solche Regelung jedenfalls nicht. Es stimmt auch nicht, dass ukrainische Geflüchtete eine Rente erhalten, obwohl sie in Deutschland keine Beiträge gezahlt haben. Grundsätzlich gilt: Jeder in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer zahlt in die DRV ein. Auch Ausländer können deutsche Rentenansprüche erwerben, wie der DRV im Faktencheck erklärt. Diese entstehen aber frühestens nach fünf Jahren Beitragszahlung und dem Erreichen des gesetzlich vorgeschriebenen Renteneintrittsalters. Arbeitszeit im Ausland kann auf die fünf Jahre Mindestversicherungszeit nur angerechnet werden, wenn es sich um ein EU-Mitgliedsland handelt oder das Land mit Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen hat. Seit Dezember 2023 gibt es Beitrittsverhandlungen mit der EU, EU-Mitglied ist die Ukraine aber nicht. Ein Sozialversicherungsabkommen wurde zwar 2018 von Deutschland unterzeichnet und 2020 beschlossen, jedoch bislang nicht von der Ukraine ratifiziert. Laut BMAS gibt es keine öffentlich bekannten Pläne oder Fristen seitens der ukrainischen Regierung, wann die Ratifizierung erfolgen soll. Nur bei einem sehr kleinen Personenkreis unter den ukrainischen Geflüchteten werden Arbeitszeiten in der Ukraine angerechnet, und zwar bei den nach dem Bundesvertriebenengesetz anerkannten Spätaussiedlern. Auch hier gelten laut DRV die „üblichen Altersgrenzen“. Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier. Redigatur: Max Bernhard, Gabriele Scherndl
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Paulina Thom
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Geflüchtete aus der Ukraine sollen angeblich zehn Jahre früher als Deutsche in Rente gehen dürfen und das, ohne einzuzahlen. Beides stimmt nicht.
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"Faktencheck",
"Migration",
"Politik",
"Russland/Ukraine"
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Migration
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2025-04-25T11:34:48+02:00
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2025-04-25T11:34:48+02:00
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2025-04-25T11:34:48+02:00
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Ab 1. Juni zahle Deutschland die Rente für geflüchtete Frauen aus der Ukraine ab 57,5 Jahren sowie Männer ab 60 Jahren. Deutsche müssten bis 67 arbeiten. Die in dieser Zeit erarbeiteten Rentenversicherungs-Beiträge würden an Menschen ausgereicht, die hier niemals eingezahlt hätten.
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Beiträgen auf Tiktok und Facebook
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2025-05-03 00:00:00
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https://www.facebook.com/sandy.hartmann.1441/posts/pfbid0hTAHVw8uJWs6VxPf1ZnXkrCX3xvFRi6kh2rH7YQvQHuV8RdFnkHnQYVvtXrT4CCal
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Falsch
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Falsch. Es gibt keine solche Sonderregelung für ukrainische Geflüchtete. Sie können genau wie Deutsche frühestens mit 63 in Rente gehen. Einen Rentenanspruch in Deutschland haben sie nur dann, wenn sie mindestens fünf Jahre Beiträge eingezahlt haben.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/04/25/rente-mit-57-jahren-online-kursiert-falsche-behauptung-zu-ukrainischen-gefluechteten-in-deutschland/
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Nach Tod von Papst Franziskus: Fake-Video mit Donald Trump kursiert erneut auf Tiktok
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Kaum verbreitet sich die Nachricht, dass Papst Franziskus gestorben ist, kursiert eine alte Falschbehauptung in Sozialen Netzwerken. Ein manipuliertes Comedy-Video soll zeigen, wie der Papst die Hand von Donald Trump ausgeschlagen habe. von Kimberly Nicolaus Papst Franziskus starb am Ostermontag 2025 an den Folgen eines Schlaganfalls, wie der Vatikan mitteilte. US-Präsident Donald Trump kündigte auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social an, er wolle zur Beerdigung anreisen. Doch wo das öffentliche Interesse groß ist, tauchen in Sozialen Netzwerken häufig auch Falschinformationen auf. Wer zum Beispiel auf Tiktok nach „Trump“ und „Papst” sucht, stößt mitunter auf ein manipuliertes Video mit Millionen von Aufrufen. Es erweckt fälschlicherweise den Eindruck, Trump habe versucht, die Hand des Papstes zu berühren und dieser habe den Versuch abgewehrt. Manche Nutzerinnen und Nutzer fragen, ob die Aufnahme echt ist. Eine Bilder-Rückwärtssuche mit einem Ausschnitt des Videos zeigt, dass das Video nicht aktuell ist. Medienberichten zufolge stammt es aus 2017. In den Beiträgen auf Tiktok ist unten rechts im Bild das Logo des US-Fernsehsenders CNN erkennbar. Mit diesen Hinweisen finden wir auf Youtube eine Folge der US-amerikanischen Late-Night-Show Jimmy Kimmel Live vom 25. Mai 2017. Darin ist dieselbe Szene sichtbar wie in den Videos auf Tiktok. Das Logo von Jimmy Kimmel Live ging bei der weiteren Verbreitung aber verloren. Ein Sprecher von CNN bestätigte The Dispatch schon 2022, dass das Video manipuliert sei. Die Szene war als Scherz gemeint: Während eine Aufnahme von Papst und dem US-Präsidenten eingeblendet werden, spricht Moderator Jimmy Kimmel über das vermeintlich kühle Verhältnis zwischen Trump und seiner Ehefrau Melania. Es folgt die Nahaufnahme, in der der Papst angeblich Trumps Hand ausschlägt – da kommentiert der Moderator: „Als Trump die Hand ausstreckte, wusste ich, dass er enttäuscht sein wird.“ Das Original-Video entstand bei dem ersten persönlichen Treffen des Papstes mit US-Präsident Trump im Vatikan am 24. Mai 2017. Es zeigt keine Nahaufnahme der Hände nebeneinander und auch keine Berührungsversuche, wie Aufnahmen der US-Nachrichtenagentur Associated Press zeigen. Das berichteten Medienhäuser in den USA bereits vor Jahren. Tiktok antwortete bislang nicht auf unsere Anfrage dazu, warum der jahrealte Fake weiterhin auf der Plattform kursiert. Redigatur: Sarah Thust, Gabriele Scherndl
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Sarah Thust
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Auf Tiktok geht ein Fake-Video von Papst Franziskus und Donald Trump viral. Es stammt aus einer Comedy-Show.
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"Faktencheck",
"Gesellschaft",
"Politik"
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Gesellschaft
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2025-04-23T11:44:20+02:00
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2025-04-23T11:44:20+02:00
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2025-05-06T13:13:44+02:00
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Ein Video zeige, wie US-Präsident Donald Trump die Hand von Papst Franziskus berührt und der Papst dessen Hand ausschlägt.
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viralen Tiktok-Videos
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2025-04-21 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@shigglenation/video/7495744372495977758
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Manipuliert
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Manipuliert. Das Video ist nicht echt. Eine Originalaufnahme der Nachrichtenagentur Associated Press zeigt, dass es bei dem Treffen von Papst Franziskus und Donald Trump 2017 zu keiner solchen Situation kam.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/04/23/nach-tod-von-papst-franziskus-fake-video-mit-donald-trump-kursiert-erneut-auf-tiktok/
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Jede Woche ein neues Kohlekraftwerk? Trump verbreitet Falschbehauptung über Deutschland
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Bei einer Pressekonferenz am 7. April behauptete Trump, in Deutschland werde jede Woche ein neues Kohlekraftwerk eröffnet, nachdem Windkraft und andere Energielösungen gescheitert seien. Das stimmt nicht. von Paulina Thom „Wie Sie wissen, eröffnet Deutschland jede Woche ein Kohlekraftwerk. Sie haben es mit Windrädern versucht, aber es hat nicht funktioniert. Sie haben alle anderen Lösungen ausprobiert und waren kurz vor der Pleite. Jetzt bauen sie jede Woche ein Kohlekraftwerk“ – das sagte US-Präsident Donald Trump am 7. April bei einer Pressekonferenz. Einen Tag später bekräftigte er die Behauptung, als er mehrere Dekrete zur Förderung der US-Kohleindustrie unterzeichnete. Doch stimmt das? Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) stellte laut Medienberichten auf Nachfrage klar: „Neue Kohlekraftwerke werden nicht errichtet. Hingegen wurden 2024 18 Kohlekraftwerke abgeschaltet.“ Zudem werde Deutschland bis spätestens 2038 aus der Kohleverbrennung aussteigen – das hat der Bundestag 2020 im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes beschlossen. Laut einer Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur war das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 das Kohlekraftwerk, das zuletzt in Deutschland gebaut wurde. Es ging 2020 in Betrieb. Auch die Angabe der Sprecherin des BMWK über 18 abgeschaltete Kohlekraftwerke 2024 lässt sich aus der Liste der Bundesnetzagentur verifizieren. Auf Nachfrage schreibt uns die Bundesnetzagentur, mit Stand November 2024 gebe es in Deutschland noch 90 Generatoren mit dem Energieträger Kohle. Zu einem Kohlekraftwerk können mehrere Generatoren gehören. Laut Statista waren in Deutschland im Februar 2025 noch 43 Kohlekraftwerke aktiv. Aus einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes geht zudem hervor, dass – anders als von Trump behauptet – die Windenergie in Deutschland 2024 brutto mit knapp 31,5 Prozent den meisten Strom erzeugte und ins Netz einspeiste. Insgesamt speisten die Erneuerbaren Energien 59,4 Prozent des Stroms ein, Stein- und Braunkohlekraftwerke dagegen etwa 22,5 Prozent. Laut Statistischem Bundesamt dominierten bis 2022 konventionelle Energieträger, seit 2023 werde jedoch mehr Strom durch Erneuerbare Energien erzeugt: „Im Jahr 2024 wurde fast in allen Monaten mehr Strom aus erneuerbaren als aus konventionellen Energieträgern eingespeist.“ Redigatur: Steffen Kutzner, Gabriele Scherndl
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Paulina Thom
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Trump behauptet, Windkraft in Deutschland sei gescheitert, nun werde jeden Tag ein Kohlekraftwerk eröffnet. Das stimmt nicht.
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"Faktencheck",
"Klima",
"Politik"
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Klima
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2025-04-11T12:17:01+02:00
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2025-04-11T12:17:01+02:00
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2025-04-28T19:27:02+02:00
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Jede Woche würde in Deutschland ein Kohlekraftwerk eröffnet.
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Donald Trump
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2025-07-04 00:00:00
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https://youtu.be/P3uOBiv7R8Q?t=1297
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Falsch
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Falsch. Zuletzt ging in Deutschland 2020 ein Kohlekraftwerk in Betrieb. 2024 sind 18 Kraftwerke stillgelegt worden.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/04/11/jede-woche-ein-neues-kohlekraftwerk-trump-verbreitet-falschbehauptung-ueber-deutschland/
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UN-Charta: Feindstaatenklausel ist spätestens seit 1995 hinfällig
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Ist es Russland per UN-Charta erlaubt, in Deutschland militärisch zu intervenieren, wenn die Regierung Taurus-Raketen an die Ukraine liefern würde? Das behaupten Nutzerinnen und Nutzer in Sozialen Netzwerken. Angeblich wäre das über die Feindstaatenklausel möglich. Doch die ist seit Jahrzehnten hinfällig. von Paulina Thom „Rettet uns am Ende die Feindstaatenklausel vor Merzens Kriegsfantasien?“, fragte das rechtsextreme Magazin Compact Ende Februar auf X. Zu sehen ist ein kurzer Ausschnitt eines Interviews mit dem ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Armin-Paul Hampel. Hampel behauptet darin, in der UN-Charta gebe es eine Regelung – die sogenannte Feindstaatenklausel – die es den damaligen Siegermächten des Zweiten Weltkrieges erlaube, ohne UN-Sicherheitsratsbeschluss politisch und militärisch in Deutschland zu intervenieren. Das sei möglich, wenn die politischen Verhältnisse in Deutschland instabil würden oder sich gegen eine der Siegermächte richteten. Einen solchen Fall sieht Hampel in Waffenlieferungen an die Ukraine begründet. Der Interviewausschnitt kursiert mit mehr als 400.000 Views auch auf Tiktok. Auch via Whatsapp erreichte uns die Behauptung. In manchen Beiträgen in Sozialen Netzwerken wird die Feindstaatenklausel konkret mit möglichen Taurus-Lieferungen an die Ukraine in Zusammenhang gebracht – auch Hampel erwähnt dieses Szenario auf Nachfrage. Friedrich Merz hatte sich in der Vergangenheit für solche Lieferungen ausgesprochen. Doch die Feindstaatenklausel hat damit nichts zu tun. Sie ist – darauf weist Hampel im Interview sogar hin – von der UN für obsolet erklärt worden. Anders als Hampel behauptet, können die damaligen Siegermächte diese Klausel nicht einfach wieder „problemlos aus der Schublade ziehen”. Bei der sogenannten Feindstaatenklausel handelt es sich um Artikel 53, 77 und vor allem 107 der Charta der Vereinten Nationen. Der Ausdruck „Feindstaat“, so heißt es in der Charta, bezeichnet jeden Staat, der während des Zweiten Weltkriegs Feind eines Unterzeichners der Charta war. Auf Nachfrage erklärt uns Mehrdad Payandeh, Rechtswissenschaftler an der Bucerius Law School: Dazu hätten im Juni 1945, als die UN-Charta unterzeichnet wurde, insbesondere Deutschland und Japan, aber auch Ungarn, Italien und weitere Staaten gezählt. Die Klausel sei, so Payandeh, auch nur aus diesem historischen Kontext heraus zu verstehen: Die Verhandlungen zur Gründung der Vereinten Nationen und der Beschluss der UN-Charta lagen vor dem weltweiten Ende des Zweiten Weltkrieges. „Die Feindstaatenklausel sollte sicherstellen, dass das neu geschaffene UN-System zur Friedenssicherung den alliierten Mächten nicht die Möglichkeit nimmt, bilateral oder multilateral gegen die ‚Feindstaaten‘ des Zweiten Weltkriegs vorzugehen“, erklärt Payandeh. Artikel 107 der UN-Charta im Kapitel „Übergangsbestimmungen betreffend die Sicherheit“ regelt, dass die Charta Maßnahmen, die die Regierungen der Unterzeichner gegen „Feindstaaten“ ergreifen, nicht untersagt. Dass es für solche Maßnahmen keine Erlaubnis des Sicherheitsrates braucht, regelt wiederum Artikel 53. Dort heißt es in Absatz 1: „Ohne Ermächtigung des Sicherheitsrats dürfen Zwangsmaßnahmen auf Grund regionaler Abmachungen oder seitens regionaler Einrichtungen nicht ergriffen werden; ausgenommen sind Maßnahmen gegen einen Feindstaat (…).“ Zusammengefasst: Die UN-Charta legte damals fest, dass Unterzeichnerstaaten gegen Feindstaaten vorgehen dürfen. Doch diese Klausel sollte von Anfang an nur eine Übergangsregelung darstellen, bis ein Staat sich für eine UN-Mitgliedschaft qualifiziere, erklärt Payandeh. „Nach überwiegender Auffassung endet der Status als sogenannter ‚Feindstaat‘ mit dem Beitritt zur UN.“ Der Beitritt setze nach Artikel 4 der UN-Charta das Bekenntnis zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen voraus, darunter die friedliche Beilegung von Konflikten. Alle ehemaligen Feindstaaten seien, so Payandeh, mittlerweile Mitglieder der UN – Japan beispielsweise seit 1956, die Bundesrepublik Deutschland (zeitgleich mit der DDR) seit 1973. Nur die damalige Sowjetunion habe das anders gesehen und sei der Ansicht gewesen, dass ein Feindstaat auch nach einem UN-Beitritt ein Feindstaat bleibe. 1995 – also nach dem Ende der Sowjetunion – erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Feindstaatenklausel mit der Resolution 50/52 für obsolet. Ein Grund aus der Resolution: „die Staaten, auf die sich diese Klauseln bezogen haben, [sind] Mitglieder der Vereinten Nationen“. Die Feindstaatenklausel spiele also, so Payandeh, heute keine Rolle mehr. Das bestätigte uns Patrick Rosenow von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen für einen früheren Faktencheck. Auch ein Papier des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags von 2017 kommt zu diesem Schluss: Die Klausel habe heute keine praktische Relevanz mehr. Anders als Hampel bei Compact behauptet, ist eine Anwendung der Klausel laut Payandeh heutzutage ausgeschlossen. „Es existieren keine regionalen Abmachungen oder Einrichtungen mehr, die nach Artikel 53 Absatz 1 der UN-Charta die Anwendung von Gewalt ermöglichen würden. Solche während des Zweiten Weltkriegs getroffenen Vereinbarungen sind längst erloschen.“ Neue Abmachungen mit diesem Zweck würden außerdem gegen das absolut geltende Gewaltverbot verstoßen und wären somit nichtig, erklärt Payandeh und fasst zusammen: Die Klausel „hat keine Relevanz im Zusammenhang mit Waffenlieferungen an die Ukraine oder sonstigen Fragen rund um den Ukraine-Krieg“. Warum Taurus-Lieferungen Deutschland nicht zur Kriegspartei machen würden, darüber haben wir hier ausführlicher berichtet. Auf Nachfrage schreibt uns Hampel indirekt, es gebe keine Verfassung, in denen Artikel für „obsolet“ erklärt wurden und die dadurch nicht mehr gelten sollen. Doch auch im Grundgesetz gibt es – ähnlich wie bei der Feindstaatenklausel in der UN-Charta – einen Abschnitt mit „Übergangsbestimmungen“ für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Mehrere der Artikel aus dem Abschnitt sind laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestages obsolet. Es gebe nach herrschender Rechtsauffassung keine Pflicht, solche Vorschriften zu streichen. Manche der Vorschriften würden wegen ihrer Symbolkraft oder rechtshistorischen Bedeutung bleiben, obwohl ihr „Regelungsgegenstand weggefallen ist oder Geltungsfristen abgelaufen sind“. Ein Beispiel: Artikel 118 erlaubte für die Neugliederung im südwestdeutschen Raum ein einfacheres Verfahren. Diese Neugliederung wurde später aber mittels Bundesgesetzen beschlossen, demnach ist der Regelungsgegenstand weggefallen. Der Artikel ist also obsolet und steht dennoch bis heute in der deutschen Verfassung. Hampel fragt zusammenfassend, warum die Feindstaatenklausel nicht aus der UN-Charta entfernt worden sei. Bestrebungen, die Klausel zu streichen, gab es in den letzten Jahren vor allem seitens der AfD. Doch auch in der Vergangenheit gab es innerhalb der UN mehrfach entsprechende Versuche, etwa vor der Resolution 1995 und zuletzt 2005. „Eine Löschung scheiterte jedoch, da einige Staaten dieses Vorhaben nur im Rahmen einer umfassenderen Charta-Reform unterstützen wollten, für die es wiederum keine Mehrheit gab“, erklärt Payandeh. Für eine Änderung der UN-Charta bestehen hohe Hürden, es braucht eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der Vereinten Nationen und die Zustimmung der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, also China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA. Dass die Klausel bislang nicht gestrichen worden sei, liege auch daran, dass die Angelegenheit keine hohe Priorität habe, schreibt Payandeh. Diese Einschätzung teilen andere Expertinnen und Experten, wie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages oder Michael Wood, Mitglied der Völkerrechtskommission der UN. 2006 schrieb er in der Max-Planck-Enzyklopädie zum Völkerrecht: „Die Feindstaatenklauseln der Charta sind obsolet, und es gibt keinen rechtlichen Grund, sie nicht zu streichen.“ Gleichzeitig bestehe aufgrund ihrer rechtlichen Bedeutungslosigkeit auch keine Notwendigkeit, sie dringend zu streichen. Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier. Redigatur: Steffen Kutzner, Gabriele Scherndl
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Paulina Thom
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Ist es Russland per Feindstaatenklausel erlaubt, in Deutschland militärisch einzugreifen? Nein, eine entsprechende UN-Regelung ist hinfällig.
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"Faktencheck",
"Justiz",
"Politik",
"Russland/Ukraine"
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Justiz
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2025-04-09T13:32:45+02:00
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2025-04-09T13:32:45+02:00
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2025-04-28T19:23:58+02:00
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Die Feindstaatenklausel der UN-Charta erlaube es den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs, etwa Russland oder den USA, ohne UN-Sicherheitsratsbeschluss politisch und militärisch in Deutschland zu intervenieren, wenn sie der Überzeugung seien, dass die politischen Verhältnisse instabil werden oder sich gegen eine der Siegermächte richten. Dazu zähle beispielsweise die militärische Unterstützung der Ukraine durch Taurus-Raketen.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken, ehemaliger AfD-Bundestagsabgeordneter Armin-Paul Hampel
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2025-02-23 00:00:00
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https://x.com/COMPACTMagazin/status/1894371772545601937
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Größtenteils falsch
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Größtenteils falsch. Die sogenannte Feindstaatenklausel steht zwar noch in der UN-Charta, die Vereinten Nationen erklärten sie jedoch 1995 für obsolet. Alle ehemaligen Feindstaaten aus dem Zweiten Weltkrieg, wie Deutschland, Italien oder Japan, sind mittlerweile Mitglieder der UN und somit keine „Feindstaaten“ mehr. Laut einem Rechtsexperten ist es ausgeschlossen, dass die Klausel heutzutage – etwa aufgrund von Waffenlieferungen aus Deutschland an die Ukraine – Anwendung findet.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/04/09/un-charta-feindstaatenklausel-ist-spaetestens-seit-1995-hinfaellig/
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Taylor Swift hat nicht angekündigt, wegen Elon Musk nach Kanada zu ziehen
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Auf Facebook hat eine angebliche Eilmeldung mehr als 20.000 Likes bekommen: Taylor Swift zieht wegen Elon Musk angeblich nach Kanada, heißt es darin. Doch für diese Meldung gibt es keine Belege, sie ist frei erfunden. von Paulina Thom In einem Facebook-Beitrag mit mehr als 20.000 Likes heißt es, Taylor Swift habe „das Ende ihrer legendären Show“ angekündigt und erklärt, sie werde nach Kanada ziehen und nie wieder in die USA zurückkehren. Der Grund: Sie wolle nicht dieselbe Luft wie „dieser Idiot“ atmen. Fotos im Beitrag suggerieren, damit meine sie den Tech-Milliardär Elon Musk. Taylor Swift hatte sich während des US-Wahlkampfes im September 2024 für Kamala Harris und die Demokraten ausgesprochen. Musk, Trump-Unterstützer und zwischenzeitlich „besonderer Regierungsangestellter“, reagierte darauf mit einem sexistischen Beitrag, der für Diskussionen sorgte. Doch hat Taylor Swift wirklich angekündigt, die USA zu verlassen und nach Kanada zu ziehen? Der Facebook-Beitrag verlinkt auf einen „Sports News Blog“, der sich auf einen angeblichen Live-Stream Swifts in Sozialen Netzwerken beruft, jedoch keine Quellen angibt. Dass Elon Musk für ihren Umzug nach Kanada verantwortlich sei, wird im Text nur noch spekuliert. Außerdem wird behauptet, die „Geschichte“ sei aktuell „in allen Zeitungen ein heiß diskutiertes Thema“. Das stimmt nicht: Es finden sich keine seriösen Medienberichte über die angebliche Ankündigung der Sängerin, nach Kanada zu ziehen. Stattdessen liefern Stichwortsuchen bei Google Faktenchecks und Medienberichte, die die Meldung als Falschnachricht oder pure Spekulation bezeichnen. Ebenso wenig findet sich eine solche Ankündigung Swifts oder das ihr zugeschriebene Zitat auf ihren offiziellen Kanälen in Sozialen Netzwerken (Instagram, X, Tiktok, Threads, Facebook). Auf unsere Nachfrage beim Management der Sängerin erhielten wir bis zur Veröffentlichung keine Rückmeldung. Unklar ist auch, was in dem Facebook-Beitrag mit dem „Ende ihrer legendären Show“ gemeint sein soll. Swifts letzte Tournee unter dem Namen „Eras“ endete bereits im Dezember 2024. Fotos aus dem Facebook-Beitrag, auf denen Swift offenbar weint, stammen laut einer Bilder-Rückwärtssuche von einem Auftritt in der kanadischen Stadt Toronto im November 2024. Wie mehrere englische Faktenchecks zeigen, ist es nicht das erste Mal, dass online die Behauptung kursiert, die Sängerin würde die USA verlassen – meist kursierten die Falschmeldungen in Anspielung auf Donald Trumps Wahlsieg. Zu dieser Behauptung haben Teilnehmende der Community des CORRECTIV.Faktenforums recherchiert. Die Ergebnisse dienten als Grundlage für diesen Faktencheck. Im CORRECTIV.Faktenforum kann sich jeder gegen Falschbehauptungen im Netz engagieren. Mehr zum Projekt, den Veranstaltungen und den Beteiligungsmöglichkeiten unter www.faktenforum.org. Redigatur: Gabriele Scherndl, Steffen Kutzner
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Paulina Thom
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In einem viralen Facebook-Beitrag heißt es, die Sängerin Taylor Swift wolle nach Kanada ziehen. Doch für die Meldung gibt es keine Belege.
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"Faktencheck",
"Gesellschaft",
"Politik"
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Gesellschaft
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2025-04-07T16:29:18+02:00
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2025-04-07T16:29:18+02:00
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2025-04-07T16:29:18+02:00
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Taylor Swift habe angekündigt: „Ich ziehe nach Kanada und werde nie in die USA zurückkehren, ich will nicht dieselbe Luft wie dieser Idiot atmen.“
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viralem Facebook-Beitrag
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2025-03-22 00:00:00
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https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=pfbid02MXbUxTqVSreCPgPyEnxbNc2KRfmdihkwyqRAB6Q3FBpuRRb79xXny91uR8g92wGZl&id=61558016310496
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Falsch
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Falsch. Für das Zitat Swifts und die angebliche Ankündigung gibt es keine Belege. Weder in seriösen Medienberichten noch auf den Profilen der Sängerin in Sozialen Netzwerken ist von einem Umzug nach Kanada die Rede.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/04/07/taylor-swift-hat-nicht-angekuendigt-wegen-elon-musk-nach-kanada-zu-ziehen/
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Keine Belege für geplante Kindergeld-Abschaffung durch CDU-Chef Friedrich Merz
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Tiktok-Videos mit dramatischer Musik berichten davon, dass CDU-Chef Friedrich Merz plane, das Kindergeld abzuschaffen. Doch dafür gibt es keine Belege. Die Union hat laut Wahlprogramm andere Pläne. von Kimberly Nicolaus Angeblich plant CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz, das Kindergeld abzuschaffen. Das zumindest behaupten mehrere Nutzer im März 2025 auf Tiktok. Ihre Videos zu dramatischer Musik erreichten etwa drei Millionen Aufrufe. Darin heißt es: „Radikale Reformvorschläge aus der CDU: Friedrich Merz will das Kindergeld abschaffen. Seine Begründung: Kinder sind eine Investition und Investitionen sollten sich selbst tragen. In einer aktuellen Rede erklärte Merz: Wir können nicht länger Geld für Menschen ausgeben, die nichts zum Bruttoinlandsprodukt beitragen. Wer Kinder in die Welt setzt, sollte sich vorher überlegen, ob sich das finanziell lohnt.“ Merz’ Lösungsvorschlag sei, Kinder könnten frühzeitig anfangen zu arbeiten, zum Beispiel als Amazon-Paketboten. Diese und andere Formulierungen in den Videos wie „Bildung durch Selbststudium – wer wirklich etwas lernen will, kann sich Youtube-Videos anschauen“ sind Hinweise darauf, dass es sich um Satire handelt. Der Ursprung ist mutmaßlich ein Satire-Profil auf Tiktok, dort trägt das Video den Hashtag #satire. Doch mehrere Beiträge mit derselben Tonspur belegen, dass dieser Satire-Hinweis bei der weiteren Verbreitung der Behauptung verloren gegangen ist. Viele Nutzer nehmen die Aussagen offenbar ernst. In den Kommentaren fragen manche nach der Quelle der Behauptung, andere regen sich sichtlich auf oder fordern eine Neuwahl. Die Behauptung über die Abschaffung des Kindergelds wird zudem, zum Beispiel auf Facebook, auch ohne das satirische Video verbreitet. Auf X beruft sich jemand als Quelle dafür auf einen Artikel des Nachrichtenportals Ruhr24 mit dem Titel „Merz will ans Kindergeld“. Doch dieser ist kein Beleg für die Behauptung, es geht darin nicht um eine generelle Abschaffung des Kindergelds. Mehrere Stichwortsuchen über Google und auf Merz’ Social-Media-Profilen (X, Instagram, Facebook, Tiktok und Threads) belegen: Es gibt keinerlei Quellen dafür, dass CDU-Chef Friedrich Merz das Kindergeld abschaffen wolle und eine solche angebliche Begründung dazu geäußert hätte. Die angeblichen Zitate sind auch nicht in der Pressedatenbank Genios auffindbar. Hier haben wir Tipps für die Stichwort-Suche bei Google und Co. zusammengestellt: Ein Beitrag geteilt von CORRECTIV.Faktencheck (@correctiv_faktencheck) Auf Anfrage schreibt uns die CDU-Pressestelle: „Wir bestätigen, dass die auf Tiktok verbreiteten Aussagen vollständig gefälscht sind. Der Parteivorsitzende hat derartige Äußerungen zu keinem Zeitpunkt getätigt. Hinsichtlich des Kindergelds bitten wir um Ihr Verständnis, dass wir uns aufgrund der laufenden Koalitionsverhandlungen derzeit nicht äußern können.“ Merz hatte geplant, bis Ostern eine neue Regierung zu bilden, ob dieser Zeitplan hält, ist offen. Im Wahlprogramm der Union zur Bundestagswahl 2025 steht nichts von einer angeblich geplanten Abschaffung des Kindergeldes. Stattdessen will die Union das Kindergeld anheben und dafür sorgen, dass es künftig nach der Geburt automatisch ausgezahlt wird. Welche Erhöhungen konkret geplant sind und wie eine solche Auszahlung in der Praxis aussehen soll, beantwortete uns die CDU-Pressestelle mit Verweis auf die laufenden Koalitionsverhandlungen nicht. Im Wahlprogramm der Union heißt es weiter: „Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, dass das Kindergeld für im EU-Ausland lebende Kinder an die Unterhaltskosten des jeweiligen Landes angepasst werden kann.“ Wir wollten wissen, ob die Union neben Kürzungen auch Erhöhungen des Kindergeldes vorsehen würde. Denn: Die Unterhaltskosten in Dänemark sind zum Beispiel höher als in Deutschland. Doch auch dazu äußerte sich die CDU-Pressestelle nicht. Ob eine solche Anpassung des Kindergeldes überhaupt umgesetzt werden kann, ist fraglich. Denn laut dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags (hier und hier) gibt es sogenannte Rangfolgeregelungen, die festlegen, welcher Staat zuständig ist, um das Kindergeld zu bezahlen. Ist das Kindergeld dort niedriger als im zweiten Staat, bezahlt der zweite (nachrangige Staat) im Regelfall die Differenz. Dennoch führte Österreich 2019 eine Anpassung des Kindergelds an die Unterhaltskosten im jeweiligen EU-Ausland ein. Das wertete der Europäische Gerichtshof 2022 als „ungerechtfertigte mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit von Wanderarbeitnehmern“. Wie das Bundeskanzleramt informiert, musste Österreich die Anpassungsvorschriften aufheben und Beiträge an den Personenkreis zurückzahlen, die von einer Anpassung „nach unten“ betroffen waren. Wessen Kindergeld „nach oben“ geändert wurde, musste die Differenz nicht zurückzahlen. Den Versuch, das EU-Recht so zu ändern, dass eine Anpassung des Kindergelds an das Preisniveau des jeweiligen EU-Landes möglich wäre, gab es schon 2018. Medienberichten zufolge scheiterte der Vorstoß aus Deutschland, Österreich und Dänemark jedoch im Sozialausschuss des EU-Parlaments. Redigatur: Gabriele Scherndl, Alice Echtermann
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Kimberly Nicolaus
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Es gibt keine Belege dafür, dass CDU-Chef Friedrich Merz angeblich plant, das Kindergeld abzuschaffen,. Die Union plant etwas anderes.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-03-28T14:09:55+01:00
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2025-03-28T14:09:55+01:00
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2025-03-28T14:09:55+01:00
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Friedrich Merz plane die Abschaffung des Kindergelds.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2025-03-19 00:00:00
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Unbelegt
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Unbelegt. Der Ursprung ist mutmaßlich ein satirisches Video auf Tiktok, die Behauptung verbreitet sich jedoch ohne diesen Kontext weiter. Es gibt keine Hinweise, dass Friedrich Merz plant, das Kindergeld abzuschaffen. Laut der CDU-Pressestelle sind Zitate, die Merz in diesem Zusammenhang geäußert haben soll, gefälscht.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/03/28/keine-belege-fuer-geplante-kindergeld-abschaffung-durch-cdu-chef-friedrich-merz/
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Nein, der Tag der Deutschen Einheit soll nicht abgeschafft werden
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Plant die Bundesregierung, den Tag der Deutschen Einheit abzuschaffen, um die Wirtschaftskraft anzukurbeln? Das wird aktuell auf Tiktok behauptet. Wir haben bei allen Parteien nachgefragt, ob es wirklich solche Pläne gibt. von Steffen Kutzner „Die Bundesregierung plant, einen der wenigen gesetzlichen Feiertage einfach abzuschaffen“, wird in mehreren Tiktok-Videos behauptet. Hunderttausende werden damit erreicht. Gemeint ist der Tag der Deutschen Einheit, der seit 1990 am 3. Oktober gefeiert wird. Das Video widerspricht sich teils jedoch selbst: An einer Stelle heißt es, der Vorschlag werde nur „hinter verschlossenen Türen diskutiert“, an anderer ist von einem konkreten Plan der Regierung die Rede. Die Behauptung verbreitet sich seit 15. März, also noch bevor sich der 21. Bundestag am 25. konstituiert hatte. Wir haben alle Parteien, die im 20. Bundestag eine Fraktion hatten, angefragt, ob es je Pläne gab, den Feiertag abzuschaffen. CDU, SPD, Linke, Grüne verneinten das. Ebenso der Vertreter des Südschleswigschen Wählerverbands SSW, der mit einem Abgeordneten im Bundestag vertreten war und ist. AfD und FDP antworteten uns nicht, jedoch finden sich weder bei Google noch in der Pressedatenbank Genios Hinweise auf entsprechende Aussagen. Auch in den Wahlprogrammen der beiden Parteien steht keine solche Forderung. Es gibt auch keine Hinweise, dass das BSW, das zu dem Zeitpunkt lediglich als Gruppe im Bundestag saß, derartiges gefördert hatte. Ökonomen schlagen zwar immer mal wieder vor, einen oder mehrere Feiertage abzuschaffen, konkrete Anläufe in Bezug auf den Tag der Deutschen Einheit gibt es aber nicht. Zumindest nicht in letzter Zeit: Tatsächlich hatte Hans Eichel (SPD), seinerzeit Finanzminister, im Jahr 2004 vorgeschlagen, den Tag der Deutschen Einheit auf den ersten Sonntag im Oktober zu verlegen, damit durch einen zusätzlichen Werktag die Wirtschaft angekurbelt wird. Der damals amtierende Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) war der gleichen Meinung. Gerade einmal einen Tag später lehnte Franz Müntefering, damals SPD-Vorsitzender, den Vorschlag ab. Es wäre nicht das erste Mal, dass Feiertage abgeschafft werden. Die Entscheidung darüber fällen die Bundesländer. Fast alle haben 1995 den Buß- und Bettag abgeschafft. Damit sollten die Arbeitgeber entlastet werden, nachdem eine Pflegeversicherung eingeführt wurde. In Sachsen blieb der Feiertag, die Mehrkosten wurden laut Deutschem Gewerkschaftsbund auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgewälzt. Sie zahlen dort also mehr in die Versicherung ein als die Menschen in den anderen Ländern. Allerdings hat der 3. Oktober eine Besonderheit: Der Tag der Deutschen Einheit ist der einzige Feiertag, den die Länder nicht abschaffen können, weil für diesen Tag der Bund zuständig ist. Alle anderen Feiertage werden durch die Feiertagsgesetze der Länder geregelt. Die gesetzliche Grundlage des 3. Oktober ist aber der Einigungsvertrag zwischen der DDR und der BRD, und der gilt als Bundesrecht, wie uns ein Sprecher des Innenministeriums erklärte. Der Sprecher ergänzte: „Die Abschaffung des 3. Oktober als Feiertag wäre nur durch eine Mehrheit im Bundestag und durch Gesetzesbeschluss des Bundes ohne Zustimmung des Bundesrates möglich.“ Da jedoch keine der Parteien eine Abschaffung des Feiertags unterstützt, wird es diese erforderliche Mehrheit auf absehbare Zeit wohl nicht geben. Die Angaben im Tiktok-Video sind also frei erfunden. Der Tiktok-Account, der das Video mutmaßlich zuerst verbreitete, antwortete nicht auf eine Anfrage. Update, 16. April 2025: Wir haben ergänzt, weshalb wir den 20. und nicht den 21. Deutschen Bundestag angefragt haben und dass auch das BSW keine Abschaffung forderte. Redigatur: Gabriele Scherndl, Alice Echtermann
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Faktencheck-Redaktion
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Auf Tiktok heißt es, die Bundesregierung plane, den Tag der Deutschen Einheit abzuschaffen, um die Wirtschaftskraft anzukurbeln. Das ist erfunden.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-03-28T12:01:38+01:00
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2025-03-28T12:01:38+01:00
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2025-05-19T13:42:46+02:00
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Die Bundesregierung plane, den Tag der Deutschen Einheit abzuschaffen.
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Beiträgen auf Tiktok
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2025-03-15 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@2daynewsaktuell/video/7482051347597085974
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Falsch
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Falsch. Zuständig dafür wäre der Bundestag. Von den dort vertretenen Parteien dementieren CDU, SPD, Linke, Grüne und SSW, dass es solche Pläne gebe, auch bei AfD, FDP und BSW gibt es keine Hinweise darauf.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/03/28/nein-der-tag-der-deutschen-einheit-soll-nicht-abgeschafft-werden/
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150 Euro Handysteuer pro Jahr? Angebliche Forderung von Friedrich Merz ist erfunden
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Angeblich hat CDU-Chef Friedrich Merz eine Steuer in Höhe von 150 Euro pro Jahr und Haushalt für die Handynutzung gefordert. Teils wird online auch behauptet, die Bundesregierung habe die Steuer bereits beschlossen. Beides ist frei erfunden. von Steffen Kutzner Es ist ein bunter Strauß verschiedener Behauptungen, die momentan auf Tiktok, Instagram und Facebook zu einer angeblichen Handysteuer umgehen. Es wird behauptet, „der Bundeskanzler“ habe gefordert, die Steuer in Höhe von 150 Euro pro Jahr und Haushalt zu erheben und dabei meist auf Friedrich Merz verwiesen – der aber noch gar nicht Bundeskanzler ist. Teilweise heißt es, die Steuer sei bereits beschlossen worden und werde ab 1. Mai oder 1. Juni fällig. Und teilweise wird sogar behauptet, man müsse die Steuer auch dann zahlen, wenn man gar kein Handy besitze. Nichts davon stimmt. Wir haben zunächst bei der Bundesregierung nachgefragt, ob unter Olaf Scholz als noch amtierender Kanzler eine solche Handysteuer geplant oder eingeführt wurde. Die Antwort eines Sprechers lautete: „Nein.“ Es finden sich auch keinerlei Medienberichte oder andere Veröffentlichungen zu der angeblich geplanten oder beschlossenen Steuer. Auch dafür, dass Friedrich Merz, aller Voraussicht nach der künftige Bundeskanzler, eine solche Steuer gefordert hatte, finden sich keine Belege. In mehreren Beiträgen wird zu dem Thema ein angebliches Zitat von Friedrich Merz angeführt: „Wir fangen mit einer Sache an, die Menschen werden sich daran gewöhnen zu zahlen.“ Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zu der Behauptung sprach eine CDU-Sprecherin von einer Fehlinformation: „Die in sozialen Netzwerken verbreiteten Behauptungen und Zitate sind frei erfunden und entbehren jeder Grundlage.“ Zu dem Zitat finden sich ebenfalls keinerlei Treffer bei Google oder in der Pressedatenbank Genios. Ob nun die Bundesregierung oder Friedrich Merz: Nur weil etwas gefordert wird, wird es noch lange nicht gemacht, das gilt auch für neue Steuern. Jede Steuer wird in einem entsprechenden Gesetz festgehalten und geregelt, müsste in diesem Fall also vom Bundestag abgesegnet werden. Dass die Geschichte nicht stimmen kann, zeigt sich auch an anderen Details: Es gebe in Deutschland grundsätzlich keine Steuern, die „pro Haushalt“, wie es in einigen Beiträgen heißt, erhoben würden, erklärt uns ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums auf Nachfrage. Anders ist das beim Rundfunkbeitrag, der auch in einigen Beiträgen in Sozialen Netzwerken als Vergleich herangezogen wird. Der Rundfunkbeitrag wird pro Haushalt erhoben, ist aber, wie der Name schon sagt, keine Steuer. Er fließt nicht in den Steuertopf, sondern dient allein der Finanzierung des entsprechenden Angebots. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte bei der Einführung des neuen Rundfunkbeitrags 2013 ausführlich dargelegt, weshalb der Beitrag keine Steuer ist und auch gar nicht sein darf (ab Seite 7). Redigatur: Gabriele Scherndl, Sophie Timmermann
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Sophie Timmermann
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Anders als behauptet, hat Friedrich Merz keine Handysteuer von 150 Euro pro Jahr und Haushalt gefordert und die Bundesregierung sie auch nicht schon beschlossen.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-03-25T17:51:34+01:00
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2025-03-25T17:51:34+01:00
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2025-04-28T19:21:13+02:00
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Friedrich Merz oder der Bundeskanzler hätten eine Handysteuer von 150 Euro gefordert, beziehungsweise habe die Bundesregierung sie schon beschlossen.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2025-02-28 00:00:00
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https://www.instagram.com/reel/DGoJ2JJN39d/
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Falsch
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Falsch. Weder Friedrich Merz noch der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz haben so eine Steuer gefordert. Die Bundesregierung hat sie auch nicht beschlossen.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/03/25/150-euro-handysteuer-pro-jahr-angebliche-forderung-von-friedrich-merz-ist-erfunden/
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Zitat von Linken-Politiker Ferat Koçak über Diebstähle von Geflüchteten fehlt Kontext
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Online kursiert eine Zitatkachel mit dem Namen und Bild des Linken-Politikers Ferat Koçak. Demnach soll er gesagt haben: „Bei Diebstählen holen sich Flüchtlinge und Migranten nur, was ihnen zusteht.“ Die Äußerung stammt tatsächlich aus dem Jahr 2023. Doch sie wird aus dem Kontext gerissen. Koçak sagt, er befürworte Diebstahl nicht. von Paulina Thom Seit April 2024 kursiert in Sozialen Netzwerken wie X und Threads ein Sharepic mit einem alten Zitat von Ferat Koçak (Die Linke). Es ist zwar korrekt und stammt aus dem Jahr 2023. Doch es wird aus dem Kontext gerissen, so dass es wirkt, als befürworte er Diebstahl durch Geflüchtete und Migranten. Das ist nicht der Fall. Im Zuge der Bundestagswahl 2025 und Koçaks direktem Einzug in den nächsten Bundestag verbreitet sich die Behauptung erneut. Allein ein X-Beitrag vom 28. Februar erreichte mehr als 120.000 Aufrufe. Im Dezember 2023 äußerte sich Koçak in einem X-Beitrag zu einem Bericht der Bild-Zeitung, in dem sich ein Edeka-Besitzer aus Regensburg über zunehmende Diebstähle durch Männer aus Asylwohnheimen beklagte. Der Ladenbesitzer hatte sich zuvor darüber auf Facebook in einem Beitrag beschwert und diesen kurze Zeit später wieder gelöscht. Der Beitrag ging jedoch viral und mehrere lokale Medien griffen das Thema auf. Es folgte eine öffentliche Debatte, bei der sich auch Politiker, etwa der Freien Wähler in Bayern, äußerten. Hubert Aiwanger, stellvertretender bayerischer Ministerpräsident, forderte damals auf X: „Diebstahl durch Migranten sollte zur Abschiebung führen.“ Auch Bayerns Wirtschaftsstaatssekretär Tobias Gotthardt sprach sich auf Facebook für eine Abschiebung aus. Koçak kommentierte den Bild-Artikel auf X folgendermaßen: „EDEKA ist die Abkürzung für ‚Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler‘: Ich würde sagen, die Menschen holen sich das zurück, was ihnen zusteht. Doch so einfach ist das nicht zu erklären.“ Koçak revidierte also seine eigene Aussage gleich im nächsten Satz. Ebenfalls relevant ist Koçaks eigentliche Erklärung, die im zweiten Teil seines X-Beitrages folgt. Dort schreibt der Linken-Politiker, eines der zentralen Probleme sei, dass „die Behörden überlastet sind und viele Geflüchtete noch nicht mal das ausgezahlt bekommen, was sie zum Leben brauchen“. Auch das sei sekundär, schreibt Koçak. „Wichtiger ist es, Geflüchteten sofort eine Arbeitserlaubnis zu erteilen, damit sie ihr Leben selbstbestimmt bestreiten können.“ Dieser Kontext fehlt auf der Zitatkachel. Wir haben den Linken-Politiker zu seiner damaligen Äußerung befragt. Er schreibt uns, er habe das Zitat, so wie es auf der Kachel stehe, nicht getätigt und er stimme der Äußerung inhaltlich auch nicht zu. „Mein Tweet war ein Wortwitz mit dem Namen EDEKA, in dem Kolonialwaren enthalten ist, und ich erkläre ja im darauffolgenden Satz, wo das Problem eigentlich liegt. Natürlich bin ich gegen Diebstahl, ob das nun Raubkunst ist aus Afrika oder Zigaretten bei Edeka.“ Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Redigatur: Alice Echtermann, Gabriele Scherndl
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Paulina Thom
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Der Linken-Politiker soll gesagt haben, Geflüchtete holten sich nur, was ihnen zustehe. Doch das Zitat wurde aus dem Kontext gerissen.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2025-03-07T15:13:10+01:00
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2025-03-07T15:13:10+01:00
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2025-03-07T15:18:47+01:00
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Ferat Koçak (Die Linke) habe gesagt: „Bei Diebstählen holen sich Flüchtlinge und Migranten nur, was ihnen zusteht.“
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2024-11-04 00:00:00
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https://x.com/KaiPieske64086/status/1778438706493354320
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Fehlender Kontext
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Fehlender Kontext. Das Zitat ist zwar korrekt, aber verkürzt. Es ist eine ironische Bemerkung mit einer Anspielung auf den Kolonialismus, die der Politiker aber gleich darauf revidiert hat. Auf Nachfrage schreibt er uns, er sei natürlich gegen Diebstahl.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/03/07/zitat-von-linken-politiker-ferat-kocak-ueber-diebstaehle-von-gefluechteten-fehlt-kontext/
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Brief mit Drohungen an Trump stammt nicht von Mexikos Präsidentin Sheinbaum
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In Sozialen Netzwerken verbreitet sich ein Brief, in dem die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum Donald Trump angeblich für den Bau einer Mauer kritisiert und damit droht, dass Menschen weltweit auf US-Produkte verzichten könnten. Doch der Brief stammt nicht von Sheinbaum. von Paulina Thom „Sie wollen eine Mauer, Sie bekommen eine Mauer“ – so soll ein Brief enden, den Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum an Donald Trump richtete. Darin kritisiere sie nicht nur den Bau einer Mauer, sondern drohe zugleich damit, dass „sieben Milliarden Menschen“ auf Produkte US-amerikanischer Firmen, wie Nike, Levi’s, Ford oder auch Hollywood-Filme verzichten könnten. So würde die US-Wirtschaft zusammenbrechen, heißt es in dem Brief, der seit Mitte Februar auf X, Facebook und Whatsapp kursiert und Hunderttausende Aufrufe erzielte. Auch per E-Mail fragten uns Leserinnen und Leser danach. Doch ist der angebliche Brief von Sheinbaum echt? Der Zeitpunkt des Briefes scheint zunächst plausibel: Bereits im November 2024 kündigten die USA unter der neuen Trump-Regierung Strafzölle auf Waren aus Mexiko an. Trump begründete dies unter anderem damit, dass Mexiko die Grenze im Hinblick auf den Drogenhandel und die illegale Migration nicht ausreichend schütze. Seitdem setzte Trump angekündigte oder bereits in Kraft getretene Zölle gegen Mexiko mehrfach aus, etwa im Februar und zuletzt erneut am 6. März. Und in Kanada, das sich ebenfalls im Zoll-Streit mit den USA befindet, gibt es mittlerweile mit „Buy Canadian“ tatsächlich eine Bewegung, die US-Produkte und USA-Reisen boykottiert. Doch für den Brief von Sheinbaum gibt es keine Belege: Weder auf der Webseite der mexikanischen Regierung noch auf den offiziellen Profilen in Sozialen Netzwerken der Präsidentin (X, Facebook und Instagram) findet sich ein solcher Brief an Trump. Die Faktencheck-Redaktion von Reuters schreibt zudem, dass das Kommunikationsteam der mexikanischen Präsidentin eine derartige Äußerung dementierte. Auf unsere Anfrage an die mexikanische Regierung erhielten wir bis zur Veröffentlichung keine Rückmeldung. Zwar reagierte Sheinbaum laut einer Pressemitteilung mit einem Brief auf Trumps Ankündigung von Strafzöllen im November 2024. Dieser ist im Wortlaut und Tenor jedoch ganz anders: Sheinbaum schrieb darin: „Präsident Trump, die Probleme der Migration und des Drogenkonsums in den Vereinigten Staaten können nicht mittels Drohungen oder Verhängung von Zöllen gelöst werden. Was wir brauchen, ist Zusammenarbeit und gegenseitiges Verständnis, um diese großen Herausforderungen zu bewältigen.“ Von den Drohungen eines Verzichts auf US-Produkte ist in dem Brief nichts zu lesen. Stattdessen schrieb Sheinbaum, dass gegenseitige Zölle die Lage beider Seiten gefährden würden. Einiges an dem Brief in Sozialen Netzwerken spricht zudem dafür, dass er nicht aktuell ist, beispielsweise die mehrfache Erwähnung der Mauer: Die Mauer zu Mexiko war eines der größten Wahlversprechen Trumps für seine erste Amtszeit ab 2016. Trump hat zwar vor, die Grenzmauer in seiner aktuellen Amtszeit fertigzustellen, der Streit zwischen den beiden Ländern, insbesondere um die Finanzierung, und der Beginn des Mauerbaus sind jedoch Jahre alt. Ebenfalls alt ist im Brief die Angabe von „sieben Milliarden Menschen“, die auf US-Produkte verzichten könnten. Damit ist offenbar die Weltbevölkerung abzüglich der US-Bevölkerung (340 Millionen Menschen) gemeint. Aktuell leben auf der Welt aber 8,2 Milliarden Menschen, 2017 dagegen waren es noch 7,5 Milliarden – damals kam die Zahl im Brief also ungefähr hin. Die Reuters-Faktencheck-Redaktion fand Beiträge auf Spanisch und Englisch mit dem Brief von 2017 – ohne Bezug zu Sheinbaum und lange vor ihrer Amtszeit als Präsidentin, die im Oktober 2024 begann. In dem englischen Beitrag heißt es, der Brief sei in spanischen Sozialen Netzwerken viral gegangen – verfasst anonym, vom „Rest der Welt.“ Zu dieser Behauptung haben Teilnehmende der Community des CORRECTIV.Faktenforums recherchiert. Die Ergebnisse dienten als Grundlage für diesen Faktencheck. Im CORRECTIV.Faktenforum kann sich jeder gegen Falschbehauptungen im Netz engagieren. Mehr zum Projekt, den Veranstaltungen und den Beteiligungsmöglichkeiten unter www.faktenforum.org. Redigatur: Steffen Kutzner, Uschi Jonas
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Paulina Thom
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Anders als online behauptet, hat Mexikos Präsidentin Sheinbaum Trump nicht wegen eines Mauerbaus mit dem Verzicht US-amerikanischer Produkte gedroht.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-03-07T12:06:01+01:00
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2025-03-07T12:06:01+01:00
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2025-03-26T16:09:40+01:00
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Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum habe in einem Brief Donald Trump wegen des Baus einer Mauer mit dem Verzicht auf US-amerikanische Produkte gedroht.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2025-09-02 00:00:00
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https://www.facebook.com/katrin.hollandt.9/posts/pfbid0qVFHFTSg661QdTWLvuPUWWJ9z5Y4X6XozpZbyfgzy28Y5vX66DBgEJevFx8M4wndl
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Falsch
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Falsch. Der Brief stammt laut dem Kommunikationsteam der Präsidentin nicht von Sheinbaum. Es finden sich auch sonst keinerlei Belege, dass Sheinbaum den Brief verfasste. Er kursiert zudem seit mindestens 2017 ohne Bezug zur mexikanischen Präsidentin im Netz.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/03/07/brief-mit-drohungen-an-trump-stammt-nicht-von-mexikos-praesidentin-sheinbaum/
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Grünen-Politiker Jürgen Trittin werden falsche Zitate zum Thema Migration zugeschrieben
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In Sozialen Netzwerken verbreitet sich ein Bild, das dem Grünen-Politiker Jürgen Trittin verschiedene Zitate zum Thema Migration und Einwanderung zuschreibt. Doch bis auf eines sind sie alle erfunden – beim letzten könnte es sich um eine falsche Übersetzung handeln. von Max Bernhard Ein Foto zeigt einen Ausschnitt aus einer Broschüre oder einem Buch, zu sehen sind ein Foto von Grünen-Politiker Jürgen Trittin und verschiedene Aussagen zum Thema Migration, die ihm zugeschrieben werden. Die angeblichen Zitate werden im Januar und Februar auf X, Facebook, Threads und Linkedin verbreitet, erhalten teilweise tausende Likes. Woher das Foto stammt, ist unklar. Doch die Zitate sind größtenteils falsch – und werden mitunter seit Jahren verbreitet. „Es geht nicht um Recht oder Unrecht in der Einwanderungsdebatte, uns geht es zuerst um die Zurückdrängung des deutschen Bevölkerungsanteils in diesem Land.“ Beim ersten Zitat wird keine Quelle angegeben. Doch es verbreitet sich seit Jahren, teilweise mit Verweis auf die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) als vermeintlichen Ursprung. Sowohl Trittin als auch die FAS dementierten, dass das Zitat von dem Politiker stammt, wie wir bereits in einem früheren Faktencheck berichteten. Auch sonst fanden sich damals und heute keine Belege, dass Trittin sich jemals so geäußert hat. „Deutschland verschwindet jeden Tag immer mehr, und das finde ich einfach großartig.“ Auch diese Worte stammen nicht von Trittin, wie wir 2019 in einem Faktencheck berichteten. Auch hier wurde die FAS als Quelle angegeben. Die Zeitung selbst berichtete bereits 2015, dass Trittin den Satz nie gesagt habe. „50 Prozent Araber sind mir lieber als fünf Prozent Rechtsradikale.“ Das dritte Zitat stammt ebenfalls nicht von Trittin. Als Quelle ist Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ genannt – das ist richtig, auch Trittin ist dazu genannt. Doch in dem betreffenden Textabschnitt handelt es sich um eine fiktive Erzählung des Autors. Die Passage wurde 2010 auch von der Bild veröffentlicht, dazu zitiert die Zeitung Sarrazin: „Ich habe meiner Fantasie freien Lauf gelassen.“ So steht es auch an der entsprechenden Stelle im Buch. Trittin weist ebenfalls auf Nachfrage darauf hin, dass das vermeintliche Zitat eine Erfindung Sarrazins ist. Das ergibt sich auch aus dem Kontext. Das Buch erschien 2010, während die entsprechende Textpassage von einem Wahlkampf in 2017 spricht. „[Deutschland ist ein] in allen Gesellschaftsschichten und Generationen rassistisch infiziertes Land.“ Das vierte Zitat soll Trittin 1993 in London gesagt haben, bei einer Rede am dortigen Goethe-Institut. Auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck erklärt Trittin jedoch, dass es sich um einen Übersetzungsfehler handele. Er habe damals auf Englisch gesagt „affected by racism“ – betroffen von Rassismus also – nicht „infected by racism“. Eine Aufzeichnung der Rede gibt es höchstwahrscheinlich nicht, wie uns eine Sprecherin des Goethe-Instituts London auf Nachfrage mitteilt. Fazit: Drei der Zitate sind also frei erfunden und bei einem könnte es sich um eine Falschübersetzung handeln. Hier geben wir Tipps, wie Sie Falschzitate erkennen. Redigatur: Sophie Timmermann, Uschi Jonas
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Max Bernhard
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In Sozialen Netzwerken werden dem Grünen-Politiker Jürgen Trittin falsche Zitate zum Thema Migration zugeschrieben.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-02-19T17:17:09+01:00
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2025-02-19T17:17:09+01:00
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2025-02-19T17:17:09+01:00
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Folgende Zitate stammten von Jürgen Trittin: „Es geht nicht um Recht oder Unrecht in der Einwanderungsdebatte, uns geht es zuerst um die Zurückdrängung des deutschen Bevölkerungsanteils in diesem Land“, „Deutschland verschwindet jeden Tag immer mehr, und das finde ich einfach großartig“, „50 Prozent Araber sind mir lieber als fünf Prozent Rechtsradikale“, „[Deutschland ist ein] in allen Gesellschaftsschichten und Generationen rassistisch infiziertes Land“.
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Beiträge in Sozialen Netzwerken
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2025-01-21 00:00:00
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Größtenteils falsch
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Größtenteils falsch. Die ersten drei Zitate sind erfunden. Bei dem vierten Zitat handelt es sich laut Trittin um eine falsche Übersetzung.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/02/19/juergen-trittin-werden-falsche-zitate-zum-thema-migration-zugeschrieben/
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EU-Zulassung: Mehlwurmpulver ist schon seit Jahren in Lebensmitteln erlaubt
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Die AfD macht Stimmung gegen die EU, weil sie angeblich ab dem 10. Februar erlaubt, dass Pulver aus Mehlwurmlarven ins Essen gemischt wird. Das erhitzt derzeit einige Gemüter. Aber Mehlwürmer sind schon seit Jahren in Lebensmitteln erlaubt. von Steffen Kutzner „Ab 10. Februar stecken Mehlwürmer in Brot und Kuchen“, wird im Tiktok-Video eines AfD-Kreisverbands behauptet. Auch einzelne AfD-Politiker verbreiten die Behauptung, etwa die Bundestagsabgeordneten Andreas Bleck, dessen Facebook-Beitrag mehr als 700 mal geteilt wurde, und René Springer, dessen X-Beitrag rund 3.300 Mal retweetet wurde. Bleck ordnet in seinem Facebook-Beitrag ein, dass es nur um UV-bestrahltes Mehlwurmpulver geht; Springer dagegen nicht. Bleck liefert als Quelle einen Artikel des für irreführende und falsche Berichte bekannten Blogs Apollo News vom 4. Februar. Darin steht, ab dem 10. Februar dürften bis zu vier Prozent UV-behandeltes Mehlwurmpulver in Brot und Kuchen enthalten sein. Das ist korrekt. Auch Bild und das ZDF berichteten darüber. Aber während es bei der Bild in der Überschrift und im Sharepic der AfD-Politiker so klingt, als sei es neu, dass Mehlwürmer im Essen sein dürfen, stellt das ZDF klar: Neu ist nur der Aspekt der UV-Behandlung. Dass gemahlene Insekten in Lebensmittel gemengt werden können, ist generell nicht neu, sorgt aber besonders in rechten Kreisen immer mal wieder für Empörung. Vermutlich vor allem, weil diese Themen mit der EU zu tun haben: Die muss sogenannte neuartige Lebensmittel zulassen, bevor sie in den Verkauf kommen. Im Januar 2023 wurden beispielsweise behauptet, dass Insektenpulver aus Hausgrillen jetzt heimlich in Schokolade oder Backwaren gemischt werde. Wie wir damals erklärten, war das mit der Heimlichkeit Unsinn: Wenn Hausgrillenmehl Bestandteil eines Lebensmittels ist, muss das deklariert werden, allein schon, weil Krebstier- oder Milbenallergiker darauf reagieren könnten. Und auch in der Zutatenliste wird solches Pulver genannt. Das gilt auch für das neue Insektenlarvenpulver, das von Tenebrio molitor stammt, dem Mehlkäfer. Seit dem 10. Februar darf das neu zugelassene Lebensmittel laut EU-Verordnung verwendet werden. Getrocknete Mehlwürmer (Larven des Mehlkäfers) dürfen schon seit 2021 als Lebensmittel verwendet und auch in Pulverform seit 2022 beigemischt werden. Das geht aus der Liste der zugelassenen neuartigen Lebensmittel der EU hervor. Das Neue an dem jetzt zugelassenen Pulver der Larven ist nur, dass es UV-Licht ausgesetzt war. Dadurch wird der Vitamin-D-Gehalt erhöht. Die Menge, in der das UV-bestrahlte Pulver in Lebensmitteln enthalten sein darf, liegt bei maximal vier Prozent. Bei den bisherigen Pulvern desselben Tiers sind es teilweise bis zu 50 Prozent, etwa in Fleischersatzprodukten. Die AfD-Politiker Andreas Bleck und René Springer antworteten auf unsere Nachfrage, dass sich in Beiträgen in Sozialen Netzwerken nicht alle Details eines Themas abbilden ließen. Bleck schreibt, die AfD lehne den Einsatz von Insektenpulver in Lebensmitteln ab. Redigatur: Alice Echtermann, Max Bernhard
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Max Bernhard
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Die AfD macht Stimmung mit einem von der EU zugelassenen Pulver aus Mehlwürmern in Brot und Kuchen. Aber solches Pulver ist seit Jahren erlaubt.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2025-02-13T17:21:01+01:00
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2025-02-13T17:21:01+01:00
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2025-02-22T13:11:18+01:00
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Ab 10. Februar steckten Mehlwürmer in Brot und Kuchen.
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AfD-Abgeordnete René Springer und Andreas Bleck, Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2025-05-02 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@afd.kv.gg/photo/7467894223912586518%20
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Fehlender Kontext
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Fehlender Kontext. Getrocknete Mehlwürmer sind schon seit 2021 in Lebensmitteln in der EU zugelassen. Das am 10. Februar 2025 neu zugelassene Pulver wurde lediglich UV-Licht ausgesetzt, um den Vitamin-D-Gehalt zu erhöhen.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/02/13/eu-zulassung-mehlwurmpulver-ist-schon-seit-jahren-in-lebensmitteln-erlaubt/
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Trump Jr. und Musk teilen russischen Fake-Bericht zu USAID und Ukraine
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Eine russische Desinformationskampagne verbreitet einen Bericht, der angeblich vom US-Sender E! stammen soll. Darin heißt es, Prominente wie Ben Stiller hätten Geld von USAID für Besuche in der Ukraine erhalten. Auf X erreichte die Fälschung Millionen – neben Elon Musk und Donald Trump Jr. fiel auch ein deutscher AfD-Politiker auf den Fake rein. von Max Bernhard „Die ganzen Reisen von US-Celebrities nach Kyiv waren also vom Entwicklungshilfeministerium USAID bezahlt“, schreibt der AfD-Politiker Maximilian Krah am 6. Februar in einem X-Beitrag. Darin ist ein Foto zu sehen, das den Schauspieler Ben Stiller zusammen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zeigt. Das Foto, so behauptet Krah, habe vier Millionen US-Dollar gekostet – das sei „ein weiterer Grund, das Ukraine-Abenteuer endlich zu beenden“. Krah gibt zwar keine Quelle für seine Behauptung an, doch aktuell verbreitet sich in deutschen und englischen Beiträgen ein Video, das angeblich aus einer Nachrichtensendung des US-Fernsehsenders E! stammen soll. Darin heißt es, die Entwicklungshilfeorganisation der Vereinigten Staaten, USAID, hätte die Ukraine-Reisen verschiedener Prominenter finanziert. So hätte Stiller zum Beispiel vier Millionen US-Dollar erhalten, Orlando Bloom 8 Millionen und Angelina Jolie gar 20 Millionen . Der Clip wurde auch von Elon Musk und Donald Trump Jr. geteilt. Doch das Video stammt nicht von E! Es ist eine Fälschung, die einer russischen Desinformationskampagne entstammt. Sie ist unter dem Namen Matrjoschka bekannt und verbreitet immer wieder solche gefälschten Berichte im Namen bekannter Medien, wie wir im Juni 2024 berichteten. Die Pressestelle von E! erklärte gegenüber der Faktencheck-Redaktion der AFP, dass es sich bei dem Video um eine Fälschung handelt. Das Video und die darin enthaltene Geschichte sei nicht authentisch und stamme nicht von E! News, so die Pressestelle des Senders laut AFP. Auf der Webseite und Profilen des Senders in Sozialen Netzwerken findet sich kein Beitrag zu USAID. Auch Ben Stiller dementierte in einem X-Beitrag am 5. Februar: „Das sind Lügen, die von russischen Medien stammen. Ich habe meine humanitäre Reise in die Ukraine vollständig selbst finanziert. Es gab keine Gelder von USAID und schon gar keine Zahlungen irgendeiner Art.“ Stiller war 2022 als Sonderbotschafter von UNHCR in die Ukraine gereist und traf dort Präsident Wolodymyr Selenskyj. Das UN-Flüchtlingshilfswerk erklärte in einem Statement, dass Stiller für seine Arbeit mit dem UNHCR nicht entlohnt werde und seine Reisen selbst finanziere. Auch dem Schauspieler Sean Penn unterstellt das Video, Geld erhalten zu haben – sein Anwalt dementierte dies gegenüber der AFP. In einer US-Datenbank zu Regierungsausgaben lässt sich außerdem nachverfolgen, an wen USAID Gelder gezahlt hat. Dort sind keine Zahlungen an die Prominenten, die im Video vorkommen, verzeichnet. Für Ben Stiller, Angelina Jolie, Sean Penn, Jean-Claude van Damme und Orlando Bloom lassen sich keine Zahlungen finden. „Alles deutet darauf hin, dass es sich hierbei um ein von Russland gefälschtes Video handelt, das mit den bekannten Methoden verbreitet wurde“, erklärte Darren Linvill, der an der US-amerikanischen Clemson University zu russischer Einflussnahme forscht, in einem X-Beitrag. Laut Antibot4Navalny, einer anonymen Freiwilligengruppe, die (pro)russische Desinformation auf X und anderen Plattformen verfolgt, stammt das Fake-Video von der Desinformationskampagne „Matrjoschka“. CORRECTIV.Faktencheck berichtete schon mehrfach dazu, denn die Kampagne nimmt auch Faktencheck-Redaktionen ins Visier. Offenbar verbreitet die Kampagne mehrere Fakes zu USAID. Am 6. Feburar kursierte zum Beispiel ein Video, das Journalistinnen und Journalisten unterstellte, Geld von USAID erhalten zu haben. Das Video nahm auch den Bild-Redakteur Julian Röpcke ins Visier. Röpcke dementierte und schrieb auf X: „Raten Sie mal, wer hinter dieser Kampagne steckt.“ Redigatur: Sarah Thust, Steffen Kutzner
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Max Bernhard
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Eine russische Desinformationskampagne verbreitet einen Bericht: Promis wie Ben Stiller hätten viel Geld für einen Ukraine-Besuch bekommen. Das ist falsch.
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"Faktencheck",
"Politik",
"Russische Desinformation",
"Russland/Ukraine"
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Politik
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2025-02-07T18:18:42+01:00
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2025-02-07T18:18:42+01:00
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2025-02-07T18:18:42+01:00
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E! News habe in einem Video berichtet, die US-Entwicklungshilfeorganisation USAID habe Prominenten die Reise in die Ukraine finanziert.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2025-05-02 00:00:00
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https://x.com/Be11akindofthng/status/1887663747642384432
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Falsch
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Falsch. Das Video ist eine Fälschung und entstammt einer russischen Desinformationskampagne. Für die Behauptung, dass USAID Prominenten ihre Reisen in die Ukraine finanzierte, finden sich keine Belege.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/02/07/russland-fake-bericht-zu-usaid-ukraine-ben-stiller-geteilt-durch-donald-trump-jr-elon-musk/
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Falsche Tonspur: Tiktok-Videos verkaufen Demos gegen Rechtsextremismus als Proteste für AfD
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Auf Tiktok verbreiten AfD-freundliche Profile Videos, die angeblich Unterstützer der Partei zeigen. Darin sind Menschenmassen zu sehen, die „Ost, Ost, Ostdeutschland“ rufen. Doch die Tonspur wurde nachträglich ersetzt. Die Aufnahmen zeigen eigentlich Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. von Max Bernhard Mehrere Tiktok-Videos mit teils millionenfachen Aufrufen zeigen große Demonstrationen, bei denen „Ost, Ost, Ostdeutschland“-Rufe zu hören sind. Die Profile, die sie verbreiten, heißen „Alice Weidel Fan“ oder „AfD John“. In den Kommentaren sprechen viele Nutzerinnen und Nutzer ihre Unterstützung für die Partei aus. Doch die Videos zeigen keine Demos für die AfD, sondern Menschen, die im Januar 2024 gegen Rechtsextremismus demonstrierten. Die Ostdeutschland-Rufe wurden nachträglich hinzugefügt. In den Originalaufnahmen rufen sie etwa „Ganz Berlin hasst die AfD“. Eines der Videos vom 21. Januar 2025 hat über drei Millionen Aufrufe. Darin stehen der Name der AfD zwischen zwei blauen Herzen und der unvollständige Satz „100.000 Menschen haben heute in Hamburg für unsere Demokratie die AfD“. Das suggeriert, die Aufnahme zeige eine aktuelle Demonstration für die Partei. Über eine Stichwortsuche auf Tiktok findet sich jedoch ein Beitrag von Fridays for Future Hamburg mit derselben Aufnahme vom 28. Januar 2024. Demnach handelt es sich um eine Demonstration gegen die AfD beziehungsweise gegen Rechtsextremismus. Das bestätigt auch ein Vergleich mit Aufnahmen aus Medienberichten von damals. In dem Video von Fridays For Future ist kein Originalton, sondern Musik zu hören – da es sich jedoch um eine Aufnahme aus der Luft handelt, ist fraglich, ob überhaupt eine Tonspur aufgenommen wurde. Eine Anfrage von uns dazu an Fridays for Future Hamburg blieb bis zur Veröffentlichung unbeantwortet. In einem weiteren Video mit dem Text „AfD Demo Berlin“ vom 24. Januar 2025 sind dieselben „Ostdeutschland“-Rufe zu hören. Es zeigt jedoch eine Demonstration gegen Rechtsextremismus und die AfD in Berlin am 21. Januar 2024. Im Original ist zu hören, wie einige Demonstrierende „Ganz Berlin hasst die AfD“ rufen, wie wir in einem Faktencheck im Januar 2024 berichteten. Schon damals wurde das Video mit einer falschen Tonspur verbreitet. In einem anderen Video mit der „Ostdeutschland“-Tonspur vom 23. Januar 2025 steht „Wir müssen zusammenhalten, nur AfD, 100.000 Menschen“. Auch dieses Video suggeriert, es handele sich um eine Demonstration für die Partei. Doch ab Sekunde 12 heißt es in der unteren Hälfte des Videos auf Englisch „Über 100.000 Menschen haben gegen Deutschlands rechtsextreme AfD-Partei demonstriert.“ Über eine Stichwortsuche findet sich ein Tiktok-Video vom 21. Januar 2024 mit denselben englischen Texteinblendungen und derselben Aufnahme – allerdings etwas herausgezoomt. Dort heißt es in der Beschreibung auf Englisch: „Drohnenaufnahmen eines Anti-AFD-Protests zeigen das Ausmaß der Veranstaltung in Hamburg.“ Außerdem ist als Quelle ein Nutzername angegeben: „fazilamiri7“. Der entsprechende Tiktok-Account ist mittlerweile gelöscht, doch in einem archivierten Beitrag vom 19. Januar 2024 ist dieselbe Aufnahme zu sehen. Auch darin heißt es, es handele sich um eine Demo gegen die AfD. Tatsächlich fand am 19. Januar 2024 rund um den Jungfernstieg in der Hamburger Innenstadt eine große Demonstration gegen Rechtsextremismus und die AfD statt. Das Tiktok-Video stimmt mit Aufnahmen aus Medienberichten überein. Auch hier handelt es sich um Aufnahmen aus der Luft, bei denen möglicherweise kein Ton aufgenommen wurde. In anderen Videos von der Veranstaltung sind jedoch keine „Ostdeutschland“-Rufe zu hören. Es finden sich außerdem keine Belege dafür, dass es in Hamburg oder Berlin im Januar 2025 große Demonstrationen für die AfD gegeben hätte. Tatsächlich kam es dort aber auch dieses Jahr laut verschiedenen Medienberichten zu mehreren Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und die Partei. Wie wir zuvor berichteten, wurden auch andere Tiktok-Videos irreführend mit einem „Ostdeutschland“-Gesang unterlegt. Tatsächlich skandieren Fans des Dresdener Fußballvereins Dynamo öfter „Ost, Ost, Ostdeutschland“, wie eine Google-Suche zeigt. Laut Medienberichten fallen einige Fans außerdem immer wieder durch rechte und unter anderem transphobe Einstellungen auf. Unter Dynamo-Fans und von Seiten des Vereins gibt es aber auch Initiativen, die sich gegen Rassismus und andere Formen von Diskriminierung einsetzen. Die zwei Tiktok-Profile, von denen die Videos mit der veränderten Tonspur stammen, haben nach einer Anfrage von CORRECTIV alle Inhalte einschließlich der Videos gelöscht. Es sei nicht ihre Absicht gewesen, Falschinformationen zu verbreiten, schrieben beide in einer identischen Nachricht, die nahelegt, dass es sich um dieselbe Person handelt. Redigatur: Paulina Thom, Viktor Marinov
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Max Bernhard
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Tiktok-Videos mit millionenfachen Aufrufen sollen AfD-Unterstützer zeigen, die „Ost, Ost, Ostdeutschland“ rufen. Sie sind jedoch manipuliert.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-01-30T17:38:02+01:00
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2025-01-30T17:38:02+01:00
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2025-01-30T17:59:46+01:00
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Videos zeigten Menschenmassen, die „Ost, Ost, Ostdeutschland“ riefen und ihre Unterstützung für die AfD ausdrückten.
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Virale Tiktok-Videos
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2025-01-21 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@david.fabio3/video/7464272311714155798
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Manipuliert
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Manipuliert. Die Tonspur wurde den Videos nachträglich hinzugefügt. Darin sind Demonstrationen gegen Rechtsextremismus im Januar 2024 zu sehen.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/01/30/falsche-tonspur-virale-tiktok-videos-verkaufen-demos-gegen-rechts-als-proteste-fuer-die-afd/
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Russische Einflussoperation verbreitet Fake-Artikel zu Migrationsabkommen mit Kenia
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Pro-russische Aktivisten verbreiten im Dezember 2024 einen gefälschten Artikel: Deutschland plane den „Import“ von 1,9 Millionen Arbeitskräften aus Kenia, heißt es darin. Der Artikel ist Teil einer Desinformationskampagne im Vorfeld der Bundestagswahl. von Sarah Thust , Max Bernhard , Alexej Hock „Wusstet ihr schon, dass Deutschland und Kenia ein neues Migrationsabkommen unterzeichnet haben?“, fragten Mitte Dezember 2024 mehrere pro-russische Aktivistinnen und Aktivisten in Sozialen Netzwerken. Hunderttausende wurden so auf einen Artikel aufmerksam, in dem behauptet wird, Deutschland plane den „Import“ von 1,9 Millionen Arbeitskräften aus Kenia. Es handelt sich um eine Falschinformation, die Teil einer Desinformationskampagne vor der Bundestagswahl 2025 ist. Wie wir hier berichten, haben wir rund hundert Fake-Webseiten entlarvt, die zu der sogenannten Kampagne „Storm-1516“ gehören. Nach welchem Prinzip sie vorgeht, erklären wir anhand dieses Beispiels. Mit der Diskreditierung einzelner Politiker und dem Verbreiten falscher Informationen versuchen pro-russische Akteure die Bundestagswahl zu beeinflussen. Fakes, die der Desinformationskampagne „Storm-1516“ zugeordnet werden können, erreichen in der Regel mehr Nutzer als bisher in Deutschland beobachtete ähnliche pro-russische Kampagnen, wie Doppelgänger oder Matroschka. Das Prinzip dahinter: Falschbehauptungen werden unter dem Deckmantel vermeintlicher Nachrichtenartikel in die Welt gesetzt, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen und dann von Profilen mit teils hoher Reichweite verbreitet. Konkret sieht das bei „Storm-1516“ wie folgt aus: Es gibt etliche Anzeichen, dass an der Geschichte nichts dran ist. Weder eine Internetrecherche, noch der Artikel selbst liefern handfeste Belege, dass Deutschland 1,9 Millionen Fachkräfte aus Kenia abwerben würde. Das Bild über dem Artikel stammt von Anfang Dezember 2022 und nicht von 2024. Es zeigt Robert Habeck in Südafrika, aufgenommen wurde es von Bernd von Jutrczenka von der DPA, wie eine Bilderrückwärtssuche zeigt. Doch im Kern steckt ein Funken Wahrheit: Deutschland und Kenia haben am 13. September 2024 ein bilaterales Migrationsabkommen unterzeichnet, das reguläre Einwanderung von Arbeits- und Fachkräften stärken, aber auch schnellere Abschiebungen ermöglichen soll. Habeck, als Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, hat das übrigens nicht unterzeichnet – sondern Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Kurz nach der Unterzeichnung gab es Verwirrung darum, wie viele Menschen dadurch nach Deutschland kommen könnten, weil Kenias Präsident William Ruto in einem Interview mit der Deutschen Welle von „250.000 Arbeitsmöglichkeiten für junge Menschen aus Kenia“ sprach. In einem Kommentar auf X schrieb das deutsche Bundesinnenministerium später: „Das Migrationsabkommen zwischen Deutschland und Kenia enthält keinerlei Zahlen oder Kontingente von Fachkräften aus Kenia, die in Deutschland arbeiten könnten.“ Alle Bewerber müssten die Kriterien des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes erfüllen. Auch ein Pressesprecher des Bundesinnenministeriums bestätigte uns am 21. Januar 2025, dass das Deutsch-Kenianische Migrations- und Mobilitätsabkommen keinerlei Zahlen von Fachkräften enthalte, die in Deutschland arbeiten könnten. Alle Bewerber müssten die Kriterien des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes erfüllen – und Regelungen zur Einbürgerung enthalte das Abkommen nicht. Die Fake-Website, auf der der erfundene Artikel veröffentlicht wurde, ist erst seit zwei Monaten online und gibt vor, eine Nachrichtenseite mit dem Namen „Neue Presse“ zu sein. Sie hat ein Impressum und Artikel zu unterschiedlichen Themen auf der Startseite. Die im Impressum angegebene Neue Presse GmbH in Berlin gibt es jedoch nicht und deren Adresse führt zu einem Einkaufscenter in Berlin, wie eine Internetsuche zeigt. Neue Presse heißt eine Tageszeitung für Hannover und Umgebung – doch deren URL, also die Adresse der Webseite, lautet anders. Ein Blick ins Handelsregister liefert auch keine Hinweise auf ein Berliner Unternehmen namens „Neue Presse GmbH“. Im Artikel auf „Neue Presse“ wird als Quelle auf zwei Texte von etablierten Medien verwiesen: das kenianische News-Portal Tuko, wo die Zahl von 1,9 Millionen ins Spiel gebracht wird. Und das südafrikanische The South African, in dem die Befürchtung geschürt wird, die große Zahl könnte das Sozialsystem überlasten. Nur: Die Artikel dort sind keine redaktionellen Inhalte, sondern gesponserte Artikel, sogenannter Branded Content. Jemand hat also dafür bezahlt, dass die Werbeartikel so erscheinen, dass sie wie ein journalistischer Bericht wirken, wie wir hier ausführlich berichten. Das ist Teil einer Strategie, um die Falschbehauptung glaubhafter wirken zu lassen. Was sich sagen lässt: Wenige Stunden nach Veröffentlichung brachte ein kleiner Kreis von Personen und Bots den deutschsprachigen Artikel in Sozialen Netzwerken in Umlauf. Darunter der frühere Kandidat der rechtsextremen Partei Pro Chemnitz, Michael Wittwer, aber auch der pro-russische Aktivist Jovica Jović. Accounts, die in Sozialen Netzwerken häufiger pro-russische Desinformation verbreiten, teilten den Link ebenfalls – darunter der Telegram-Kanal der Influencerin Alina Lipp, die frühere Wirtin eines russischen Restaurants in Mittweida und Alena Dirksen, Unterstützerin von Putins Krieg. Wittwer, Lipp und Dirksen beantworten Fragen dazu, warum sie den Artikel verbreitet haben, nicht. Gegenüber uns verneinten aber sowohl Jović als auch Dirksen, dass sie für die Verbreitung der Inhalte Geld angeboten bekommen hätten. Dirksen sagt jedoch: „Es würde mich nicht wundern, wenn sowas existiert.“ Jović erklärt lediglich, nicht Ersteller des geteilten Inhalts zu sein, seinen Beitrag gelöscht zu haben und nicht gewusst zu haben, dass es sich dabei um eine Falschinformation handelte. Unsere Recherche zeigt: Es sind oft dieselben Akteure, die Fakes der Kampagne verbreiten – Webseiten und Videos, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz erzeugt wurden und Russlands Propaganda in die Karten spielen. Hinter den Fake-Webseiten der „Storm-1516“-Kampagne steckt demnach der US-Amerikaner John Marc Dougan, der seit Jahren in Moskau lebt. Er hatte schon bei den US-Wahlen 2024 versucht, den Wahlkampf zu beeinflussen – mit gefälschten lokalen Nachrichtenseiten, die den Anschein von Seriosität erwecken sollten, inszenierten Aussagen von „Whistleblowern“ und künstlich erstellten Artikeln und Videos. Inzwischen hat es auch Deutschland mehrfach getroffen: Neben der Falschbehauptung über das Migrationsabkommen mit Kenia machten bisher vier weitere Fake-Webseiten Schlagzeilen. Im August hatte sich eine Kampagne gegen Außenministerin Annalena Baerbock gerichtet. Russland setzt auf solche Einflusskampagnen, um seine politischen Ziele in Deutschland und anderen Ländern durchzusetzen, wie CORRECTIV berichtete. Wie erfolgreich der Kreml dabei ist, lässt sich schwer abschätzen. Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Mitarbeit: Till Eckert, Max Donheiser Redigatur: Matthias Bau, Uschi Jonas
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Sarah Thust
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Hinter der Behauptung, dass 1,9 Millionen Arbeitskräfte aus Kenia nach Deutschland kommen sollen, steckt Desinformation. Wir klären auf.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Migration",
"Politik",
"Russische Desinformation"
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Bundestagswahl 2025
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2025-01-23T14:58:37+01:00
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2025-01-23T14:58:37+01:00
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2025-02-04T18:31:37+01:00
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Deutschland und Kenia hätten ein neues Migrationsabkommen unterzeichnet, wonach bis zu 1,9 Millionen kenianische Arbeitskräfte nach Deutschland kommen sollen.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2024-12-19 00:00:00
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https://presseneu.de/deutschland-plant-den-import-von-19-millionen-kenianischen-arbeitskraeften-eine-neue-migrationskrise-am-horizont/
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Falsch
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Falsch. Deutschland hat mit Kenia am 13. September 2024 ein Migrationsabkommen geschlossen. Darin ist jedoch keine feste Zahl von Arbeitskräften festgelegt, die nach Deutschland kommen sollen. Die Behauptung wird von einer Website verbreitet, die zu einem russischen Desinformationsnetzwerk gehört.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/01/23/russische-einflussoperation-verbreitet-fake-artikel-zu-migrationsabkommen-mit-kenia/
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Schwerin: Behauptungen zu einer Arbeitspflicht für Bürgergeldempfänger führen in die Irre
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In viralen Beiträgen auf Instagram und Facebook heißt es, Schwerin habe als erste deutsche Stadt Bügergeldbeziehende zur gemeinnützigen Arbeit verpflichtet. Doch eine verbindliche Entscheidung gibt es bislang nicht. Die Stadtverwaltung hat lediglich den Auftrag bekommen, ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten. von Paulina Thom Schwerin sei die erste deutsche Stadt, die Bürgergeldempfänger zur gemeinnützigen Arbeit verpflichte, heißt es in Beiträgen auf Instagram, Facebook und X. Die Beiträge wurden teils tausendfach geteilt. In manchen Beiträgen steht zusätzlich, wer sich weigere zu arbeiten, müsse mit Kürzungen der sozialen Leistungen rechnen. „Richtig so“, kommentieren manche Nutzerinnen und Nutzer, andere nennen die angebliche Regelung „Zwangsarbeit“. Doch gibt es eine solche Regelung in Schwerin überhaupt? Grundlage für die Behauptungen in Sozialen Netzwerken ist ein Beschluss der Schweriner Stadtverwaltung vom 9. Dezember 2024 (PDF, Download). Wie aus der Niederschrift der Sitzung (PDF, Download) hervorgeht, erweiterte die CDU einen ursprünglich von der AfD stammenden Antrag: Die AfD hatte bereits im März 2024 die Vorlage zu einer Arbeitsverpflichtung für Asylbewerbende nach Paragraph fünf des Asylbewerberleistungsgesetzes eingebracht. Dem Paragraphen nach können Asylbewerbende gegen eine Aufwandsentschädigung von 80 Cent die Stunde dazu verpflichtet werden, eine Arbeitsgelegenheit zu übernehmen. Arbeitsgelegenheiten sind keine regulären Beschäftigungen, sondern gemeinnützige Jobs, die im öffentlichen Interesse liegen. Wer eine solche Arbeit unbegründet ablehnt, dem können Leistungen gekürzt werden. Solche Regelungen sind bereits etwa im Saale-Orla-Kreis oder in der Stadt Greiz in Thüringen in Kraft. In Schwerin erweiterte die CDU den Antrag der AfD um eine Arbeitspflicht auch für Bürgergeldbeziehende – insbesondere, so steht es im Antrag der CDU, für anerkannte Asylbewerber und Asylbewerberinnen, die Bürgergeld beziehen. Eine solche Pflicht gibt es bundesweit bislang nicht. Der Antrag der CDU wurde mehrheitlich mit Stimmen der CDU und der AfD – wie der Spiegel berichtete – gegen den Willen des SPD-Bürgermeisters und seiner Fraktion beschlossen. Der Beschluss bedeutet aber nicht, dass die Regelung bereits in Kraft ist, wie die Beiträge in Sozialen Netzwerken suggerieren. Klargestellt hat dies die Stadt Schwerin in einer Pressemitteilung vom 7. Januar 2025. Darin heißt es, dass es nicht den Tatsachen entspreche, dass Bürgergeldempfänger in Schwerin ab sofort zur Arbeit verpflichtet wären. Richtig sei, dass die Stadtvertretung die Verwaltung beauftragt habe, ein Konzept zu erarbeiten, das in den kommenden Monaten in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur und den Jobcentern ausgearbeitet werde. So stand es auch im Antrag der CDU. „Wir möchten betonen, dass bislang keine verbindlichen Entscheidungen über eine flächendeckende Arbeitsverpflichtung getroffen wurden“, heißt es in der Pressemitteilung der Stadt. Wie Medien berichten, ist es unklar, ob die Arbeitspflicht für Bürgergeldempfänger in Schwerin wirklich kommt. Es gibt an der Umsetzung finanzielle, juristische und bürokratische Bedenken. So müssen Bürgergeldbeziehende laut Gesetz im Unterschied zu Asylbewerbern beispielsweise eine höhere Entschädigung von mindestens einem Euro erhalten. Zu prüfen wäre auch, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Menschen zur Arbeit verpflichtet werden sollen, denn in Artikel 12 des Grundgesetzes heißt es: „Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.“ Der Schweriner Jobcenter-Geschäftsführer Frank Skowronek gab gegenüber dem Nordkurier zudem zu bedenken, dass es aktuell nur 20 offene Ein-Euro-Arbeitsgelegenheiten gebe, gegenüber 3.000 bis 4.000 potentiell zu verpflichtenden Bürgergeldbeziehenden. Die Stadt Schwerin veröffentlichte die Pressemitteilung am 7. Januar 2025 als „Richtigstellung zu der aktuellen Berichterstattung“. In überregionalen Medien sei ein falscher Eindruck erweckt worden. Wer nach den Stichworten „Bürgergeld Schwerin Arbeit“ bei Google sucht, findet mehrere Medienberichte zum Thema, deren Titel ähnlich klingen wie die Beiträge in Sozialen Netzwerken. Der Sender NTV beispielsweise titelte am 4. Januar 2025 „In Schwerin gilt für Bürgergeldempfänger nun Arbeitspflicht“. In einem Artikel der Bild hieß es am selben Tag: „Erste Stadt verdonnert Bürgergeld-Bezieher zur Arbeit“ und „In Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) gilt künftig eine Arbeitspflicht für Bürgergeld-Empfänger!“. In einem weiteren Bild-Artikel vom 5. Januar stand: „In Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) gilt seit Kurzem eine Arbeitspflicht für Bürgergeld-Empfänger.“ Während im NTV-Artikel der Kontext folgt, dass ein entsprechendes Konzept erst erarbeitet werde, fehlt eine solche Einordnung in den Artikeln der Bild. Wir haben bei der Bild nachgefragt, warum der Kontext in den Artikeln fehlt. Pressesprecher Christian Senft schrieb uns, dass die Bezeichnung „gilt künftig“ im Artikel vom 4. Januar „klar und korrekt“ darstelle, dass der Oberbürgermeister von Schwerin ein Konzept zur Arbeitspflicht erarbeiten müsse. Senft betont außerdem, dass es im entsprechenden Stadtratsbeschluss bereits um die Finanzierung der Maßnahme gehe – darin heißt es: „Etwaige finanzielle Mittel für die Koordination der Arbeitsgelegenheiten sind ab dem Haushaltsplan 2025 der Landeshauptstadt Schwerin aufzunehmen.“ Der Artikel vom 5. Januar könne hingegen missverständlich aufgefasst werden, daher werde er angepasst, schrieb uns Senft. Darin heißt es nun statt der ursprünglichen Formulierung „gilt seit Kurzem“: „In Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) soll zukünftig eine Arbeitspflicht für Bürgergeld-Empfänger gelten.“ Zudem ergänzte die Redaktion den folgenden Absatz: „Nach Veröffentlichung am 5. Januar 2025 stellte die Stadt Schwerin fest, dass die Stadtvertretung in ihrer Sitzung am 9. Dezember 2024 die Verwaltung beauftragt habe, „ein Konzept zur möglichen Einführung einer Arbeitsverpflichtung“ zu erarbeiten. Dieses Konzept werde erst in den kommenden Monaten entstehen.“ Der Account hinter dem viralen Instagram-Beitrag mit der Behauptung über eine angebliche Arbeitspflicht in Schwerin reagierte nicht auf Nachfragen von uns. Der Beitrag ist nach wie vor online (Stand: 22. Januar). Der Beschluss der Schweriner Stadtverwaltung erfuhr Anfang Januar vermehrte mediale Aufmerksamkeit, nachdem CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sich gegenüber der Bild für eine Arbeitspflicht für Bürgeldbeziehende auch auf Bundesebene aussprach. Offen für den Vorschlag zeigte sich auf Nachfrage der Welt Jens Teutrine, Sprecher für Bürgergeld der FDP-Fraktion. Der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, lehnte den Vorschlag hingegen ab. Mitarbeit: Laura Seime Redigatur: Matthias Bau, Viktor Marinov Update, 23. Januar 2025: Wir haben einen weiteren Bild-Artikel und Zitate aus den Artikeln ergänzt. Wir haben zudem eine Antwort des Pressesprechers der Bild ergänzt, die uns nach Veröffentlichung erreichte.
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Paulina Thom
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Anders als online suggeriert, gibt es in Schwerin bislang keine verbindliche Arbeitspflicht für Bürgergeldempfänger.
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"Faktencheck",
"Gesellschaft",
"Politik"
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Gesellschaft
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2025-01-22T16:15:56+01:00
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2025-01-22T16:15:56+01:00
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2025-01-23T13:36:51+01:00
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Schwerin habe als erste deutsche Stadt Bürgergeldempfänger zur gemeinnützigen Arbeit verpflichtet
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viralen Beiträgen auf Instagram und Facebook, Medienberichten
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2025-05-01 00:00:00
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https://www.instagram.com/p/DEcssVWIEcp/?hl=de
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Fehlender Kontext
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Fehlender Kontext. Bügergeldbeziehende in Schwerin sind bislang nicht zur Arbeit verpflichtet. Im Dezember 2024 hatte die Stadtvertretung einem CDU-Antrag mehrheitlich zugestimmt und damit die Verwaltung beauftragt, ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten. Eine verbindliche Entscheidung gibt es bislang nicht.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/01/22/schwerin-behauptungen-zu-einer-arbeitspflicht-fuer-buergergeldempfaenger-fuehren-in-die-irre/
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Frank-Walter Steinmeier drohte nicht, die Bundestagswahl zu annullieren, wenn die falsche Partei gewinnt
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Wenige Wochen vor der Bundestagswahl 2025 verbreitet sich die Behauptung, der amtierende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe gesagt, die Wahl könne annulliert werden, wenn eine „falsche“ oder eine rechte Partei gewinnt. Das stimmt nicht. von Sarah Thust „Steinmeier droht: Wahl könnte annulliert werden, wenn die falsche Partei gewinnt“, heißt es Ende Dezember 2024 in einem Facebook-Beitrag. Auf Tiktok kursiert eine ähnliche angebliche Aussage von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, dort ist von „rechten Parteien“ die Rede. Auch auf Instagram, X und Telegram macht diese Behauptung die Runde, meist mit einem Bild von Steinmeier, zu dem es heißt: „Neuwahl kann annulliert werden“. Allein auf Facebook und X wurden derartige Beiträge bis Mitte Januar mehr als 2.500 Mal geteilt. „Wo soll der das gesagt haben?“, fragt ein Nutzer unter einem Beitrag auf Tiktok. Eine Suche nach dem Bild, das in einigen Beiträgen gezeigt wird, führt zu einem Youtube-Video, das am 27. Dezember 2024 veröffentlicht wurde. Das Video wurde am Nachmittag nach Steinmeiers Rede im Schloss Bellevue in Berlin veröffentlicht, um diese Rede geht es auch im Video. Auf der Webseite des Bundespräsidenten findet sich das Transkript dieser Rede, in der der Bundespräsident verkündet hat, Neuwahlen für den 23. Februar 2025 anzusetzen. Darin steht nichts davon, dass die Bundestagswahl annulliert werden könnte oder sollte. Steinmeier sagte, er erwarte, dass der Wahlkampf mit fairen und transparenten Mitteln geführt werde. In diesem Zusammenhang sei Einflussnahme von außen „eine Gefahr für die Demokratie – sei sie verdeckt, wie kürzlich offenbar bei den Wahlen in Rumänien, oder offen und unverhohlen, wie es derzeit besonders intensiv auf der Plattform X betrieben wird“. Er wende sich entschieden gegen alle äußeren Einflussversuche, die Wahlentscheidung würden allein die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger in Deutschland treffen. Auf Youtube wird diese Rede interpretiert. Ein Nutzer sagt etwa über Steinmeier: „Er hat angekündigt, dass wir auch die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 annullieren können wie in Rumänien, vor allem wegen ausländischer Einflussnahme. Und die ausländische Einflussnahme hat er benannt, die würde aktuell schon stattfinden.“ Auch mehrere reichweitenstarke, rechtskonservative Kanäle, zum Beispiel auf Tiktok oder in Blogs, griffen die Rede auf. Doch nirgendwo wird ein Beleg dafür vorgelegt, dass Steinmeier tatsächlich mit einer Annullierung der Wahl drohte, sollten rechte oder „falsche“ Parteien gewinnen. Die Interpretationen der Steinmeier-Rede wurden also immer weiter verkürzt, bis schließlich eine Falschbehauptung daraus wurde. Das Zitat fiel auch sonst nirgendwo von Steinmeier: Eine Suche auf Google und in der Zitatdatenbank Genios liefert keine Treffer. Eine Sprecherin des Bundespräsidenten schrieb CORRECTIV.Faktencheck, dass das angebliche Steinmeier-Zitat frei erfunden sei. Unabhängig davon gilt in Deutschland: Ob es eine Wahlanfechtung gibt, entscheidet nicht der Bundespräsident. Jeder Wahlberechtigte kann Einspruch gegen die Bundestagswahl einlegen – der landet beim Wahlprüfungsausschuss und anschließend im Bundestag. Nach Artikel 41 Grundgesetz kann auch das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Weitere Regelungen stehen im Wahlprüfungsgesetz und im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht. Steinmeier nennt als Beispiel für Einflussnahme von außen den Fall Rumänen. Am 6. Dezember 2024 hatte das Verfassungsgericht in Rumänien den ersten Wahlgang einstimmig annulliert, laut eigener Angabe, um die Richtigkeit und Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens zu gewährleisten. Die Wahl muss wiederholt werden. Im Mittelpunkt der Entscheidung standen laut Medienberichten Dokumente, die auf eine Einflussnahme aus Russland auf den Wahlkampf in Rumänien hindeuten. Demnach sei Rumänien am Tag und in der Nacht der Präsidentschaftswahlen vom 24. November Online-Angriffen aus mehr als 30 Ländern ausgesetzt gewesen und „aggressive russische Hybrid-Aktionen“ hätten sich auch gegen das Zentrale Wahlbüro und die Ständige Wahlbehörde gerichtet. Obwohl der prorussische Politiker und Nationalist Călin Georgescu laut Berichten keine Wahlkampfausgaben erklärt habe, erreichte er sehr schnell eine große Präsenz auf Tiktok und gewann den ersten Wahlgang – dabei soll er aus Russland unterstützt worden sein. Der Fall löste international Reaktionen aus. Die US-Botschaft in Rumänien schrieb in einer Pressemitteilung, man sei besorgt über den Bericht, wonach Russland an bösartigen Cyberaktivitäten beteiligt sei, die darauf abzielten, die Integrität des rumänischen Wahlprozesses zu beeinflussen. Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Redigatur: Gabriele Scherndl, Paulina Thom
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Sarah Thust
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Online heißt es, Bundespräsident Steinmeier habe gesagt, die Wahl könne annulliert werden, wenn eine „falsche“ Partei gewinnt. Das stimmt nicht.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2025-01-20T12:25:14+01:00
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2025-01-20T12:25:14+01:00
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2025-02-05T16:09:37+01:00
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Frank-Walter Steinmeier habe gedroht, die Wahl könne annulliert werden, wenn die falsche oder eine rechte Partei gewinne.
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Beiträge in Sozialen Netzwerken
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2024-12-27 00:00:00
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https://www.facebook.com/svengranertofficial/posts/pfbid0JvJU5prjXUhET8peq8qUuii6gLqfRPy5SB2cy2ngFejEUp3a55cpzRxpZmN9Bzsql
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Falsch
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Falsch. Die Behauptungen gehen auf eine Rede zurück, die Steinmeier am 27. Dezember 2024 in Berlin gehalten hatte. Steinmeier sprach darin nicht davon, Wahlen zu annullieren, sondern davon, dass er erwarte, dass der deutsche Wahlkampf – anders als in Rumänien – fair und transparent geführt werde. Er wehre sich gegen äußere Einflussversuche. Interpretationen dieser Aussage landeten verkürzt in Sozialen Netzwerken. Der deutsche Bundespräsident könnte eine Wahl auch gar nicht annullieren.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/01/20/frank-walter-steinmeier-drohte-nicht-die-bundestagswahl-zu-annullieren-wenn-die-falsche-partei-gewinnt/
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Nein, die EU verbietet den Bau von Schneemännern nicht
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Eine EU-Verordnung soll angeblich künftig das Bauen von Schneemännern verbieten. Das ist frei erfunden und basiert auf einem Satire-Beitrag. Rechte Blogs lassen den Kontext weg und machen so Stimmung gegen die EU. von Steffen Kutzner Auf Facebook wird Abenteuerliches behauptet: Der Bau von Schneemännern soll demnächst verboten werden: „Grund ist die neue Verordnung D-8u09809, die den privaten Umgang mit Schnee im heimischen Garten streng regelt. Ohne behördliche Genehmigung darf Schnee nicht mehr vom eigenen Rasen entfernt werden. Begründung: Schnee schützt den Boden vor Erwärmung und leistet so einen Beitrag zum Klimaschutz.“ In dem Beitrag auf Facebook ist auch eine Quelle für die Behauptung angegeben: Ein Artikel der Seite telegra.ph, auf der jeder beliebig Texte veröffentlichen kann. Der erste Absatz des Textes wurde kopiert und als Facebook-Beitrag veröffentlicht. Der Artikel auf Telegra.ph weist wiederum auf eine andere Quelle hin: Opposition24. Auf Opposition24.com, einem Blog, der zwischen rechter Stimmungsmache und Desinformation sein Zuhause hat, finden wir schließlich einen Artikel mit demselben Wortlaut. Er wurde am 22. Dezember 2024 veröffentlicht, unter demselben Autorennamen wie bei Telegra.ph: Meinrad Müller. Wichtiger Unterschied: Bei Opposition24 erschien er in der Rubrik Satire. Dieser Hinweis fehlt bei Telegra.ph, wie auch in den Beiträgen auf Sozialen Netzwerken. Auch bei der Desinformationsplattform Journalistenwatch veröffentlichte Meinrad Müller den Text, ebenfalls noch am 22. Dezember. Der Text erschien dort in der Kategorie Satire / Kunst, erkennbar ist das beim Aufrufen des Beitrags jedoch nicht – ein Hinweis im Text selbst fehlt. Dass es die angebliche EU-Verordnung nicht gibt, zeigt eine kurze Google-Suche. Dort finden sich keine seriösen Treffer zu der erfundenen Verordnung. Wir haben auch bei der Pressestelle der EU-Kommission nachgefragt, ob es womöglich doch eine Verordnung gibt, die den Schneemannbau künftig unter Strafe stellt. Eine Sprecherin antwortete uns kurz und knapp: „Nein.“ Wir haben Journalistenwatch gefragt, warum im Beitrag ein Satire-Hinweis fehlt und erhielten als Antwort von Chefredakteur Daniel Matissek, dass die Leser des Blogs Satire durch selbstständiges Denken erkennen würden. Dass der Text ohne erkennbaren Hinweis keineswegs als Satire zu erkennen ist, und auch ernstgenommen wird, wie die verschiedenen Beiträge in Sozialen Netzwerken beweisen, ignoriert Matissek. Redigatur: Matthias Bau, Viktor Marinov
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Steffen Kutzner
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Eine EU-Verordnung soll angeblich künftig das Bauen von Schneemännern verbieten. Das ist frei erfunden und basiert auf einem Satire-Beitrag.
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"Faktencheck",
"Gesellschaft",
"Politik"
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Gesellschaft
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2025-01-13T11:51:49+01:00
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2025-01-13T11:51:49+01:00
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2025-01-23T12:13:44+01:00
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Die EU wolle das Bauen von Schneemännern auf Basis der Verordnung D-8u09809 verbieten.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken, Journalistenwatch
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2024-12-22 00:00:00
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https://www.facebook.com/poeBerlin/posts/pfbid0P1wEfqHcPJDkneY3LRDCSDY8SJFYjPyMEMbtdct8VikgMgbkqkfeyDWCjYxgkunml%20
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Falsch
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Falsch. Weder gibt es die angebliche EU-Verordnung noch plant die EU, Schneemänner zu verbieten. Die Beiträge beruhen auf einem Satire-Artikel.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/01/13/nein-die-eu-verbietet-den-bau-von-schneemaennern-nicht/
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Vorsicht Satire: X-Beitrag über Magdeburg-Anschlag stammt nicht von Frank-Walter Steinmeier
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier soll auf X geschrieben haben, der mutmaßliche Magdeburg-Attentäter sei rechtsradikal und die Gesellschaft habe bei seiner Integration versagt. Dahinter steckt ein Beitrag von einem Parodie-Account, das Zitat ist erfunden. von Kimberly Nicolaus „Was für eine gequirrlte Scheiße“ und „das ist nicht mein Bundespräsident“, schreiben Nutzer auf X zu einem Bildschirmfoto, von dem sie offenbar glauben, dass es einen X-Beitrag des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zeigt. Das Bildschirmfoto wurde hundertfach geteilt. Angeblich bezieht sich Steinmeier darin auf den Anschlag in Magdeburg am 20. Dezember 2024 und schreibt: „Die tatbegehende Person in Magdeburg war rechtsradikal. Das zeigt ein doppeltes Versagen der Gesellschaft: Wir waren unfähig, diese Person in Deutschland willkommen zu heißen und sie von demokratischen Werten zu überzeugen. Der Kampf gegen Rechts muss weitergehen.“ Doch dieser X-Beitrag stammt nicht vom Bundespräsidenten, sondern von einem Parodie-Account. Im Folgenden erklären wir, woran das erkennbar ist. Der Name des X-Profils, das den Beitrag veröffentlicht haben soll, ist nicht vollständig abgebildet. Zu erkennen ist nur „Bundespräsident Frank Walte…“. Irreführend ist auch der blaue Haken neben dem unvollständigen Account-Namen. Dieser ist, seit Elon Musks Übernahme des Sozialen Netzwerks, nämlich kein Kennzeichen mehr dafür, dass ein Account von X als authentisch verifiziert wurde. Ein blauer Haken zeigt inzwischen lediglich Accounts an, die für die Premium-Version von X bezahlen. Woran ist also erkennbar, dass es sich bei dem Beitrag um Satire handeln soll? Eine Stichwortsuche mit dem Wortlaut des Beitrags auf X führt zum Originalbeitrag: Er wurde am 21. Dezember 2024 von einem Profil veröffentlicht, dessen vollständiger Name „Bundespräsident Frank Walter Steinmeier (Parodie)“ lautet. Das Stichwort „Parodie“ ist ein Hinweis darauf, dass es sich um einen Satire-Account handelt. Weitere Hinweise darauf geben die sonstigen Beiträgen des Accounts und dessen Profilbeschreibung. Der Satire-Account ist kein offizieller Account von Steinmeier. Das zeigen die Verlinkung auf die Profile in Sozialen Netzwerken auf der offiziellen Webseite des Bundespräsidenten. Dort ist das X-Profil von Sprecherin Cerstin Gammelin verlinkt. Weder auf diesem X-Profil noch bei Google oder in der Pressedatenbank von Genios finden sich Belege dafür, dass sich Steinmeier so geäußert hätte. Noch am Tag des Anschlags teilte der Bundespräsident mit, er sei in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen. Er dankte den Rettungskräften für ihren Einsatz. Der Beitrag erweckt also fälschlich den Eindruck, Steinmeier habe diese Aussage getätigt. Durch den abgeschnittenen Accountnamen ist nicht direkt erkennbar, dass es sich in dem Fall um Satire handelt. Deshalb bewerten wir die Verbreitung des Fotos als Falschmeldung. Weitere Informationen zu unserem Umgang mit Satire gibt es in unserer Satire-Richtlinie. Zum Anschlag in Magdeburg wurden auch der SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken und Winfried Kretschmann, dem grünen Ministerpräsident von Baden-Württemberg, falsche Zitate zugeschoben. Wie wir berichteten, steckte dahinter keine Satire, sondern Desinformation. Im Fall von Kretschmann wurde sie vor allem von AfD-Anhängern verbreitet. Redigatur: Uschi Jonas, Sophie Timmermann
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Kimberly Nicolaus
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Ein angeblicher X-Beitrag zum Magdeburg-Anschlag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verwundert Nutzer. Doch dahinter steckt Satire.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2025-01-08T17:20:51+01:00
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2025-01-08T17:20:51+01:00
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2025-01-08T17:20:51+01:00
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe auf X geschrieben: „Die tatbegehende Person in Magdeburg war rechtsradikal. Das zeigt ein doppeltes Versagen der Gesellschaft: Wir waren unfähig, diese Person in Deutschland willkommen zu heißen und sie von demokratischen Werten zu überzeugen. Der Kampf gegen Rechts muss weitergehen.“
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Beiträgen auf X
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2024-12-21 00:00:00
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https://x.com/e_alfred18094/status/1870531127989117117
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Falsch
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Falsch. Der X-Beitrag stammt nicht von Frank-Walter Steinmeier, sondern von einem Satire-Profil.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/01/08/vorsicht-satire-x-beitrag-ueber-magdeburg-anschlag-stammt-nicht-von-frank-walter-steinmeier/
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AfD-Anhänger unterstellen Grünen-Politiker Winfried Kretschmann falsches Zitat zu Magdeburg-Anschlag
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Nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt wolle Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann dem Täter angeblich verzeihen und entschlossen gegen „Extremisten aus der AfD“ handeln. Warum das nicht stimmt – ein Faktencheck. von Kimberly Nicolaus Bei seiner Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt tötete Taleb A. am 20. Dezember 2024 sechs Menschen und verletzte fast 300 weitere (Stand: 6. Januar 2024). Kurz darauf verbreiteten Akteure aus rechtsextremen Kreisen Desinformation, um die Tat migrationspolitisch für sich zu instrumentalisieren. AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel nannte den mutmaßlichen Täter „einen Islamist voller Hass“, obwohl es dafür, dass die Tat islamistisch motiviert gewesen wäre, keine Belege gibt. Stattdessen gilt er als islamophob, bis heute gibt es keine klaren Informationen zu seinem Motiv (Stand: 6. Januar 2024). Falschinformationen zu verbreiten, scheint bei den Anhängern der AfD das Mittel der Wahl, um der Konkurrenz bei der kommenden Bundestagswahl zu schaden. So schoben zwei AfD-Politiker und dutzende weitere Personen der SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken zum Anschlag in Magdeburg ein falsches Zitat unter. Teilweise noch im selben Atemzug wurde auch dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) unterstellt, er habe gesagt: „Es ist an der Zeit, dem Täter zu verzeihen.“ Weiter heißt es, Kretschmann fordere entschlossenes Handeln „gegen Extremisten aus der AfD“ mit dem Zitat: „Wir müssen alles tun, um diese Kräfte zurückzudrängen. Es ist keine Zeit um Heulen [sic!] – wir haben Bundestagswahl!“ Das angebliche Zitat des grünen Ministerpräsidenten kursiert in Facebook-Gruppen mit Namen wie „Anti B 90 / Grüne Gruppe“, „Neue AfD Gruppe“ oder „AfD für Deutschland“. Nutzerinnen und Nutzer, darunter auch AfD-Anhänger, verbreiten es zudem auf Telegram, Instagram, X und Tiktok. Die Beiträge erreichten hunderttausende Aufrufe. Doch dafür, dass Kretschmann zum Anschlag in Magdeburg um Vergebung aufgerufen hätte, gibt es keine Quellen. Das angebliche Zitat ist nicht bei Google und auch nicht in der Pressedatenbank Genios auffindbar. Ein Sprecher des Staatsministeriums Baden-Württemberg schreibt uns dazu auf Anfrage: „Es handelt sich um ein frei erfundenes Zitat.“ Kretschmanns offizielles Statement zu dem Anschlag ist auf der Webseite der Landesregierung zu lesen. Demnach sei er erschüttert von dem „schrecklichen Ereignis“. Das Bundesland stehe fest an der Seite der Menschen in Sachsen-Anhalt. Kretschmann dankte den Einsatzkräften vor Ort. Konkreten Bezug auf den Täter nimmt er nicht. Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Redigatur: Uschi Jonas, Steffen Kutzner
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Kimberly Nicolaus
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Nach dem Magdeburg-Anschlag wolle Ministerpräsident Winfried Kretschmann dem Täter verzeihen? Nein, das stimmt nicht.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2025-01-06T16:45:26+01:00
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2025-01-06T16:45:26+01:00
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2025-01-23T12:14:27+01:00
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Nach dem Anschlag in Magdeburg habe Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann gesagt: „Es ist an der Zeit, dem Täter zu verzeihen.“ Kretschmann forderte ein entschlossenes Handeln gegen „Extremisten aus der AfD“, indem er sagte: „Wir müssen alles tun, um diese Kräfte zurückzudrängen. Es ist keine Zeit um Heulen [sic!] – wir haben Bundestagswahl!“
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2024-12-28 00:00:00
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https://www.facebook.com/iris.zimmermann.33/posts/pfbid033rW8N5C1LuatdHMJ9Hi7gzbnojWKSzEdaZBZV5pPtYbcM2PjGJtRV1jppFqg2Vubl
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Falsch
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Falsch. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich Kretschmann so geäußert hat. Ein Sprecher des Staatsministeriums dementiert.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/01/06/afd-anhaenger-unterstellen-gruenen-politiker-winfried-kretschmann-falsches-zitat-zu-magdeburg-anschlag/
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Nach Anschlag in Magdeburg: SPD-Chefin Saskia Esken wird falsches Zitat zum Attentäter zugeschrieben
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Online kursiert die Falschmeldung, die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken habe sich bei „Markus Lanz“ nach dem Anschlag in Magdeburg gegen eine Abschiebung des mutmaßlichen Attentäters ausgesprochen und Versöhnung gefordert. Doch die besagte Lanz-Sendung gab es gar nicht. von Kimberly Nicolaus Beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg am 20. Dezember 2024 tötete Taleb A. mit seinem Auto sechs Menschen und verletzte fast 300 weitere (Stand: 6. Januar 2024). Das Motiv des Mannes aus Saudi-Arabien ist weiterhin unklar. Akteure aus rechtsextremen Kreisen und aus Reihen der AfD versuchen seither, die Tat politisch zu instrumentalisieren. Unter die Stimmungsmache mischen sich online auch Beiträge, die Politikerinnen und Politikern falsche Aussagen in den Mund legen, darunter der SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken. Zur Bundestagswahl 2025 kandidiert sie auf Listenplatz 1 in Baden-Württemberg. Nach dem Anschlag in Magdeburg kursiert ein Foto von ihr, wozu es heißt, sie habe sich bei Markus Lanz gegen eine Abschiebung des Magdeburg-Attentäters ausgesprochen und Verständnis und Versöhnung mit dem Täter gefordert. Esken habe gesagt: „Viele aus diesen Krisengebieten haben so viel verloren und der Schmerz, das Trauma kann dann eben echt hart sein.“ Beiträge auf Tiktok, Facebook, Instagram, Telegram, Linkedin und X erreichten hunderttausende Nutzerinnen und Nutzer, ein Tiktok-Video erzielte allein mehr als 420.000 Aufrufe. Auf Facebook teilten auch Patrick Liese, AfD-Politiker im Stadtrat Leverkusen und Eckbert Sachse vom AfD-Landesverband Hamburg die Behauptung. Allerdings ist das Zitat frei erfunden. Auf unsere Anfrage reagierten Liese und Sachse nicht. In den Behauptungen heißt es, Esken habe sich bei einer „Markus Lanz“-Sendung gegen die Abschiebung des Attentäters ausgesprochen. Doch zeitlich gesehen, ist das unmöglich. Die letzte reguläre Sendung von Markus Lanz im Jahr 2024 war am 18. Dezember 2024, am 19. Dezember gab es zudem einen Jahresrückblick – beides vor dem Anschlag in Magdeburg. Danach ging die Talkshow in die Winterpause. Die erste Sendung im neuen Jahr soll am 7. Januar 2025 stattfinden. Die SPD-Bundesvorsitzende konnte nach dem Anschlag also nicht bei Markus Lanz zu Gast gewesen sein. Esken war zuletzt am 7. November 2024 in der Sendung. Weder über Stichwortsuchen bei Google noch in der Pressedatenbank Genios ist das angebliche Zitat von Saskia Esken auffindbar. Ein Sprecher der SPD teilte uns auf Anfrage mit: „Das Zitat ist frei erfunden, nichts davon hat sie je gesagt.“ Wie Medien berichteten, forderte Esken nach dem Anschlag in Magdeburg eine „lückenlose Aufklärung“ der Tat und „warum die Radikalisierung des Täters und seine dokumentierte Gewaltbereitschaft ohne Konsequenzen blieb“. Sie rief zu Zusammenhalt auf und betonte, es sei wichtig, dass die Opfer und ihre Familien jede Hilfe erhielten, die sie bräuchten. Neben Saskia Esken sind noch weitere Politiker von Desinformation zum Anschlag in Magdeburg betroffen, wir berichteten hier. Anders als behauptet, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nicht, es sei an der Zeit, dem Täter zu verzeihen. Hier liefern wir Tipps, um Falschzitate zu erkennen: Ein Beitrag geteilt von CORRECTIV.Faktencheck (@correctiv_faktencheck) Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Redigatur: Sophie Timmermann, Steffen Kutzner
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Kimberly Nicolaus
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Angeblich sprach sich SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken bei „Markus Lanz“ gegen die Abschiebung des Magdeburg-Attentäters aus. Das stimmt nicht.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2025-01-06T16:40:42+01:00
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2025-01-06T16:40:42+01:00
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2025-01-21T13:59:08+01:00
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Saskia Esken habe sich in der Sendung von Markus Lanz gegen eine Abschiebung des Magdeburg-Attentäters ausgesprochen. Sie habe Verständnis und Versöhnung mit dem mutmaßlichen Täter gefordert und gesagt: „Viele aus diesen Krisengebieten haben so viel verloren und der Schmerz, das Trauma kann dann eben echt hart sein.“
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2024-12-29 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@binejule15/video/7453761983255498006
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Falsch
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Falsch. Nach dem Anschlag in Magdeburg und vor Verbreitung dieser Behauptung gab es keine „Markus Lanz“-Sendung. Es gibt keine Hinweise, dass sich Saskia Esken so geäußert hat. Auch ein SPD-Sprecher dementiert.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/01/06/nach-anschlag-in-magdeburg-spd-chefin-saskia-esken-wird-falsches-zitat-zum-attentaeter-zugeschrieben/
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„Wir müssen mehr arbeiten“: Aussage von Friedrich Merz fälschlich auf Ukraine bezogen
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Auf Tiktok wird eine Aussage von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz fälschlich in Zusammenhang mit der Ukraine gestellt. Merz sprach im Bundestag bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage von notwendiger Mehrarbeit, um die deutsche Wirtschaft zu stärken. Die Ukraine erwähnte er dabei nicht. von Kimberly Nicolaus Seit Ende Dezember kursiert auf Tiktok und bei Whatsapp ein sechssekündiges Video, das eine Rede des CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz im Deutschen Bundestag zeigt. Zu hören ist, wie Merz sagt: „Wir werden uns alle ein bisschen mehr anstrengen müssen, wir werden alle mehr arbeiten müssen.“ In einer Kachel auf dem Video heißt es dazu: „Wir müssen mehr arbeiten, weil die Ukraine Geld braucht.“ Nutzerinnen und Nutzer interpretieren das als ein Zitat von Merz. Jemand fragt: „Hat er das wirklich gesagt?“, worauf ein Account antwortet: „Ja hat er.“ Ein anderer kommentiert: „Ja genau, alles für die Ukraine, aber nicht für sein Land.“ Das Video erreichte knapp 250.000 Ansichten. Doch Friedrich Merz hat sich so nicht geäußert. Das schrieb auch der Tiktok-Nutzer auf unsere Anfrage. Er habe mit dem Video nur seine Meinung ausdrücken wollen und habe vor, den Tiktok-Beitrag zu korrigieren. Bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks tat er das nicht. Bei genauem Blick ist erkennbar, dass in der oberen rechten Ecke des Videos der abgeschnittene Wortteil „Vertraue“ steht. Das erinnert an die Vertrauensfrage, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 11. Dezember 2024 stellte und über die der Deutsche Bundestag am 16. Dezember abstimmte. Scholz verlor und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier löste infolgedessen den Bundestag auf und setzte Neuwahlen für den 23. Februar 2025 fest. Um zu prüfen, ob der Videoausschnitt vom 16. Dezember 2024 stammt, hilft eine Suche bei Youtube. Diese führt zu mehreren Treffern, darunter einem Video des Fernsehsenders Phoenix, in dem die etwa 20-minütige Rede von Friedrich Merz zur Vertrauensfrage vollständig zu sehen ist. Merz kritisierte darin die Arbeit von Scholz und sprach etwa davon, dieser hinterließe das Land „in einer der größten Wirtschaftskrisen der Nachkriegsgeschichte“. Der Ausschnitt auf Tiktok taucht bei Minute 14:28 auf. Um ihn zu finden, kann man etwa im Transkript nach Stichworten suchen. Das Zitat von Friedrich Merz aus diesem Abschnitt seiner Rede lautet vollständig: „Schauen Sie mal in alle Länder um uns herum, die Schweiz 200 Stunden mehr im Jahr als wir, da kann man von sozialer Verelendung doch wohl nicht sprechen. Wir werden uns alle ein bisschen mehr anstrengen müssen, wir werden alle mehr arbeiten müssen. […] Alles, was wir an Steuersenkungen für die deutsche Wirtschaft in Aussicht stellen, ist für die deutsche Wirtschaft notwendig, dringend notwendig, überfällig. Aber das, meine Damen und Herren, muss erarbeitet werden, das müssen wir gemeinsam in Deutschland erarbeiten.“ Die Mehrarbeit, die Merz forderte, hat er also nicht damit begründet, dass die Ukraine Geld bräuchte, sondern damit, dass die deutsche Wirtschaft unterstützt werden müsse. Das geht auch aus seinen Schilderungen hervor, die er wenige Minuten zuvor in seiner Rede äußerte. Die Ukraine erwähnt Merz in diesem Zusammenhang nicht. Auch Suchen in der Pressedatenbank Genios und mit Google liefern keine Hinweise für ein solches Zitat des CDU-Politikers. In seiner Bundestagsrede sprach er aber von einem geeinten Wille, den russischen Angriffskrieg gegen das Land so schnell wie möglich beenden zu wollen. Die CDU und die CSU möchten die Ukraine „mit diplomatischen, finanziellen und humanitären Mitteln sowie mit Waffenlieferungen“ unterstützen, wie es in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2025 heißt. Die Gelder dafür werden regulär aus dem Bundeshaushalt entnommen, der vor allem aus Steuerabgaben besteht. Demnach würden auch unter einer CDU-geführten Regierung Steuergelder in die Ukraine fließen. Wir wollten von der CDU wissen, ob ihrer Ansicht nach mehr Steuereinnahmen nötig sind, um die Ukraine weiterhin finanziell zu unterstützen. Darauf erhielten wir bis zur Veröffentlichung keine Antwort. Fest steht: Das angebliche Zitat von Friedrich Merz zur Ukraine ist in der Rede zur Vertrauensfrage nicht gefallen. Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Redigatur: Sophie Timmermann, Viktor Marinov
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Kimberly Nicolaus
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Ein Tiktok-Video setzt einen Teil der Rede von Friedrich Merz im Bundestag fälschlich mit der Ukraine in Zusammenhang.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2025-01-06T15:13:27+01:00
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2025-01-06T15:13:27+01:00
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2025-01-06T15:13:27+01:00
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Friedrich Merz habe bei einer Rede im Deutschen Bundestag gesagt: „Wir müssen mehr arbeiten, weil die Ukraine Geld braucht.“
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viralem Tiktok-Beitrag
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2024-12-17 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@fakten2029/video/7449235409495772438
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Falsch
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Falsch. Der Videoausschnitt stammt von der Rede von Friedrich Merz zur Abstimmung über die Vertrauensfrage am 16. Dezember 2024. Darin sagte Merz, wir müssten mehr arbeiten, um die deutsche Wirtschaft zu stärken. Die Ukraine erwähnte er in dem Zusammenhang nicht.
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https://correctiv.org/faktencheck/2025/01/06/wir-muessen-mehr-arbeiten-aussage-von-friedrich-merz-faelschlich-auf-ukraine-bezogen/
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Nein, Mitte Dezember 2024 wurde kein AfD-Parteitag von Grünen gestürmt
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Szenen aus einem Tiktok-Video zeigen angeblich, wie die Grünen einen Parteitag der AfD am 15. Dezember 2024 stürmten. Doch der Hintergrund des Videos ist ein anderer. von Kimberly Nicolaus Eine Veranstaltung der AfD ist sichtlich außer Kontrolle geraten. Mehrere Personen versuchen das Podium zu stürmen, Polizeikräfte wehren sie ab. Diese Szenen sind in einem Tiktok-Beitrag zu sehen, der nach nur 48 Stunden knapp 50.000 Aufrufe erzielte und über 1.000 Mal geteilt wurde. Angeblich stammen die Szenen von einem Parteitag der AfD vom 15. Dezember 2024. „Grüne“ hätten den Parteitag gestürmt und ein AfD-Verbot gefordert, heißt es weiter. Ein Nutzer kommentierte: „Wer ist jetzt eine extreme Partei?“ Einen Parteitag der AfD hat es an dem Tag nicht gegeben, was also steckt hinter dem Video? Um herauszufinden, wann das Video aufgenommen wurde, nutzen wir zunächst die Hinweise im Video: Die Polizeikräfte tragen die Kennzeichnung NRW für Nordrhein-Westfalen. Zudem wird der Name „Internetzeitung Köln“ eingeblendet. Darüber finden wir einen Facebook-Beitrag des AfD-Landesverbands Nordrhein-Westfalen, veröffentlicht am 20. Dezember 2018. Darin sind ähnliche Szenen auf Fotos und in einem Video zu sehen. Dazu heißt es: „AfD-Bürgerdialog am 20.12. in Köln Forum VHS.“ Dass die AfD an diesem Tag einen Bürgerdialog veranstaltete, geht auch aus einem Dokument der NRW-Landesregierung hervor. Die Veranstaltung war demnach im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln. Diese Hinweise führen auf Youtube zum Originalvideo der „Internetzeitung Köln“, das am 22. Dezember 2018 veröffentlicht wurde. Darin ist ab Minute 1:41 dieselbe Szene zu sehen wie am Anfang des Videos auf Tiktok. Der Vorfall ereignete sich also nicht, wie behauptet, am 15. Dezember 2024, sondern fünf Jahre früher. Im Tiktok-Beitrag werden neben den Szenen vom Bürgerdialog anschließend auch mehrere Sprecher eingeblendet, darunter eine Aussage von Tino Chrupalla, Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion. Sie hatte aber keinen Bezug zu dem Vorfall in Köln und stammt vom 29. Juni 2024 aus einem Interview mit dem TV-Sender Welt. Chrupalla kommentierte die Proteste gegen den damaligen AfD-Parteitag in Essen. Nach Sitzblockaden und Störaktionen hatte der Parteitag verspätet begonnen. Unsere Fragen dazu, warum in dem Video fälschlich vom „AfD-Parteitag“ oder ohne Belege von „Grünen“ gesprochen wird, ignorierte der Tiktok-Nutzer. Das Datum 15.12.2024, das als Text im Video eingebunden ist, solle nur das Veröffentlichungsdatum kennzeichnen. Aus dem Standbild, das zu Beginn des Videos sichtbar ist, geht hervor, dass das Tiktok-Video offenbar auf einem Youtube-Beitrag eines Satire-Profils basiert. Der Youtuber veröffentlichte die Szenen ebenfalls am 15. Dezember 2024. Sein Video erreichte über 170.000 Aufrufe. Im Titel steht „ANGRIFF auf AFD BÜRGERDIALOG!“, doch erst im Laufe des Videos wird durch eine Einblendung eines Artikels aus 2018 klar, dass der Vorfall nicht aktuell ist. Hintergrund der Auseinandersetzungen ist eine Aktion des Bündnis „Köln stellt sich quer“, das einen Protest vor dem Rautenstrauch-Joest-Museum organisierte. Um die 40 Gegendemonstranten sollen später ins Gebäude gestürmt sein. Beim Einschreiten der Polizei verletzte sich ein Beamter demnach schwer am Bein. Gegenüber dem Spiegel distanzierte sich das Bündnis von den Ereignissen im Gebäude. Die AfD-Bundestagsfraktion und die AfD-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen sprachen anschließend von Menschen aus der „linken und linksextremen Szene“, die den Bürgerdialog stürmten. In einer entsprechenden Pressemitteilung der AfD und einem Antrag gegenüber der Landesregierung in NRW ist kein Verweis auf die Grünen zu finden. Weshalb im Tiktok-Video also von Grünen die Rede ist, bleibt unklar. Das Polizeipräsidium Köln verwies uns auf Nachfrage an die Staatsanwaltschaft Köln. Dort schrieb uns eine Sprecherin, in Zusammenhang mit dem AfD-Bürgerdialog habe es ein Verfahren gegen dreißig Beschuldigte wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Versammlungsgesetz gegeben. Mangels hinreichenden Tatverdachts sei es Anfang 2019 eingestellt worden. „Ob daneben weitere Verfahren in diesem Zusammenhang anhängig geworden sind, lässt sich mangels statistischer Erfassung nicht feststellen“, so die Sprecherin. Sie könne zudem „Aussagen zu etwaigen politischen Haltungen oder Parteizugehörigkeiten der Beschuldigten“ nicht treffen, da diese Informationen nicht erfasst würden. Ob Unterstützerinnen und Unterstützer der Grünen oder der Linken unter den Personen waren, die den AfD-Bürgerdialog 2018 stürmten, lässt sich nicht feststellen. Hinweise dafür gibt es nicht. Dafür, dass die Personen bei den Ausschreitungen im Video ein AfD-Verbot gefordert hätten, gibt es auch keine Hinweise. Die Personen im Video rufen nichts dergleichen, zu hören ist eine antifaschistische Parole. Generell befürworten die Grünen aber momentan ein AfD-Verbot. Die Mehrheit der Partei sprach sich beim Grünen-Parteitag Anfang Dezember 2024 für ein Verbotsverfahren gegen die AfD aus. 113 Abgeordnete aus den Rängen der CDU, SPD, Grünen, Linken und des Bündnis Sahra Wagenknecht stellten im November einen Antrag, die AfD als verfassungswidrig festzustellen. Etwas weniger als die Hälfte der Grünen-Bundestagsfraktion hat einen weiteren Antrag zur Prüfung der Erfolgsaussichten des Verbotsverfahrens gestellt. Der Verfassungsschutz wertet die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall, in Teilen als gesichert rechtsextrem. Wie CORRECTIV am 2. Dezember 2024 berichtete, soll der Verfassungsschutz ein neues Gutachten über die AfD fertiggestellt haben, das er erstmal aber nicht veröffentlichen wolle. Laut Verfassungsschutzgesetz muss die Behörde die Öffentlichkeit aber grundsätzlich über verfassungsfeindliche Bestrebungen von Parteien informieren. CORRECTIV hat deshalb einen Eilantrag gegen die Behörde gestellt, um zu erfahren, ob das Gutachten fertiggestellt und die AfD hochgestuft wurde oder nicht. Redigatur: Sophie Timmermann, Steffen Kutzner
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Kimberly Nicolaus
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Laut einem Tiktok-Video stürmten Grüne einen Parteitag der AfD am 15. Dezember 2024. Doch der Hintergrund des Videos ist ein anderer.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-12-23T16:40:16+01:00
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2024-12-23T16:40:16+01:00
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2025-02-22T13:10:49+01:00
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Ein Video zeige, wie „Grüne“ am 15. Dezember 2024 einen AfD-Parteitag stürmten. Sie forderten ein AfD-Verbot.
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Tiktok-Beitrag
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2024-12-15 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@charly.baum/video/7448684530552212759
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Größtenteils falsch
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Größtenteils falsch. Das Video zeigt Ausschreitungen am 20. Dezember 2018 bei einem AfD-Bürgerdialog im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln. Ob damals unter den dafür Verantwortlichen Anhängerinnen und Anhänger der Grünen waren, lässt sich nicht feststellen. Hinweise dafür gibt es keine. Laut AfD waren Linksextremisten dafür verantwortlich. Die Staatsanwaltschaft Köln hat keine Informationen über Aussagen etwaiger politischer Haltungen oder Parteizugehörigkeiten der damals Beschuldigten vorliegen. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass die Personen in dem Video ein AfD-Verbot gefordert hätten.
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https://correctiv.org/faktencheck/politik/2024/12/23/nein-mitte-dezember-2024-wurde-kein-afd-parteitag-von-gruenen-gestuermt/
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Keine Kennzeichenpflicht für Fahrräder ab Juni 2025 geplant
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Angeblich soll es ab Juni 2025 eine Kennzeichenpflicht für sämtliche Fahrräder geben, damit Verkehrsverstöße juristisch verfolgt werden können. Das ist frei erfunden. von Steffen Kutzner Auf Tiktok wird behauptet, ab Juni 2025 müsse jedes Fahrrad ein Kennzeichen haben, damit Verkehrsverstöße verfolgt werden können. Selbst Kinderfahrräder sollen dann angeblich ein Kennzeichen haben müssen, das bei der Zulassungsstelle 20 Euro kosten soll. Ohne Nummernschild dürfe nicht mehr auf deutschen Straßen Fahrrad gefahren werden. Derartige Beiträge wurden mehrere tausend Male geteilt, doch die angebliche Änderung ist frei erfunden. Zu dieser angeblichen Kennzeichenpflicht gibt es keinerlei Medienberichte. Auf Nachfrage schreibt das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV): „Es ist derzeit nicht geplant, eine allgemeine Kennzeichenpflicht für Fahrräder im Jahr 2025 einzuführen.“ Eine Kennzeichenpflicht gibt es momentan nur für E-Fahrräder, deren elektrische Motorunterstützung nicht bei einer Höchstgeschwindigkeit von 25 Stundenkilometern endet oder deren Motor auch arbeitet, wenn nicht in die Pedale getreten wird. Diese S-Pedelecs beziehungsweise E-Bikes brauchen ein Versicherungskennzeichen. Das steht etwa in einem Infoblatt auf der Seite des BMDV. Eine allgemeine Kennzeichenpflicht für Fahrräder wird zwar immer mal wieder diskutiert, jedoch sprachen sich unter anderem Fahrradverbände dagegen aus, etwa weil die Kosten und der Verwaltungsaufwand sehr hoch wären und dann vielleicht weniger Menschen Räder nutzen würden. Mit ähnlichen Argumenten wurde beispielsweise auch die sogenannte Velovignette in der Schweiz 2012 abgeschafft. Ihr Sinn war jedoch nicht die Verfolgung von Verkehrsverstößen, sondern der Nachweis, dass das Fahrrad eine Haftpflichtversicherung hat. Der Tiktok-Nutzer, den wir als Erstverbreiter der Behauptung identifizierten, antwortete auf Nachfrage nicht. Doch sein Video wurde inzwischen gelöscht. Redigatur: Gabriele Scherndl, Kimberly Nicolaus
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Steffen Kutzner
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Angeblich soll ab Juni 2025 jedes Fahrrad ein Kennzeichen haben müssen. Diese Behauptung ist frei erfunden.
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"Faktencheck",
"Politik"
] |
Politik
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2024-12-19T17:07:10+01:00
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2024-12-19T17:07:10+01:00
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2024-12-19T17:07:10+01:00
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Ab Juni 2025 bräuchten alle Fahrräder ein Kennzeichen.
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Beiträgen auf Tiktok
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2024-10-12 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@alush.food.blog/video/7446664711854198038%20
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Falsch
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Falsch. Eine solche Kennzeichenpflicht für alle Fahrräder ist laut Bundesministerium für Digitales und Verkehr nicht geplant. Eine Kennzeichenpflicht gibt es nur für bestimmte E-Bikes.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/12/19/keine-kennzeichenpflicht-fuer-fahrraeder-ab-juni-2025-geplant/
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AfD-Unterstützer auf Tiktok hausieren vor Bundestagswahl mit veralteter Umfrage zur Landtagswahl
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Ein virales Tiktok-Video erweckt den Anschein, die AfD liege in einer aktuellen Wahlumfrage von Mitte Dezember auf Platz eins. Doch die Umfrage ist veraltet und stammt aus September 2024 im Kontext der Landtagswahl in Brandenburg. von Kimberly Nicolaus Vor der anstehenden Bundestagswahl 2025 scheint eine Umfrage bei AfD-Unterstützern auf Tiktok besonders beliebt. Gleich mehrere Profile, die AfD-Inhalte teilen oder die für Partei-Unterstützende typischen blauen Herz-Emojis nutzen, veröffentlichen sie im November 2024. Laut der Umfrage liegt die AfD mit 28 Prozent vor der SPD (25 Prozent) und der CDU (16 Prozent). Die Grünen kommen nur auf vier Prozent. Ein aktuelles Tiktok-Video mit der Umfrage, das 23 Stunden nach der Veröffentlichung bereits über 180.000 Aufrufe verzeichnete, zeigt AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel. Dazu steht „16. Dezember 2024“. Wir wir bereits berichteten, hat die Umfrage keinen Bezug zur Bundestagswahl, sie ist auch nicht aktuell. Denn die Werte aus der gezeigten Wahlumfrage stammen vom Institut für Markt- und Sozialforschung (Insa) und wurden am 17. September 2024 vor der brandenburgischen Landtagswahl veröffentlicht. Der in den Tiktok-Videos eingeblendete Screenshot wurde aus Beiträgen in Sozialen Netzwerken von RTL Aktuell entnommen. Eine RTL-Sprecherin schrieb uns im November 2024: „Die gezeigten Umfragewerte gehören zur Landtagswahl in Brandenburg im September 2024. Die Grafik wurde am 20. September 2024 auf dem Instagram-, Facebook- sowie Tiktok-Account von RTL Aktuell veröffentlicht.“ Die AfD landete bei der Landtagswahl in Brandenburg am 22. September auf 29,2 Prozent auf Platz 2, hinter der SPD mit 30,9 Prozent. Die auf Tiktok gezeigten Umfragewerte stammen also nicht, wie behauptet, vom 16. Dezember 2024. Sie haben keinen Bezug zur anstehenden Bundestagswahl. Auf eine Anfrage dazu reagierte der Tiktok-Nutzer vor Veröffentlichung dieses Artikels nicht. Laut den aktuellsten Insa-Umfragewerten zur Bundestagswahl vom 16. Dezember 2024 würden 31,5 Prozent der Befragten die CDU wählen. Danach folgen die AfD (19,5 Prozent) und die SPD (16,5 Prozent). Die Grünen erhielten 11,5 Prozent der Stimmen. Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Redigatur: Sophie Timmermann, Uschi Jonas
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Kimberly Nicolaus
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Falsch. Die Umfragewerte stammen aus einer Grafik, die RTL am 20. September 2024 vor der Landtagswahl in Brandenburg veröffentlicht hatte. Bei Umfragen zur Bundestagswahl führt aktuell die CDU, gefolgt von AfD und SPD.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2024-12-18T11:54:48+01:00
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2024-12-18T11:54:48+01:00
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2024-12-18T11:54:48+01:00
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Laut einer Wahlumfrage vom 16. Dezember 2024 liege die AfD mit 28 Prozent vor allen anderen Parteien.
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viralem Tiktok-Beitrag
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2024-12-16 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@afdwahl2025/video/7449020991474371862
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Falsch
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Falsch. Die Umfragewerte stammen aus einer Grafik, die RTL am 20. September 2024 vor der Landtagswahl in Brandenburg veröffentlicht hatte. Bei Umfragen zur Bundestagswahl führt aktuell die CDU, gefolgt von AfD und SPD.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/12/18/afd-unterstuetzer-auf-tiktok-hausieren-vor-bundestagswahl-mit-veralteter-umfrage-zur-landtagswahl/
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Nein, es gibt ab 2025 keinen TÜV für Fahrräder
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Angeblich wird es ab 2025 eine jährlich erforderliche Untersuchung für Fahrräder beim TÜV geben. Wer keine Plakette hat, muss angeblich Strafen zahlen oder damit rechnen, dass das Fahrrad stillgelegt wird. Nichts davon stimmt. von Steffen Kutzner Auf Facebook und Tiktok verbreitet sich die Behauptung, ab dem 1. Januar 2025 müssten Fahrräder einer jährlichen TÜV-Überprüfung unterzogen werden. Keine gültige TÜV-Plakette zu haben, würde angeblich 80 Euro kosten, das Fahrrad könne dann stillgelegt werden. Einige Nutzerinnen und Nutzer halten die Änderung für wahr. Jemand kommentiert etwa auf Tiktok: „Kein Problem, schaffe das Fahrrad ab und fahre mit dem Auto. Klasse Idee, Politiker“. Die angebliche TÜV-Pflicht ist jedoch frei erfunden. Wir haben beim Bundesverkehrsministerium (BMDV) nachgefragt, was an der Behauptung dran ist. Von dort hieß es, dass eine solche Hauptuntersuchung für Fahrräder nicht geplant sei, unter anderem weil es keine wissenschaftliche Analyse zum Verhältnis von Kosten und Nutzen eines solchen TÜVs gebe. „Aus Sicht des BMDV ist eine verpflichtende Hauptuntersuchung für Fahrräder unverhältnismäßig und würde damit den Zielen des Nationalen Radverkehrsplans 3.0 entgegenstehen. Das gilt ebenso für Pedelecs (sogenannte E-Bikes).“ Der TÜV prüft zwar durchaus auch Fahrräder, das Angebot richtet sich aber nicht an Privatpersonen, sondern an Hersteller, die dadurch ein Sicherheitszertifikat erhalten können. Auf der entsprechenden Seite heißt es auch: „Eine allgemeingültige Fahrradprüfung gibt es nicht.“ Auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck antwortete der Tiktok-Account auf Türkisch, dass er unsere Anfrage nicht verstehe. Allerdings löschte er das entsprechende Video. Es ist nicht das erste Mal, dass die Nutzung eines Fahrrads angebliche Nachteile mit sich bringen soll. So wurde im Sommer 2024 behauptet, es solle ab 2025 einen verpflichtenden Fahrradführerschein geben. Auch eine Steuer auf Fahrräder soll schon beschlossen worden sein. Beides ist erfunden, wie wir hier berichtet hatten. Redigatur: Matthias Bau, Gabriele Scherndl
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Steffen Kutzner
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Angeblich werde 2025 eine TÜV-Untersuchung für Fahrräder eingeführt, die jährlich erneuert werden müsse. Das ist frei erfunden.
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"Faktencheck",
"Politik"
] |
Politik
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2024-12-18T10:55:18+01:00
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2024-12-18T10:55:18+01:00
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2024-12-18T10:55:18+01:00
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Ab 2025 bräuchten Fahrräder eine verpflichtende TÜV-Überprüfung.
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Beiträgen auf Tiktok und Facebook
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2024-11-30 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@almanyadanhaberler/video/7443078413625101570
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Falsch
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Falsch. Einen solche verpflichtende TÜV-Überprüfung gibt es nicht und sie ist auch nicht geplant.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/12/18/nein-es-gibt-ab-2025-keinen-tuev-fuer-fahrraeder/
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Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt falsches Zitat über Rentner untergeschoben
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Anders als online behauptet, gibt es keine Hinweise dafür, dass Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt Rentner als „Parasiten“ bezeichnete. Ihr Büro dementierte die Behauptung. von Kimberly Nicolaus In dutzenden viralen Beiträgen auf Facebook, Instagram, Tiktok, X sowie auf Telegram verbreitet sich seit Ende Oktober 2024 ein Sharepic, das Bundestagsvizepräsidentin und Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckhardt zeigt. Dazu heißt es: „Die ehemalige Küchenhilfe bezeichnet Rentner als Parasiten, die keiner braucht.“ Einzelne Beiträge erreichten über hunderttausende Ansichten und wurden über 1.000 Mal geteilt. In Kommentaren rufen Nutzerinnen und Nutzer dazu auf, die Politikerin anzuzeigen. Suchen bei Google und in der Pressedatenbank Genios führen zu keinen belastbaren Quellen für das angebliche Zitat. Das Büro der Grünen-Politikerin schreibt uns auf Anfrage: „Die Zuschreibung ist ein Fake und frei erfunden. Das Büro prüft rechtliche Schritte.“ Das angebliche Zitat ist also frei erfunden. Weitere Tipps um Fake-Zitate zu erkennen, haben wir hier zusammengestellt: Ein Beitrag geteilt von CORRECTIV.Faktencheck (@correctiv_faktencheck) In dem Sharepic wird Göring-Eckardt außerdem als „ehemalige Küchenhilfe“ bezeichnet. Das ist nicht neu und dazu nahm die Politikerin schon mehrfach Stellung. Richtig ist demnach, dass sie als junge Frau in der DDR als Küchenhilfe arbeitete. Gegenüber dem Focus kommentierte sie diese Zuschreibung mit den Worten: „Eines regt mich trotzdem besonders auf: Dass man mir vorwirft, auch mal als Küchenhilfe gearbeitet zu haben. Das ist deshalb schäbig, weil es vor allem die vielen Menschen im Land diffamiert, die in der Gastronomie für unser leibliches Wohl sorgen.“ Katrin Göring-Eckardt ist häufig Ziel von Desinformation. In der Vergangenheit wurden ihr zum Beispiel erfundene Aussagen zu den sexuellen Übergriffen in Schorndorf 2017 und zu Beiträgen Geflüchteter für die Sozialkassen in den Mund gelegt. Für die Bundestagswahl 2025 steht Göring-Eckardt als Spitzenkandidatin in Thüringen auf dem ersten Platz der Landesliste für die Grünen. Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Redigatur: Sophie Timmermann, Matthias Bau
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Kimberly Nicolaus
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Anders als in Sozialen Netzwerken behauptet, bezeichnete Katrin Göring-Eckardt Rentner nicht als „Parasiten“.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2024-12-17T11:00:34+01:00
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2024-12-17T11:00:34+01:00
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2024-12-17T11:00:34+01:00
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Katrin Göring-Eckardt habe Rentner als „Parasiten, die keiner braucht“, bezeichnet.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2024-10-23 00:00:00
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https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=pfbid02EVkSSN93cGnRJsorL77G1wrEKn9HJj2cWUixKbqooGnV84Cm8oL15ZWGosQcZLcml&id=100005592225964
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Falsch
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Falsch. Es gibt keine Hinweise, dass sich Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt so geäußert hat. Göring-Eckardts Büro dementiert.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/12/17/gruenen-politikerin-katrin-goering-eckardt-falsches-zitat-ueber-rentner-untergeschoben/
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Nein, dieses Video zeigt nicht, wie Annalena Baerbock in China aus dem Saal geworfen wird
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Nach dem China-Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock im Dezember 2024 kursieren Bilder, die angeblich ihren Rauswurf bei einer Pressekonferenz zeigen sollen. Doch die Aufnahme ist alt und zeigt etwas anderes. von Sarah Thust In Sozialen Netzwerken kursiert ein Video, das angeblich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Besuch in China am 2. Dezember 2024 zeigt. Behauptet wird dazu in unterschiedlichen Beiträgen, China habe die Gespräche mit der deutschen Ministerin abgebrochen oder sie ohne Pressekonferenz „rausgeschmissen“. Im Video sieht man einen Mann, der die Ministerin mit erhobenem Zeigefinger aus dem Raum begleitet und den hineinmontierten Text „Dort ist die Tür“. Was dahintersteckt, zeigt eine Bilderrückwärtssuche: Sie führt unter anderem zu einem Video des Rundfunksenders Deutsche Welle vom 14. April 2023. Darin ist ab Minute 2:57 zu sehen, dass die Szene das Ende einer gemeinsamen Pressekonferenz ist – der ehemalige chinesische Außenminister Qin Gang, der Mann aus dem Video, bittet Baerbock mit erhobenem Zeigefinger zum Ausgang und sie verlassen gemeinsam den Saal. In der Aufnahme ist also kein „Rauswurf“ oder ein vorzeitiges Ende der Veranstaltung zu sehen. Zu diesem Ergebnis kamen auch die Nachrichtenagentur AFP und Euronews. Das Verhältnis zwischen China und Deutschland war nach Baerbocks Besuch im April 2023 angespannt. Baerbock hatte bei der Pressekonferenz 2023 starke Kritik an der Regierung Chinas geäußert, die Qin Gang zurückwies. Wenige Monate danach verschwand der Minister, die Gründe sind laut Medienberichten unklar. Der aktuelle chinesische Außenminister Wang Yi ließ sich bei Baerbocks Besuch in China im Dezember 2024 laut Medienberichten nicht auf eine gemeinsame Pressekonferenz ein. Baerbock sprach stattdessen allein zu Journalistinnen und Journalisten. Obwohl das Video alt ist und die Behauptungen dazu falsch sind, sammelte es insbesondere auf Instagram mehr als 10.000 Gefällt mir-Angaben ein. Auch auf Facebook, Telegram, Tiktok und X wurde es geteilt. Unter anderem verbreitete es ein Ortsverband der AfD auf Facebook. Daneben teilten prorussische Kanäle die Falschbehauptung, etwa auf Spanisch oder Serbisch. Aus einem AFP-Faktencheck geht hervor, dass auch der Russland-nahe Journalist Florian Warweg das Video in einer Frage während der Regierungspressekonferenz am 4. Dezember 2024 erwähnte. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Sebastian Fischer, bezeichnete die Behauptungen zum kursierenden Video als „Fehlinformation“. Es habe „schon vor Beginn der Reise“ festgestanden, „dass es keine Pressekonferenz gibt und dass die Ministerin die Dinge, die sie zu sagen hat, sozusagen in einer eigenen Pressekonferenz ohne ihren chinesischen Amtskollegen äußern würde“. Redigatur: Matthias Bau, Max Bernhard Mitarbeit: Laura Seime
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Sarah Thust
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Gemeinsam gaben Annalena Baerbock und Qin Gang 2023 eine Pressekonferenz in China. Über ein Jahr später werden die Bilder erneut, aber falsch verbreitet.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-12-16T17:45:13+01:00
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2024-12-16T17:45:13+01:00
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2024-12-16T18:19:17+01:00
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Ein Video zeige wie Annalena Baerbock während ihres Besuchs in China im Dezember 2024 rausgeschmissen wird beziehungsweise wie die Gespräche abgebrochen wurden.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2024-03-12 00:00:00
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https://x.com/p69queosdenNAFO/status/1863755485762969850
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Falsch
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Falsch. Das Video ist nicht aktuell und zeigt auch keinen Rauswurf. Es zeigt, wie der ehemalige chinesische Außenminister Qin Gang am 14. April 2023 Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nach einer gemeinsamen Pressekonferenz zum Ausgang bittet und beide gemeinsam den Saal verlassen. Im Dezember 2024 ließ sich der neue Außenminister Wang Yi nicht auf eine gemeinsame Pressekonferenz ein, Baerbock trat allein vor die Kameras.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/12/16/china-nein-dieses-video-zeigt-nicht-wie-annalena-baerbock-aus-dem-saal-geworfen-wird/
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Gezielte Kampagne: Robert Habeck sollte mit Falschbehauptung diffamiert werden
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Über eine vermeintliche Nachrichtenseite und ein mutmaßlich KI-generiertes Video wird im Netz versucht, Robert Habeck zu diffamieren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat bereits vor solcher Desinformation vor der Bundestagswahl gewarnt. von Max Bernhard Im November warnte das Bundesamt für Verfassungsschutz vor möglichen Versuchen der Einflussnahme durch fremde Staaten auf die Bundestagswahl 2025. Vorstellbar sei unter anderem die „gezielte Diskreditierung ungewünschter Kandidatinnen und Kandidaten“. Ein solcher Fall ist nun laut der Behörde eingetreten: Anfang Dezember verbreitete sich in Sozialen Netzwerken der Link zu einem vermeintlichen Nachrichtenartikel über Robert Habeck. Darin wird über ein Video berichtet, in dem eine junge Frau dem Kanzlerkandidaten der Grünen schwere Missbrauchsvorwürfe macht. Wie der Verfassungsschutz auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck erklärt, handelt es sich um eine Desinformationskampagne. Mehrere Details sprechen dafür, dass es sich bei der Webseite und dem Video um Fälschungen handelt. Die Internetadresse der vermeintlichen Nachrichtenseite wurde am 19. November 2024 zum ersten Mal registriert, wie sich aus öffentlichen Daten erkennen lässt. Außerdem fehlten ein Impressum oder andere Kontaktmöglichkeiten. Auch ein Autorenname wurde bei dem Bericht nicht angegeben. Auf Google finden sich keine Ergebnisse für die Seite vor dem 5. Dezember 2024. An dem Tag wurde der Link zu dem diffamierenden Artikel nach unseren Recherchen zum ersten Mal auf der Plattform X verbreitet. Das legt nahe, dass die Webseite vorher nicht existierte. Schon einen Tag später wurde die Seite vom Netz genommen. Laut einem Bericht von T-Online hatte der Hosting-Dienstleister Hostinger die Seite nach einer Anfrage abgeschaltet. Ein Video, das als Teil der Kampagne verbreitet wurde, fällt durch weitere Ungereimtheiten auf: Die Frau darin spricht mit einem auffälligen, möglicherweise russischen Akzent. Außerdem erscheinen ihr Gesicht und die Schatten darauf unnatürlich, so wie es bei KI-Techniken wie Face Swaps oder Deepfakes häufig zu beobachten ist. CORRECTIV.Faktencheck überprüfte das Video mit zwei KI-Erkennungstools, beide klassifizierten die Aufnahme als Fake. Die Desinformation baut auf einer Veranstaltung aus dem Jahr 2017 aus, bei der Robert Habeck, damals Umweltminister in Schleswig-Holstein, zu Besuch war. Die Webseite „Echo der Zeit“ benutzte ein Foto, das damals in einer Lokalzeitung erschien. Die Frau im Video sieht der Schülerin aber nicht sehr ähnlich. Sandra Egge von der Polizeidirektion Itzehoe, erklärte auf Nachfrage, dass der Sachverhalt der Landespolizei in Schleswig-Holstein bekannt sei. „Nach jetzigem Stand wird von einem mittels KI erstellten Video mit Falschbehauptungen ausgegangen. Dazu ist ein Strafantrag gegen Unbekannt gestellt worden.“ Die Ermittlungen habe der zuständige Staatsschutz der Bezirkskriminalinspektion Itzehoe übernommen. Der Staatsschutz befasst sich unter anderem mit politisch motivierter Kriminalität und Spionage. Im August hatte sich eine ähnliche Kampagne bereits gegen Außenministerin Annalena Baerbock gerichtet. Auch damals wurde eine vermeintliche Nachrichtenwebseite geschaffen und als angebliches Beweisstück für einen „Gigolo-Besuch“ ein Zeugen-Video präsentiert. Das Auswärtige Amt vermutete, dass eine russische Desinformationskampagne dahinter steckte. Russland setzt auf solche Einflusskampagnen, um seine politischen Ziele in Deutschland und anderen Ländern durchzusetzen, wie CORRECTIV schon berichtete. Wie erfolgreich der Kreml dabei ist, lässt sich schwer abschätzen. Alle Faktenchecks zur Bundestagswahl 2025 finden Sie hier. Mehr Tipps zum Erkennen von Deepfakes liefern wir in diesem Video: Redigatur: Alice Echtermann, Sophie Timmermann
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Max Bernhard
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Über eine vermeintliche Nachrichtenseite und ein mutmaßlich KI-generiertes Video wird im Netz versucht Robert Habeck zu diffamieren.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2024-12-13T13:43:08+01:00
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2024-12-13T13:43:08+01:00
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2025-02-22T13:11:43+01:00
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Die Webseite „Echo der Zeit“ habe über Missbrauchsvorwürfe gegen Robert Habeck berichtet. Das Opfer habe in einem Video ausgesagt.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2024-05-12 00:00:00
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Manipuliert
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Manipuliert. Das Video wurde offenbar mit Hilfe von KI erstellt. Bei der Webseite handelt es sich um keine seriöse Quelle, sie wurde erst wenige Tage bevor der Artikel veröffentlicht wurde, registriert. Auch die Polizei geht von einem Fake aus. Nach einer Anzeige gegen Unbekannt ermittele der Staatsschutz.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/12/13/gezielte-kampagne-robert-habeck-sollte-mit-falschbehauptung-diffamiert-werden/
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Falschmeldungen nach Umsturz in Syrien: Dieses Bild von Baschar al-Assad entstand nicht in Moskau
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Nach dem Sturz der Regierung in Syrien berichten russische Staatsmedien, dass der ehemalige Machthaber Baschar al-Assad und seine Familie sich nun in Moskau aufhalten. Ein Bild, das Assad und dessen Frau in Russland zeigen soll, ist jedoch alt und entstand in Syrien. von Max Bernhard Nach dem Sturz der Assad-Regierung in Syrien verbreiten sich dazu verschiedene Falschbehauptungen in Sozialen Netzwerken. Darunter auch ein Bild, das den ehemaligen Machthaber Baschar al-Assad und dessen Frau in Moskau zeigen soll. Die Behauptung verbreitet sich unter anderem auf Facebook, Telegram und X, sowie international auf Arabisch, Englisch, Französisch, und Russisch. „Erstes Foto von Syriens Ex-Präsident Bashar al-Assad und seiner Frau Esma bei ihrer Ankunft in Moskau,“ heißt es beispielsweise in einem Telegram-Beitrag. Auch die Webseite „Pravda“, die zu einer russischen Propagandakampagne gehören soll, verbreitete das Bild. Richtig ist, dass Assad sich laut russischen Medienberichten aktuell in Moskau aufhalten soll, nachdem ihm dort Asyl gewährt wurde. Das Bild ist aber alt und zeigt etwas anderes. Einige Verbreiter des Bildes korrigierten sich später. Auf X wiesen Beiträge und Community Notes, mit denen Nutzerinnen und Nutzer Kontext hinzufügen können, darauf hin, dass das Bild nicht aktuell ist. In einem dieser Beiträge wird auf eine Quelle verwiesen: ein Youtube-Video vom 10. Februar 2023 des Nachrichtenkanals Syria Stream. Syria Stream gehört zu dem oppositionellen syrischen Nachrichtensender Syria TV. In dem Youtube-Video findet sich ab Sekunde 10 die Szene, die auch in der Aufnahme zu sehen ist. Das zeigt ein Vergleich mit der Kleidung, den dabei stehenden Menschen und der Gebäudestruktur im Hintergrund. Laut Videobeschreibung zeigt die Aufnahme, wie Assad und seine Frau Erdbebenopfer in Aleppo besuchten. In einem weiteren Ausschnitt ist die Aufschrift des Aleppo University Hospital zu sehen. Dass es sich um das Krankenhaus handelt, legt auch ein Vergleich mit Fotos auf dem Facebook-Profil des Krankenhauses nahe, in denen ein ähnlicher Gang mit den gleichen Säulen und Lampen zu sehen ist. Laut Medienberichten wurde das Krankenhaus am 1. Dezember 2024 von einem russischen Luftangriff getroffen. Mit einer Stichwortsuche finden wir zu dem Besuch der Erdbebenopfer in arabischen Berichten weitere Aufnahmen von Assad und seiner Frau vor dem Krankenhauseingang in Aleppo. In einem Tiktok-Beitrag von Syria Television vom 10. Februar 2023 finden wir schließlich die exakt gleiche Szene, aus der das aktuell kursierende Bild stammt. Am 6. Februar 2023 erschütterte ein starkes Erdbeben den Südosten der Türkei und Regionen in Syrien, darunter Aleppo. Es gab zehntausende Opfer und Verletzte. Medien weltweit berichteten darüber. Die AFP veröffentlichte etwa nach dem Erdbeben Aufnahmen von Assad, der wenige Tage danach betroffene Gebiete besuchte. Darin trägt er die gleiche Kleidung wie in dem aktuell verbreiteten Bild. Das Bild ist also weder aktuell noch ist es in Moskau entstanden. Es ist nicht die einzige Aufnahme, die nach dem Sturz Assads in Syrien falsch verbreitet wird. Redigatur: Sophie Timmermann, Paulina Thom
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Max Bernhard
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Ein Foto soll den gestürzten syrischen Machthaber Baschar al-Assad und seine Frau in Moskau zeigen. Es ist jedoch alt und entstand in Syrien.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-12-10T14:35:29+01:00
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2024-12-10T14:35:29+01:00
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2024-12-18T14:00:28+01:00
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Ein Bild zeige Baschar al-Assad und dessen Frau nach dem Regierungsumsturz in Syrien im Dezember 2024 in Moskau.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2024-08-12 00:00:00
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https://t.me/QFSQwantum/71449
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Falsch
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Falsch. Das Bild stammt aus einem Video, das schon im Februar 2023 veröffentlicht wurde. Es zeigt demnach, wie Assad und dessen Frau Opfer eines Erdbebens in Aleppo, Syrien, besuchen.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/12/10/falschmeldungen-nach-umsturz-in-syrien-dieses-bild-von-baschar-al-assad-entstand-nicht-in-moskau/
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Nicht in allen US-Bundesstaaten brauchen Wähler einen Ausweis für die Wahl – Betrug belegt das nicht
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Schon vor der Präsidentschaftswahl in den USA kursierten Beiträge darüber, dass man in manchen Bundesstaaten auch ohne Ausweis zur Wahl gehen kann. Das ist kein Beleg für Wahlbetrug. von Gabriele Scherndl Schon Tage und Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl am 5. November kursierten in Sozialen Netzwerken Falschbehauptungen und Gerüchte. Ab Ende Oktober wiesen mehrere bekannten Desinformations-Verbreiter, darauf hin, dass in manchen Bundesstaaten ohne Ausweis gewählt werden könne. Georg Pazderski, ehemaliger Politiker der AfD, zufolge erleichtere das Wahlbetrug. Auf X, Tiktok und Facebook erreichten Beiträge wie diese Hunderttausende. Ein Beitrag von Elon Musk dazu erreichte mehr als 120 Millionen Views. In einigen heißt es, dass es so für Nicht-Staatsbürgerinnen und -Staatsbürgern möglich sei, zu wählen, oder auch mehrfach abzustimmen. Viele Beiträge enthalten zwei Karten: Eine, die die Ausweisregeln bei US-Wahlen zeigt, und eine mit Umfrageergebnissen. Ein Vergleich der Karten soll belegen, dass in Staaten ohne Ausweisregelung überwiegend demokratisch gewählt werde. Doch den Beiträgen fehlt Kontext und einen Betrug belegen die Ausweisregelungen nicht. Wahlberechtigt bei US-Wahlen ist, wer die US-Staatsbürgerschaft hat, die Aufenthaltsvoraussetzungen erfüllt, über 18 Jahre und als Wähler oder Wählerin registriert ist. Die Karte mit den Ausweisregelungen stammt von der Webseite Ballotpedia, einer US-amerikanischen Enzyklopädie zu Politikinhalten. Dargestellt sind in blau Bundesstaaten, die bei der Wahl einen Lichtbildausweis verlangen, in orange Staaten, die einen Ausweis ohne Foto verlangen, und in grau Staaten, die keinen Ausweis verlangen. Das heißt jedoch nicht, dass Wählerinnen und Wähler sich in den grau eingefärbten Staaten gar nicht identifizieren müssen. In Washington etwa muss laut Ballotpedia eine Wählerin oder ein Wähler ohne Ausweis eine vorläufige Wahlerklärung mit Namen, Adresse und Geburtsdatum unterzeichnen. Damit können die Wahlbeamtinnen und -beamten feststellen, ob die Person wahlberechtigt ist. Erst nach einer Überprüfung wird die Stimme gezählt. In Nevada etwa muss eine Wählerin oder ein Wähler vor Ort eine Unterschrift leisten, diese wird dann mit der Unterschrift auf einem anderen Dokument verglichen. Die Nationale Konferenz der Landesgesetzgeber (NCSL) schreibt dazu: In den 15 Staaten ohne Ausweispflicht würden „nicht-dokumentarische“ Ausweisanforderungen gelten, Wählerinnen und Wähler müssten also ihre Identität auf andere Weise nachweisen, etwa durch eine eidesstattliche Erklärung oder durch Angabe persönlicher Daten. Dass man direkt bei der Wahl keinen Ausweis braucht, ist nicht unbedingt ungewöhnlich. Das ist auch in Deutschland so. Hier muss sich laut Bundeswahlleiterin eine Person nur dann ausweisen, wenn die Wahlbenachrichtigung fehlt. In den USA müssen Wählerinnen und Wähler sich – außer in North Dakota – vor der Wahl registrieren. Auf einer Informationsseite der US-amerikanischen Regierung heißt es dazu: „In den meisten Fällen benötigen Sie zur Wählerregistrierung entweder einen Führerschein oder einen Personalausweis. Wenn Sie keinen von beiden haben, können Sie möglicherweise andere Dokumente vorlegen, etwa einen Kontoauszug oder eine Versorgerrechnung [beispielsweise für Strom, Wasser oder Gas, Anm.]”. Bei der Wahlregistrierung wird einem auch ein Wahllokal zugewiesen, das richtet sich nach dem Wohnort. Das zugewiesene Wahllokal kann man laut Informationswebseite der Regierung nicht wechseln. Wer woanders versuche zu wählen, müsse einen provisorischen Stimmzettel abgeben, der unter Umständen nicht zählt. Abgesehen davon gibt es Identifikations-Vorschriften für Erstwählerinnen und Erstwähler die sich per Post für die Wahl anmelden: Laut dem Help America Vote Act braucht es dafür entweder einen Lichtbildausweis, einen Kontoauszug, eine Strom-, Wasser- oder Gasrechnung oder Ähnliches. CORRECTIV.Faktencheck konfrontierte einige Nutzer, die derartige Beiträge geteilt haben: Den Blogger Boris Reitschuster, den ehemaligen FDP-Politiker Marcel Luthe und den ehemaligen AfD-Politiker Georg Pazderski. Reitschuster und Pazderski antworteten nicht auf eine Anfrage. Luthe legte in mehreren Mails ausführlich dar, warum es sehr wohl möglich wäre, an der Wahl teilzunehmen, obwohl man nicht dazu berechtigt sei. Er verweist dabei unter anderem auf die Regeln in Kalifornien, wonach jene, die bei der Wahlregistrierung keine Führerscheinnummer, Identifikationsnummer oder die letzten vier Ziffern Ihrer Sozialversicherungsnummer angegeben haben, sich direkt bei der Wahl mit einer Reihe unterschiedlicher Dokumente ausweisen können: Darunter auch Ausweise von privaten Unternehmen wie Fitnessstudios. Daher könne man sich als Nicht-Wahlberechtiger, so Luthe, über die kalifornische Registrierungsplattform zur Wahl anmelden und dann mit nicht-offiziellen Ausweisen zur Wahl gehen – sogar mehrfach. Was Luthe jedoch übersieht: Online einen Registrierungsantrag auszufüllen, heißt noch nicht, dass man automatisch zur Wahl zugelassen wird – auch nicht in Kalifornien. Auf der Webseite der Kalifornischen Wahlbehörde steht: „Unabhängig davon, wie Sie Ihren Registrierungsantrag einreichen – online oder in Papierform – gelten dieselben Sicherheitsvorkehrungen, wenn es darum geht, die Wahlberechtigung einer Person festzustellen, doppelte Registrierungen zu vermeiden und eine Person in die offiziellen Wählerlisten Kaliforniens aufzunehmen.“ Auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck erklärt das Büro des Staatssekretärs von Kalifornien, wie die Prüfung abläuft: Wenn sich Personen zur Wahl anmelden, würde das mit verschiedenen Datenbanken abgeglichen, darunter dem Gesundheitsamt, dem KFZ-Amt, dem Amt für Strafvollzug, mit Sterbedaten, Nachrufen, Gerichten und dem Arbeitsamt. „Das bedeutet, dass sich niemand eine Person ausdenken kann, um eine Stimme abzugeben“, schreibt das Büro. Außerdem müsse jede Person, die einen Antrag stellt, einen Eid unterschreiben, dass sie die US-Staatsbürgerschaft habe und zum Zeitpunkt der Wahl 18 Jahre alt sei. Wenn die Person nicht in diesen Datenbanken auftaucht, könne sie sich nicht als Wählerin oder Wähler registrieren. Dabei werde auch überprüft, ob die Person die Voraussetzung zur Wahlberechtigung erfüllt – wie genau dabei die Staatsbürgerschaft einer Person festgestellt wird (auch diesen Punkt merkte Luthe an), erklärt das Büro auf Nachfrage nicht. Wer am Wahltag keine Registrierung hat, kann sich laut Büro des Staatssekretärs von Kalifornien mit den alternativen Dokumenten ausweisen, darunter auch ein Fitness-Ausweis. Dann jedoch sei die Stimme „conditional“, das heißt, sie werde nicht gezählt, bis die Person nicht über eine andere Datenbank verifiziert wurde. In dem Fall überprüft ein Wahlbeamter, ob man registrierungsberechtigt ist, erst dann wird die Stimme gezählt. Auch Expertinnen und Experten bestätigen, dass es nicht oder nur sehr schwer möglich sei, mehrfach zur Wahl zu gehen. „Sobald eine Stimme im ersten Staat abgegeben wurde, gibt es in diesem Staat Kontrollen, so dass eine zweite Stimme nicht abgegeben werden kann“, heißt es auf Anfrage von der US Vote Foundation. James Gardner, Jurist mit Schwerpunkt Wahlrecht an der Universität von Buffalo, betont, dass die Registrierung zur Wahl einen Identitäts- und Wohnsitznachweis erfordert. Man könne zwar „mühsam mehrere Identitäten annehmen und sich an verschiedenen Orten registrieren lassen“. Doch dabei geht es nicht einfach um einen gefälschten Fitnessstudio-Ausweis – sondern um Identitätsdiebstahl. Trotz all dieser Sicherheitsmechanismen kommt es in manchen Fällen zu Betrug, etwa im vergangenen Sommer bei Vorwahlen in Michigan. Das ist aber kein flächendeckender Systemfehler, sondern eine Straftat. Die genaue Gesetzeslage zu Wahlbetrug ist in den Bundesstaaten unterschiedlich. US-weit ist es eine Straftat, mehrfach bei einer Präsidentschaftswahl abzustimmen. Darauf stehen bis zu 10.000 Dollar Strafe, fünf Jahre Gefängnis oder beides. Dieselbe Strafhöhe gilt für falsche Angaben bei der Wahlregistrierung. Strafbar ist es auch, wenn Ausländerinnen oder Ausländer bei der Präsidentschaftswahl in den USA wählen: Darauf steht eine Geldstrafe und/oder bis zu einem Jahr Haft. Das kommt in einzelnen Fällen vor, wie auch der Faktenfinder schreibt. So hat eine landesweite Untersuchung des Brennan Center for Justice zur Wahlbeteiligung von Nicht-Staatsbürgern bei der Präsidentschaftswahl 2016 insgesamt 30 Fälle identifiziert, in denen der Verdacht bestand, dass ein Nicht-Staatsbürger gewählt habe – 23,5 Millionen in der Untersuchung erfasste Personen haben rechtmäßig gewählt. Der Anteil der Stimmen von Menschen ohne US-Staatsbürgerschaft lag also bei 0,0001 Prozent. Die Debatte darum, wie sich Wählerinnen und Wähler in den USA ausweisen müssen, ist keine neue. Es geht dabei um die Abwägung von Zugänglichkeit und Sicherheit bei den Wahlen. NCSL zitiert dazu zwei Positionen: Die Demokratin Jheanelle Wilkins sagt, strenge Ausweisgesetze würden vor allem vulnerable Bevölkerungsgruppen, etwa Schwarze oder obdachlose Menschen oder Personen, die in Haft waren, an der Wahl hindern, weil diese häufig keinen Ausweis hätten. Der Republikaner Warren Daniel argumentiert hingegen, schärfere Ausweisgesetze würden das Vertrauen in die Wahl stärken. Bei den aktuellen Präsidentschaftswahlen schnitt die Demokratin Kamala Harris in vielen Bundesstaaten mit weniger strengen Ausweisregeln gut ab. Ein Beleg für Wahlbetrug ist das aber nicht. Immerhin holte Harris zum Beispiel auch in Colorado, wo ein Ausweis verlangt wird, die Mehrheit der Stimmen. Republikaner Donald Trump hingegen gewann in Pennsylvania, wo – abgesehen von der Stimmabgabe in einem neuen Wahllokal – kein Ausweis bei der Wahl verlangt wird. Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zur Wahl in den USA finden Sie hier. Mitarbeit: Steffen Kutzner Redigatur: Max Bernhard, Paulina Thom
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Gabriele Scherndl
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Vor der US-Präsidentschaftswahl kursierten Beiträge darüber, dass man in manchen Bundesstaaten ohne Ausweis wählen kann. Betrug belegt das nicht.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-12-10T11:46:54+01:00
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2024-12-10T11:46:54+01:00
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2024-12-12T16:51:19+01:00
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In einigen US-Bundesländern müsse man, um seine Stimme für die Präsidentschaftswahl abzugeben, keinen Ausweis oder anderen Identitätsnachweis vorzeigen. Damit könne man ohne Staatsbürgerschaft und mehrfach wählen.
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Beiträgen auf X, Facebook und Tiktok, Elon Musk
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2024-10-31 00:00:00
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https://x.com/GGLuthe/status/1852250550097658242
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Teilweise falsch
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Teilweise falsch. Es stimmt, dass Wählerinnen und Wähler am Wahltag in manchen Bundesstaaten keinen Ausweis vorlegen müssen. Doch es gibt andere Formen, wie sie sich identifizieren können. Außerdem müssen sich Wählerinnen und Wähler vor der Wahl registrieren, dabei wird ihre Identität geprüft. Dabei falsche Daten anzugeben ist strafbar.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/12/10/nicht-in-allen-us-bundesstaaten-brauchen-waehler-einen-ausweis-fuer-die-wahl-betrug-belegt-das-nicht/
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Wehrpflicht 2025? Angebliche Bundeswehr-Webseite ist eine Fälschung
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Online kursiert eine angebliche Webseite der Bundeswehr zu einer anstehenden Wehrpflicht. Bis Mai 2025 sollen 500.000 Soldaten für einen „Militäreinsatz in Osteuropa“ mobilisiert werden, heißt es dazu. Doch die Seite ist nicht echt und die Behauptung falsch. von Paulina Thom „Wehrpflicht!“ oder „Wehrpflicht reloaded“, heißt es Ende November in Beiträgen auf X, Telegram und Tiktok zu einer angeblichen Webseite der Bundeswehr. Dazu schreiben Nutzerinnen und Nutzer, dass das deutsche Verteidigungsministerium bis Mai 2025 eine halbe Million Soldaten für einen Militäreinsatz in Osteuropa rekrutieren wolle. Auch per Whatsapp wurde uns die Webseite mit der Bitte um Prüfung zugeschickt. Den Link zur Webseite mit der URL www.wehrpflicht2025.de teilte unter anderem Alina Lipp auf ihrem Telegram-Kanal „Neues aus Russland“, der Beitrag erreichte mehr als 60.000 Ansichten. Lipp, die bereits häufiger mit pro-russischer Desinformation aufgefallen ist, fasst die vermeintliche Lage so zusammen: „Deutschland bereitet sich also offiziell auf einen Krieg vor.“ Doch die Webseite ist fake, wie uns eine Sprecherin der Bundeswehr auf Nachfrage schrieb. Schritte zur Stilllegung der Seite seien eingeleitet worden. Sie ist seit dem 3. Dezember tatsächlich nicht mehr abrufbar. Auf der gefälschten Webseite heißt es unter anderem: „Der deutsche Beitrag zur Wahrung und Wiederherstellung des Friedens in Osteuropa erfordert langfristig eine Gesamtstärke von rund 500.000 Soldaten.“ Das sei nur im Rahmen einer „Allgemeinen Wehrpflicht“ möglich, das Programm laufe 2025 an. Auch wird Verteidigungsminister Boris Pistorius mit den Worten zitiert: „Wir müssen bis Mai 2025 bereit sein.“ Die Links auf der Webseite zur Wehrpflicht 2025 führen allesamt zur offiziellen Karriereseite der Bundeswehr. Der Link zu den Datenschutzeinstellungen ist jedoch fehlerhaft, er führt zum Assessment Center der Bundeswehr. Es gibt weitere Unstimmigkeiten: Die Logos haben eine schlechtere Qualität und das Layout ist offenbar an die Karriereseite der Bundeswehr angelehnt, sieht aber unprofessioneller aus. Es fehlen etwa Drop-Down-Menüs, auch die Schriftart ist anders. Eine Google-Suche nach der Webseite zeigt zudem, dass sie offenbar erst am 19. November mit der freien Software WordPress erstellt wurde. Am selben Tag wurde auch die Internetadresse der Seite registriert. Auch inhaltlich sind einige Dinge unstimmig: Zwar plant das Verteidigungsministerium mit einem Gesetzentwurf einen „Neuen Wehrdienst“, jedoch ist darin keine Wehrpflicht vorgesehen. Pistorius stellte den Entwurf im Juni vor, Anfang November stimmte das Bundeskabinett zu. Allerdings ist ungewiss, ob der Gesetzentwurf nach dem Bruch der Ampelkoalition in Kraft treten wird. Die CDU/CSU will nicht zustimmen und fordert eine tatsächliche Wehrpflicht. Laut dem Entwurf von Pistorius soll lediglich eine Auskunft mit einem Online-Fragebogen verpflichtend sein, ob die Bereitschaft und Fähigkeit zum Militärdienst vorhanden ist. Ebenso finden sich weder auf Google noch in der Pressedatenbank Genios Hinweise, dass Pistorius sagte: „Wir müssen bis Mai 2025 bereit sein.“ Bei einer Befragung der Bundesregierung im Juni sagte der Verteidigungsminister: „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein.“ Auch die Angabe von 500.000 Soldaten bis Mai 2025 in einigen Beiträgen macht stutzig: Wie Pistorius auf einer Bundespressekonferenz im Juni erklärte, brauche Deutschland zwar langfristig im Ernstfall bis zu 460.000 Soldatinnen und Soldaten. Das Ziel des „Neuen Wehrdienstes“ ist jedoch langfristig angelegt. Bis 2031 soll die Zahl der Soldatinnen und Soldaten auf 203.000 steigen und eine Reserve mit bis zu 260.000 Frauen und Männern zur Verfügung stehen. Nach Medienberichten sollen mit dem „Neuen Wehrdienst“ im ersten Jahr 5.000 neue Rekruten das Ziel sein. Aktuell verfügt die Bundeswehr über etwa 180.000 Streitkräfte und 60.000 in der Reserve. Alina Lipp antwortete nicht auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck. Sie teilte einen weiteren Telegram-Beitrag zu der Seite, in dem es heißt, die Webseite zur Wehrpflicht sehe echt aus. Der Beitrag verweist auf einen Artikel der Süddeutschen Zeitung mit Kontext zum „Neuen Wehrdienst“ und stellt klar, dass es „noch keine Wehrpflicht“ gebe. Redigatur: Viktor Marinov, Max Bernhard Update 9. Dezember: Wir haben die Bewertung entsprechend unserer Bewertungsskala von Falsch zu Manipuliert geändert und im Bewertungstext zunächst hervorgehoben, dass die Webseite gefälscht wurde.
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Paulina Thom
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Online kursiert eine angebliche Bundeswehr-Webseite: Bis Mai 2025 sollen 500.000 Soldaten mobilisiert werden, heißt es. Doch die Seite ist fake.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2024-12-05T13:45:44+01:00
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2024-12-05T13:45:44+01:00
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2024-12-09T15:46:33+01:00
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Auf einer Webseite der Bundeswehr seien Informationen zu einer anstehenden Wehrpflicht und Rekrutierung von 500.000 Soldaten bis Mai 2025 veröffentlicht worden.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2024-11-25 00:00:00
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https://t.me/neuesausrussland/21533
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Manipuliert
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Manipuliert. Laut der Bundeswehr ist die Webseite eine Fälschung. Die Webseite fällt auch durch Unstimmigkeiten im Design und den Inhalten auf. Das Verteidigungsministerium plant mit einem noch nicht verabschiedeten Gesetzentwurf einen neuen Wehrdienst, jedoch keine Wehrpflicht.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/12/05/wehrpflicht-2025-angebliche-bundeswehr-webseite-ist-eine-faelschung/
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Bürgergeld: Angebliche Pauschale für Haustiere ab Januar 2025 frei erfunden
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In einem viralen Tiktok-Beitrag heißt es, ab Januar 2025 gebe es auch Bürgergeld für Haustiere. Die vermeintliche Meldung ist frei erfunden. von Paulina Thom „Ab Januar 2025 gibt es Bürgergeld für Haustiere“, heißt es in einem Tiktok-Beitrag mit knapp einer Million Ansichten. Für einen Hund soll es monatlich eine Pauschale von 127 Euro, bei einer Katze 98 Euro mehr geben. Einige Nutzerinnen und Nutzer haben Zweifel an der Meldung, andere halten sie für echt. Die rechtlichen Regelungen zum Bürgergeld finden sich im Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches. Weder dort noch auf der Webseite des zuständigen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) findet sich ein Hinweis auf das angebliche Bürgergeld für Haustiere. Auch in Medienberichten heißt es: Jeder Mensch habe zwar das Recht, ein Haustier zu halten, eine finanzielle Unterstützung durch das Jobcenter gebe es aber nicht. Im Juni 2023 wies das Landessozialgericht in Baden-Württemberg eine entsprechende Klage mit der Begründung ab, Hundehaltung gehöre nicht zu dem zu gewährleistenden Existenzminimum. In einer Broschüre des BMAS werden Haustiere neben Glücksspielen, Kraftfahrzeugen, Tabak und alkoholischen Getränken als „nicht existenznotwendig“ gelistet. Zur Ermittlung des Regelbedarfs würden sie daher nicht herangezogen. Dazu heißt es weiter: „Der Regelbedarf enthält keine Vorgaben, wofür Leistungsberechtigte ihr Budget ausgeben.“ Auf Nachfrage schreibt uns ein Sprecher des BMAS, dass es keine Gesetzesänderung zu Haustieren beim Bürgergeld gebe. „Die Aussage im verlinkten Tiktok-Video ist reine Phantasie.“ Eine Bürgergeld-Pauschale für Haustiere gibt es also nicht und ist laut BMAS auch nicht geplant. Wer aber Unterstützung beim Futtermittelbedarf für sein Haustier benötigt, kann sich an sogenannte gemeinnützige Tiertafeln wenden. Wir haben den Tiktok-Nutzer über unsere Recherche informiert und gefragt, ob er sein Video entsprechend korrigiert. Bis zur Veröffentlichung erhielten wir keine Antwort. Das Video ist unverändert auf Tiktok abrufbar (Stand: 5. Dezember 2024). Redigatur: Matthias Bau, Kimberly Nicolaus
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Paulina Thom
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In einem Tiktok-Beitrag heißt es, ab Januar 2025 gebe es Bürgergeld für Haustiere. Das stimmt nicht, die Meldung ist frei erfunden.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-12-05T09:58:17+01:00
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2024-12-05T09:58:17+01:00
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2025-01-27T15:33:24+01:00
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Ab Januar 2025 gebe es Bürgergeld für Haustiere.
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viralem Tiktok-Beitrag
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2024-12-11 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@az_explores_/video/7436474275621539105?q=b%C3%BCrgergeld%20f%C3%BCr%20tiere&t=1732620182424
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Falsch
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Falsch. Haustiere gelten als „nicht existenznotwendig“, für sie ist im sogenannten Regelbedarf des Bürgergeldes keine Zahlung vorgesehen. Eine Gesetzesänderung zum Januar 2025 gibt es laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/12/05/buergergeld-angebliche-pauschale-fuer-haustiere-ab-januar-2025-frei-erfunden/
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Nein, CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz kündigte keine Wehrpflicht für Rentner an
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Vor der Bundestagswahl 2025 verbreitet sich über ein Tiktok-Video die Behauptung, Friedrich Merz habe angekündigt, eine Wehrpflicht für Rentner zu diskutieren. Doch dafür gibt es keinerlei Belege, ein Sprecher dementiert. von Kimberly Nicolaus Sollte Friedrich Merz (CDU) Kanzler werden, sei seine erste Amtshandlung, die Wehrpflicht für Rentner zu diskutieren. Das habe Merz bereits angekündigt. So lautet zumindest die Behauptung eines Tiktok-Videos, das über 400.000 Mal aufgerufen wurde. Demnach wolle Merz auch, dass Rentner während dieses Wehrdienstes in die Rentenkasse einzahlen. Die CDU arbeite gar schon an entsprechenden Entwürfen. Die Behauptung verbreitet sich weiter auf anderen Sozialen Netzwerken. Manche kommentierten dazu: „Dieser Mensch ist nicht wählbar“, oder: „Jetzt erst Recht die AfD wählen“. Ein anderer Nutzer fragte nach der Quelle für die Behauptung. Mehrere Google-Suchen belegen: Es gibt keine belastbare Quelle. Die angebliche Ankündigung von CDU-Kanzlerkandidat Merz, über einen Wehrdienst für Rentner zu diskutieren, steht in keinerlei Medienberichten. Ein CDU-Pressesprecher schreibt uns auf Anfrage: „Zu diesem Thema kursierende Beiträge sind allesamt Unfug, Herr Merz hat nichts dergleichen gefordert.“ Auch im Grundsatzprogramm der CDU steht nichts von einer angeblichen Wehrpflicht für Rentner. Auf ihrem Bundesparteitag im Mai 2024 stimmte die CDU dafür, dass die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurückgenommen wird. Die CDU möchte die Wehrpflicht in ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr überführen. Wie Medien berichteten, geht es bei diesem Vorschlag jedoch um junge Menschen. Wie die Welt im Juni 2024 berichtete, schlug Ex-CDU-Bundesfamilienministerin Kristina Schröder zwar vor, dass ältere Menschen zu Beginn ihres Ruhestands einen sogenannten verpflichtenden Dienst an der Gesellschaft leisten könnten. Schröder ordnete aber ein, ihr Vorschlag sei „provokant und ironisch“ gemeint gewesen. Nach unserer Anfrage an den Tiktok-Nutzer wurde das Video offenbar gelöscht. Wir erhielten keine Antwort auf unsere Fragen, der Nutzer hat unser Tiktok-Profil blockiert. Seit 2011 ist die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt. Wie das Bundesverteidigungsministerium auf seiner Webseite erklärt, kommt die Wehrpflicht nur dann wieder zum Einsatz, wenn ein Spannungs- oder Verteidigungsfall festgestellt wird. Laut dem Wehrpflichtgesetz sind alle Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr an wehrpflichtig (Paragraf 1). Die Wehrpflicht endet mit Ablauf des Jahres, in dem das 45. Lebensjahr vollendet oder, im Spannungs- oder Verteidigungsfall, das 60. Lebensjahr vollendet wird (Paragraf 3). Nicht nur die CDU plant Änderungen zur Wehrpflicht-Regelung, sondern auch die ehemalige Ampel-Regierung. Der von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) eingebrachte Gesetzentwurf von Anfang November 2024 sieht die Einführung eines „neuen Wehrdienstes“ vor. Damit soll die sogenannte Wehrerfassung und -überwachung wieder eingeführt werden. Dazu ist unter anderem eine für Männer verpflichtende Befragung vorgesehen über ihre Bereitschaft und Fähigkeit, den Wehrdienst abzuleisten. Es sei davon auszugehen, heißt es im Entwurf, dass sich damit die Zahl der freiwilligen Bewerber für den Wehrdienst erhöhen wird. Der Gesetzentwurf liegt aktuell beim Bundesrat. Die Beratungen dazu sind noch nicht abgeschlossen (Stand: 29. November 2024). Nachdem die Ampelkoalition im November 2024 zerbrach, ist ungewiss, ob das Gesetz kommen wird. Eine Erhöhung des Wehrpflichtalters in die übliche Rentenzeit hinein, sieht jedoch auch dieser Entwurf nicht vor. Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Redigatur: Steffen Kutzner, Gabriele Scherndl
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Kimberly Nicolaus
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Angeblich hat Friedrich Merz angekündigt, eine Wehrpflicht für Rentner zu diskutieren. Das stimmt nicht, auch ein CDU-Sprecher dementiert.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2024-11-29T15:08:02+01:00
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2024-11-29T15:08:02+01:00
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2024-12-05T15:43:11+01:00
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Friedrich Merz habe angekündigt, eine Wehrpflicht für Rentner zu diskutieren.
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viraler Tiktok-Beitrag
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2024-11-22 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@derneutraleblick/video/7440043896161226006
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Falsch
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Falsch. Es gibt keine Hinweise, dass sich Friedrich Merz so geäußert hat. Laut einem CDU-Pressesprecher hat Merz nichts dergleichen gefordert.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/29/nein-cdu-kanzlerkandidat-friedrich-merz-kuendigte-keine-wehrpflicht-fuer-rentner-an/
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Manipulierte Umfrage zur Bundestagswahl: ZDF hat Diagramm nicht veröffentlicht
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Auf Tiktok und X kursiert eine Wahlumfrage, bei der die Höhe der Balken nicht zu den Stimmanteilen der Parteien passt. Auffällig sind der überproportional große Balken für die Grünen und der Balken für die AfD, der zu klein ausfällt. Angeblich habe das ZDF das fehlerhafte Diagramm veröffentlicht, heißt es. Das stimmt nicht. von Paulina Thom „Mal genau hinschauen!”, lautet der Appell in einem Tiktok-Beitrag mit mehr als 100.000 Aufrufen zu einer angeblichen Wahlumfrage zur Bundestagswahl 2025. Tatsächlich stimmt an dem Diagramm mit den Ergebnissen der Umfrage einiges nicht: Der Balken für die Grünen ist am höchsten, obwohl die Partei mit 12 Prozent unter den Stimmanteilen der CDU, SPD und AfD liegt. Der blaue Balken für die AfD liegt trotz 18 Prozent nur etwa auf der Höhe des BSW, das 5 Prozent der Anteile hat. „Dieser Quatsch ist vom ZDF“, heißt es in dem Tiktok-Beitrag. Auch auf X kursiert das fehlerhafte Diagramm. Doch bei dem „Quatsch“ handelt es sich offenbar um ein manipuliertes Diagramm. Das ZDF hat es nicht veröffentlicht. In den Beiträgen auf Tiktok und X steht über dem Diagramm, es zeige die Sonntagsfrage zur Bundestagswahl vom 22. November 2024. Als Quelle ist die Forschungsgruppe Wahlen angegeben, die für das ZDF-Format Politbarometer solche Wahlumfragen durchführt. Auf Nachfrage schreibt uns Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen, dass die Grafik „definitiv“ nicht von ihnen stamme. Nirgendwo nutze man ein solches Design. Die Zahlen würden die Projektion des Politbarometers zeigen, schreibt Jung. Auch das ZDF nutzt ein anderes Design, wie ein Abgleich mit der Sendung Politbarometer (Minute 3.03) und einem Artikel vom 22. November zeigt. Weder dort noch auf der Seite der Forschungsgruppe Wahlen ist das fehlerhafte Diagramm, die Höhe der Balken ist jeweils korrekt. Auch auf den Kanälen des ZDF in Sozialen Netzwerken (Instagram, Facebook, Tiktok, Whatsapp und X) konnten wir das fehlerhafte Balkendiagramm aus dem Tiktok-Beitrag nicht finden. Auf eine Anfrage antwortete der Sender bis zur Veröffentlichung des Faktenchecks nicht. Mit einer Bilder-Rückwärtssuche finden wir das ursprüngliche Diagramm auf dem X-Account der Webseite Wahlrecht – einem Informationsdienst rund um die Themen Wahlen, Wahlrecht, Wahlverfahren und Wahlumfragen. Die Webseite veröffentlicht regelmäßig alle Ergebnisse der Wahlumfragen von unterschiedlichen Instituten und Forschungsgruppen. Die Grafik von Wahlrecht.de vom 22. November ist jedoch – anders als in den Beiträgen auf Tiktok und X – nicht fehlerhaft. Die Balken zu den Ergebnissen der Projektion durch die Forschungsgruppe Wahlen sind entsprechend der Prozentangaben in der richtigen Höhe abgebildet. Auf Nachfrage schreibt uns Matthias Cantow von Wahlrecht.de, dass die Grafik manipuliert worden sei. „Eine Abweichung von Säulenhöhe und Säulenwert kann es bei uns aufgrund der Erstellungsmethode nicht geben.“ Die Grafik in Sozialen Netzwerken wurde also nachträglich bearbeitet. Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Redigatur: Gabriele Scherndl, Viktor Marinov
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Paulina Thom
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Online kursiert eine Wahlumfrage, bei der die Balken nicht zu den Stimmanteilen passen. Anders als behauptet, stammt sie nicht vom ZDF.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2024-11-28T15:56:42+01:00
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2024-11-28T15:56:42+01:00
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2024-12-05T15:44:26+01:00
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Das ZDF habe eine fehlerhafte Grafik mit einer Umfrage vom 22. November 2024 zur Bundestagswahl veröffentlicht: Darauf passen die Balken nicht zu den Stimmanteilen der Parteien.
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Beiträgen auf Tiktok und X
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2024-11-24 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@toni_frsa/photo/7440778351003929878
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Falsch
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Falsch. Ein solches Diagramm findet sich weder auf der Webseite noch auf anderen Kanälen des ZDF. Auch die Forschungsgruppe Wahlen, die die Umfragen im Auftrag des ZDF durchführt, hat es nicht veröffentlicht. Das ursprüngliche Diagramm stammt vom Informationsdienst Wahlrecht, dort ist die Darstellung der Balken jedoch korrekt. Das auf Tiktok und X kursierende Diagramm ist demnach manipuliert worden.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/28/manipulierte-umfrage-zur-bundestagswahl-zdf-hat-diagramm-nicht-veroeffentlicht/
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Vor Bundestagswahl 2025: Alte Aussage von Erdoğan über deutsche Politik kursiert erneut
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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan rief 2017 Türkinnen und Türken in Deutschland dazu auf, nicht SPD, CDU und Grüne zu wählen. Nun wird die Aussage fälschlicherweise als aktuell verbreitet. von Gabriele Scherndl „Sie sind alle für die AfD“, heißt es auf Tiktok zu einem Bild des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Er habe jetzt dazu aufgerufen, nicht die CDU, SPD, FDP oder die Grünen zu wählen. In einem anderen Tiktok-Beitrag wird unter einem Video von Erdoğan Bezug auf die vorgezogene Bundestagswahl in Deutschland genommen, sie wird im Februar 2025 stattfinden. Erdoğan sagt im Video: Er rufe seine Landsleute in Deutschland auf, die Christdemokraten, SPD und Grünen nicht zu unterstützen, weil die Parteien „Feinde der Türkei“ seien. Unter einem Beitrag, in dem die Aussage zu hören ist, kommentiert jemand: „Ist das echt?” Derartige Beiträge erreichen aktuell auf Tiktok, Instagram und Youtube Hunderttausende. Sie suggerieren, die Aussage Erdoğans sei aktuell – doch das ist sie nicht. Eine Bilder-Rückwärtssuche mit einem Standbild aus dem Video führt zu einem Youtube-Video, das die Welt im August 2017 veröffentlichte – also kurz vor der vorletzten Bundestagswahl. Darin wird jener Ausschnitt gezeigt, in dem der türkische Präsident dazu aufruft, weder CDU, noch SPD oder Grüne zu wählen. Über die FDP sprach er dabei – wie in manchen Beiträgen behauptet wird – nicht. Über die Aussage berichteten deutsche und internationale Medien. Dass Erdoğan auch vor der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 so eine Aussage getätigt hat, ist nicht bekannt (Stand 27. November 2024). Es gibt keinerlei Medienberichte darüber, weder auf Deutsch, noch auf Türkisch. Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Redigatur: Viktor Marinov, Uschi Jonas
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Gabriele Scherndl
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Der türkische Präsident rief 2017 dazu auf, nicht SPD, CDU und Grüne zu wählen. Nun wird ein Video dazu fälschlicherweise als aktuell verbreitet.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2024-11-27T17:19:53+01:00
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2024-11-27T17:19:53+01:00
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2024-12-05T15:45:05+01:00
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Erdoğan habe dazu aufgerufen, nicht CDU, SPD oder die Grünen zu wählen.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2024-11-13 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@klausmaiwald/photo/7395211165359508769
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Fehlender Kontext
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Fehlender Kontext. Die Aussage stammt aus 2017 – damals gab es den Aufruf von Erdoğan, diese Parteien nicht zu wählen. Darüber, dass er sich aktuell erneut so geäußert habe, gibt es keine Berichte.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/27/vor-bundestagswahl-2025-alte-aussage-von-erdogan-ueber-deutsche-politik-kursiert-erneut/
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Friedrich Merz war für Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe – wegen einer Klausel stimmte er jedoch 1997 gegen den Gesetzentwurf
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Weshalb hat Friedrich Merz gegen einen Gesetzentwurf gestimmt, der die Vergewaltigung in der Ehe strafbar machte? Ein Blick in die Drucksachen des Bundestags zeigt, dass es ihm 1997 offenbar nicht um die Strafbarkeit an sich ging – sondern um eine Widerspruchsklausel, die die CDU/CSU und FDP damals im Gesetz haben wollten. von Alice Echtermann , Kimberly Nicolaus Friedrich Merz stimmte vor Jahren gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe. Medien und Personen aus der Politik werden nicht müde, das zu berichten. Auch in den vergangenen Wochen kursierte der Fakt wiederholt in Sozialen Netzwerken – insbesondere seitdem klar ist, dass Friedrich Merz der CDU-Kanzlerkandidat für die anstehende Neuwahl im Februar 2025 ist und er empört über das Vorhaben zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen reagierte. Zu den aktuell prominentesten Verbreitern gehören die Jugendorganisation der SPD (Jusos) und die SPD-Bundestagsabgeordnete Derya Türk-Nachbaur. Tatsächlich ist die Aussage über Merz’ Abstimmungsverhalten korrekt, wie wir bereits 2018 in einem Faktencheck berichteten: Friedrich Merz stimmte im Mai 1997 im Bundestag gegen einen Gesetzentwurf, der die Vergewaltigung in der Ehe ins Strafgesetzbuch aufnehmen sollte. Ohne weiteren Kontext liegt die Schlussfolgerung nahe, Merz habe nicht gewollt, dass es strafbar wird, wenn ein Ehepartner den anderen vergewaltigt. Auf X schreibt ein Nutzer zum Beispiel: „Wofür steht Merz eigentlich? Außer für die Ablehnung des Straftatbestandes der Vergewaltigung in der Ehe.“ Diese Interpretation ist jedoch falsch. In diesem Faktencheck erklären wir die Hintergründe. Die Debatte über die Änderung des Sexualstrafrechts begann bereits in den 70er-Jahren. Eine Reform, vorangetrieben von der SPD, scheiterte offenbar lange am Widerstand der Union und FDP. Erst im September 1995 legten die Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und FDP (damals die regierenden Parteien) selbst einen Gesetzentwurf dazu vor. Auch dieser sollte die Vergewaltigung in der Ehe strafbar machen. Die bis dahin geltende Gesetzgebung wurde im Entwurf der CDU/CSU und FDP wie folgt eingeordnet: „Durch die gegenwärtige Fassung der §§ 177 ff. StGB ist das sexuelle Selbstbestimmungsrecht nicht umfassend genug geschützt. Insbesondere ist im Bereich des Vergewaltigungstatbestandes (§ 177 StGB) der eheliche Bereich noch ausgenommen.” Als Lösung wird vorgeschlagen, dass „unter geschlechtsneutraler Formulierung, die berücksichtigt, daß auch Männer Tatopfer sein können – ein einheitlicher Tatbestand für Vergewaltigung und sexuelle Nötigung geschaffen“ werden solle. „Der eheliche Bereich wird in den neugeschaffenen einheitlichen Tatbestand sowie in § 179 StGB einbezogen.“ Über diesen Gesetzentwurf stimmte der Bundestag am 9. Mai 1996 ab. Im Plenarprotokoll ist ab Seite 9208 zu sehen, wie die Abgeordneten namentlich abstimmten – Friedrich Merz stimmte mit Ja. Unter anderem SPD und Grüne stimmten dagegen. Mit knapper Mehrheit wurde der Gesetzentwurf angenommen. Im Folgenden gab es jedoch Kritik an dem Entwurf der CDU/CSU und FDP, da er eine sogenannte Widerspruchsklausel enthielt. Sie besagte: Eine Tat könne nicht strafrechtlich verfolgt werden, wenn das Opfer dem widerspreche – es sei denn, es bestehe ein „besonderes öffentliches Interesse“. Die Kritikerinnen und Kritiker befürchteten unter anderem, dass die Täter ihre Opfer unter Druck setzen könnten, um Ermittlungen zu verhindern. Vergewaltigung ist ein sogenanntes Offizialdelikt – der Staat muss es verfolgen, Anzeigen können nicht zurückgezogen werden. Eine Ausnahme hiervon für Ehepartner wöge also schwer. Der Entwurf der Bundesregierung mit der Widerspruchsklausel wurde von der SPD im Bundesrat gekippt. Am 15. Mai 1997 kam es im Bundestag zur erneuten Abstimmung über eine Variante der Gesetzesänderung, in der diese Widerspruchsklausel nicht enthalten war. Sie war als sogenannter Gruppenantrag von verschiedenen Bundestagsabgeordneten eingebracht worden. Friedrich Merz stimmte gegen den Antrag (Seite 15800 im Plenarprotokoll). Der Bundestag nahm ihn jedoch insgesamt an und die Gesetzesänderung wurde umgesetzt. Seit Juli 1997 ist Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Vergewaltigung in der Ehe ist erst seit 20 Jahren strafbar. Bis dahin war es ein langer Weg. pic.twitter.com/LmpPjTjbbC — tagesschau (@tagesschau) May 15, 2017 Auf Nachfrage verwies ein Pressesprecher von Friedrich Merz uns auf ein Statement des CDU-Vorsitzenden von 2020. Merz schrieb damals auf Facebook, er habe „nie gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe gestimmt“. Er habe wegen der fehlenden Widerspruchsklausel gegen den Gesetzentwurf gestimmt, weil er befürchtet habe, „dass Strafverfahren durch Falschbehauptungen zerstrittener Ehepartner dem berechtigten Schutzinteresse betroffener Frauen eher schaden als nützen würden“. Er stehe zu dieser Entscheidung, auch wenn er aus heutiger Sicht „anders entscheiden“ würde. Inwiefern er seine Meinung geändert habe, erklärte er nicht. Die Jusos änderten auf unsere Nachfrage hin ihren Beitrag auf Instagram leicht ab, um deutlich zu machen, dass Merz gegen einen bestimmten Gesetzentwurf stimmte. Derya Türk-Nachbaur teilte uns per E-Mail mit, sie werde ihren Tiktok-Beitrag nicht verändern, da die Aussage, dass Friedrich Merz gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe gestimmt habe, den Fakten entspreche. Das sei auch vom Frankfurter Landgericht 2021 (PDF, Download) bestätigt worden. Friedrich Merz klagte 2021 gegen den Linken-Politiker Fabio de Masi (inzwischen Bündnis Sahra Wagenknecht), weil dieser eine ähnliche Aussage getwittert hatte. Das Frankfurter Landgericht wies seine Klage ab. In der Urteilsbegründung heißt es, die Aussage sei eine Tatsachenbehauptung, die Friedrich Merz hinzunehmen habe. De Masi sei nicht verpflichtet gewesen, im Rahmen seines Tweets darauf hinzuweisen, dass Merz zuvor für eine Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe mit Widerspruchsrecht gestimmt hatte. Das Gericht sah die Aussage also nicht als erläuterungsbedürftig an. Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Redigatur: Matthias Bau, Paulina Thom Hinweis, 21. November 2024: In unserem Faktencheck von 2018 fehlte relevanter Kontext zur Vorgeschichte des Gesetzentwurfs. Zudem hat sich Friedrich Merz inzwischen öffentlich dazu geäußert. Daher haben wir das Thema erneut recherchiert.
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Kimberly Nicolaus
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Friedrich Merz war für die Änderung des Sexualstrafrechts, stimmte aber trotzdem gegen das Gesetz, weil darin eine Widerspruchsklausel fehlte.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2024-11-21T18:04:44+01:00
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2024-11-21T18:04:44+01:00
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2025-02-18T17:41:31+01:00
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Friedrich Merz habe gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe gestimmt.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2024-09-17 00:00:00
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https://x.com/Phibomania/status/1858847962102722996
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Fehlender Kontext
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Fehlender Kontext. Merz stimmte 1996 für einen Gesetzentwurf der CDU/CSU und FDP, der die Vergewaltigung in der Ehe strafbar machen sollte. Allerdings scheiterte dieser, weil es Kritik an der darin enthaltenen Widerspruchsklausel gab. Sie sah vor, dass Strafverfolgung nicht stattfinden darf, wenn das Opfer dem widerspricht. 1997 wurde über eine Variante des Gesetzesentwurfs ohne diese Klausel abgestimmt – hiergegen stimmte Merz mit Nein. Er erklärte 2020, er habe die Gefahr durch Falschbeschuldigungen „zerstrittener Eheleute“ gesehen.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/21/friedrich-merz-war-fuer-strafbarkeit-der-vergewaltigung-in-der-ehe-wegen-einer-klausel-stimmte-er-jedoch-1997-gegen-den-gesetzentwurf/
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Mann in Großbritannien wegen Aufruf zur Gewalt verurteilt, nicht wegen kritischem Facebook-Beitrag
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Auf X verbreitet sich die Behauptung, ein Mann müsse wegen eines „migrationskritischen“ Beitrags ins Gefängnis. Doch das stimmt nicht, der Mann wurde wegen Aufruf zur Gewalt und Rassenhass verurteilt. von Matthias Bau Ein englischer Richter spricht einen Mann schuldig, weil er auf Facebook zu Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten aufrief. Auf X verkürzen manche das Urteil und die Aussage des Richters, um Empörung hervorzurufen. Dadurch wirkt es so, als habe der Verurteilte lediglich einen „migrationskritischen“ Beitrag geschrieben und müsse deswegen ins Gefängnis. Beiträge mit dieser Behauptung verbreiteten sich bereits im August auf Deutsch (hier und hier), Französisch, Russisch und Englisch. Im November kursierte die Behauptung erneut – unter anderem auf Deutsch und Polnisch. Allein ein X-Beitrag der rechten Influencerin Eva Vlaardingerbroek mit dem verkürzten Urteil erreichte 1,3 Millionen Aufrufe. Über eine Google-Suche finden wir Beiträge über den Fall, um den es in dem Video geht. Die BBC schrieb darüber am 9. August 2024: „Ein Mann wurde zu 20 Monaten Haft verurteilt, weil er in Sozialen Netzwerken andere dazu animierte, ein Hotel in Leeds anzugreifen, in dem mehr als 200 Migranten untergebracht waren.“ Über diesen und weitere Fälle berichtete auch Sky News am 9. August. In beiden Artikeln ist der Name des Mannes veröffentlicht. So fanden wir auch den vollständigen Urteilstext. Darin heißt es, der Mann habe sich auf Facebook geäußert, als es in Großbritannien Unruhen in Folge eines Mordes an drei Mädchen in Southport gab. Falschnachrichten, wonach der Täter muslimischer Asylbewerber oder illegaler Einwanderer sei, hatten die Ausschreitungen in England angeheizt. Sie führten zu Gewalt gegen Geflüchtete und Asylsuchende. Der Mann stachelte diese aus Sicht des Gerichts an, indem er schrieb: „Jeder Hans und Franz sollten verdammt nochmal das Britannia Hotel kaputt schlagen“ („Every man and their dog should be smashing fuck out Britannia Hotel“). Seinen Beitrag veröffentlichte er laut des Gerichts, nachdem es bereits zu Angriffen auf das Hotel gekommen war. Zudem habe der Beitrag nicht nur die 1.500 Facebook-Freunde des Mannes erreicht, sondern auch Freunde dieser Freunde. Für seinen Aufruf zum Rassenhass wurde er zu einer Gefängnisstrafe von 20 Monaten verurteilt, 10 davon auf Bewährung. Ein Video der gesamten Urteilsverkündung veröffentlichte der Sender Sky News am 12. August auf Youtube. Redigatur: Viktor Marinov, Steffen Kutzner
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Matthias Bau
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In Großbritannien forderte ein Mann auf Facebook Angriffe auf eine Flüchtlingsunterkunft. Dafür wurde er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
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"Faktencheck",
"Migration",
"Politik"
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Migration
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2024-11-20T15:42:06+01:00
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2024-11-20T15:42:06+01:00
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2024-11-20T15:42:06+01:00
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Ein Mann sei in Großbritannien wegen eines kritischen Tweets gegenüber Einwanderung zu 20 Monaten Gefängnis verurteilt worden.
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X-Beiträgen
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2024-11-13 00:00:00
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https://x.com/theoneNIP/status/1856745048081076731
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Größtenteils falsch
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Größtenteils falsch. Der Mann wurde wegen eines Facebook-Beitrags verurteilt, in dem er dazu aufrief, ein Hotel anzugreifen, in dem Geflüchtete untergebracht waren. Dieser Gewaltaufruf war der Grund für die Haftstrafe, nicht seine Migrationskritik.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/20/mann-in-grossbritannien-wegen-aufruf-zur-gewalt-verurteilt-nicht-wegen-kritischem-facebook-beitrag/
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Tagesschau-Beitrag mit Zitat über Verhaftung von Robert Habeck ist manipuliert
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Auf Tiktok kursiert ein Bild von einem angeblichen Tagesschau-Bericht mit einem Zitat über Robert Habeck. Donald Trump soll demnach gesagt haben: „Wenn ihr Herrn Habeck nicht verhaftet, dann machen wir es.“ Doch das Bild des Berichts ist manipuliert. von Viktor Marinov Auf Tiktok und Facebook verbreitet sich nach den US-Wahlen ein vermeintlicher Beitrag der Tagesschau über Robert Habeck als Screenshot. Im Bild ist eine Frau vor dem Weißen Haus zu sehen – in vielen Beiträgen ist darüber zusätzlich ein Foto von Donald Trump. Die Überschrift lautet: „Wenn ihr Herrn Habeck nicht verhaftet, dann machen wir es.“ Darunter steht die vermeintliche Quelle: tagesschau.de. Die Beiträge vermitteln den Eindruck, dass Trump angekündigt habe, den deutschen Wirtschaftsminister verhaften zu wollen. Doch sowohl der Beitrag der Tagesschau als auch das Zitat von Trump sind erfunden. Eine Bilder-Rückwärtssuche führt zu zwei Beiträgen der Tagesschau, aus denen das Bild stammen könnte. Beide sind vom 11. November und in beiden kam die Journalistin und Autorin Anne Applebaum zu Wort. Offenbar hat die ARD ein Interview mit ihr in zwei Fassungen ausgestrahlt. Darin ging es um den Sieg von Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl in den USA und die Folgen für Europa. Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck kommt in beiden Versionen des Interviews nicht vor. Auf unsere Anfrage bestätigte eine ARD-Pressesprecherin, dass der Beitrag mit dem Zitat über Habeck nicht echt ist: „Es gab bei tagesschau.de keinen Text mit der von Ihnen genannten Schlagzeile.“ Sie wies zudem auf einen Fehler bei der Fälschung hin: Die Tagesschau verwende für ihre Kanäle auf Sozialen Medien nicht den Benutzernamen „tagesschau.de“, wie auf dem manipulierten Screenshot, sondern „tagesschau“. Das bestätigt ein Blick auf die Auftritte bei Instagram, Tiktok und Facebook. Auch eine Suche nach dem angeblichen Zitat auf Deutsch oder Englisch lieferte keine Ergebnisse. Weder ist der Satz also so gefallen, noch berichtete die Tagesschau darüber. Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Redigatur: Matthias Bau, Paulina Thom
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Viktor Marinov
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Hat die Tagesschau berichtet, die USA wolle Habeck verhaften? Nein, einen solchen Bericht gab es nicht, ein Bild davon ist manipuliert.
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"Bundestagswahl 2025",
"Faktencheck",
"Politik"
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Bundestagswahl 2025
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2024-11-20T15:08:01+01:00
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2024-11-20T15:08:01+01:00
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2024-12-05T15:45:59+01:00
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Die Tagesschau habe in einem Beitrag aus den USA getitelt: „Wenn ihr Herrn Habeck nicht verhaftet, dann machen wir es.“
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Beiträgen auf Tiktok und Facebook
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2024-11-13 00:00:00
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https://www.facebook.com/photo/?fbid=2087513758377826&set=gm.1263206681657607&idorvanity=874176983893914
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Manipuliert
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Manipuliert. Ein solcher Tagesschau-Bericht ist nie erschienen. Das Bild stammt aus einem Interview der Tagesschau mit einer Journalistin, dort ist das Zitat über Habeck aber nicht gefallen. Eine Sprecherin der ARD bestätigte das auf Anfrage.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/20/tagesschau-beitrag-mit-zitat-ueber-verhaftung-von-robert-habeck-ist-manipuliert/
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Angeblicher EU-Austritt Italiens – Videos erreichen Hunderttausende mit Falschmeldung
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Auf Youtube verbreiten sich mehrere Videos mit derselben Falschmeldung: Italien verlasse die Europäische Union. Dieselben Kanäle veröffentlichten noch vor wenigen Monaten unpolitische Videos auf Vietnamesisch. von Viktor Marinov „Super Entscheidung“, „Danke an Italien“ und „Wir müssen raus aus der EU“: Das kommentieren Nutzerinnen und Nutzer unter einem Tiktok-Video mit mehr als 400.000 Aufrufen. Italien verlasse die Europäische Union, heißt es in dem Video. Auch auf Youtube haben Hunderttausende diese Behauptung gesehen. Doch sie stimmt nicht. Die Youtube-Kanäle, die die angebliche Meldung als erste verbreiten, liefern weder eine Quelle noch sonstige Belege für ihre Behauptungen. Google-Suchen auf Deutsch, Italienisch und Englisch führen zu keinen Hinweisen, dass Italien wirklich einen Austritt aus der EU verkündet hat. Auch auf der offiziellen Seite der EU findet sich keine solche Nachricht. Auf Nachfrage bei der italienischen Regierung erhielten wir bis zur Veröffentlichung keine Antwort. Ein Blick auf die Youtube-Kanäle selbst zeigt, dass sie keine seriöse Quelle sind. Zwei der Kanäle, die die vermeintliche Meldung als erstes verbreiteten, ähneln sich sehr stark. Sie nutzen beide ein dramatisches Layout mit Feuern und Blitzen für ihre Videos, und heißen ähnlich: „Der Weitblick“ und „Der Durchblick“. Beide sind laut Beschreibung Kanäle für aktuelle Perspektiven und Analysen und beide veröffentlichten seit dem 11. November mehrere Videos mit der Behauptung über den angeblichen EU-Austritt Italiens. Sie haben kein Impressum und nennen weder Kontaktdaten noch eine offiziell verantwortliche Person. Die älteren Videos der Kanäle haben eine weitere Gemeinsamkeit – sie sind nicht auf Deutsch, sondern auf Vietnamesisch. Und sie zeigen gar keine Nachrichten. Auf dem Kanal „Der Weitblick“ waren noch vor drei Monaten Bastelarbeiten zu sehen, auf dem Kanal „Der Durchblick“ Aufnahmen von einer Frau, meistens beim Essen. Im September veränderte sich plötzlich der Inhalt der Kanäle. Seitdem gibt es dort Videos auf Deutsch mit vermeintlichen Nachrichten – sie richten sich meist gegen die Grünen, die SPD und die EU mit Überschriften wie „Eilmeldung! Ricarda Lang droht, ganz Deutschland zu verklagen?“ oder „Betrunken! Habecks unglaubliche Aktion schockiert die ganze Nation!“ Manche Videos werben für die AfD mit Titeln wie „Weidel zerschmettert Habeck: Ganz Deutschland ist fassungslos!“ oder „AfD zerschmettert alle Gegner: Die Grünen und die Präsidentin verlieren völlig die Kontrolle!“ Die Kanäle sammelten damit bislang zusammen mehr als 1,4 Millionen Aufrufe. Doch eine verlässliche Quelle sind sie nicht. Italiens aktuelle Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat sich in der Vergangenheit immer wieder gegen die EU geäußert. Als Ministerpräsidentin verfolgt sie aber seit 2022 die Strategie, konservative und rechte Kräfte in der EU stärker zu machen. Aktuell versucht Meloni, ihren Parteikollegen Raffaele Fitto zum Vizepräsidenten der EU-Kommission zu machen. Redigatur: Matthias Bau, Paulina Thom
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Viktor Marinov
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Auf Tiktok und Youtube verbreitet sich die Meldung: Italien verlasse die Europäische Union. Das ist frei erfunden.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-11-20T12:25:09+01:00
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2024-11-20T12:25:09+01:00
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2024-11-20T12:25:09+01:00
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Italien verlasse die Europäische Union.
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Beiträgen auf Youtube und Tiktok
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2024-11-11 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@angelikasttzer/photo/7436762450080353568
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Falsch
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Falsch. Die Youtube-Kanäle, die die Behauptung verbreiten, sind nicht seriös. Es gibt keine vertrauenswürdigen Berichte oder Meldungen über einen Austritt Italiens aus der EU.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/20/angeblicher-eu-austritt-italiens-videos-erreichen-hunderttausende-mit-falschmeldung/
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Nach Trump-Wahl in den USA kursiert erfundenes Zitat von Nato-Chef Mark Rutte
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Nach Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten 2024 werden Falschbehauptungen über Nato-Chef Mark Rutte geteilt: Dieser wolle die USA aus dem Bündnis ausschließen, wenn Trump die Ukraine an Putin ausliefere. Das Zitat ist erfunden. von Gabriele Scherndl Wahlen sind stets ein Anlass für Verbreiter von Falschinformationen. So auch die Präsidentschaftswahl in den USA 2024, bei der sich Donald Trump als Kandidat durchsetzte. Danach kursierte etwa ein angebliches Zitat von Nato-Generalsekretär Mark Rutte, der gesagt haben soll: Wenn Trump die Ukraine an den russischen Präsidenten Putin ausliefere, werde er persönlich die USA aus dem Bündnis ausschließen. Trump sprach sich im Wahlkampf für eine schnelle Lösung des Ukraine-Krieges aus – was Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland bedeuten könnte. Beiträge wie diese kursieren vielfach auf X, Facebook und Telegram und erreichen mehr als hunderttausend Aufrufe. Auch auf einer Webseite von Pravda, das Teil einer pro-russischen Propaganda-Kampagne ist, wird über die angebliche Aussage von Rutte berichtet. Die angebliche Äußerung ist frei erfunden. Sie ist weder in der Zitate-Datenbank Genios auffindbar, noch in englisch– oder deutschsprachigen Medienberichten. Ein Sprecher der Nato schreibt auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck, Rutte habe das nie gesagt. Der Sprecher verweist stattdessen auf öffentliche Statements des Generalsekretärs nach der Wahl des neuen US-Präsidenten Donald Trumps: Rutte gratulierte Trump am 6. November zum Wahlsieg und sagte, die USA habe durch das Bündnis 31 Freunde und Verbündete. In einem anderen Statement sagte er mit Bezug auf die Ukraine: Er freue sich darauf, sich „mit Präsident Trump zusammenzusetzen und zu beraten, wie wir gemeinsam dafür sorgen können, dass wir dieser Bedrohung begegnen und unseren Teil der Welt sicher halten“. Rutte könnte die USA auch gar nicht ohne weiteres aus der Nato werfen. Erstens werden Nato-Beschlüsse im Konsens aller Mitgliedsstaaten getroffen. Und zweitens ist unklar, ob die Nato überhaupt Mitglieder ausschließen kann. Laut Artikel 13 des Nordatlantikvertrags, der den Rechtsrahmen der Nato bildet, können Staaten mit einer einjährigen Frist selbst aus der Nato aussteigen. Ein Ausschluss durch das Bündnis ist darin nicht geregelt. Rechtlich ist das Thema umstritten, wie die Debatte 2019 rund um den Ausschluss der Türkei aus der Nato wegen der Militäroperation in Nordsyrien zeigt. Aurel Sari, Jurist an der britischen University of Exeter, sah damals bei einem „wesentlichen Vertragsbruch“ die rechtliche Möglichkeit für einen Ausschluss, bezeichnete das aber als „extreme“ Maßnahme. Ruttes Vorgänger als Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schloss diese Möglichkeit 2021 aus. Für Dick Zandee, Leiter des Sicherheits- und Verteidigungsprogramms des Clingendael-Instituts in Den Haag, soll diese Art der Desinformation Spannungen erzeugen und die Nato destabilisieren. Der Zeitpunkt dafür sei nicht zufällig, der Wahlsieg Trumps böte neues Potenzial für solche Desinformationskampagnen, sagte er der Deutschen Welle. Alle Faktenchecks zu Falschmeldungen und Gerüchten zur US-Wahl 2024 finden Sie hier. Redigatur: Paulina Thom, Sarah Thust
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Gabriele Scherndl
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Online heißt es: Nach dem Wahlsieg von Donald Trump hat Nato-Chef Mark Rutte den USA angeblich mit Ausschluss gedroht. Das ist frei erfunden.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-11-15T14:04:49+01:00
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2024-11-15T14:04:49+01:00
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2024-11-15T14:04:49+01:00
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Nato-Generalsekretär Mark Rutte habe gesagt: „Wenn Trump die Ukraine an Putin ausliefert, werde ich persönlich die Vereinigten Staaten aus dem Bündnis ausschließen.“
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Pravda, Beiträgen auf X, Telegram und Facebook
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2024-10-11 00:00:00
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https://x.com/BTom1974/status/1855713711408984251
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Falsch
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Falsch. Für das Zitat gibt es keine Belege, ein Nato-Sprecher dementiert, dass es echt ist. Rutte selbst wäre nicht befugt, die USA aus der Nato zu werfen.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/15/nach-trump-wahl-in-den-usa-kursiert-erfundenes-zitat-von-nato-chef-mark-rutte/
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Haustierverbot: Erfundenes Zitat von österreichischer Umweltministerin Gewessler in Umlauf
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Leonore Gewessler, grüne Umweltministerin in Österreich, will angeblich private Haustierhaltung verbieten. Dasselbe wurde Annalena Baerbock schon vor drei Jahren unterstellt. In beiden Fällen sind die angeblichen Zitate frei erfunden. von Steffen Kutzner Nachdem Annalena Baerbock schon vor Jahren ein Haustierverbot gefordert haben soll, wird das nun Leonore Gewessler, Bundesumweltministerin der Grünen in Österreich, angedichtet. Sie soll laut mehrerer Beiträge auf Facebook und X gesagt haben: „Wir können alleine durch den Wegfall der Hunde jährlich Tonnen an Kohlenstoffdioxid einsparen. Dazu kommen noch Katzen, Pferde und viele weitere Haustiere. Die private Haustierhaltung muss daher ein Ende haben und wenn es durch eine CO2-Steuer auf Haustiere erfolgt!“ Auf Anfrage teilte uns das Ministerium Gewesslers mit: „Das Zitat ist falsch und stammt nicht von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Wir vermuten dahinter eine gezielte Verbreitung von Desinformation.“ Auch Suchen nach entsprechenden Schlagworten führen weder bei Google noch bei der Pressedatenbank Genios zu Hinweisen darauf, dass Gewessler sich so geäußert hat. Das Zitat ist offenkundig frei erfunden und soll auf das Narrativ der Grünen als „Verbotspartei“ einzahlen. Im Oktober hatte CDU-Generalsekretär Martin Huber etwas Ähnliches behauptet, allerdings bezogen auf die Grüne Jugend in Deutschland. Auch das war erfunden. Erst im Februar 2024 hatten die Grünen in Österreich ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht, das das Tierschutzgesetz erneuert und ein besseres Leben für Haustiere, besonders Hunde, zum Ziel hatte. Verabschiedet wurde es im Juli. Redigatur: Matthias Bau, Viktor Marinov
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Viktor Marinov
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Die österreichische Umweltiminsterin Leonore Gewessler will angeblich Haustiere verbieten. Das ist frei erfunden.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-11-14T14:39:21+01:00
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2024-11-14T14:39:21+01:00
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2024-11-20T14:09:23+01:00
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Die österreichische Bundesumweltministerin Leonore Gewessler habe gesagt: „Wir können alleine durch den Wegfall der Hunde jährlich Tonnen an Kohlenstoffdioxid einsparen. Dazu kommen noch Katzen, Pferde und viele weitere Haustiere. Die private Haustierhaltung muss daher ein Ende haben und wenn es durch eine CO2-Steuer auf Haustiere erfolgt!“
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Beiträgen auf X und Facebook
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2024-09-11 00:00:00
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https://www.facebook.com/groups/1365567060446410/posts/2338801033123003
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Falsch
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Falsch. Gewessler hat sich so nicht geäußert. Dafür finden sich online keine Belege, ihr Ministerium bezeichnet das Zitat als falsch.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/14/haustierverbot-erfundenes-zitat-von-oesterreichischer-umweltministerin-gewessler-in-umlauf/
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US-Wahl: Beiträge streuen falsche Behauptungen über schwarzen Punkt auf Wahlzetteln
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Vor den US-Wahlen verbreitete sich ein Foto von einem Wahlzettel, das angeblich Betrug belegen soll. Darauf ist ein schwarzer Punkt in dem Kästchen für Kamala Harris zu sehen. Angeblich würden dadurch Stimmen für andere Kandidatinnen und Kandidaten als ungültig gewertet. Wieso das nicht stimmen kann. von Max Bernhard Am 5. November haben die USA Donald Trump zum neuen Präsidenten gewählt. Im Vorfeld der Wahl verbreiteten sich verschiedene Falschbehauptungen zu angeblichen Wahlbetrug, wie wir bereits hier, hier und hier berichteten. Darunter auch ein Foto von einem Wahlzettel, auf dem in dem Kästchen für die Kandidatin der Demokraten, Kamala Harris, ein kleiner Punkt zu sehen ist. In einem deutschen Beitrag vom 5. November dazu auf Facebook wird behauptet, der „Punkt“ finde sich auf hunderttausenden Wahlzetteln und ermögliche Wahlbetrug: „Wird bei Harris angekreuzt, wertet der Auswerteautomat die Stimmabgabe als gültig aus, bei allen anderen Kästchen ist die Stimme ungültig, da der Automat es doppelt angekreuzt auswertet.“ Ähnliche Behauptungen zu dem Foto verbreiteten sich auch auf Englisch und in weiteren Sprachen. Auf X teilte es der rechtsextreme Account „Libs of Tiktok“, der immer wieder durch Desinformation auffällt und erzielte mit dem Beitrag mehr als fünf Millionen Ansichten. Doch aus mehreren Gründen ist die Behauptung falsch. Das Foto zeigt einen Wahlzettel für den Bundesstaat Kentucky. Das lässt sich daran erkennen, dass bei der dritten Kandidatin auf der Liste Jill Stein, die „Kentucky Party“ eingetragen ist. Die Partei gibt es nur in dem Bundesstaat. In dem englischen Text, der über dem Foto zu sehen ist, wird der Bezirk Laurel County in Kentucky erwähnt. Dort sahen die Stimmzettel jedoch anders aus. Stattdessen ähnelt der Stimmzettel auf dem Foto dem für Larue County, ebenfalls ein Bezirk in Kentucky. In Kentucky gewann Donald Trump mit rund 65 Prozent der Stimmen. Der Landeswahlausschuss von Kentucky erklärte am 4. November 2024 in einer Mitteilung, dass bisher niemand dem Wahlleiter oder den Strafverfolgungsbehörden einen solchen mit einem Punkt vorgedruckten Stimmzettel gemeldet habe. „Die Behauptung, dass mindestens ein Stimmzettel in Kentucky einen vorgedruckten Aufdruck gehabt haben könnte, existiert derzeit nur im Vakuum der sozialen Medien“, hieß es von der Behörde weiter. Davon abgesehen gilt ein kleiner Punkt auf dem Stimmzettel wie auf dem Foto laut den in Kentucky geltenden Vorgaben nicht als gültige Markierung. Anders als online behauptet, würde ein Wahlautomat demnach den Punkt – zusätzlich zu einem an anderer Stelle gesetzten Kreuz – nicht als doppelte Stimme werten und damit die Stimmabgabe ungültig machen. In den Beiträgen ist laut Wahlausschuss ein Briefwahlzettel zu sehen. Das sei an dem geraden Knick in der Mitte des Stimmzettels zu erkennen. Bei der Briefwahl liege ein Merkblatt bei, das Wählende darüber informiert, dass sie bei mehr als einem angekreuzten Kandidaten ihre bevorzugte Wahl einkreisen können – diese werde dann entsprechend gezählt. Bei der Wahl an der Urne könnten Wählende einen neuen Stimmzettel verlangen, falls tatsächlich ein Punkt oder eine andere vorherige Markierung enthalten sei. Das sei auch noch nach dem Ausfüllen möglich, falls der Wahlscanner feststellt, dass mehrere Kandidatinnen oder Kandidaten ausgewählt wurden, erklärte die Behörde weiter. Auch außerhalb Kentuckys gibt es Systeme, um sicherzustellen, dass Wählende benachrichtigt werden, wenn sie mehr Stimmen als erlaubt abgegeben haben. Das legt der „Help America Vote Act“ von 2002 fest. Laut dem Gesetz muss außerdem die Möglichkeit gegeben werden, den Stimmzettel zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren, bevor die Stimme gezählt wird. Jeder Bundesstaat habe ein eigenes Verfahren, um die Absicht der Wähler zu interpretieren und die Wahlzettel zu scannen, erklärte die Geschäftsführerin der National Association of State Election Directors, Amy Cohen, gegenüber PolitiFact. Doch wenn ein Stimmzettel sowohl eine kleine Markierung als auch ein vollständig ausgefülltes Auswahlfeld für dasselbe Amt enthält, werde in vielen Staaten die Stimme für den vollständig markierten Kandidaten gezählt, so Cohen. Redigatur: Matthias Bau, Paulina Thom
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Max Bernhard
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Ein schwarzer Punkt im Kästchen für Kamala Harris soll angeblich Wahlbetrug bei der US-Wahl belegen. Wieso das falsch ist.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-11-12T17:45:21+01:00
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2024-11-12T17:45:21+01:00
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2024-11-12T17:45:21+01:00
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Ein schwarzer Punkt auf Wahlzetteln in den USA sorge dafür, dass der Auswerteautomat nur Stimmen für Kamala Harris als gültig zähle. Bei allen anderen Kandidatinnen und Kandidaten sei die Stimme ungültig, da der Automat diese wegen des Punkts als doppelt angekreuzt auswerte.
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Beiträgen auf Facebook und X
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2024-03-11 00:00:00
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https://www.facebook.com/groups/279729287567462/posts/840614454812273/
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Falsch
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Falsch. Das Wahlamt des Bundesstaates Kentucky, aus dem der Wahlzettel stammt, erklärte, dass bisher niemand dem Wahlleiter oder den Strafverfolgungsbehörden einen solchen vormarkierten Stimmzettel gemeldet habe. Ein kleiner Punkt wird laut Vorgaben des Bundesstaates zudem nicht als gültige Markierung gewertet und kann demnach auch keine andere Stimme ungültig machen.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/12/us-wahl-beitraege-streuen-falsche-behauptungen-ueber-schwarzen-punkt-auf-wahlzetteln/
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Falschbehauptungen zu angeblicher Abschaffung des Kindergeldes im Umlauf
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In Sozialen Netzwerken kursiert die Behauptung, das Kindergeld werde im Januar 2025 abgeschafft. Doch geplant war lediglich eine Reform und Umbenennung – und selbst die wackelt nach dem Aus der Koalition. von Gabriele Scherndl Ein „echter Schock“ dürfte das für Familien sein, heißt es im Tiktok-Beitrag eines angeblichen News-Kanals vom 10. November 2024: Das Kindergeld in Deutschland werde im Januar abgeschafft, das Aus der finanziellen Unterstützung sei bereits besiegelt. Auch in weiteren Beiträgen auf X und Tiktok wird behauptet, dass es bald kein Kindergeld mehr gebe. Doch den Beiträgen fehlt entscheidender Kontext: Das Kindergeld sollte nach den ursprünglichen Plänen der Ampel-Regierung zwar abgeschafft werden, Leistungen sollte es aber weiterhin geben – als sogenannte Kindergrundsicherung. Im September 2023 hatte die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zur Einführung der Kindergrundsicherung beschlossen. Er sah vor, dass bisherige Förderungen, wie etwa das Kindergeld, Leistungen für Kinder und Jugendliche im Bürgergeld und in der Sozialhilfe und der Kinderzuschlag durch die sogenannte Kindergrundsicherung ersetzt werden sollen, um unter anderem deren Beantragung zu vereinfachen. Das Kindergeld umfasst aktuell 250 Euro pro Monat für Eltern, deren Kinder unter 18 Jahre alt sind, die sie regelmäßig versorgen und die bei ihnen leben. Der Wohnort der Familie muss in der EU, in Norwegen, Liechtenstein, Island oder der Schweiz sein. In bestimmten Fällen, etwa während einer Ausbildung, gibt es Kindergeld auch bis einschließlich dem 25. Lebensjahr. An den Leistungen des Kindergeldes sollte sich laut Bundesregierung durch die Reform nichts ändern. „Die Kindergrundsicherung soll aus einem für alle Kinder gleich hohen Kindergarantiebetrag bestehen, der das heutige Kindergeld ablöst – außer dem Namen ändert sich nichts“, schrieb das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im August 2023. In den Beiträgen in Sozialen Netzwerken fehlt dieser Kontext jedoch. Und das, obwohl sie teilweise Screenshots aus Artikeln teilen, in denen erklärt wird, dass es weiter Leistungen für Eltern geben werde. Die Artikel werden online verkürzt dargestellt und bilden so die Grundlage für Falschbehauptungen. Nach einer Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck löschte der Tiktok-Kanal, der die Falschbehauptung zur Kindergeld-Abschaffung teilte, das Video. Stattdessen teilte er ein neues, aus dem der gesamte Kontext hervorgeht. Der Gesetzesentwurf zum Reformvorhaben ging im November 2023 – nach Unstimmigkeiten zwischen Grünen und FDP – im ersten Durchgang durch den Bundesrat. Auch danach sprach sich die FDP gegen das Vorhaben aus. Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 6. November Finanzminister Christian Lindner (FDP) aus dessen Amt entließ und die Regierungskoalition aus SPD, FDP und Grüne zerbrach, werden jedoch ohnehin einige geplante Projekte auf der Strecke bleiben. Dazu könnte auch die Kindergeld-Refom zählen. Diese sei, so erklärt etwa die Mainpost, an einen neuen Haushaltsplan geknüpft. Ein solcher wurde von der Regierung vor ihrem Bruch jedoch nicht beschlossen. CORRECTIV.Faktencheck fragte beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und beim Bundesfinanzministerium an, ob man nach einer Lösung suche, die Reform doch noch auf den Weg zu bekommen. Die beiden Ressorts verwiesen aufeinander, das BMFSFJ schrieb: „Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage wird der Umgang mit Gesetzesinitiativen neu bewertet. Dieser Vorgang dauert noch an“. Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier. Redigatur: Kimberly Nicolaus, Paulina Thom
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Gabriele Scherndl
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Online kursiert die Behauptung, das Kindergeld werde 2025 abgeschafft. Doch geplant war nur eine Reform und Umbenennung – selbst die wackelt.
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"Faktencheck",
"Politik"
] |
Politik
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2024-11-12T13:57:39+01:00
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2024-11-12T13:57:39+01:00
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2025-01-27T16:17:37+01:00
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Im Januar 2025 werde das Kindergeld in Deutschland abgeschafft.
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Beiträgen auf Tiktok und X
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2024-08-10 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@gaetano.1170/video/7435705776225783073
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Fehlender Kontext
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Fehlender Kontext. Die Bundesregierung plante, das Kindergeld ab 2025 zu reformieren und in „Kindergrundsicherung“ umzubenennen. Kindergeld-Beziehende hätten nach den Plänen aber weiter mindestens dieselbe finanzielle Unterstützung bekommen. Nach dem Aus der Regierung wackelt die Reform.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/12/falschbehauptungen-zu-angeblicher-abschaffung-des-kindergeldes-im-umlauf/
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Nein, das ZDF prognostizierte nicht, dass Harris mit 72 Prozent die US-Wahl gewinnt
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Nach der US-Wahl behauptet unter anderem der österreichische Verschwörungssender Auf1, das ZDF habe einen hohen Wahlsieg für Harris prognostiziert. Das stimmt nicht. von Gabriele Scherndl „Wieviel kann man Systemmedien überhaupt noch glauben?” fragt der Verschwörungssender Auf1 am Tag nach der US-Wahl auf Telegram. Das ZDF, so heißt es in dem Beitrag, habe einen klaren Wahlsieg für die demokratische Kandidatin Kamala Harris vorhergesagt – gewonnen hatte später der Republikaner Donald Trump. Auf1 zeigt dazu eine Grafik, in der der Balken für Harris bei 72 Prozent liegt, der für Trump nur bei 23 Prozent. Beiträge wie diese kursieren auch auf Tiktok und erreichten seit dem 6. November Zehntausende. Die Grafik zeigt jedoch keine Prognose. Sie stammt vom Politbarometer des ZDF – ein Umfrageformat, das die Einstellung und Meinungen der Deutschen wiedergeben soll. In den laut ZDF repräsentativen Umfragen gab es unter anderem folgende Frage zur US-Wahl: „Wer wird die Wahl gewinnen?“ Mitte Oktober waren 72 Prozent der Meinung, Harris werde gewinnen. Die Forschungsgruppe Wahlen, die die Umfragen für das Politbarometer durchführt, befragt jedes Mal etwa 1.250 zufällig ausgewählte Personen in Deutschland. Mittlerweile ergänzte das ZDF im Artikel dazu neuere Umfragedaten. Die alte Grafik teilte der Sender Mitte Oktober auch auf Instagram. Im Beitrag steht auch, dass die Umfragen in den USA – entgegen den Erwartungen in Deutschland – ein knappes Rennen vorhersagen würden. Auch die Forschungsgruppe Wahlen macht in einer Pressemeldung dazu klar, dass die Wahlumfragen in den USA anders aussehen. Bei Wahlprognosen werden Umfragedaten einzelner Wählerinnen und Wähler direkt nach der Urnenwahl auf alle Wahlberechtigten hochgerechnet, wie etwa das Forschungsinstitut Infratest Dimap erklärt. So soll möglichst genau berechnet werden, wie eine Wahl ungefähr ausgehen wird. Vor der Wahl wird häufig durch die sogenannte Sonntagsfrage unter Wählerinnen und Wählern die Stimmung erhoben. Eine Umfrage unter Deutschen, wie die, wer in einigen Wochen ins Weiße Haus einziehen wird, bildet also nur eine subjektive Meinung ab. Eine Wahlprognose hingegen erhebt konkrete Daten von Wählerinnen und Wählern. In den tatsächlichen Prognosen zur US-Wahl, die das ZDF unmittelbar vor der Wahl am 5. November veröffentlichte, hieß es, es gebe keinen klaren Favoriten. Harris wurden 226 Wahlleute zugerechnet, Trump 219, die restlichen waren offen. Sechs Tage nach der Wahl war das Ergebnis laut Associated Press: 226 Wahlleute für Harris, 312 für Trump. Auf1 antwortete nicht auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck. Der irreführende Beitrag blieb weiterhin online. Alle Faktenchecks zu Falschmeldungen und Gerüchten zur US-Wahl 2024 finden Sie hier. Redigatur: Steffen Kutzner, Viktor Marinov
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Gabriele Scherndl
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Nach der US-Wahl behauptet der Verschwörungssender Auf1, das ZDF habe einen hohen Wahlsieg Harris prognostiziert. Das stimmt nicht.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-11-11T12:05:40+01:00
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2024-11-11T12:05:40+01:00
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2024-11-11T12:05:40+01:00
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Das ZDF habe vor der US-Wahl prognostiziert, dass Harris mit 72 Prozent gewinnen würde.
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Auf1, Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2024-06-11 00:00:00
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https://t.me/auf1tv/10715
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Falsch
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Falsch. Das ZDF veröffentlichte keine Wahlprognose, sondern eine Umfrage von Mitte Oktober. Dort glaubten 72 Prozent der befragten Deutschen, dass Harris gewinnen werde.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/11/nein-das-zdf-prognostizierte-nicht-dass-harris-mit-72-prozent-die-us-wahl-gewinnt/
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Youtube-Clickbait: Hunderttausende sehen Falschmeldung über Rücktritt von der Leyens
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In mehreren Youtube-Videos heißt es, Ursula von der Leyen habe ihren Rücktritt bekanntgegeben. Mit der Falschbehauptung über die EU-Kommissionspräsidentin soll offenbar Aufmerksamkeit generiert werden. Und das funktioniert: Die Videos wurden hunderttausende Male angesehen. von Max Bernhard „Eskalation: Ursula von der Leyen Rücktritt! Neuwahlen im Parlament!“ oder „Spannung steigt. Ursula von der Leyen tritt zurück, das Europäische Parlament bereitet Neuwahlen vor.“ So lauten die Titel von Youtube-Videos die Ende Oktober veröffentlicht wurden. Gemeinsam kommen die Videos auf über eine halbe Millionen Aufrufe. Die Behauptung erreichte auch auf Tiktok Zehntausende. In den Youtube-Videos sind verschiedene unbelegte Behauptungen. In einem Video suggeriert der Sprecher, dass von der Leyens Wahl zur Kommissionspräsidentin Betrug sei. In einem anderen heißt es in der Beschreibung, dass sie wegen einer Auseinandersetzung mit dem ungarischen Präsidenten Viktor Orban zurückgetreten sei. Thema der Videos sind auch echte Begebenheiten wie ein fragwürdiger Impfstoff-Deal, den von der Leyen mit dem Pharmakonzern Pfizer per SMS ausgehandelt haben soll. Viele halten die vermeintliche Nachricht zum Rücktritt offenbar für echt: „Ganz tiefer Sumpf die EU“ oder „Zurücktreten reicht nicht aus! Sie muss persönlich in die Haftung genommen werden“, heißt es in Kommentaren unter den Videos mit hunderten Likes. Doch die Behauptung ist frei erfunden. Der Sprecher von Ursula von der Leyen, Jens Flosdorff, antwortete CORRECTIV.Faktencheck auf Nachfrage, dass es sich um eine „Ente“ handelt – eine Falschmeldung also. Auch Arianna Podesta, eine Sprecherin der Europäischen Kommission, dementierte. Davon abgesehen wären bei so einer Nachricht viele Medienberichte oder auch eine Pressemitteilung zu erwarten. Eine Google-Suche zeigt, dass es diese nicht gab. Die Youtube-Videos und dazugehörigen Kanäle sollen offenbar den Eindruck erwecken, es handele sich dabei um Nachrichten. Einer verwendet ein Logo mit dem Text „News Live“, ein anderer heißt „Nachrichten Direkt“. Die Kanäle verbreiten immer wieder vermeintliche sensationelle Nachrichten auf Deutsch und Englisch. So sollen offenbar Aufmerksamkeit und Klicks generiert werden. Wie ähnliche Youtube-Kanäle Falschmeldungen zu höheren Renten verbreiten, hat CORRECTIV.Faktencheck bereits berichtet. Redigatur: Viktor Marinov, Gabriele Scherndl
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Max Bernhard
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Laut Youtube-Videos hat die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen ihren Rücktritt bekannt gegeben. Das ist falsch.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-11-08T13:50:15+01:00
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2024-11-08T13:50:15+01:00
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2024-11-08T13:50:15+01:00
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Die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen habe Ende Oktober 2024 ihren Rücktritt bekannt gegeben.
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Beiträgen auf Youtube und Tiktok
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2024-10-14 00:00:00
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https://www.youtube.com/watch?v=VxGsOwJ-LVc
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Falsch
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Falsch. Ein Sprecher von der Leyens und eine Sprecherin der EU-Kommission dementierten die Behauptung. Bei einem solchen Ereignis wäre zu erwarten, dass verschiedene Medien darüber berichten. Das war nicht der Fall.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/08/youtube-clickbait-hunderttausende-sehen-falschmeldung-ueber-ruecktritt-von-der-leyens/
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US-Wahl 2024: Stimmabgabe trotz Fehlfunktion an Wahlautomat in Kentucky möglich
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Ein virales Tiktok-Video einer Wählerin aus dem US-Bundesstaat Kentucky zeigt, wie ein Wahlautomat Kamala Harris auswählt statt Donald Trump. Hinter dem Vorfall steckt jedoch keine Wahlmanipulation, denn die Stimme wird erst im nächsten Schritt über einen ausgedruckten Zettel bei händischer Einreichung registriert. von Kimberly Nicolaus Am ersten Tag des Early Votings (deutsch: vorzeitige Stimmabgabe) der US-Wahl im Bundesstaat Kentucky geht ein Tiktok-Video viral. Es zeigt, wie eine Person versucht, per Touchfunktion an einem Automaten für Donald Trump abzustimmen. Doch der Automat nimmt die Stimme nicht an. Stattdessen wird die Stimme der Gegenkandidatin Kamala Harris zugeordnet. Dazu heißt es auf Englisch: „Gedanken?? Kentucky.“ Das Tiktok-Video wurde über 200.000 Mal geteilt, bevor es auf der Plattform nicht mehr abrufbar war, doch längst kursiert es auf anderen Tiktok-Profilen mit millionenfachen Aufrufen, auch auf Instagram, Telegram, X, Facebook und bei Threads wurde es zehntausendfach geteilt. Nutzerinnen und Nutzer von Whatsapp baten uns auch um eine Überprüfung des Videos. Zu den Verbreitern zählen unter anderem der AfD-nahe Deutschland-Kurier und der AfD-Bundestagsabgeordnete Kay-Uwe Ziegler. Beide schreiben: „Jedes Mal, wenn der Wähler Donald J. Trump antippen will, wird automatisch ein Votum für Kamala Harris generiert.“ In anderen Beiträgen ist von einer angeblichen Wahlfälschung oder Manipulation die Rede. Direkt zu Beginn des Videos sind in der linken oberen Ecke die Worte „Election“ (deutsch: Wahl) und „Kentucky“ zu lesen, dazu das Jahr 2024 und vermutlich ein weiterer Ort, dessen Name durch die Videoaufnahme abgeschnitten ist. Man erkennt nur das Wortende „nstadt“ und die Nummer #2. Eine Google-Suche mit diesen Hinweisen führt zu mehreren Webseiten, wonach das Wortende zu der Kleinstadt „East Bernstadt“ in Kentucky gehört. Eine weitere Stichwort-Suche führt zu einem Facebook-Beitrag von Tony Brown, dem Bezirkswahlleiter in Laurel County, in dem East Bernstadt liegt. In einem anderen Beitrag vom 31. Oktober schreibt Brown: „Wir hatten heute einen Vorfall, bei dem jemand eine Fehlfunktion eines der Wahlmarkierungsgeräte meldete.“ Laut einer Mitteilung des Landeswahlausschusses in Kentucky vom 1. November geht es dabei um den Vorfall aus dem viralen Tiktok-Video. In der Mitteilung heißt es: Die Wählerin, die das Video erstellte, habe letztlich doch noch Trump auswählen und ihre Stimme regulär registrieren können. Nachdem die Wählerin ihr Video den Wahlhelfern und dem Bezirkswahlleiter gezeigt habe, habe der Wahlleiter den betroffenen Wahlautomaten außer Betrieb gestellt, bis ein Vertreter des Büros des Generalstaatsanwalts den Fall vor Ort untersuchen konnte. Weiter informiert Wahlbezirksleiter Brown auf Facebook, dass sich der Vorfall aus dem Video bei der Untersuchung des Generalstaatsanwalts nach vielen Versuchen reproduzieren ließ – und zwar dann, wenn nicht direkt auf das Feld geklickt worden sei, sondern „auf einen Bereich zwischen den Kästen“. Sowohl Brown als auch der Landeswahlausschuss betonten, dass Wählerinnen und Wähler, die ein Wahlmarkierungsgerät nutzen, darauf achten sollten, in die Mitte des Kastens zu klicken, in dem ihre bevorzugte Kandidatin oder ihr bevorzugter Kandidat steht. Dass das Wahlmarkierungsgerät in Kentucky der Wählerin „nicht erlaubt“ habe, für Donald Trump abzustimmen, ist also falsch. Denn: Wie der Landeswahlausschuss von Kentucky in seiner Mitteilung erklärt, registriert das Gerät nicht automatisch die Stimmabgabe: „Der Automat ist ein Gerät zur Kennzeichnung von Stimmzetteln, das den Wählern ihre Option für jede Wahl vorschlägt und sie dann auf einem Papierstimmzettel festhält. Der Wähler überprüft dann den ausgedruckten Stimmzettel und legt ihn in einen Scanner ein. Eine Stimme wird erst abgegeben, wenn der Stimmzettel in den Scanner eingelegt wird.“ Zudem schreibt Brown auf Facebook: „Wenn Sie einen Fehler gemacht haben, können Sie den Stimmzettel ungültig machen und einen neuen erhalten.“ Wir haben Kay-Uwe Ziegler und den Deutschland-Kurier kontaktiert. Eugen Mannheimer, Redakteur beim Deutschland-Kurier, schrieb uns, dass der Beitrag korrigiert werde. Bis zur Veröffentlichung unseres Textes war das jedoch nicht der Fall. Alle Faktenchecks zu Falschmeldungen und Gerüchten zur US-Wahl 2024 finden Sie hier. Redigatur: Steffen Kutzner, Gabriele Scherndl
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Steffen Kutzner
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Ein virales Tiktok-Video zeigt eine Fehlfunktion eines Wahlautomaten in Kentucky. Darüber wird die Stimme aber nicht automatisch registriert.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-11-07T17:28:21+01:00
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2024-11-07T17:28:21+01:00
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2024-11-07T17:28:21+01:00
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Ein Video zeige, wie ein Wahlautomat in Kentucky eine Stimme für Trump als eine Stimme für Harris verbucht. Das sei ein Hinweis auf Wahlfälschung.
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Tiktok-Video
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2024-10-31 00:00:00
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https://www.tiktok.com/@lisadixie20/video/7431950284546444575
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Teilweise falsch
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Teilweise falsch. Laut dem Landeswahlausschuss in Kentucky zeigt das Video ein Wahlmarkierungsgerät in Laurel County. Der darin dokumentierte Vorfall ist echt. Doch das Gerät registriert nicht automatisch die Stimmabgabe, sondern druckt die Auswahl auf einen Papier-Stimmzettel, der überprüft werden kann und anschließend in einen Scanner gelegt werden muss, um die Stimme zu registrieren.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/07/us-wahl-2024-stimmabgabe-trotz-fehlfunktion-an-wahlautomat-in-kentucky-moeglich/
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Harris statt Trump? Video belegt keinen Stimmentausch durch Wahlautomaten in Texas
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Ein Video soll Wahlbetrug bei der vorzeitigen Stimmabgabe in White Settlement, Texas, belegen. Stimmen für Donald Trump seien vom Wahlautomaten fälschlich Kamala Harris zugeordnet worden, heißt es. Das stimmt nicht. von Paulina Thom Am 5. November hat Donald Trump die Präsidentschaftswahl in den USA gewonnen. Etwa 140 Millionen Wählerinnen und Wähler haben ihre Stimme abgegeben, mehr als die Hälfte von ihnen schon vor dem 5. November. In Texas etwa war es seit dem 21. Oktober möglich, persönlich im Wahllokal zu wählen. Gleich zu Beginn der Wahl verbreitete sich online ein Videozusammenschnitt, der angeblich Wahlbetrug belegen soll. Das Video auf der rechten Bildschirmhälfte zeigt Interviews mit zwei Männern. Sie sagen, in White Settlement, einer Stadt im US-Bundesstaat Texas, seien Stimmen durch den Wahlautomaten falsch zugeordnet worden. Der erste Mann sagt, er habe es selbst erlebt; der andere gibt an, es von zwei anderen Personen gehört zu haben. Das Video auf der linken Bildschirmhälfte zeigt parallel zu den Interviews einen Wahlautomaten, auf dem eine Person abstimmt und anschließend den gedruckten Stimmzettel in die Kamera hält. Englische Beiträge mit dem Video erreichten Millionen Aufrufe, deutsche Beiträge mehr als hunderttausend. Laut den meisten Beiträgen sei der angebliche Betrug zulasten von Donald Trump geschehen. In einigen deutschen Beiträgen hieß es zusätzlich, die Wahlautomaten seien von Dominion, einem kanadischen Unternehmen. Zunächst fällt auf: Der Wahlautomat im Video stammt nicht von Dominion, sondern, wie oben rechts an einem Schild zu erkennen ist, von Hart. Tarrant County, der Bezirk, in dem die Stadt White Settlement liegt, nutzt laut der offiziellen Webseite seit November 2019 das „Hart InterCivic Verity Voting System“. Die Wahl mit einem solchen Automaten funktioniert so: Man füllt an einem Gerät mit Touchscreen einen digitalen Wahlzettel aus. Anschließend kann man sowohl am Bildschirm als auch auf einem gedruckten Wahlzettel die eigenen Angaben überprüfen. Ist man damit zufrieden, schiebt man diesen Zettel in einen separaten Scanner – erst dann gilt die Stimme. Ein genauer Blick auf den Stimmzettel zeigt, dass das Video von dem Wahlautomaten keinen Bezug zur aktuellen US-Wahl hat. Dort steht als Datum der 5. November 2019. An diesem Datum gab es keine Präsidentschaftswahl, sondern in Texas wurde über zehn Verfassungsänderungen abgestimmt. Sämtliche auf dem Stimmzettel angegebenen Namen, wie etwa Doris James oder Clay Craig, gehören nicht zu echten Kandidatinnen oder Kandidaten. Auf dem Zettel ist zudem abgeschnitten der Begriff „Demonstration Election“ erkennbar. Unter einem viralen englischen X-Beitrag kommentiert der Nutzer, – nachdem sein Beitrag mit einer Community Note versehen wurde – dass es sich bei dem Video vom Wahlautomaten um eine Aufnahme zu Demonstrationszwecken der Behörde von Tarrant County handele. Mit dieser Information fanden wir das Originalvideo auf der Webseite von Tarrant County. Es wurde dort Ende August 2019 veröffentlicht, um zu zeigen, wie die neuen Wahlautomaten von Hart funktionieren. Das Video des Countys zeigt zwar einen größeren Ausschnitt, aber die Bewegungen der Hand und der Stimmzettel sind identisch mit dem Video in Sozialen Netzwerken. Das Video zeigt also keinen echten Stimmzettel, sondern ein Muster. Es hat keinen Bezug zur aktuellen US-Wahl und belegt auch keinen Wahlbetrug. Wie sieht es mit dem anderen Videoausschnitt aus, der die beiden Interviews zeigt? Lokalen Medien zufolge ist das Video aktuell und wurde offenbar am 21. Oktober 2024, dem Start der Wahlen in Texas, aufgenommen. Doch mehrere Behörden und Beamte dementierten, dass es Wahlbetrug zeigt. Am 22. Oktober erklärte die Wahlbehörde von Tarrant County in einer Pressemitteilung auf X: „Am ersten Tag der vorzeitigen Stimmabgabe wurden in Tarrant County mehr als 58.000 Stimmzettel für die allgemeinen Wahlen abgegeben. In einem gemeldeten Fall überprüfte ein Wähler seinen ausgedruckten Stimmzettel und stellte fest, dass seine Stimmabgabe für die Präsidentschaftswahl nicht korrekt wiedergegeben wurde.“ Es gab also lediglich einen Wähler, der ein Problem mit seinem Stimmzettel hatte, nicht mehrere. Der ursprüngliche Stimmzettel wurde laut der Wahlbehörde ungültig gemacht, der Wähler habe einen neuen Stimmzettel ausgefüllt. Die Wahlbehörde sehe keinen Grund zur Annahme, dass Stimmen durch das Wahlsystem vertauscht würden. Der republikanische Richter des Bezirks, Tim O’Hare, sagte am 23. Oktober gegenüber dem lokalen Nachrichtensender NBC 5, dass „ziemlich strenge Tests“ der Wahlautomaten durchgeführt worden seien. Auch er schrieb, dass die Meldung des Wählers ein Einzelfall gewesen sei. O’Hare bestätigte, dass das Wahlpersonal den einen Stimmzettel für ungültig erklärt habe und der Wähler danach seine Stimme abgegeben habe. „Wähler können in Tarrant County vertrauensvoll wählen“, schrieb er auf X. Auch der Wahlleiter des Bezirks, Clint Ludwig, bestätigte in einer Videobotschaft auf X, dass es – auch nach inzwischen 102.000 abgegebenen Stimmen – nur einen gemeldeten Vorfall gegeben habe. Laut Wahlleiter sei die falsche Auswahl auf dem Stimmzettel auf einen menschlichen Fehler zurückzuführen, nicht auf den Wahlautomaten. Die demokratische Bezirkskommissarin, Alisa Simmons, erklärte gegenüber NBC 5, dass es keinerlei Beweise für den behaupteten Wahlbetrug gebe. Dass Wahlautomaten nicht zuverlässig seien und Wählerstimmen vertauschten, ist eine weit verbreitete Behauptung bei US-Wahlen. Auch bei den Wahlen im Jahr 2020 wurde sie bereits verbreitet. Trump und sein Wahlkampfteam sowie der Sender Fox News warfen unter anderem dem Unternehmen Dominion immer wieder Wahlbetrug vor. Dominion klagte gegen Fox News wegen Verleumdung. Im April 2023 kam es zu einer außergerichtlichen Einigung, Fox News zahlte 787,5 Millionen Dollar an Dominion. Alle Faktenchecks zu Falschmeldungen und Gerüchten zur US-Wahl 2024 finden Sie hier. Redigatur: Viktor Marinov, Matthias Bau
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Paulina Thom
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Ein Video soll belegen, dass ein Wahlautomat bei der US-Wahl 2024 Stimmen für Donald Trump fälschlich für Kamala Harris zählte. Ein Faktencheck
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-11-07T16:46:05+01:00
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2024-11-07T16:46:05+01:00
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2024-11-07T16:46:05+01:00
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Ein Videozusammenschnitt von einem Wahlautomat und zwei Interviews belegten Wahlbetrug bei der US-Wahl 2024 in der Stadt White Settlement, Texas. Stimmen für Donald Trump seien vom Wahlautomaten fälschlich Kamala Harris zugeordnet worden.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2024-10-22 00:00:00
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https://t.me/LIONMediaNews/24333
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Falsch
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Das Video vom Wahlautomaten stammt von 2019 hat keinen Bezug zur US-Wahl 2024. Es handelte sich um ein Video zur Erklärung des Wahlautomaten – auf dem Stimmzettel sind keine echten Kandidatinnen oder Kandidaten zu sehen. Laut Behörden wurde in White Settlement ein Vorfall gemeldet, bei dem laut einem Wähler die Auswahl auf dem Automaten nicht mit dem gedruckten Stimmzettel übereinstimmte. Der Stimmzettel wurde für ungültig erklärt, der Wähler hat anschließend erneut gewählt. Laut Wahlbehörde, Wahlleiter sowie demokratischen und republikanischen Beamten des zuständigen texanischen Bezirks gab es keine Hinweise auf Wahlbetrug.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/07/harris-statt-trump-video-belegt-keinen-stimmentausch-durch-wahlautomaten-in-texas/
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Keine Ausweiskontrolle? Nein, in den USA können Menschen nicht mehrfach wählen
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Angeblich haben Menschen aus verschiedenen Ländern Rundreisen durch die USA gemacht und dabei immer wieder gewählt. Möglich sei das angeblich, weil der Ausweis zur Wahl nicht kontrolliert werde. Das kann aber nicht stimmen. von Steffen Kutzner Schon mehrere Tage vor der US-Wahl wollen einige Deutsche Rundreisen durch die USA gemacht und in mehreren Bundesstaaten gewählt haben – dutzende Male. Möglich sei das, weil in den USA kein Ausweis zum Wählen erforderlich sei. Das behaupten zumindest einige X-Nutzer. Ein anderer Nutzer behauptet, er sei Kanadier, aber in die USA gefahren, um für Trump zu stimmen. Ein angeblicher Franzose behauptete sogar, fast 1.600 Mal für den nicht mehr zur Wahl stehenden Joe Biden gestimmt zu haben. Die Behauptung ist offenbar als Scherz gemeint, einige nehmen sie jedoch ernst. Wahr sein kann nichts davon. Denn obwohl man zur Abstimmung am Wahltag nicht in jedem Bundesstaat einen Ausweis braucht und auch nicht unbedingt in den USA leben muss, ist mehrfaches Wählen nahezu unmöglich. „Man muss sich zwingend registrieren, um seine Stimme abgeben zu können“, wie uns Susan Dzieduszycka-Suinat, Vorsitzende der US Vote Foundation, per E-Mail erklärt. Und registrieren kann sich nur, wer US-Bürger und über 18 Jahre alt ist. So steht es unter anderem auf einer Webseite der US-Regierung. Nur weil bei der Wahl selbst oft kein Ausweis erforderlich ist, wie auch in Deutschland, bedeutet das also nicht, dass Personen mehrfach wählen könnten. Die Geschichten von den Dutzendfach abgegebenen Stimmen von Touristen können nicht richtig sein. Auf einer Informationsseite der US-Regierung heißt es zum Ablauf der Registrierung: „In den meisten Fällen benötigen Sie zur Wählerregistrierung entweder einen Führerschein oder einen Personalausweis. Wenn Sie keinen von beiden haben, können Sie möglicherweise andere Dokumente vorlegen, etwa einen Kontoauszug oder eine Stromrechnung“. Abgesehen davon gibt es Identifikations-Vorschriften für Erstwählerinnen und Erstwähler die sich per Post für die Wahl anmelden: Laut dem Help America Vote Act braucht es dafür entweder einen Lichtbildausweis, einen Kontoauszug, eine Strom-, Wasser- oder Gasrechnung oder Ähnliches. Es gibt Fälle, wo es Personen gelungen ist, mehrfach zu wählen. Das ist in den gesamten USA aber eine Straftat – darauf stehen bis zu 10.000 Dollar Geldstrafe, fünf Jahre Gefängnis oder beides. Eine Behauptung aus Dänemark wurde später vom Verfasser selbst aufgeklärt; er hatte behauptet, im Urlaub in den USA gewesen und dort für Trump gestimmt zu haben, ebenfalls weil es keine Ausweiskontrollen gebe. Später kommentierte er unter seinen eigenen Beitrag: „Aus Rechtsgründen: Das war ein Witz.“ Diese Erklärung haben 1,6 Millionen Menschen gesehen. Die erfundene Behauptung dagegen 16 Millionen. Alle Faktenchecks zu Falschmeldungen und Gerüchten zur US-Wahl 2024 finden Sie hier. Redigatur: Max Bernhard, Gabriele Scherndl
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Steffen Kutzner
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Menschen aus verschiedenen Ländern haben angeblich Rundreisen durch die USA gemacht und immer wieder gewählt. Das ist jedoch kaum möglich.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-11-07T14:05:56+01:00
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2024-11-07T14:05:56+01:00
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2024-11-20T16:08:15+01:00
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Man könne in den USA mehrfach bei den Präsidentschaftswahlen eine Stimme abgeben, weil niemand den Ausweis kontrolliere. Das sei auch möglich, wenn man gar keine US-Staatsbürgerschaft hat.
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Beiträgen auf X
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2024-01-11 00:00:00
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https://x.com/viedevincent/status/1852658372501229577%20
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Falsch
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Falsch. In den USA darf nur wählen, wer die US-Staatsbürgerschaft hat. Legal kann man auch nicht mehrfach wählen.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/07/keine-ausweiskontrolle-nein-in-den-usa-koennen-menschen-nicht-mehrfach-waehlen/
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US-Wahl 2024: Wahlbetrugs-Video über zerrissene Stimmzettel für Trump in Pennsylvania ist fake
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Ein virales Video soll belegen, dass in Bucks County, Pennsylvania, Stimmzettel für Donald Trump zerrissen wurden. Doch das Video ist laut Angaben der lokalen Behörden fake, laut FBI ist es Teil einer russischen Desinformationskampagne. von Paulina Thom Ein Video in Sozialen Netzwerken zeigt eine Person, die scheinbar Stimmzettel für die US-Wahl öffnet. Die Stimmzettel für Donald Trump werden zerrissen, solche für Kamala Harris werden zurück in den Umschlag gesteckt. Immer wieder sagt die Person: „Fuck, Donald Trump.“ Dazu heißt es auf Englisch bei X: „Alarmierender Bericht: Eine Person wurde dabei beobachtet, wie sie republikanische Stimmen zerriss, während sie die Stimmen der Demokraten in Bucks County, Yardley Borough, PA, behielt.“ PA ist die Abkürzung des US-Bundesstaats Pennsylvania, Bucks County der Name eines dortigen Bezirks und Yardley der Name einer Gemeinde, in der Nähe der Stadt Philadelphia. Das Video und die Behauptung kursierten international auf Tiktok, Youtube, Telegram und Facebook. Viele Beiträge sind mittlerweile gelöscht, doch Screenshots belegen: Das Video erreichte Hunderttausende. „Wahlbetrug wie 2020“, heißt es in einem deutschen Beitrag. „Dieses schockierende Bildmaterial muss sofort untersucht werden!“, fordern andere. Unsere Recherche zeigt: Das Video belegt keinen Wahlbetrug. Laut der örtlichen Wahlbehörde ist es inszeniert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt aktuell und Geheimdiensten zufolge ist das Video Teil einer russischen Desinformationskampagne. Über eine Bilder-Rückwärtssuche fanden wir eine längere Version des Videos auf Youtube. Hier sagt die Person im Video, dass sie in Bucks County sei. Überprüfen lässt sich das nicht. In dem Video sind keine Szenen sichtbar, die einen Rückschluss auf einen bestimmten Ort ermöglichen. Auf den Umschlägen ist die Verwaltung des Bezirks als angeblicher Absender zu erkennen, genauer: das „County Board of Elections“, der Bezirkswahlvorstand. Der Wahlvorstand von Bucks County warnte jedoch am 24. Oktober vor dem Video. Auf der Webseite heißt es in einer Meldung: „Dem Wahlvorstand von Bucks County ist ein Video bekannt, das heute Nachmittag in den sozialen Medien kursierte und angeblich zeigen soll, wie Briefwahlzettel aus Bucks County geöffnet und vernichtet werden. Dieses Video ist gefälscht.“ Bei dem gezeigten Umschlag und den Materialien handele es sich „eindeutig nicht um authentisches Material“, heißt es weiter. Das Video sei zudem den Strafverfolgungsbehörden gemeldet worden. Ein Abgleich mit den offiziellen Briefwahlunterlagen auf der Webseite des Bezirks belegt, dass die im Video gezeigten Unterlagen anders aussehen. Der grüne Streifen an der linken Seite des Umschlags ist im Original viel heller als im Video. Auf dem echten gelben Umschlag mit dem Stimmzettel steht außerdem einmal „Official Election Ballot”, im Video ist der Umschlag damit hingegen mehrfach bedruckt. Auf dem offiziellen Umschlag gibt es auch keine „return“, also Rücksendeadresse. Auch das republikanische Komitee in Bucks County, das Wahlkampf für Donald Trump macht, bezeichnete das Video als fake. In einem Facebook-Beitrag vom 24. Oktober schrieb es unter anderem, dass kein Mitarbeiter des Wahlamtes der Beschreibung der Person im Video entspreche. „Außerdem wurden und werden bis zum Wahltag am 5. November keine Briefwahl- oder Briefwahlunterlagen geöffnet und ausgezählt. Wir halten dies für eine Desinformation, die darauf abzielt, den Wählern Angst einzujagen“, schrieb das Komitee. Die Staatsanwaltschaft von Bucks County teilte am 24. Oktober in einer Stellungnahme zu dem Video mit: „Unsere Untersuchung hat ergeben, dass dieses Video gefälscht wurde, um das Vertrauen in die bevorstehende Wahl zu untergraben. Unser Büro steht in Kontakt mit dem Federal Bureau of Investigation, das versuchen wird, die Quelle dieses gefälschten Videos ausfindig zu machen.“ In einer gemeinsamen Stellungnahme vom 25. Oktober erklärten das Office of the Director of National Intelligence, das Federal Bureau of Investigation, und die Cybersecurity and Infrastructure Security Agency, dass „russische Akteure“ das Video erstellt und verbreitet hätten. „Diese russische Aktivität ist Teil der umfassenderen Bemühungen Moskaus, unbegründete Fragen zur Integrität der US-Wahlen zu stellen und Spaltungen unter den Amerikanern zu schüren“, heißt es in der Stellungnahme. Darren Linvill, Professor a Media Forensics Hub der Clemson University in South Carolina, ordnete das Video auf X dem russischen Desinformationsnetzwerk Storm-1516 zu, das er und sein Team im Herbst 2023 laut Medienberichten aufgedeckt hatten. Einer Auswertung von NBC News nach streute das Netzwerk seitdem mindestens 50 falsche Narrative. Ziel sei es unter anderem, die Wiederwahl von Donald Trump zu unterstützen, damit – wie Trump ankündigte – die Militärhilfe für die Ukraine eingestellt werde. Alle Faktenchecks zu Falschmeldungen und Gerüchten zur US-Wahl 2024 finden Sie hier. Redigatur: Sophie Timmermann, Kimberly Nicolaus
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Paulina Thom
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Ein Video soll Wahlbetrug in Bucks County in Pennsylvania bei der US-Wahl 2024 belegen. Doch die Aufnahme ist laut Behörden inszeniert.
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"Faktencheck",
"Politik"
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Politik
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2024-11-04T14:56:19+01:00
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2024-11-04T14:56:19+01:00
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2024-11-11T11:56:54+01:00
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Ein Video belege Wahlbetrug bei der US-Wahl 2024. Briefwahl-Stimmzettel für Trump seien in Bucks County in Pennsylvania geöffnet und zerrissen worden.
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Beiträgen in Sozialen Netzwerken
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2024-10-24 00:00:00
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https://t.me/QFSQwantum/68304
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Falsch
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Falsch. Das Video ist laut der örtlichen Wahlbehörde und mehreren US-Behörden fake, die Briefwahlumschläge für die US-Wahl 2024 in Bucks County, Pennsylvania, sehen anders aus. Laut dem dortigen republikanischen Komitee arbeitet bei dem Wahlamt auch keine Person, die auf die Beschreibung im Video passt. Laut US-amerikanischen Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden ist das Video Teil einer russischen Desinformationskampagne.
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https://correctiv.org/faktencheck/2024/11/04/us-wahl-2024-wahlbetrugs-video-ueber-zerrissene-stimmzettel-fuer-trump-in-pennsylvania-ist-fake/
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